Lehrbücher in der Kritik - Eine Studie zur Bewertung von Entrepreneurship-Lehrbüchern in der deutschen Gründungsausbildung


Examensarbeit, 2005

112 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Kartenverzeichnis

1. Zur Relevanz der Thematik

2. Gründungsforschung und Gründungsausbildung in Deutschland und den USA
2.1 Gründungsforschung in den USA
2.2 Gründungsforschung in Deutschland: eine junge Disziplin auf ihrem Weg zur Etablierung?
2.3 Ein halbes Jahrhundert Gründungsausbildung in den USA
2.4 Gründungsausbildung in Deutschland: Die USA als orientierendes Muster?

3. Zur Verwendung von Lehrbüchern an deutschen Gründungslehrstühlen
3.1 Befragung zur Verwendung von Lehrbüchern in der deutschen Gründungslehre
3.2 Bekanntheit und Verwendung einzelner Lehrbücher
3.3 Interpretation der Ergebnisse: Bedeutung einzelner Lehrbücher

4. Analyse der bedeutendsten deutschsprachigen Lehrbücher
4.1 Inhaltliche Kriterien
4.1.1 Inhaltliche Umsetzung in Dowling/Drumm
4.1.2 Inhaltliche Umsetzung in Klandt
4.1.3 Inhaltliche Umsetzung in Koch/Zacharias
4.1.4 Vergleich der untersuchten Lehrbücher nach inhaltlichen Gesichtspunkten
4.2 Didaktische Kriterien
4.2.1 Didaktische Umsetzung in Dowling/Drumm
4.2.2 Didaktische Umsetzung in Klandt
4.2.3 Didaktische Umsetzung in Koch/Zacharias
4.2.4 Vergleich der untersuchten Lehrbücher nach didaktischen Gesichtspunkten
4.3 Fazit der inhaltlichen und didaktischen Analyse der bedeutendsten deutschen Lehrbücher

5. Zur Adaptierbarkeit US-amerikanischer Lehrbücher: Nutzen oder Mangel an Alternativen?

6. Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Internetbasierte Quellen

Verzeichnis der Anlagen im Anhang

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Forschungsfeld Entrepreneurship nach Busenitz

Abb. 2: Komponenten der Gründungsforschung nach Schmude

Abb. 3: Zahl der Stiftungsprofessuren in den USA und weltweit, 1962-2003

Abb. 4: Bekanntheit und Verwendung einzelner Lehrbücher an deutschen Gründungslehrstühlen, 2004

Abb. 5: Bedeutung einzelner Lehrbücher an deutschen Gründungslehrstühlen aufgrund von Bekanntheit und Verwendung, 2004

Abb. 6: Bedeutung einzelner Lehrbücher an deutschen Universitäten aufgrund von Bekanntheit und Verwendung, 2004

Abb. 7: Bedeutung einzelner Lehrbücher an deutschen Fachhochschulen aufgrund von Bekanntheit und Verwendung, 2004

Abb. 8: Grundlegende Lerninhalte in der Entrepreneurshipausbildung

Abb. 9: Schwerpunksetzung der einzelnen Kapitel in Dowling/Drumm

Abb. 10: Schwerpunksetzung der einzelnen Kapitel in Klandt

Abb. 11: Schwerpunksetzung der einzelnen Kapitel der ersten drei Teile in Koch/Zacharias

Abb. 12: Benotung der drei für die deutsche Gründungslehre bedeutendsten deutschsprachigen Lehrbücher nach inhaltlichen und didaktischen Gesichtspunkten

Abb. 13: Modell des unternehmerischen Prozesses nach Timmons

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Struktur der Stiftungsprofessuren in den USA, 2004

Tab. 2: Unterstützungsfelder von Hochschulen für Ausgründungen

Tab. 3: Ranking der drei bedeutendsten deutschsprachigen Lehrbücher zum Gründungsmanagement, nach Schulnoten

