Frauen im Ersten Weltkrieg


Dossier / Travail de Séminaire, 1997

24 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0. Fragestellung: Trug das Unterstützungssystem 1914/18 dazu bei, die Rolle
der Frau in Familie und Gesellschaft zu verändern?

1. Gesetzliche Grundlagen zur Familienunterstützung
1.1. Gesetzgebung vor Kriegsbeginn
1.2. Gesetzgebung im Krieg

2. Der Nationale Frauendienst

3. Die Aufnahme einer Erwerbsarbeit

4. Fazit: Emanzipation auf Zeit

5. Quellen und Literatur

0. Fragestellung: Trug das Unterstützungssystem 1914/18 dazu bei, die Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft zu verändern?

Kriege in unserem Jahrhundert sind nicht mehr reine Männersache. Dies verdeutlicht schon das Begriffspaar "Front" und "Heimatfront". Während die Männer dem Staat im aktiven Kampf dienen, ist es die Aufgabe der Frau, Haus und Hof aufrechtzuerhalten und sich um die Familie zu kümmern, so daß der Mann bei Kriegsende in sein trautes Heim zurückkehren kann, als ob nichts gewesen wäre. Dies ist natürlich der Idealfall, dessen Realisierung das Kaiserreich anstrebte. Staatliche Gesetzgebungen, wie die Familienunterstützung für Frauen und Angehörige von Soldaten, sollten vor allem das überkommene Familienmodell des Ehemanns als Ernährer der Familie über den Krieg hinweg erhalten. Im Krieg fiel jedoch der männliche Ernährer weg. Die Frauen mußten nach Mitteln und Wegen suchen, ihre Familie zu versorgen.

In dieser Arbeit sollen nun die verschiedenen Unterstützungen, Beihilfen, Fürsorgeeinrichtungen und sonstigen Geldquellen staatlicher, kommunaler oder privater Art, vorgestellt werden. Einen großen Raum nimmt hierbei die Familienunterstützung ein. Das System der Arbeitgeber und Gewerkschaftsbeihilfen, die in Einzelfällen recht großzügig ausfallen konnten, sollen hier nur angerissen werden, da eine eingehendere Analyse den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Es soll jedoch auf die weibliche Lohnarbeit im Krieg Bezug genommen werden, da deren Bedeutung bis in die jüngste Forschung hinein nur höchst selten angezweifelt wird. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob das Unterstützungssystem dazu beigetragen hat, die Rolle der Frau in der Familie und dem Staat gegenüber zu verändern.

Die Familienunterstützung, das in diesem Zusammenhang wichtigste Mittel staatlichen Eingriffs in die finanzielle Versorgung der Familie, soll im ersten Kapitel dieser Arbeit näher erörtert werden. Als nächstes wird der Nationale Frauendienst, der hauptsächlich aus der bürgerlichen und sozialistischen Frauenbewegung entstand, mit seinen vielfältigen Hilfseinrichtungen für die Kriegerfrauen vorgestellt. Daran anschließend folgt die Betrachtung des Arbeitsmarktes. Es muß untersucht werden, ob und aus welchen Gründen während des Krieges mehr Frauen eine Lohnarbeit annahmen. In diesem Kontext muß noch einmal die Familienunterstützung betrachtet werden, die staatlicherseits als Arbeitsmarktinstrument eingesetzt wurde. Auch dieser Themenkomplex soll auf seine Bedeutung in Bezug auf einen eventuellen Wandel der gesellschaftlichen Position der Frau durch den Krieg hin untersucht werden.

Die Erforschung der Situation der Frau im Ersten Weltkrieg ist erstmals ausführlich von Ute Daniel geleistet worden.[1] Sie untersuchte die Veränderungen, die der Erste Weltkrieg für die Arbeits- und Lebensverhältnisse der städtischen Arbeiterfrauen mit sich brachte. Birthe Kundrus erweiterte die Perspektive, indem sie auch die ländlichen und mittelständischen Ehefrauen von Einberufenen in die Untersuchung einbezog, sowie die Aktivitäten der bürgerlichen Frauenbewegung hinsichtlich der Kriegsfürsorge.[2] Hinzu kommt, daß sie im Gegensatz zu Ute Daniel die Familienunterstützung als familienpolitisches Instrument begreift, welches nicht nur eine finanzielle Absicherung leisten sollte, sondern auch eine bestimmte Struktur von Geschlechterbeziehungen und Familienleben zu rekonstruieren hatte.

