Betrachtung des Konstrukts Intelligenz aus psychologischer Sicht sowie dessen praktische Anwendung auf die Personalauswahl und -entwicklung


Essay, 2021

13 Seiten, Note: 1,7

Katja Meyer (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsbestimmung: Intelligenz
2.2 Intelligenzmodelle

3 Praktische Anwendung des Konstrukts Intelligenz in der Personalauswahl und - entwicklung

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Das Geheimnis des Erfolges von Apple ist, dass wir außergewöhnlich viel Aufwand betrieben haben, um die besten Leute der Welt einzustellen.“ (Thiemann & Horn, 2016, S. 1) Mit diesem Zitat wollte der Apple Gründer Steve Jobs verdeutlichen, dass sich ein hoher Aufwand bezüglich der Gestaltung der Personalauswahl in dem Unternehmenserfolg widerspiegelt. Jedes Unternehmen verfolgt grundsätzlich das Ziel, den am besten geeigneten Mitarbeiter für eine zu besetzende Stelle zu finden. Besonders auch im produzierenden Gewerbe spielt die Qualität der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Es werden entsprechende Fähigkeiten und Fachkenntnisse benötigt, aber auch die Persönlichkeit ist von großer Bedeutung. (Thiemann & Horn, 2016)

Vor diesem Hintergrund wird in diesem Essay folgende Forschungsfrage beleuchtet: Ist Intelligenz ein geeignetes Konstrukt für die Gestaltung der Personalauswahl und -entwicklung? Und falls ja: Was lässt sich daraus für die betriebliche Praxis ableiten?

Aufgrund dessen wird in dieser Arbeit das Thema Intelligenz näher betrachtet. Zu Beginn wird im zweiten Kapitel durch eine Definition des Begriffs Intelligenz sowie der Vorstellung von verschiedenen Intelligenzmodellen ein Überblick zu der Thematik gegeben.

Um die Forschungsfrage zu untersuchen, wird im darauffolgenden dritten Kapitel erläutert, ob die Intelligenz gemäß der aktuellen Forschung ein geeignetes Konstrukt für die Gestaltung der Personalauswahl und -entwicklung darstellt, welche Testverfahren für dieses Konstrukt eingesetzt werden können und welche Chancen und Grenzen diese mit sich bringen.

Zum Abschluss dieser Arbeit erfolgt ein Fazit.

2 Theoretischer Hintergrund

Bereits vorliegende Forschungsergebnisse wurden für die theoretische Grundlage dieser Arbeit herangezogen. In den beiden nachfolgenden Abschnitten wird zunächst auf verschiedene Definitionen für den Begriff Intelligenz sowie anschließend auf drei führende Intelligenzmodelle in der Psychologie eingegangen.

2.1 Begriffsbestimmung: Intelligenz

Bis heute existiert in der psychologischen Forschung keine einheitliche, sondern zahlreiche verschiedene Definitionen für den Begriff Intelligenz. (Lohaus & Vierhaus, 2015)

Während der deutsche Psychologe William Stern bereits 1912 die kognitive Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten als wesentliches Merkmal der Intelligenz ansieht (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019), legt Wenzl 1957 den Fokus auf die Semantik, genauer gesagt auf die Fähigkeit zur Erfassung und Herstellung von Bedeutungen und Sinnzusammenhängen. (Preckel & Brüll, 2008) Für Wechsler bedeutet Intelligenz darüber hinaus die Fähigkeit vernünftig zu denken. (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019) Für Gardner hat das kulturelle Umfeld zudem einen Einfluss auf die Intelligenz. (Achouri, 2014)

Der britische Forscher Spearman stellte 1927 fest, dass bei der Intelligenz so viele Facetten eine Rolle spielen, dass es überhaupt keine Definition dafür gibt. (Luczak, 1998)

Zudem ist für den amerikanischen Psychologen Edwin G. Boring (1923, S. 35-37) „Intelligenz das, was der Intelligenztest misst“. Boring bringt damit die eigentliche Kernproblematik auf den Punkt, denn bei einem Intelligenztest müssen die einzelnen Aufgaben gewichtet werden, um schlussendlich ein Ergebnis zu erhalten. Es hängt daher bei solchen quantitativen Verfahren stark von der Konzeption des Testes sowie der Gewichtung der einzelnen Facetten ab, ob am Ende das Konstrukt Intelligenz gemessen wird. (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich bei Intelligenz um ein Konstrukt handelt. Das bedeutet, Intelligenz ist ein Merkmal, welches nicht beobachtbar ist. (Diagnostik- und Testkuratorium [TDK], 2018) Als Gemeinsamkeit lässt sich erkennen, dass es sich bei Intelligenz um verschiedene Bereiche kognitiver Leistungsfähigkeit handelt, die zur Lösung komplexer Probleme benötigt werden. (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019)

