Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
I. Abbildungsverzeichnis
II. Tabellenverzeichnis
III. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Differenzierung der Begriffe Kinderschutz, Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung
2.1 Kinderschutz
2.2 Kindeswohl
2.3 Kindeswohlgefährdung
2.4 Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung im Kinderschutzverfahren
3. Der Allgemeine Soziale Dienst
4. Kontrolle als Voraussetzung des Kinderschutzes
4.1 Hilfe und Kontrolle in der Helfer-Empfänger-Beziehung
4.2 Der Hilfeplan als Instrument/Werkzeug zur Hilfe und Kontrolle
4.3 Hilfe und Kontrolle im Prozess der Gefährdungseinschätzung und Entscheidung
5. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
I. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Bedürfnispyramide | © Gleichberechtigung und Vernetzung e.V.
II. Tabellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
III. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Durch die Berichte wie die Missbrauchsfälle in einer Münsteraner Kleingartensiedlung oder des Campingplatzes in Lügde ist der Kinderschutz in den letzten Jahren zu trauriger Berühmtheit gelangt. Im Fokus der Berichte war neben den Taten auch die Anklage an die zuständigen Behörden. In erster Linie wurde Sozialarbeiterinnen der Jugendämter vorgeworfen, eine Teilschuld zu tragen, indem sie Hinweise übersehen, Missstände fehlbewertet haben und somit nicht den Schutz der Kinder gewährleistet haben.
Übermäßig viele Kinder leben in Deutschland in Vernachlässigung oder Misshandlung. Auf Vernachlässigung begründen gut 60% aller Kindeswohlgefährdungen. In 2019 gab es laut Statistischem Bundesamt gut 55500 Kindeswohlgefährdungen in Deutschland. 58% davon waren auf Vernachlässigung zurück zu führen. (Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 328, 2020)
Besonders ob der oben genannten Beispiele stellte sich die Öffentlichkeit die Frage, wie Hilfe und Kontrolle des Jugendamtes zu verstehen und umzusetzen sei. So ist unter anderem der Auftrag des Jugendamtes der, das Kindeswohl zu gewährleisten. Eltern zur Abwendung einer Gefährdung zu Unterstützen, Hilfen zu installieren und präventionsmaßnahen zu tätigen. Ist das Kindeswohl trotz aller Maßnahmen gefährdet und sind die Eltern nicht fähig diese Gefährdung abzuwenden, oder stellen gar selber die Gefahr dar, so ist es die Pflicht des Jugendamtes das Kind aus der Familie zu nehmen, sollte ein erhebliches Risiko für das Kind bestehen. (Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII)
Um eine Übersicht der verschiedenen Begrifflichkeiten zu generieren, werden zunächst die Ter- mina Kinderschutz, Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung dargestellt. Anschließend wird das Kinderschutzverfahren unter Verbindung vorher genannter Begriffe erläutert, um dann in der Vorstellung des Aufgabenfeldes des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) überzugehen.
Der folgende Abschnitt der Hausaufgabe befasst sich mit einzelnen Instrumenten der Hilfe und Kontrolle im ASD. Auch wird hier noch besonders die Beratungsfunktion des ASD beschrieben, da diese einen wesentlichen Bereich im Kinderschutz ausmacht. Im Fazit wird auf die Frage eingegangen, ob im Kinderschutz Kontrolle und Hilfe getrennt voneinander oder als sich Wechselwirsam betrachtet werden können.