1. Gesetzliche Grundlagen zur Familienunterstützung

Die Idee, die Angehörigen von Eingezogenen in Kriegszeiten staatlich zu unterstützen, ist nicht erst bei Kriegsausbruch gesetzlich festgelegt worden. Vielmehr muß man sie als Bestandteil der Sozialgesetzgebung, die im 19. Jahrhundert immer weiter ausgeweitet wurde, sehen. Da die Grundlagen für die staatliche Familienunterstützung, wie sie im Ersten Weltkrieg praktiziert wurde, auf diesen um 1850 erstmals festgesetzten Regelungen beruhen, soll zunächst die preußische Gesetzgebung im ausgehenden 19. Jahrhundert behandelt werden.

1.1. Gesetzgebung vor Kriegsbeginn

1850 wurde das erste preußische Gesetz zur Familienunterstützung verabschiedet. In der Begründung hieß es:

"Der Zweck dieses Gesetzes ist nicht die Abwendung aller Nachteile von den Angehörigen der zum Dienst einberufenen Mannschaften der Reserve und der Landwehr, sondern nur darauf gerichtet, den letzteren ihre Pflichterfüllung soweit zu erleichtern, als dies unumgänglich notwendig ist, um ihre in der Heimat zurückbleibenden Familien nicht darben zu lassen. Auch darf man in der gemachten Beziehung nicht zu weit gehen, um bei den unterstützten Personen nicht die jetzt schon mitunter geäußerte Meinung zu erregen, daß sie während der Abwesenheit ihres Ernährers gar nichts für die Beschaffung des Unterhalts zu tun brauchen."[3]

Drei wesentliche Ziele, die auch noch 1914/18 Gültigkeit haben sollten, verfolgte der preußische Staat mit den Gesetzen. An erster Stelle sollte die Wehrfreudigkeit der an der Front kämpfenden Soldaten gesteigert werden. Sie sollten sich voll auf den Kampf konzentrieren können, ohne sich Sorgen um das Überleben der Daheimgebliebenen machen zu müssen. Zweitens beabsichtigte man, das immer noch vorherrschende und nicht in Frage gestellte Familienernährermodell aufrechtzuerhalten. Der Mann sorgte im Kaiserreich seit jeher für das Einkommen und die Frau war an den heimischen Herd gebunden. Während der Kriegszeit sollte nun also der Staat in die männliche Ernährerrolle einspringen. Drittens sollten die Frauen aber nicht glauben, daß der Staat für ihr gesamtes Auskommen aufkommen würde und sie nichts für die Beschaffung des Unterhalts tun brauchten. Die Unterstützung sollte idealerweise vielmehr nur so hoch ausfallen, daß der Mindestbedarf gedeckt wäre, der Selbsthilfewillen der Frauen jedoch aufrechterhalten bliebe.

In den beiden letzten Punkten erkennt man die Gradwanderung, die der Staat bei der Verteilung der Unterstützung zu vollziehen hatte. Gab man den Frauen zu viel Geld, so war die Überlegung, würden sie das vom Mann unabhängige Leben zu sehr genießen, so daß sie sich nach dem Krieg nicht mehr in die alten Familienstrukturen einfügen wollten. Der preußische Staat hatte Angst, daß sich die Frauen zu sehr emanzipierten und auch nach dem Krieg für ihre Hausarbeit bezahlt werden wollten. Die Gefahr einer Emanzipation oder zumindest einer größeren Unabhängigkeit der Frau von ihrem Mann bestand aber auch, wenn zuwenig Unterstützung gezahlt würde. In diesem Falle wären die Frauen nämlich gezwungen arbeiten zu gehen und so könnten sie das Verdienen von eigenem Geld schätzen lernen.