2.2 Intelligenzmodelle

Aufgrund der Vielzahl von Definitionen existieren auch unterschiedliche Intelligenzmodelle. (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019)

Nachfolgend wird in diesem Kapitel auf drei der einflussreichsten Intelligenzmodelle in der Psychologie von Spearman, Thurstone und Cattell eingegangen. (Holling, Preckel & Vock, 2004)

Spearman formuliert 1904 die Generalfaktoren-Theorie beziehungsweise das Zwei-Faktoren-Modell. (Holling, Preckel & Vock, 2004) Gemäß Spearman besteht die Intelligenz aus zwei Komponenten, zum einen aus einem Generalfaktor g und zum anderen aus mehreren spezifischen Faktoren s. Während der Generalfaktor die allgemeine Intelligenz eines Menschen darstellt und an allen intellektuellen Leistungen beteiligt ist, bestehen die spezifischen Faktoren aus unterschiedlichen Facetten wie zum Beispiel der sprachlichen oder mathematischen Leistung sowie der Denkfähigkeit, welche unabhängig voneinander sind. (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019) Der Generalfaktor beeinflusst daher stark die spezifischen Faktoren sowie die gesamte Denk- und Lernfähigkeit eines Menschen. Spearman geht davon aus, dass alle intellektuellen Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen auf der gemeinsamen Basis der allgemeinen Intelligenz entstehen. (Lohaus & Vierhaus, 2015) Beobachtungen erwiesen jedoch, dass bestimmte Leistungen stärker miteinander korrelieren als durch den Generalfaktor anzunehmen wäre. Es scheint demnach, dass die Erklärung mit zwei Faktoren unzureichend ist. (Holling, Preckel & Vock, 2004)

Doch gemäß dem Primärfaktorenmodell Primary Mental Abilities von dem amerikanischen Forscher Louis Thurstones aus dem Jahre 1938 gibt es wiederum keine allgemeine Intelligenz im Menschen, sondern viele verschiedene Facetten von einzelnen Intelligenzformen, die gemeinsam die Intelligenz bilden. (Lohaus & Vierhaus, 2015) Er unterteilt diese sieben Primärfaktoren in verbales Verständnis, Wortflüssigkeit, schlussfolgerndes Denken, räumliches Vorstellungsvermögen, Merkfähigkeit, Rechenfähigkeit, Wahrnehmungsgeschwindigkeit. (Holling, Preckel & Vock, 2004) Diese weisen zwar gewisse Überschneidungen auf, im Kern sind sie jedoch unabhängig voneinander. Daher kann zwar ein Durchschnittswert gebildet werden, dieser stellt jedoch keine allgemeine Intelligenz dar. Denn zwei Menschen können denselben Durchschnittswert besitzen und sich dennoch grundlegend im Rahmen ihrer Intelligenz unterscheiden. Während die eine Person zum Beispiel in der Facette Wortflüssigkeit einen hohen Wert und in der Facette Rechenfähigkeit einen niedrigen Wert aufweist, kann dies bei der anderen Person genau umgekehrt sein. Die beiden Personen unterscheiden sich daher in den verschiedenen Facetten der einzelnen Intelligenzformen voneinander und zusammen ergeben diese ein Intelligenzprofil. (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019)