Tab. 4: Inhaltliche Umsetzung in Timmons

Kartenverzeichnis

Karte 1: Förderinitiativen für Existenzgründungen aus Hochschulen in der BRD

Vorwort

Gründungsforschung und Gründungslehre machen als universitäre Disziplinen nur dann Sinn, wenn sie nicht als Etikette missbraucht werden, um Innovationskraft und Modernität zu dokumentieren, sondern wenn sie zusammen und in gegenständlicher Forschung verwurzelt dem eigentlichen Ziel dienen, unternehmerisches Denken und Handeln zu fördern und potentiellen Unternehmensgründern ein verantwortungsvolles Bewusstsein für die verschiedensten Aspekte zu vermitteln, die es bei einer Neugründung zu beachten gilt. Unter diesen Voraussetzungen können Unternehmensneugründungen erfolgreich verlaufen und sich die neu gegründeten Unternehmen dauerhaft etablieren und weiterentwickeln. Meine Arbeit sehe ich in diesem Prozess als einen wichtigen Beitrag zur konkreten, zielgerichteten Forschung. Bei empirisch durchgeführten Studien bedarf es der Mithilfe anderer, weshalb ich allen Professoren danke, die an der Befragung teilgenommen und somit dazu beigetragen haben, einen Überblick über die an deutschen Gründungslehrstühlen verwendeten Lehrbücher zu gewinnen. Für die anregenden Diskussionen in den Expertengesprächen möchte ich mich bei Prof. Dr. Hans Jürgen Drumm und Prof. Dr. Michael Dowling bedanken. Darüber hinaus danke ich meinem Betreuer Prof. Dr. Jürgen Schmude für seine hilfreichen Anmerkungen zur Arbeit. Mein besonderer Dank gilt Dipl.-Geographin Kerstin Wagner, die mir stets als anregender Gesprächspartner zur Verfügung stand und mich mit Rat und Tat unterstützte. Nicht zuletzt sei an dieser Stelle meinen Eltern für die finanzielle Unterstützung zur Anschaffung eines Notebooks gedankt.

Regensburg im April 2005 Philipp Namberger

Die Begriffe Unternehmensgründer, Professor, etc. werden in der vorliegenden Arbeit, sofern sie nicht in Zusammenhang mit konkreten Personen verwendet werden, geschlechtsneutral verstanden.

1. Zur Relevanz der Thematik

Das wachsende Interesse von Seiten der Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, die Zahl der Unternehmensgründungen zu erhöhen, kann an zahlreichen Fördermaßnahmen, wie beispielsweise dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Förderprogramm EXIST, diversen Hochschulinitiativen etc. gesehen werden. Als Hintergrund des Angebots dieser Förderungen ist die Hoffnung auf positive Effekte für Beschäftigung, Wachstum und Innovationskraft in Deutschland zu sehen (vgl. Bronner 2001, S.582). Da es laut Walterscheid (1998, S.3) deutliche Anzeichen dafür gibt, dass sich vornehmlich aus dem Personenkreis der Hochschulabsolventen die Gründer mit den wirtschaftspolitisch interessanten, innovativen Unternehmen rekrutieren, ist der öffentlichen Gründungsförderung die Erhöhung des Anteils der Hochschulabsolventen, die sich selbstständig machen, ein wichtiges Anliegen.

Die Ausbildung zu Unternehmensgründern durch den tertiären Bildungssektor wird in der Bundesrepublik Deutschland allerdings lange Zeit stiefmütterlich behandelt. So dauert es bis zum Jahr 1998, ehe der erste Lehrstuhl für Entrepreneurship-Ausbildung an der Privathochschule in Oestrich-Winkel besetzt wird (vgl. Schmude 2001, S.3). Damit und mit der Ausschreibung weiterer circa 20 Professuren mit entsprechenden Themenschwerpunkten findet etwa ab selbigem Jahr eine Institutionalisierung der Disziplin Entrepreneurship oder Gründungsmanagment an deutschen Hochschulen statt (vgl. Bronner 2001, S.582). Ein anhaltender Bedeutungszuwachs zeigt sich unter anderem in der Tatsache, dass im Jahr 2004 bereits 44 Entrepreneurshipprofessuren in Deutschland zu verzeichnen sind. Die Notwendigkeit, den Studierenden an deutschen Hochschulen, die Entrepreneurship-Veranstaltungen besuchen, adäquate Lehrbücher bereitzustellen, liegt somit auf der Hand.