2. Differenzierung der Begriffe Kinderschutz, Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung
2.1 Kinderschutz
Der Terminus Kinderschutz umfasst alle rechtlichen Regelungen und Maßnahmen staatlicher und nicht-Staatlicher Instanzen, die den Schutz von Kindern gewährleisten sollen. Es gibt derzeit für diesen Begriff keine universale Definition und stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Eine Orientierung an Grundbedürfnissen und Grundrechten von Kindern und Jugendlichen ist dem Begriff zugehörig. Der Begriff kann daher als Supernym für schädliche Einflüsse, Vernachlässigung, Misshandlung oder Ausbeutung von Kindern verwendet werden und umfasst das gesamte Befinden und die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. (website:Duden,2021)
Die Wahrung des Kindeschutzes obliegt vorrangig den Eltern. Das regelt das Grundgesetz. Hier heißt es: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“ (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG; § 1 Abs. 2 SGB VIII). Dieses Gesetz wurde zum Schutz des Elternrechtes verabschiedet, soll aber zu gleichen Teilen Schutz und Grundrechte der Kinder wahren. Die staatliche Gemeinschaft soll die Kontrollfunkton innehalten (Wächteramt). Die Aufgabe des Wächteramtes übernehmen staatliche Institutionen wie das Jugendamt. Gelingt es Eltern nicht, Ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Kindern ausreichend zu erfüllen, so greift das Jugendamt mit Hilfen und Maßnahmen ein. Deutet etwas konkret auf eine Kindeswohlgefährdung hin, ist das Jugendamt zur Prüfung der Umstände der Kinder und/oder Jugendlichen verpflichtet. Je nach Ergebnis der Prüfung kann und muss das Jugendamt dann Maßnahmen installieren, wobei in erster Linie Eltern durch Hilfe und Ressourcenstärkung zu unterstützen sind, so dass sie ihre Fürsorgepflicht wieder vollumfänglich gewährleisten können. (Vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2014, S. 3f. 4 Paragraf 27, Absatz 1, SGBVIII)
Da der Terminus „Kinderschutz“ wie beschrieben als Übergriff zu bewerten ist, werden folgend die zugehörigen Begriffe „Kindeswohl“ und „Kindeswohlgefährdung“ näher beleuchtet um eine Abgrenzung aufzuzeigen. Denn Diese ist wichtig, da ihrer differenzierte Modi operandi bedürfen. So gehören diese Begriffe doch untrennbar wenn auch klar abzugrenzen zum Kinderschutz.
2.2 Kindeswohl
Dieser Begriff obliegt keiner genauen Definition. Diese Unbestimmtheit zeigt, dass jeder Fall individuell betrachtet und bewertet werden muss. Denn obwohl keine Definition zu Grunde liegt, wird eben die Begrifflichkeit des „Kindeswohls“ als Orientierung und Richtlinie im Kinderschutz angewendet. Auf zwei wichtige Funktionen des Begriffes „Kindeswohl“ verweist Prof. Dr. phil. Reinhold Schone (FH Münster) trotz fehlender Definition. Der Begriff soll laut Schone als Befugnis für Einwirkungen des Staates und als Richtlinie in Gerichtsverfahren zu Grunde gelegt werden. „Kindeswohl“ zu definieren beschreibt Schone als schwierig, da es keine Allgemeingültigkeit gebe. Abhängig von jeweiliger Kultur, Historie und Ethnie sei er individuell zu betrachten. Des Weiteren sei die Wahrnehmung der Eltern, was sie als „Wohlergehen“ ihrer Kinder beschreiben und betrachten, als subjektiv aufzufas- sen. Denn was Kindern gut tue, werde gemäß Artikel 2 des Grundgesetzes von den Eltern festgelegt. (Vgl. Schone, Reinhold 2008, S. 25)
Da es also keine einheitliche Definition des Begriffes Kindeswohl gibt, so kann es grob als ausgewogenes Verhältnis zwischen Lebensbedingungen und Bedürfnissen eines Kindes charakterisiert werden. Harry Dettenborn schlägt eine Annäherung an eine Definition eben über zuvor genannte Lebensbedingungen vor in dem diese mit einzubeziehen sind. Dettenborn, Harry 2007, S.47 ff.) Um Bedürfnislagen von Kindern zu bestimmen, können Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie zu Rate gezogen werden. Demnach gehören zu den kindlichen Elementarbedürfnissen (vgl. Schmidtchen 1989, S. 106 ff.):
Körperliche Bedürfnisse: Essen/Trinken/Schlaf/Zärtlichkeit usw.
