Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Ein Versuch der Begriffsdefinition von Schulsozialarbeit
2 Vergangenheit der Schulsozialarbeit
3 Tätigkeiten und Adressaten der Schulsozialarbeit
4 Grundsätze der Schulsozialarbeit
5 Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit
6 Herausforderungen in diesem Arbeitsfeld
7 Quellenverzeichnis
8 Literaturverzeichnis
1 Ein Versuch der Begriffsdefinition von Schulsozialarbeit
Auf der Suche nach Begrifflichkeiten, die die Schnittpunkte von Schule und Jugendhilfe betreffen, kommt man oft nicht an einem Wort vorbei, “Schulsozialarbeit”. Dieser Begriff ist neben vielen anderen Fachbegriffen einer der am häufigsten anzutreffend ist, wenn man nach einer Definition der Schnittstelle zwischen Schule und Jugendhilfe sucht. Allerdings ist dies kein einheitlicher Begriff, auf den man sich geeinigt hat1. In einigen anderen Fachliteraturen ist von Begriffen wie “Jugendsozialarbeit” oder “schulbezogene Jugendhilfe” die Rede2. Allerdings hat der Begriff “Schulsozialarbeit” laut Speck dennoch einen anderen Stellenwert. Diese Wahl des Wortes würde den Einstieg in Diskussionen erleichtern, da er dem englischen Pendant “School Social Work” gleicht und so signalisiert, dass es um eine gemeinsame Verantwortung von Sozialer Arbeit und Schule geht3. Dies spiegelt sich auch in den heutigen Berufsbezeichnungen wieder, denn die Angestellten, die in diesem Arbeitsfeld arbeiten, werden Schulsozialarbeiter*innen bezeichnet. Die Grundlage der Schnittpunkte zwischen der Jugendhilfe und der Schule bilden zum einen messbare, zum anderen aber auch vergleichbare fachlich kompetente Arbeit4. Grundsätzlich werden die Aufträge für die Schulsozialarbeit von der Jugendhilfe gestellt, allerdings kann Schulsozialarbeit nur in einer Zusammenarbeit zwischen der Schulleitung, den Lehrer*innen, den Schülern und deren Eltern stattfinden. Defacto besteht in Blick auf die beiden Seiten “Schulsystem” und “Jugendhilfe” ein beidseitiger Bildungs- und Erziehungsauftrag.
Die Programme beziehungsweise Aufträge sind individuell und richten sich nach mehreren Kriterien, z.B. nach der Trägerschaft. In einigen Schulen sind auch Kooperationsverträge zwischen der Jugendhilfe und der Schule nicht unüblich. Des Weiteren gibt es auch etwaige Förderprogramme, welche Anwendung finden, diese entstehen allerdings auf kommunaler Ebene. Es gibt eine breite Angebotsvielfalt, wobei man einen Unterschied treffen kann, denn der Begriff “Schulsozialarbeit” verfolgt, bei besagtem Blick auf die Angebote, eher einen intervenierenden beziehungsweise einen präventiven Ansatz, während die Jugendhilfe zum Beispiel eher auf eine Ergänzung von Angeboten, die in der Freizeit ausgeübt werden, abzielt5. Diverse Gesetzesbestimmungen bilden die Grundlage und sind zugleich Voraussetzung, dass die Kinder und Jugendlichen ihr Recht auf freie, individuelle Persönlichkeitsentfaltung durchsetzen können. Allerdings gewährt ein solch bestehendes Recht nicht gleich die Durchführung bzw. Durchsetzungen desselben. Betroffene sind oft durch soziale, kulturelle, familiäre oder schulische Hindernisse beziehungsweise Problemen an ihrem individuellen Belastungslimit und damit kaum bis gar nicht mehr in der Lage diese Probleme schlussendlich lösen und bewältigen zu können.