Ziel der Zulassungsarbeit ist es, zu analysieren, inwiefern die an deutschen Gründungslehrstühlen verwendeten Lehrbücher den Ansprüchen als solche, sei es didaktischer oder inhaltlicher Natur, gerecht werden. Untersuchungen, in welchem Maße die Ergebnisse der Gründungsforschung in der Gründungslehre berücksichtigt werden und inwiefern sich diese in den Lehrbüchern wieder finden, existieren nicht. Als möglicher Grund hierfür ist die Problematik zu sehen, einen Überblick über die Forschungslage der jungen Disziplin Entrepreneurship – allein in Deutschland – zu gewinnen und darüber hinaus zu untersuchen, ob und inwiefern als gesichert geltende Ergebnisse in den Lehrbüchern reflektiert werden.

Aus diesem Grund der Unübersichtlichkeit und Unüberschaubarkeit konzentriert sich diese Arbeit auf folgenden Ansatz: Zuerst wird die Entwicklung der Gründungsforschung und Gründungsausbildung in Deutschland und vergleichend dazu die Entwicklung in den USA als wichtige Grundlage dargestellt, um so die inhaltliche Bandbreite von Entrepreneurship aufzuzeigen. Anschließend wird anhand der Ergebnisse der Befragung an allen deutschen Gründungslehrstühlen und Gründungsprofessuren die Häufigkeit, Verwendung und Bedeutung der verwendeten Lehrbücher ermittelt. Darauf aufbauend werden die bedeutendsten deutschsprachigen Lehrbücher analysiert, um so ein detailliertes Bild zu erhalten, auf welche Lehrbücher, im Hinblick auf Inhalte, aber auch auf deren didaktische Umsetzung, die Studenten an deutschen Hochschulen angewiesen sind. Angemerkt sei, dass an deutschen Lehrstühlen neben deutschsprachiger Literatur auch mit zahlreichen angelsächsischen Lehrbüchern gearbeitet wird, was nicht verwundert, hat doch die Entrepreneurship-Ausbildung in den USA im Vergleich zu der in Deutschland eine wesentlich längere Tradition (vgl. Bronner 2001, S.581). Die angelsächsische Literatur ist ebenfalls ein Bestandteil dieser Arbeit, wobei bei der Bewertung der angelsächsischen Literatur insbesondere darauf geachtet wird, ob und zu welchem Grad die Inhalte auf die Situation deutscher Unternehmensgründer anwendbar sind. Darüber wird hinaus die Frage diskutiert, ob und inwiefern die Diskrepanz zwischen der deutschen Gründungsforschung und Gründungslehre bei der inhaltlichen Umsetzung in Entrepreneurship-Lehrbüchern zu beheben ist, wobei es unter anderem gilt, die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Inhalte der Lehrbücher zu erörtern. Abschließend werden Möglichkeiten gezeigt, diese Arbeit weiterzuführen, um so dem eigentlichen Ziel näher zu kommen, die Lehrbücher in der deutschen Gründungslehre hinreichend und in naher Zukunft zu verbessern.

2. Gründungsforschung und Gründungsausbildung in Deutschland und den USA

Aufgrund der interdisziplinären Ausrichtung der Gründungsforschung und Gründungsausbildung kann an dieser Stelle nicht explizit auf Ergebnisse der verschiedenen Disziplinen eingegangen werden, da sich zwangsläufig eine unvollständige Darstellung des Forschungsstandes ergäbe. Daher beschränkt sich diese Arbeit vor allem auf die Entwicklungslinien der Gründungsforschung und Gründungsausbildung in Deutschland und vergleichend dazu in den USA, wenngleich der Überblick über die Genese der Gründungforschung und Gründungsausbildung Grundvoraussetzung zur Beurteilung der gegenwärtigen Situation in der deutschen Gründungslehre und deshalb Bestandteil dieser Arbeit ist. An dieser Stelle sei zudem darauf hingewiesen, dass in der Literatur oftmals keine ausreichende definitorische Trennschärfe zwischen den Begrifflichkeiten, sei es innerhalb einer Sprache oder sprachübergreifend, herrscht. Im Folgenden werden die Begriffe Gründungsforschung, Entrepreneurship- Forschung und entrepreneurship research bzw. Gründungsausbildung, Gründungslehre, Entrepreneurship-Lehre und entrepreneurship education synonym verwendet, wobei sich Gründungsforschung auf die Forschung über das Gründungsgeschehen und Gründungsausbildung auf die Vermittlung von gründungsrelevanten Inhalten bezieht. Die Trennschärfe zwischen Gründungsforschung und Gründungsausbildung ist ebenfalls nur bedingt gegeben, da Forschung und Lehre oft Hand in Hand gehen. So ist es kaum möglich, beispielsweise den Autor eines Lehrbuchs zum Gründungsmanagement eindeutig der Gründungsforschung oder der Gründungsausbildung zuzuordnen.

