Was ist von einer Vollgeldreform zu halten?

Das Geldschöpfungsprivileg privater Banken kritisch hinterfragt


Essay, 2020

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Unser gängiges Währungssystem setzt sich traditionell aus zwei wesentlichen Arten des Geldes zusammen: Das wäre zum einen das vollwertige und als gesetzliches Zahlungsmittel geltende Bargeld, zum anderen das gesetzlich nicht vollwertige Buch- oder Giralgeld, welches wiederum im traditionellen Sinn, um seine Wertigkeit zu erlangen, durch eine entsprechende Bargeldreserve gedeckt sein sollte. Letzteres repräsentiert also nur ein Guthaben bei einem Kreditinstitut, über das der Inhaber auf gewisse Arten verfügen kann. Dieses Geld galt der Vereinfachung von Kreditgeschäften im Münzzeitalter und kann getreu diesem Prinzip auch heute noch, als nicht vollwertiges Kreditgeld bezeichnet werden (Huber, 2015: 292). Ein Kontoguthaben stellt also somit kein direktes Guthaben, sondern genau genommen nur das Versprechen auf die Auszahlung dieses Guthabens dar.

An diesen längst veralteten Prinzipien unseres Währungssystems lässt sich mit Hinblick auf wirtschaftspolitische Geld- und Währungsreglementierungen nun vor allem eine Sache kritisieren: Stand heute macht das gesetzlich nicht-vollwertige Giralgeld etwa 97% des sich insgesamt in Umlauf befindenden Geldes aus. Dies bedeutet: Unser Giralgeld auf den Bankkonten kann durch ein solches Verhältnis faktisch nicht mehr mit entsprechenden Reserveeinlagen der Banken gedeckt werden. Hieraus folgt, dass die Mehrheit des sich im Umlauf befindenden Geldes keine gesetzliche Garantie für tatsächliches Guthaben mit sich bringt und private Banken weiterhin ungebremst Guthabenversprechen ausstellen, deren tatsächliches Guthaben sich gar nicht im Besitz dieser Banken befinden. Wie kommt es also, dass so viel mehr Giralgeld als Bargeld existieren kann? Diese Antwort liefern die Banken selbst. In ihrem Kreditgeschäft nutzen Banken die Guthaben ihrer Kunden1, um anderen Kunden jenes Geld zu verleihen. In diesem Moment wird die Bargeldeinlage des Bankkunden aufgrund eines neu erschaffenen Guthabens an einen anderen Kunden ausgezahlt. Aus Bankensicht ist dies nicht besonders riskant, da sie das Versprechen erhalten hat, das verliehene Geld plus Zinsen zurückzuerhalten. Durch ihre Kreditvergabe bringt sie jedoch Schulden in Umlauf, welche sich nur durch eine weitere Schuldübertragung wieder ausgleichen lassen. Die Schulden werden so lange weiter übertragen, bis das Gesamtverhältnis von Bar- und Buchgeld wieder ausgeglichen wird.

Auf das Gröbste heruntergebrochen führte diese Kritik zu der Idee einer Vollgeldreform. Also einer Reform, die alles sich im Umlauf befindende Geld, sei es Bar- oder Giralgeld, zu einem vollwertigen, von der Zentralbank verwalteten Geld bestimmt und die Kreditgeschäfte der Privatbanken wieder durch schärfere Reservebestimmungen reglementiert. Darüber hinaus entzieht sie den Privatbanken das derzeit geltende Geldschöpfungsprivileg des Giralgeldes in Form von Kreditgeschäften.

Doch wozu nutzen die Privatbanken ihr durch die Geldschöpfung zukommendes Machtprivileg? Wie auch andere Finanzgeschäftsakteure investieren sie ihren Überschuss in Anlagen wie beispielsweise Immobilien. Solche Spekulationen führen im Falle eines Gewinns immer dazu, dass die größte Ausschüttung den Akteuren zusteht, welche auch am meisten investiert haben. Hinzu kommt, dass arme Akteure sowieso von vornherein von diesem Geschäft exkludiert sind. Diese Geschäfte stellen somit - neben der Geldschöpfung an sich - eine weitere höchst fragwürdige Umverteilung des Kapitals innerhalb der Gesellschaft dar. Diese Geschäfte besitzen einen enormen Einfluss auf die Höhe von Inflation und Deflation und bringen das ständige Risiko zur Bildung von Spekulationsblasen mit sich.