Schutzbedürfnisse: Schutz vor Krankheiten/Bedrohungen/Armut usw.
Bedürfnisse sozialer Bindung: Dialog und Verständigung/Integration in eine Familie und/ oder Gemeinschaft usw.
Bedürfnisse nach Anerkennung: uneingeschränkte Annahme als wertvolles Individuum/Iie- bevolles seelische Zuwendung/ Wertschätzung als individueller Mensch usw.
Bedürfnisse nach Anregung, Spiel und Leistung: Förderung der natürlichen Neugierde/För- derung und Forderung etc.
Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung: Hilfe bei der Erarbeitung eines Selbstkonzeptes/ Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Ängsten/Hilfestellung zur selbständigen Bedürfnisbefriedigung usw.
Maslow hatte eine solche Konkretisierung bereits als sogenannte Bedürfnispyramide illustriert. Laut Maslow bauen Bedürfnisse aufeinander aus, so seien zunächst die „Basisbedürfnisse“ zu befriedigen um zur nächsten Stufe der Bedürfnisse zu gelangen und hier Interessen zu entwickeln um diese Bedürfnisse dann zu bedienen. (Maslow, 1978)
Anmerkung der Redaktion: Die Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen
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Abbildung 1
2.3 Kindeswohlgefährdung entfernt.
Trotz fehlender allgemeingültigen Definition gilt seit den 50er Jahren der Maßstab „eine gegenwärtige in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lasst“ (BGH Fam- RZ. 1956, S. 350). Nach dieser Rechtsprechung müssen folgende Indizien zugleich erfüllt sein:
- Eine Gefährdung des Kindes muss unmittelbar bestehen
- Die darauf folgende oder aktuelle Schädigung muss von erheblichem Maße sein
- Die Schädigung muss klar vorausschaubar sein, wenn diese bisher noch nicht eintrat
Demnach ist nicht nur ein Elterliches Verhalten und/oder Unterlassen Voraussetzung für eine Kindeswohlgefährdung, sondern auch und zwar in besonderem Maße eine daraus folgende, andauernde Schädigung des Betroffenen Kindes. Diese Schädigungen können körperlicher, geistiger oder seelischer Natur sein. Erst durch diesen nachhaltigen Einfluss wird von einer Kindeswohlgefährdung gesprochen.
Um ein erheblichen Schadenseintritt in der Zukunft zu ermitteln, muss die Erziehungsberechtigte Person unter folgenden Gesichtspunkten eingeschätzt werden:
- Ist sie fähig die Gefahr abzuwenden oder die dazu nötigen Maßnahmen zu installieren?
- Hat sie den Willen und den Antrieb das auch zu tun?
Trotz dieser und weiterer Rechtssprechungen gibt es keine konkrete Definition der Kindeswohlgefährdung. Ebenfalls gibt es keine Konformität bezüglich einer „normalen“ Eltern-Kind Beziehung. Dabei spielt neben weiteren Aspekten eben dieser eine Rolle bei der Beurteilung der Kindeswohlgefährdung bzw. des Kindeswohls. (Kinderschutz-Zentrum Berlin e.V. 2009, S.29 f.)
2.4 Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung im Kinderschutzverfahren
Wird dem Jugendamt als Wächteramt ein wesentlicher Anhaltspunkt bezüglich einer Gefährdung des Kindeswohls zuteil, so ist es dessen Pflicht diesem Hinweis nachzugehen. In 2005 trat das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft, welches 2012 neu gestaltet wurde. Dieser neu ausgearbeitete § 8a SGB VIII - Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung regelt das Vorgehen und die Verantwortung Mitarbeitender von öffentlichen und freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe. Somit wird eine qualifizierte Beurteilung jedes individuellen Falles möglichst Gewähr geleistet. Diese qualifizierte Beurteilung findet unter Beteiligung weiterer Fachkräfte, des Sorgeberechtigten des Kindes und natürlich des Kindes selber statt. Es wird eine Einschätzung der Gefährdung und eine Prognose der Kindesentwicklung (körperlich, seelisch und psychisch) vorgenommen. Bei de Beurteilung des Gefährdungsrisikos ist das Jugendamt zur Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft verpflichtet (Extra ausgebildete Fachkraft im Kinderschutz). (§ 8a, Abs. 4 SGB VIII) Ist nach dieser Analyse und Einschätzung „eine dem Wohl des Kindes (...) entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist.“ (§27 Absatz 1 SGB VIII), so ist das Jugendamt dem Erziehungsberechtigten die Hilfe zur Erziehung zu offerieren. (§§27 ff. SGB VIII).