2.1 Gründungsforschung in den USA

Seit dem 18. Jahrhundert und Cantillon steht der Begriff Entrepreneurship für zahlreiche Facetten der Phänomene Unternehmertum und Unternehmensgründung. Die Wurzeln einer institutionalisierten betriebswirtschaftlichen Diskussion liegen allerdings in der Forschergruppe um Cole und Schumpeter, die seit den 1940er Jahren an der Harvard Business School Studien zum Entrepreneurship durchführt (vgl. Fallgatter 2004, S.23).

Stevenson und Jarillo (1990, S.18) fassen Unternehmerund Gründungsforschung zusammen, indem sie Entrepreneurship in drei Theorieströmungen differenzieren. Die erste Strömung ist gekennzeichnet von der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung unternehmerischer Betätigung. Studien wie die von Cantillon im Jahr 1725, Sombart (1916), Knight (1921) und vor allem Schumpeter (1934), aber auch jüngere Arbeiten wie beispielsweise jene von Heuss (1965), Shackle (1966), Leibenstein (1966), Kirzner (1978) oder Casson (1982) lassen sich unter diesem volkswirtschaftlichen Aspekt subsumieren. Die zweite Theorieströmung untersucht vor allem die Ursachen, warum Individuen zu Unternehmern werden. Diese psychologische und soziologische Perspektive, die entscheidend von McClelland (1961) und Collins, Moore und Unwalla (1964) geprägt wird, untersucht Faktoren wie „unternehmerische Ontogenese“, Umwelteinflüsse sowie Werte, Motive und Ziele von Unternehmensgründern. Bei der dritten Strömung, die eine betriebswirtschaftliche Perspektive einnimmt, stehen Handlungen von Gründern sowie gründungsbezogene Strukturen, Strategien und Prozesse im Vordergrund. So lassen sich in Erweiterung dazu bei einer strikteren Fokussierung auf betriebswirtschaftliche Einzelfragen verschiedene schools of thoughts differenzieren. Kuratko und Hodgetts (1998) unterscheiden folgende: traits-, environmental-, opportunity-, financial-, displacement- und strategic formation-school of thoughts.

Bronner, Mellewigt und Späth (2001, S.583) charakterisieren die inhaltliche Wandlung des Entrepreneurship-Begriffs seit seiner erstmaligen Verwendung vor mehr als 200 Jahren durch drei Fragestellungen. Die Fragestellung, welche Funktion ein Unternehmer erfüllt, kennzeichnet den Unternehmer anhand seiner volkswirtschaftlichen Funktion, wobei er als Träger von Risiken (z.B. bei Cantillon 1734, Say 1816, Knight 1921) oder als Innovator, der neue Kombinationen hervorbringt (Schumpeter 1936), gekennzeichnet ist. Die Frage nach den Eigenschaften, welche ein Unternehmer besitzt, dominierte in den 1950er und 1960er Jahren die personenbzw. eigenschaftsorientierte Sichtweise. Im Mittelpunkt steht hier der Versuch, Persönlichkeitseigenschaften erfolgreicher Unternehmer, wie beispielsweise Machbarkeits- überzeugung, Leistungsüberzeugung und Risikoeinstellung, aufzudecken. Seit Mitte der 1980er Jahre haben sich die prozessorientierten Ansätze, die die zentrale Frage darin sehen, was ein Unternehmer macht, durchgesetzt. Entrepreneurship beschreibt damit den Prozess der Gründung von Unternehmen. Laut Bronner, Mellewigt und Späth (2001, S.583) hat sich diese prozessuale Begriffsauffassung sowohl in der amerikanischen Entrepreneuship-Forschung, als auch in der deutschen Gründungsforschung durchgesetzt.