Raymond B. Cattell, ein Schüler Spearmans, vertrat 1957 die Vorstellung, dass es genau zwei Generalfaktoren von Intelligenz gibt, die unabhängig voneinander sind. Er unterscheidet die kristalline und die fluide Intelligenz. (Holling, Preckel & Vock, 2004) Alles, was der Mensch weiß und kann sowie von ihm beeinflusst und gesteuert werden kann, bezeichnet Cattell als kristalline beziehungsweise verfestigte Intelligenz. Durch beispielsweise Allgemeinbildung, Alltagserfahrungen oder Erweiterung des Wortschatzes kann sich der Mensch im Laufe des Lebens beliebig viel Wissen erwerben und anhäufen. (Urhahne, Dresel & Fischer, 2019) Daher steigt die kristalline Intelligenz im Laufe des Lebens und nimmt, wenn überhaupt, erst im sehr hohen Alter ab. (Lohaus & Vierhaus, 2015) Die fluide beziehungsweise flüssige Intelligenz hingegen ist nicht durch den Menschen beeinflussbar beziehungsweise gezielt steuerbar, denn sie ist laut Cattell angeboren und genetisch bedingt. Sie ermöglicht uns die Alltagsbewältigung durch die Fähigkeiten des logischen Denkens, des generellen Problemlösens sowie des Erlernens von Neuem und vereint das induktive und deduktive Denken. (Holling, Preckel & Vock, 2004) Bereits im frühen Erwachsenenalter hat der Mensch sein höchstes Leistungslevel erreicht, danach wird die fluide Intelligenz schwächer und verfällt. (Lohaus & Vierhaus, 2015) Durch gezieltes Gedächtnistraining kann der Verfall verzögert werden. (Lehmann & Jüling, 2020) Cattell entwickelte die Annahme, dass die fluide Intelligenz die Voraussetzung für die kristalline Intelligenz ist. (Holling, Preckel & Vock, 2004)

Auf diesen drei Modellen basieren unter anderem die heutigen Intelligenztestverfahren, auf die im nächsten Kapitel eingegangen wird. (Holling, Preckel & Vock, 2004)

3 Praktische Anwendung des Konstrukts Intelligenz in der Personalauswahl und -entwicklung

Während in der Personalauswahl davon ausgegangen wird, dass eine Stabilität von Verhalten und Eigenschaften in der Person und Situation vorliegt, besteht in der Personalentwicklung die Grundannahme, dass die Verhaltensweisen und Eigenschaften in der Person und Situation veränderbar sind. Bei der Personalauswahl wird durch die Selektionsstrategie klassischerweise ein geeigneter Bewerber von vielen für eine zu besetzende Stelle ausgewählt. Eine andere mögliche Vorgehensweise wäre einer vorhandenen Person eine passende Stelle zuzuordnen. In der Personalentwicklung werden mithilfe der Modifikationsstrategie entweder Personen oder Bedingungen verändert. Zum Beispiel können Weiterbildungsmaßnahmen den Personen Kompetenzen vermitteln oder Trainings eine Änderung ihres Verhaltens erzielen. Eine Veränderung der Bedingungen, dabei ist meist die Situation gemeint, kann beispielsweise die Umgestaltungen eines Büro-Arbeitsplatzes zu einem Home-Office-Arbeitsplatz darstellen. (TDK, 2018)

Bevor eine konkrete Wahl eines Verfahrens für die Personalauswahl oder -entwicklung getroffen werden kann, ist eine Anforderungsanalyse erforderlich. Diese beinhaltet eine konkrete Tätigkeitsbeschreibung der zu besetzenden Stelle und befasst sich mit der Frage, welche Leistungsvoraussetzungen wie Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie weitere Merkmale der zukünftige Stelleninhaber aufweisen muss. Die Anforderungsanalyse stellt die Grundlage für die Personalauswahl oder -entwicklung dar. Sie kann arbeitsanalytisch-empirisch, personenanalytisch-empirisch oder erfahrungsgeleitet-intuitiv erfolgen. (Krause, 2017) Denn erst mithilfe der Anforderungsanalyse kann festgestellt werden, welche intellektuelle Fähigkeit für eine offene Stelle von Bedeutung ist. (TDK, 2018) Erst im Anschluss daran erfolgt die eigentliche Personalauswahl oder -entwicklung, anhand der, durch die Anforderungsanalyse festgestellten, erforderlichen Personenmerkmale für die Tätigkeit. (Krause, 2017)

Unabhängig von der Wahl des Verfahrens für die Personalauswahl und -entwicklung ist die Einhaltung der drei Hauptgütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität für die Qualität des Testverfahrens von großer Bedeutung. Objektivität bedeutet die Unabhängigkeit der Testergebnisse von dem Beobachter und der Situation. Reliabilität gibt den Grad der Genauigkeit des Verfahrens, mit der eine bestimmte Persönlichkeitseigenschaft gemessen wird, an. Ein Testverfahren ist immer dann valide, wenn es die Eigenschaft, die es vorgibt zu messen,wie zum Beispiel Intelligenz, auch tatsächlich misst. (Bühner, 2011)