Ein weiteres Problem bildete die Finanzierung der Kriegsunterstützung. Im 19. Jahrhundert oblag die Verantwortlichkeit für die Versorgung Bedürftiger allein den Kommunen. Diese Regelung hatte sich schon während der Teilmobilisierung der Landwehr 1839/40 als unzulänglich erwiesen.[4] Im Laufe der Ereignisse von 1848/49 stellte sich dann heraus, daß selbst mit der Zuhilfenahme von privaten Unterstützungsvereinen, die zwei Dritteln aller Landwehrbataillonsbezirken angegliedert waren, eine nur ungenügende Hilfeleistung erbracht werden konnte.[5] Dennoch sah die gesetzliche preußische Regelung zur Familienunterstützung vor, daß die Kreise und kreisfreien Städte, die zwar die den Kommunen gegenüber leistungsfähigeren Einheiten bildeten, einen Mindestsatz an die Familien Einberufener zu zahlen hatten. Eine Rückvergütung durch den Staat war nicht vorgesehen. Diese Tatsache hielt die Kommission der ersten Preußischen Kammer jedoch nicht davon ab, gerade die soziale Verantwortung des Preußischen Staates besonders herauszustellen. Sie erkannte das Unterstützungsgesetz als "einen Akt der politischen Notwendigkeit, des Patriotismus und der Nationalehre. Sie weist die Idee zurück, welche die hilfsbedürftige Familie des Kriegers der Kategorie der Ortsarmen zugesellen könnte und erachtet es für ebenso unrühmlich als unzureichend, sie der Privatwohltätigkeit zu überlassen."[6]

1867 wurde das Gesetz auf den Norddeutschen Bund übertragen, eine Reihe von süddeutschen Staaten kamen in den Folgejahren hinzu. Da man 1870/71 erkennen mußte, daß trotz gesetzlicher Familienunterstützung und Privatfürsorge immer mehr Menschen der untersten Auffanginstitution, nämlich der Armenhilfe, anheimfielen, bewilligte das Reich die Erstattung der Mindestsätze an die Kreise innerehalb des Norddeutschen Bundes aus Mitteln der französischen Kriegskontribution. Knapp 25 Millionen Mark überwies das Reich in der Folge an die Einzelstaaten.[7] Wir haben es seit dem Deutsch-Französischen Krieg also mit einem Mischsystem aus staatlichen, kommunalen und privaten Finanzleistungen zu tun. Hierin liegt schon das Problem begründet, welches im Ersten Weltkrieg erst richtig zum Tragen kommen sollte: der Dualismus von Reich und Kreisen/Städten. Der Staat behielt sich vor, nur die Mindestsätze zurückzuzahlen und dies auch erst nach dem Krieg. Man rechnete ja immer mit einem siegreichen Ausgang und spekulierte auf die Kontributionszahlungen. Während des Krieges brauchte man alles zur Verfügung stehende Geld für die Deckung der direkten Kriegskosten. Daß den Kreisen nur die Mindestsätze zurückerstattet werden sollten, begründete das Reich damit, daß ihm eine Kontrollmöglichkeit darüber, ob die Kreise und Städte tatsächlich jeweils die Familienunterstützung nur bis zu der ihnen zur Auflage gemachten Hebung der Bedürftigkeit aufgestockt hätten, nicht zur Verfügung stehe. Als Folge daraus scheuten sich die Kreise, über die Mindestsätze hinauszugehen, da sie nur diese voraussichtlich zurückerhalten würden.

[...]


[1] Daniel, Ute, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft, Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 84, Göttingen, 1989, zugl.: Bielefeld, Univ., Diss., 1986.

[2] Kundrus, Birthe, Kriegerfrauen. Familienpolitik und Geschlechterverhältnisse im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 32, Hamburg, 1995.

[3] Begründung des Gesetzesentwurfs vom 27.2.1850, zit. nach: Hoffmann, Margerete, Das Gesetz betreffend die Unterstützung von Familien in den Dienst eingetretener Mannchaften vom 28.2.1888/4.8.1914 und seine Anwendung, Berlin, 1918, 19.

[4] Vergl.: Daniel, 170.

[5] Dies und folgendes nach Hoffmann, 19ff..

[6] Zit. nach Mitteilungen der Zentralstelle des deutschen Städtetages 5, 1915, Nr. 4, Sp. 124.

[7] Daniel, 171.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Frauen im Ersten Weltkrieg
Université
University of Paderborn  (Neuere Geschichte)
Cours
HS: Die Entstehung des modernen Sozialstaates in Deutschland
Auteur
Année
1997
Pages
24
N° de catalogue
V11461
ISBN (ebook)
9783638176194
ISBN (Livre)
9783638641845
Taille d'un fichier
457 KB
Langue
allemand
Annotations
Keine Note, da die Arbeit wegen eines Studienplatzwechsels nicht abgegeben wurde. 200 KB
Mots clés
Frauen, Ersten, Weltkrieg, Entstehung, Sozialstaates, Deutschland
Citation du texte
Simone Ernst (Auteur), 1997, Frauen im Ersten Weltkrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11461

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