Dass sich Entrepreneurship zu Beginn des 21. Jahrhunderts als eigenständige Disziplin etabliert hat, zeigt sich laut Fallgatter (2004, S.23) nicht zuletzt an der Einrichtung der Division Entrepreneurship innerhalb der Academy of Management im Jahre 1987 sowie an der au- ßerordentlichen Akzeptanz von Entrepreneurship-Zeitschriften, allen voran das „Journal of Business Venturing“. Eine kritischere Sichtweise bezüglich der heutigen Stellung von entrepreneurship research vertreten Busenitz, West, Shepherd, Nelson, Chandler und Zacharakis (2003, S.285ff.). In einer Studie untersuchen sie die Leistungsfähigkeit und den Fortschritt der Gründungsforschung anhand der Häufigkeit von allen Entrepreneurship-Artikeln, die von 1985 bis 1999 in sieben führenden US-amerikanischen Management Journals (Academy of Management Journal, Academy of Management Review, Strategic Management Journal, Journal of Management, Organization Science, Management Science und Administrative Science Quarterly) veröffentlicht werden. Sie können zwar eine leichte Zunahme an Artikeln, die das Thema Entrepreneurship behandelten, feststellen, der prozentuale Anteil an allen publizierten Artikeln aber bleibt äußerst gering. Im Jahre 1999 beträgt der Anteil der Artikel in den sieben führenden US-amerikanischen Management-Zeitschriften, die Entrepreneurship thematisieren, gerade einmal 2,3 Prozent, auf den gesamten Untersuchungszeitraum gesehen lediglich insgesamt 1,8 Prozent. Des Weiteren fällt auf, dass Veröffentlichungen von empirischen Arbeiten leicht zunehmen, während Veröffentlichungen von theoretischen Arbeiten zahlenmäßig auf einem niedrigen Niveau stagnieren. Der Untersuchung zufolge mangelt es der Gründungsforschung an einer klaren Abgrenzung zu ihren Nachbardisziplinen: „The highly permeable boundaries of entrepreneurship facilitate intellectual exchange with other management areas but sometimes discourages the development of entrepreneurship theory and hinder legitimacy“. Als Ergebnis ihrer Untersuchung kommen Busenitz, West, Shepherd, Nelson, Chandler und Zacharakis (2003, S.295ff.) zu dem Schluss, dass Entrepreneurship vielleicht noch nicht ihre eigenen Grenzen ausgelotet und volle Legitimität erreicht hat. Als definiertes Forschungsfeld schlagen die Autoren folgende vier Bereiche vor: environments, individuals and teams, opportunities und mode of organizing. So gilt es Möglichkeiten (opportunities) zu erforschen, die oftmals aus den Wechselwirkungen zwischen Märkten und der Umgebung entstehen. Die Kategorie „Unternehmensgründer und Gründerteams“ (individuals and teams) beschäftigt sich unter anderem mit den Merkmalen von Unternehmensgründern und Gründerteams im Vergleich zu den Eigenschaften nicht gründender Personen. Bei der Art der Organisation (mode of organizing) bedarf es unter anderem der Forschung im Bereich des Managements von Unternehmen oder der Akquise und Verteilung von Ressourcen. Die Kategorie „Äußere Einflüsse“ (environments) beschäftigt sich unter anderem mit den kulturellen, wirtschaftlichen und marktabhängigen Einflüssen, die Unternehmensgründungen zu fördern vermögen. Insgesamt verhelfen diese vier Bereiche der Disziplin Entrepreneurship zu zunehmender Selbständigkeit und Legitimität, indem sie Entrepreneurship von anderen Disziplinen abgrenzen. An den Schnittstellen der vier beschriebenen Bereiche, deren Beziehung untereinander aus Abbildung 1 hervorgeht, ergeben sich für die Gründungsforscher zudem bedeutende Fragestellungen unter anderem zu Entscheidungsfindung, Netzwerktheorien und Informationsvermittlung.