2 Vergangenheit der Schulsozialarbeit
Das Konzept der Schulsozialarbeit ist nichts Neues, denn bereits im 18. Jahrhundert gab es erste sozialpädagogische Konzepte, die an deutschen Schulen umgesetzt worden sind. Es gab einige Modellversuche an Schulen, so zum Beispiel sogenannte Industrieschulen, die zum ersten Mal das theoretische Lernen und praktische Arbeiten miteinander verbunden haben. Den Begriff der “Schulpflege” fand bereits in den frühen 1900er Jahren Anwendung, 1930 wurde zum ersten Mal die „Hamburger Schülerhilfe“ etabliert und erwähnt. Allerdings gab es zu dieser Zeit bereits viele kritische Stimmen, welche die Ansichten nicht teilten. Diese Ansichten begründeten sie mit der historisch getrennten Entwicklung von Schule und Sozialpädagogik. Demnach wurde der Schule lediglich die Aufgabe der Bildung zugesprochen, der Sozialpädagogik hingegen die Aufgabe der Erziehung6. Diese Trennung der Aufgabenbereiche hielt bis in die 1970er an. Laut Speck war die Schule bis zu diesem Zeitpunkt für die “normalen” Kinder und Jugendlichen verantwortlich, die Jugendhilfe dafür für die “auffälligen” Kinder und Jugendlichen7. In den darauffolgenden Jahren wurden mehr und mehr Modellversuche an den verschiedenen Gesamtschulen gestartet um zu sehen, wie erfolgreich die Schulsozialarbeit denn sei. Nach Just stieg in dieser Zeit der Aufwand der Betreuung für die Kinder und Jugendlichen vor allem im Bereich der Freizeit an, sodass es nun vermehrt zu etwaigen Verhaltensauffälligkeiten und Problemen unter den Schüler*innen gekommen ist. Daraus ergab sich die durchaus schnelle Etablierung der Schulsozialarbeit8. Allerdings folgte nach dieser schnellen Etablierung in den 1980er Jahren eine deutliche Ernüchterung und die Modellversuche stagnierten. Die Bildungsreform wurde zu diesem Zeitpunkt als “gescheitert” angesehen und wurde damit für die Öffentlichkeit, die Forschung und Wissenschaft uninteressant, sodass die Förderung dieser Projekte teilweise eingeschränkt worden sind. Nach dieser Stagnation gewann das Thema Schulsozialarbeit allerdings ab den 1990er wieder an Interesse, unter anderen durch neu erschaffene und neu aufgelegte Landesprogramme. Zum gleichen Zeitpunkt fand in der Öffentlichkeit eine Veränderung des Aufgabenverständnisses zwischen Schule und Jugendhilfe statt, sodass dies eine Zusammenarbeit der beiden Institutionen durchaus erleichterte9. In der heutigen Zeit, den 2020er Jahre, wird die Schulsozialarbeit unteranderen durch internationale Schulleistungsuntersuchungen, wie z.B. die PISA-Studien, in der Diskussion und damit in den Mittelpunkt geholt. Dazu haben sich in den letzten Jahren die verschiedensten schulpolitischen Verbände und Organisationen gebildet und ihre eigenen Ansichten und Empfehlungen zur Thematik “Schulsozialarbeit” in der Öffentlichkeit publikgemacht10. Hier in Deutschland kann die Schulsozialarbeit insgesamt mittlerweile auf 45 Jahre Geschichte zurückblicken.
3 Tätigkeiten und Adressaten der Schulsozialarbeit
Wird ein Blick auf die Zielgruppe geworfen, so setzt sich diese aus vorwiegend aus den schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen zusammen. Allerdings wird hierbei nicht die Anwesenheit bzw. der Besuch der Schule betrachtet. Allerdings umfasst diese Beschreibung der Zielgruppe sämtliche schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die in Deutschland allein rund 10,8 Millionen Schüler*innen nur in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen ausmachen11 12. Es ist selbstredend, dass diese Anzahl an Schüler*innen schier zu groß ist um einem angemessenen Betreuungsschlüssel gerecht zu werden, zu alledem würden die finanziellen Ressourcen recht schnell erschöpft sein.
