Diffamierte Kunst im NS-Regime. Analyse und Möglichkeiten der Aufarbeitung


Term Paper, 2021

17 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung / Fragestellung

Inhaltsverzeichnis

1 Funktionsmechanismen der politischen Ästhetisierung im Naziregime

2 Umgang mit „entarteter Kunst“ nach dem 2. Weltkrieg

3 Wege aus der Instrumentalisierung von Kunst

Quellenverzeichnis

Einleitung / Fragestellung

Wie wurde mit diffamierter Kunst nach der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland umgegangen? Fand eine kritische Aufarbeitung oder eine affektive Verdrängung statt? Um diese Fragen beantworten zu können, bedarf es zunächst einer genaueren Betrachtung der Funktionsmechanismen zur Ästhetisierung des Politischen im Naziregime. Die Prägung des kulturellen und nationalen Gedächtnisses ist dabei von zentraler Rolle. Walter Benjamin formulierte hier als Kulturkritiker dieser Epoche bereits umfangreiche Einblicke in die Medienkultur der NS-Zeit. Außerdem betont Benjamin die Implikation von Kunst, und der Kunstproduktion, in gesellschaftlichen Verhältnissen. Eine wichtige Erkenntnis, wenn es um die Frage nach Verdrängung oder Aufarbeitung geht. War der Mensch in der Lage, jene Umstände, auf die Benjamin aufmerksam machte, zu erkennen und aufzuarbeiten? Hierfür wird sich diese Arbeit vor allem auf die Berliner und Münchner Institutionen im Nachkriegsdeutschland, sowie auf den Umgang mit „entarteter“ Kunst heute stützen.

Die These, dass die Verhältnisse der Kunst aufgearbeitet werden können und wandelbar sind, wird letztendlich auch durch das Potential der Kunst selbst gestützt. Benjamins gesellschaftliche Perspektive ist nicht determinierend, sondern verweist ebenso auf die Möglichkeit, gesellschaftliche Verhältnisse maßgeblich durch die Kunst selbst prägen zu können. Um dies zu veranschaulichen, bedient sich Benjamin, Bertolt Brechts epischen Theaters, welches den Zuschauer zur Handlungsfähigkeit berufen soll. Brechts Anregung zur Reflektion bildet schlussendlich den Ausblick dieser Arbeit. Sie stellt den Hoffnungsschimmer des Ausbruchs aus der künstlerischen Instrumentalisierung abseits der Institutionen dar, welcher bereits in die Kunstproduktion integriert worden ist und durch das Spiel mit politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen, verdeutlicht, dass diese dynamisch sind. Brecht eröffnet mit dieser Theorie das Potential, die Kunst von ihren institutionellen Zwängen der Verdrängung zu befreien.

1. Funktionsmechanismen einer nationalsozialistischen Kulturpolitik

Die Geburtsstunde der völkisch-faschistischen Kultur- und Bildungspolitik lässt sich ziemlich genau mit dem Jahr 1930 datieren, in dem Dr. Wilhelm Frick zum 1. NSDAP-Minister innerhalb der Weimarer Republik gewählt wurde. In seiner Position als Innen- und Volksbildungsminister von Thüringen begann Frick erstmals Kulturgüter aus den Bereichen Musik, Literatur, Theater, Film und der Malerei zu verbieten, wobei jede Sparte sein ganz eigenes Feindbild in sich trug.1 Während innerhalb der Musik beispielsweise die Jazzmusik aus Fricks nordisch­deutschem Leitbild verbannt wurde, war es in der Malerei vor allem die Moderne. Fricks Kulturbild trug einen völkischen Geist in sich, was sich innerhalb der Malerei in Form von spießbürgerlichen Darstellungen in naturalistischer Ausführung zeigte und durch die zunehmende Kriegsvorbereitung in einer regelrechten Kriegsverherrlichung mündete.2

Wie Sigmund Freud bereits erkannte, liegt das Risiko einer Kultur darin, dass sie repressiv wirken und den Menschen von seiner natürlichen Neigung entfremden kann.3 Ähnliches beschreibt Walter Benjamin, wenn er über den Antrieb expressionistischer Malerei vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs berichtet. Die Künstler*innen dieser Zeit waren den Humanismus satt:

» Sie haben das alles »gefressen«, »die Kultur« und den »Menschen« und sie sind übersatt daran geworden und müde. «4