Die Validität unterteilt sich in Inhaltsvalidität, Konstruktvalidität und Kriteriumsvalidität, wobei die beiden letzteren bei der Eignungsdiagnostik eine bedeutende Rolle spielen. (Kauffeld, 2019)

Zeitlich ziemlich stabile Persönlichkeitsmerkmale, wie die Intelligenz, werden mithilfe von eigenschaftsorientierten Verfahren durch psychologische Tests erfasst. Bei diesem Verfahren wird das Merkmal in erster Linie bezüglich dessen Konstruktionsvalidität geprüft. Diese ist gegeben, sofern ein Verfahren das zu untersuchende Merkmal so misst, dass dies mit den vorhandenen Theorien übereinstimmt. Neben Persönlichkeits- und Integritätstests zählen Leistungstests wie Intelligenztests zu den eigenschaftsorientierten Personalauswahlverfahren. (Kauffeld, 2019)

Die Kriteriumsvalidität unterteilt sich in die prädikative und inkrementelle Validität. Die prädikative Validität dient zur Vorhersage des zukünftigen Verhaltens oder der zukünftigen Leistung. (Bühner, 2011) Durch die Metaanalyse von Schmidt und Hunter (1998) haben sich Intelligenztests (r = .51)1 als valider Prädiktor zur Vorhersage des Berufserfolges erwiesen. In Deutschland zeigt sich ein ausschlaggebender Zusammenhang zwischen allgemeinen kognitiven Fähigkeiten und der beruflichen Leistung. (Kauffeld, 2019) Die inkrementelle Validität, auch Zuwachsvalidität genannt, bezeichnet den Beitrag, den ein weiterer Prädiktor über einen bereits vorhandenen Prädiktor hinaus zur Prognose eines Kriteriums leistet. Das heißt zusätzliche Verfahren zu einem Intelligenztest können die Zuverlässigkeit der Prognose des Berufserfolges sogar noch steigern. (Bühner, 2011) Dafür eignen sich Integritätstests mit einem Validitätszuwachs von 27 %, Arbeitsproben mit einem Validitätszuwachs von 24 %, strukturierte Einstellungsinterviews mit einem Validitätszuwachs von 24 % und Gewissenhaftigkeitstest mit einem Validitätszuwachs von 18 %. (Schmidt & Hunter, 1998) Durch eine Kombination von verschiedenen Verfahren kann das Risiko von Fehlentscheidungen verringert sowie die Komplexität der Person erfasst werden. (Nachtwei & Schermuly, 2009)

[...]


1 Der Validitätskoeffizient r gibt an, wie hoch der Zusammenhang des Prädiktors ( hier der Intelligenztest) mit dem Zielkriterium (hier dem Berufserfolg) ist.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Betrachtung des Konstrukts Intelligenz aus psychologischer Sicht sowie dessen praktische Anwendung auf die Personalauswahl und -entwicklung
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinnützige GmbH, Hochschulstudienzentrum Hamburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
13
Katalognummer
V1146601
ISBN (eBook)
9783346525567
ISBN (Buch)
9783346525574
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Intelligenz, Personalauswahl, Personalentwicklung, Konstrukt, Psychologie, Intelligenzmodelle, Spearman, Thurstone, Cattell, Generalfaktoren-Theorie, Zwei-Faktoren-Modell, Primärfaktorenmodell, Primary Mental Abilities, kristalline Intelligenz, fluide Intelligenz, Generalfaktor, spezifische Faktoren, Selektionsstrategie, Modifikationsstartegie, Anforderungsanalyse, Gütekriterien, Objektivität, Reliabilität, Validität, Persönlichkeitsmerkmal, Intelligenztest, Persönlichkeit, Persönlichkeitseigenschaft, Inhaltsvalidität, Konstruktvalidität, Kriteriumsvalidität, prädikative Validität, inkrementelle Validität
Arbeit zitieren
Katja Meyer (Autor:in), 2021, Betrachtung des Konstrukts Intelligenz aus psychologischer Sicht sowie dessen praktische Anwendung auf die Personalauswahl und -entwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1146601

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