Angesichts der Analysen der Weltwirtschaftskrise von 1929 gestaltete der Ökonom Irving Fisher eine Vorstellung davon, dass die Kreditvergabe der Geschäftsbanken ausschließlich mit hinterlegtem Zentralbankgeld erfolgen dürfte (Fuster, 2017). Diese im Vergleich zum heutigen Entwurf der Vollgeldreform recht vage Vorstellung von einer 100% Mindestreservepolitik wurde 100%-Geld genannt und stellt den Ursprung der Vollgeldreform dar. Im Jahr 1975 wurde die Idee des 100%-Geldes schließlich von deutschen Wirtschaftswissenschaftlern aufgegriffen und in erster Linie vom Wirtschaftssoziologen Joseph Huber an der Martin-Luther-Universität Halle weiterentwickelt (Volmer, 2010). Mittlerweile versucht der Monetative e.V. die Vorstellung einer Vollgeldreform mit Fokus auf die deutsche Volkswirtschaft auch aktiv in den politischen Diskurs zu bringen. Generell spricht aber auch der Monetative e.V. von einer universal anwendbaren Theorie auf alle Volkswirtschaften. Deutschland ist durch den Euro bei einer solchen Reform allerdings zwingend an die Abstimmung mit allen anderen Mitgliedstaaten der Euro-Zone gebunden.

Im Folgenden soll dieses Essay erläutern, was von den direkten und indirekten Folgen einer Vollgeldreform und der damit einhergehenden Entmächtigung privater Banken zu halten ist. Dies umfasst außerdem die Beleuchtung der angestrebten Ziele der Vollgeldreform, sprich die Umverteilung des Geldes in einem gemeinverträglicheren Maße zur Erzeugung von mehr Stabilität und einem höheren Durchschnittswohlstand, sowie ihrer Kritiken.

Die Macht im Geldschöpfungsprivileg privater Banken

Die soziologische Dimension der Vollgeldreform möchte vor allem auf das Machtproblem der Banken aufmerksam machen. Die Banken sehen Geld in erster Linie als Tauschmittel an. Die heutige Liberalisierung des Kapitalverkehrs hat hiermit jedoch nur wenig gemein. Hinter dem simplen Vorhang der Ökonomie verschleiern Banken die Ursachen für Finanzkrisen und Armut. Die Mechanismen dieser Ökonomie - also das heutige Geld - wurden von der Wirtschaftssoziologie - namentlich beispielsweise Weber, Parsons & Luhmann - als Steuerungs- und Kontrollmedium enttarnt (Huber, 2015: 292).

Nehmen wir zur Erläuterung dieser These die Erholung der Weltwirtschaftskrise aus dem Jahre 2007 als Beispiel. Ab 2009 konnte niemand den Anstieg der Finanzaktive im Bankgeschäft mit dem weitaus geringeren Wirtschaftswachstum insgesamt erklären. Während sich die Volkswirtschaft also noch weiter erholte, wurde bereits wieder in den Finanzsektor finanziert (Huber, 2018: 77). Warum also kann die Nachfrage nach Geld in einem einzigen Sektor überproportional

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1 Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Was ist von einer Vollgeldreform zu halten?
Untertitel
Das Geldschöpfungsprivileg privater Banken kritisch hinterfragt
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Theorie und Praxis modernen Geldes
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
13
Katalognummer
V1147865
ISBN (eBook)
9783346528025
ISBN (Buch)
9783346528032
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vollgeld, Vollgeldreform, Gelschöpfung, kritisch, Kritik, Essay, soziologisch
Arbeit zitieren
Niklas Pernat (Autor:in), 2020, Was ist von einer Vollgeldreform zu halten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1147865

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