Hier wird nun Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung differenziert behandelt, denn ist das Kindeswohl nicht gewährleistet, so ist dies eine weniger akute und Bedrohliche Situation als die Kindeswohlgefährdung. Fälle, in denen das Kindeswohl nicht gewährleistet ist sind charakteristisch als nicht umfänglich ausreichende Erziehung, Pflege oder Versorgung der Kinder zu bewerten. Die Kindeswohlgefährdung umfasst alle Fälle, in denen gravierende Schädigungen des Kindes/Jugendlichen eingetreten oder zu erwarten sind. Das ist in sofern wichtig als differenziert zu betrachten, da bei Nichtgewährleistung des Kindeswohles andere Maßnahmen getroffen werden. Hier stehen Hilfen im Fokus, die den Erziehungsberechtigten qualifizieren sollen, das Kindeswohl wieder vollumfänglich gewährleisten zu können. Diese Hilfsangebote sind als reine Angebote zu verstehen und nicht verbindlich für die Erziehungsberechtigten.
Bei der Kindeswohlgefährdung jedoch entfällt die Freiwilligkeit über Annahme der Hilfen. Mitunter unter Hinzuziehung des Familiengerichtes werden Hilfen in der betroffenen Familie installiert oder eine Inobhutnahme vorgenommen. Dies ist auf Grundlage § 1666 BGB möglich, da hier der Eingriff in das Elternrecht geregelt ist. (Goldberg, Prof. Dr. Britta 4/2009, S. 136 f.)
Um diese Einschätzung qualitativ hochwertig und fachlich richtig treffen zu können, bedarf es guter Fachkräfte in den Jugendämtern.
3. DerAllgemeine Soziale Dienst
Dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) obliegt ein sehr breites Aufgabenspektrum. Da es sich hier um einen kommunalen Dienst handelt, wird er in München beispielsweise Bezirkssozialarbeit (BSA) und in Hannover Kommunaler Sozialdienst (KSD) genannt. Der ASD übernimmt als Kommunale Behörde Aufgaben der „öffentlichen Fürsorge“. (GG Art. 74 Nr. 7) Der konkrete Aufgabenkatalog wird von jeder Stadt individuell festgelegt. Die meist gewählte Verortung des ASD findet man in Deutschland organisatorisch in Jugendamt (vgl. Bieker/Floerecke, S. 95ff.) Als Consultant für Kinder, Jugendliche und Familien unterstützt der ASD durch Beratung und Ressourcenorientierter Installation von Hilfe in diversen Lebenslagen und Umständen. Er soll ganzheitliche Hilfen anbieten. Dies soll Ämterübergreifend für alle Problemlagen und Zielgruppen gewährleistet sein. Aufgaben des ASD sind zum Beispiel Paarberatung, Beratung bei Trennung/Scheidung oder häuslicher Gewalt. Weitere Aufgaben sind Beratungen in allgemeinen Erziehungsfragen, Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche in aktuellen Problemsituationen. Die Bedarfserkennung und Vermittlung geeigneter Maßnahmen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII (Jugendschutzgesetz) und nicht zuletzt der Schutz und Erhalt des Kindeswohls. (ASD als kommunale Familienfürsorge) Zuständig sind die Mitarbeiterinnen des ASD für die Umsetzung und Einleitung aller Hilfen nach §36 KJHG. (Konzeption Hilfeplan) Sie müssen auch nach gescheiterter Hilfe nach Lösungen in schwierigen Problemlagen suchen.
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