Abb. 1: Forschungsfeld Entrepreneurship nach Busenitz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Busenitz 2003, S.297, eigene Darstellung

Mit der Frage nach der Natur und Legitimität der Gründungsforschung beschäftigen sich auch andere Wissenschaftler. Aldrich und Baker (1997, S.377ff.) stellen fest, dass die Disziplin Entrepreneurship hinsichtlich der Legitimität in einem wissenschaftlichen Rahmen nur begrenzten Fortschritt gemacht hat. Dieser zeige sich beispielsweise in dem unzureichenden Zusammenhang in der Entwicklung von vereinheitlichten Paradigmen. Darüber hinaus tendieren Entrepreneurship-Studien dazu, weniger anspruchsvoll unter anderen in Bezug auf Stichprobenerhebung, Hypothesenentwicklung und statistischer Analyse zu sein. Insgesamt sehen sich Aldrich und Baker (1997, S.396) deshalb dazu veranlasst, den Entwicklungszustand der Disziplin Entrepreneurship als „chaotic pre-paradigmatic“ zu bezeichnen. Wiseman und Skilton (1999, S.299ff.) sehen Entrepreneurship immer noch in dem Entwicklungsstadium der Theoriefindung, während Harrison und Leitch (1996, S.69) das fragmenthafte Wesen des Entrepreneurship gar als „multidisciplinary jigsaw“ beschreiben. Darüber hinaus finden letztgenannte heraus, dass Veröffentlichungen zum Thema entrepreneurship research von 1987 bis 1993 zum allergrößten Teil in Zeitschriften veröffentlicht werden, die sich speziell der Thematik Entrepreneurship widmen. In dieser Tatsache begründet sich auch die Warnung von Harrison und Leitch (1996, S.65ff.), dass sich Gründungsforscher in ihren Ausführungen zunehmend auf einander beziehen und den Blick über den Tellerrand vernachlässigen, und das auf Kosten einer intellektuellen Weiterentwicklung, die durch die externe Legitimation ihrer Ziele in Publikationen in den verschiedensten Feldern der Wirtschaft erreicht werden könnte. Davisson, Low und Wright (2001, S.14) sehen ebenfalls ein Defizit an Paradigmen, wenngleich auch gewisse Fortschritte in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen sind. So könnte das vereinte Wissen der Gründungsforschung schneller wachsen, wenn sich die Forschung auf ein exakt beschränktes Gebiet bezieht und in einer Forschungsgemeinschaft durchgeführt wird, die fest in den einzelnen Disziplinen verankert ist.

Die Entwicklung der amerikanischen Gründungsforschung wird auch in diversen deutschsprachigen Darstellungen, die Mitte der 1990er Jahre erschienenen sind, dokumentiert und diskutiert (vgl. hierzu Müller-Böling/Klandt 1993; Lück/Böhmer 1994), wenngleich die deutschsprachigen Darstellungen über die amerikanische Gründungsforschung meist nur die aus der Sicht einer einzelnen Disziplin wichtigen Aspekte aufgreifen. Die Themenvielfalt als auch disziplinübergreifende Aspekte der US-amerikanischen Gründungsforschung werden beispielsweise von Schmude (1994) erörtert.

Zusammenfassend zeigt sich die große Bedeutung der US-amerikanischen Gründungsforschung unter anderem an dem von Prof. Paul Reynolds (Babson College, Boston/Massachusetts) organisierten einflussreichen Entrepreneurial Research Consortium, in dem international vergleichende Arbeiten zur Gründungsforschung koordiniert und Studien in Form des GEM (Global Entrepreneurship Monitor) veröffentlicht werden. Zur Etablierung der Gründungsthematik in den USA hat aber nicht allein der hohe Stellenwert der Entrepreneurship-Forschung beigetragen, sondern auch die zunehmende Institutionalisierung der Disziplin Entrepreneurship im Rahmen der Lehre. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die Bewertung der amerikanischen Gründungsforschung nicht unumstritten ist (vgl. hierzu neben genannten z.B. die Ausführungen von Frank/Plaschka 1995 zum Beitrag von Lück/Böhmer 1994) (vgl. Universität Regensburg 2005, online im I-net).