Benjamin verweist hiermit auf eine Erfahrungsarmut, welche das Aufkommen alternativer moderner Kunst prägte.5 Armut an individuellen Erfahrungen, aber auch vor allem Armut an Erfahrungen, die durch kulturelle Informationen vermittelt wurden. Die Kulturwissenschaftlerin und der Kulturwissenschaftler Aleida und Jan Assmann haben im deutschsprachigen Raum die wohl umfangreichsten Theorien zu den Themen Gedächtnis, Erinnern und Vergessen hervorgebracht. Ihnen zu Folge spielte im Nazi-Regime vor allem das nationale, sowie das kulturelle Gedächtnis eine wesentliche Rolle, wenn es um den Ausschluss von Erfahrungswerten innerhalb der deutschen Kultur ging. Das nationale Gedächtnis war beispielsweise von einem einheitlichen, heroischen Bild geprägt, welches jene Erinnerungen, die inkompatibel mit diesem Bild zu sein schienen, vergaß.6 Das kulturelle Gedächtnis dagegen, welches die Nazis zur Hervorbringung einer politischen Leitkultur gebrauchten, ist weitaus übergreifender und dynamischer. Pragmatisch gesehen ist es ein Speichergedächtnis, welches aber darüber hinaus auch die Botschaft des Erbes für die Nachwelt bestimmt.7 Die Archivierung ist eine Voraussetzung des kulturellen Gedächtnisses. Was es aber kennzeichnet, ist seine Reputation. Also die mediale Verwirklichung der Kultur. Wird die Kultur so konkret definiert und manifestiert, wie bei Frick, ist die daraus resultierende Ausgrenzung anderer kultureller Formen schließlich unvermeidbar:

» Die Bestandssicherung schließt immer auch ihr Gegenteil, die Ausschließung, Verwerfung und Vernichtung mit ein, sowie die schwächeren Formen des Vergessens in Gestalt von Vernachlässigung, Auflösung und Verlust. «8

Nachdem die NSDAP zunächst mittels sorgfältig geplanter personeller Säuberungsaktionen etliche Posten in Kultureinrichtungen übernommen hatte, folgte im Jahr 1937 die erste Diffamierungsausstellung „entartete Kunst“. Bis der Kunstraub der Deutschen schließlich mit Beginn des Krieges auch auf das Ausland ausgeweitet wurde, wurden im Rahmen der Aktion „entartete Kunst“ bereits 15.997 Werke beschlagnahmt.9

Auch wenn die Kriterien zur Beschlagnahmung sehr unterschiedlich ausfielen und in Einzelfällen beinahe sogar wahllos wirkten, birgt die Moderne laut Benjamin eine ebenso politische Tendenz in sich, wie die von den Nationalsozialist*innen offiziell gelobte Kunst. Allein die technische Grundlage, also die Produktionsverhältnisse, in denen die Kunstproduktion eingebettet ist, bildet für den oder die Künstler*in die Basis, das Kunstwerk überhaupt innerhalb eines Qualitätsrahmens bewerten zu können. Die künstlerische Qualität wiederrum ist nicht abseits einer politischen Tendenz zu denken.10 Dies ist auch ein Grund, weshalb beispielsweise Franz Marc, der bereits vor der neuen Kulturpolitik der NSDAP expressionistischer Maler war und vor allem, weil er im 1. Weltkrieg fiel, nur teilweile als „entartet“ galt.

Die Kunstverbote stellen also eine Wende der deutschen Produktionsverhältnisse von Kunst dar, welche vor allem aktive Künstler*innen während der NS-Zeit in Deutschland betrafen. Beim Konsum von moderner Kunst schwangen also neben dem rein Optischen, auch automatisch die Bedingungen, unter welchen das Kunstwerk geschaffen wurde und sich außerhalb des Regimes befanden, mit. Allerdings verleitet die Erkenntnis Benjamins auch dazu, die Unterscheidung der Kunst und Künstler*innen zwischen „entartet“-modern und nationalsozialistisch-konform durch eine Art Schwarz-Weiß-Filter wahrzunehmen. Wie der Fall des expressionistischen Malers Emil Nolde zeigt, war es ein Teil versäumter Aufarbeitung, den als offiziell „entartet“ verfemten Künstler genauer auf seine politische Tendenz hin zu untersuchen.

[...]


1 Ebert, Hans (1983): 230.

2 Ebd.: 230.

3 Vgl. Freud, Sigmund (1930), Das Unbehagen in der Kultur.

4 Benjamin, Walter (1933): 218.

5 Ebd.: 215.

6 Assmann, Aleida (2011): 68.

7 Ebd.: 55.

8 Benjamin, Walter (1933): 218.

9 Ebert, Hans (1983): 236.

10 Benjamin, Walter (1991): 685.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Diffamierte Kunst im NS-Regime. Analyse und Möglichkeiten der Aufarbeitung
College
Leuphana Universität Lüneburg
Course
Beraubte Diebe? Deutsche Museen und der Nationalsozialismus
Grade
2,0
Author
Year
2021
Pages
17
Catalog Number
V1147867
ISBN (eBook)
9783346529992
ISBN (Book)
9783346530004
Language
German
Keywords
analyse, ns, kunst, nationalsozialismus, Möglichkeit, Aufarbeitung, Verdrängung, Erinnerungspolitik, Erinnerung, diffamiert, entartete Kunst, regime
Quote paper
Niklas Pernat (Author), 2021, Diffamierte Kunst im NS-Regime. Analyse und Möglichkeiten der Aufarbeitung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1147867

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