Um diesem Problem vorzubeugen muss die Zielgruppe anhand mehrerer Gesichtspunkte eingeschränkt und/oder es muss zumindest ein Schwerpunkt in irgendeiner Art und Weise gesetzt werden. Um diesen Schwerpunkt zu definieren, bedarf es dem SGB VIII, denn aus diesem ergibt sich folgende Zielgruppe: “Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind (...)”13. Mit diesem Gesetzestext wird also die Zielgruppe der Jugendhilfe definiert. Allerdings wird nur von “Kindern und Jugendlichen” als Zielgruppe gesprochen muss genauer hingeschaut werden. Liest man hierzu nur die gesetzliche Definition14:
“ (1) Im Sinne dieses Gesetzes
1. sind Kinder Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind,
2. sind Jugendliche Personen, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind,(...)“, ist es ein leichtes, die Zielgruppe subjektiv abzuändern und den Blick nur auf benachteiligte Kinder und Jugendliche zu reduzieren. Allerdings entspricht dies nicht den Aufgaben der Schulsozialarbeit. Wie bereits erwähnt hat Schulsozialarbeit Schnittpunkte mit der Schule und der Jugendhilfe, sprich auch Personengruppen wie Lehrer und Eltern sind mit eingebunden.
Die Lehrkräfte nehmen in diesem System eine zentrale Position ein. Sie fungieren als Kooperationspartner*innen und sollen durch die Schulsozialarbeit sensibilisiert werden in Bezug auf die verschiedenen Sichtweisen und Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen. Des Weiteren sollen Lehrkräfte beraten und geschult werden, damit diese zum einen über Unterstützungsmöglichkeiten in sozialen Einrichtungen informieren, als auch fachliche Anregungen zur Bewältigung von auftretenden Problemen der Schüler*innen bieten können15.
Eine letzte Zielgruppe bilden die Erziehungsberechtigten. Die Schulsozialarbeit kann noch so viele Projekte und Angebote in den Schulen durchführen, ein nicht wesentlicher Teil des Lebens der Kinder und Jugendlichen findet im Elternhaus statt. Aus diesem Grund müssen auch die Erziehungsberechtigten in die Arbeit der Sozialpädagogen mit einbezogen werden. Im Rahmen dessen, was die Schulsozialarbeit leisten kann, sollen die Eltern z.B. bei Fragen oder Problemen in der Erziehung jederzeit beraten werden können und über etwaige Hilfsangebote oder die oben genannten sozialen Einrichtungen informiert werden. Sollten etwaige Angebote in Anspruch genommen werde ist es auch von Nöten, dass eine Vermittlung und Unterstützung über einen längeren Zeitraum stattfindet. Karsten Speck schlägt hier vor offen und intensiv Werbung z.B. an Elternabenden zu machen, damit diese auch erkannt und bei Bedarf in Anspruch genommen werden kann16.
So soll es die Schulsozialarbeit schaffen am besten kongruent zur Jugendhilfe betroffene Personen der Zielgruppe zu unterstützen und schlussendlich auch zu fördern. Allerdings dürfen trotz Engagement und gesetzliche Aufgabendefinition die Normen und Erwartungen, die die Gesellschaft aufgestellt hat, nicht ignoriert werden. Dieses Dilemma ist in der Sozialen Arbeit nur allzu gut bekannt und wird auch als doppeltes Mandat bezeichnet17. Einem Lexikoneintrag zufolge wird das doppelte Mandat als ein Ausdruck beschrieben, dass “Soziale Arbeit einen doppelten Auftrag zu erfüllen hat: Sie muss sich zum einen am Wohl und der Realität der Klient*innen orientieren, sie muss zum anderen aber auch im Auftrag des Staates bzw. der Gesellschaft handeln. ” (Ronald Lutz, 2020)
[...]
1 vgl. Karsten Speck, Schulsozialarbeit 2014, S. 35
2 vgl. Gastiger (ebd.), Schulsozialarbeit 2012, S. 15
3 vgl. Speck 2014, S. 36 ff.
4 vgl. Just, Handbuch Schulsozialarbeit 2016, S. 15
5 vgl. Speck 2014, S. 37
6 vgl. Speck 2014, S. 11
7 vgl. Speck 2014, S. 12
8 vgl. Just 2016, S.19
9 vgl. Speck 2014, S. 13
10 vgl. Speck 2014, S. 16
11 Destatis, Statistik der allgemeinbildenden Schulen, 2021
12 Destatis, Statistik der beruflichen Schulen, 2021
13 §13 Abs. 1 SGB VIII
14 §1 Abs. 1 JuSchG
15 vgl. Speck 2014, S. 65
16 vgl. Speck 2014, S. 66
17 vgl. Speck 2014, S. 47