2.2 Gründungsforschung in Deutschland: eine junge Disziplin auf ihrem Weg zur Etablierung?

Nach Bronner, Mellewigt und Späth (2001, S.583) ist der Begriff Entrepreneurship bzw. Entrepreneurship-Forschung bislang nicht eindeutig definiert, wenngleich Einigkeit darüber besteht, dass die Person des Unternehmers und die Gründung eines Unternehmens im Mittelpunkt stehen. Als deutschsprachige Begriffsäquivalente können die Bezeichnungen Gründungsmanagment bzw. Gründungsforschung gesehen werden. Entrepreneurship lässt sich als Querschnittsfach definieren, welches sich aus einer ganzheitlichen unternehmerischen Sicht mit dem Management des Gründungsprozesses und der frühen Lebensphasen eines Unternehmens beschäftigt. Mittlerweile hat sich nach Bronner, Mellewigt und Späth (2001, S.583) diese prozessuale Auffassung des Begriffs Entrepreneurship, wie bereits erwähnt, sowohl in der amerikanischen als auch in der deutschen Gründungsforschung durchgesetzt.

Laut Fallgatter (2004, S.24) existiert für den Begriff Entrepreneurship im Deutschen weder ein Begriffsäquivalent, noch scheint es möglich, die Vielfalt an Begriffsverständnissen zu überblicken. So lassen sich unter den zahlreichen Definitionen lediglich zwei Schwerpunkte ausmachen. Neben der Beschreibung von Entrepreneurship als Prozess, wobei die Autoren regelmäßig eine Zeitraumperspektive einnehmen und die verschiedenen Phasen von Unternehmensgründungen analysieren, ist als zweiter Schwerpunkt die Fokussierung auf konstitutive Entscheidungen, wie die Wahl des Standortes oder der Rechtsform, erkennbar. Beide Sichtweisen sind jedoch angesichts der Tragweite des Gründungsphänomens relativ eng gefasst, da wichtige Problemfelder des Entrepreneurship, beispielsweise die Infrastruktur für Unternehmensgründungen oder die Entdeckung, Bewertung und Ausschöpfung unternehmerischer Handlungsfelder, weitgehend unberücksichtigt bleiben. So bietet es sich zunächst an, eine „institutionelle“ Perspektive zu wählen und Entrepreneurship als wissenschaftliche Disziplin einzugrenzen. Eine Definition, die beide Schwerpunkte – den prozessualen Charakter sowie die Bedeutung der Unternehmerperson – berücksichtigt, lautet nach Fallgatter (2004, S.24) wie folgt: „Im Rahmen der Entrepreneurship-Forschung wird analysiert, durch wen und mit welchen Wirkungen unternehmerische Handlungsfelder zur Schaffung neuer Güter und Dienstleistungen entdeckt, bewertet und durch Unternehmung(sgründung)en ausgeschöpft werden“. In der Definition, die originäre als auch derivative Gründungen einschließt, wird insgesamt die ganze Bandbreite des Faches Entrepreneurship abgedeckt. So fordert die Definition einen Forschungsbeitrag zur Person des Unternehmensgründers, zu den Prozessen einer Unternehmensgründung, zur Führung einer jungen Unternehmung als auch nicht zuletzt zur Entstehung, Entdeckung, Bewertung sowie zur Ausschöpfung unternehmerischer Handlungsfelder (vgl. Fallgatter 2004, S.24f.).

In Deutschland ist die Gründungsforschung, mit Ausnahme einiger weniger klassischer Themen im Bereich der Standortwahl neuer Unternehmen sowie im Bereich der Finanzierung, eine relativ junge Disziplin. Mit deutlichem Zeitversatz im Vergleich zu den USA, die weltweit sicherlich die dominante Stellung im entrepreneurship research einnehmen, ist sie erst seit den 1980er Jahren in Forschung und Lehre nennenswert in Erscheinung getreten. Wenngleich sich schon in den 1970er Jahren an einzelnen deutschen Universitäten gewisse Forschungsschwerpunkte etablieren, beispielsweise an der Universität Köln unter Norbert Szyperski oder an der Universität Stuttgart unter Erich Zahn, bleiben diese Aktivitäten allerdings stark personengebunden und darüber hinaus sind die ersten Arbeiten, bis auf wenige Ausnahmen, ausschließlich im Bereich der Wirtschaftswissenschaften angesiedelt. Diese Tatsache gilt im Wesentlichen auch für die den Universitäten angeschlossenen bzw. die außeruniversitären Forschungsinstitute.

Bei den Themenschwerpunkten, die seit Beginn der 1980er Jahre in der deutschsprachigen Gründungsforschung erarbeitet worden sind, kristallisieren sich anfänglich folgende drei Komplexe heraus: Gründungserfolg, Gründungsinfrastruktur und Gründungsperson. Seit einigen Jahren beschäftigt sich jedoch ein wesentlich breiteres Disziplinenspektrum mit der Gründungsforschung und so hat sich eine Vielzahl neuer Forschungsschwerpunkte herausgebildet. Neben der Betriebsund der Volkswirtschaftslehre tragen insbesondere die Soziologie, die Psychologie, die Wirtschaftsgeographie und die Rechtswissenschaften sowie weitere disziplinübergreifende Arbeitsfelder (z.B. Arbeitsmarktforschung) essentiell zur Gründungsforschung bei. Der deutschen Gründungsforschung fehlt es jedoch an der interdisziplinären Aufbereitung der Thematik, was dazu führt, dass die meisten Arbeiten hinsichtlich der Untersuchungsanlage, der theoretischen Grundlagen und verwendeten Methoden ein „disziplinspezifisches Eigenleben“ führen. Dies hat zur Folge, dass die erzielten Ergebnisse oft nicht vergleichbar sind, sondern zum Teil sogar zu gegensätzlichen Aussagen führen. Insofern ist die interdisziplinäre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gründungsthematik dringend geboten (vgl. Schmude 1995, S.1f.).

Ab Anfang der 1990er Jahre kristallisieren sich laut Schmude (1995, S.2ff.) dennoch vier wesentliche Komponenten der Gründungsforschung heraus (vgl. Abb. 2). Zunächst unterscheiden die Arbeitsschwerpunkte, ob primär die Gründerperson, z.B. bezüglich ihrer persönlichen Merkmale und psychosozialen Strukturen, oder das gegründete Unternehmen, z.B.

hinsichtlich seiner Organisationsform und Kapitalausstattung, Gegenstand der Untersuchung ist. In der Regel wird dann in beiden Fällen mindestens ein weiterer Schwerpunkt gesetzt. Eine Möglichkeit bietet der temporal ausgerichtete Standpunkt, d.h. Analysen erfolgen unter Beachtung verschiedener gesellschaftlicher und/oder ökonomischer Prozesse (z.B. Veränderung des Images von Selbständigen oder Tertiärisierungstendenzen der Gesamtwirtschaft). Eine zweite Option berücksichtigt indessen verstärkt regionalspezifische Strukturen. Auch hier kann zum einen stärker die subjekt-orientierte Komponente wie beispielsweise die soziodemographischen Strukturen im räumlichen Umfeld der Gründer berücksichtigt werden, zum anderen ist auch eine stärker objekt-orientierte Ausrichtung vorstellbar, beispielsweise durch die Einbeziehung der wirtschaftssektoralen oder unternehmensgrößenspezifischen Strukturen des Untersuchungsraums. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die unterschiedlichen Komponenten je nach Untersuchungslage eine ungleich tiefe fachliche und regionale Gliederung aufweisen. Die Kombination verschiedener Komponenten innerhalb einer Untersuchung macht nicht nur theoretisch Sinn, sondern ist tatsächlicher Gegenstand der deutschen Gründungsforschung. Diese durchaus erstrebenswerte Berücksichtigung mehrerer Komponenten muss jedoch oftmals aus forschungsökonomischen Motiven mit einer verminderten fachlichen und/oder regionalen Gliederungstiefe „erkauft“ werden. Auch erfahren die verschiedenen Komponenten je nach beteiligter Fachdisziplin zum Teil sehr unterschiedliche Gewichtungen, wenngleich es durchaus Überschneidungsbereiche gibt. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse der verschiedenen Fachdisziplinen ist allerdings, wie bereits erwähnt, aufgrund ihres unterschiedlichen methodischen Vorgehens, nur selten gewährleistet. Durch die zunehmenden Berücksichtigung der regional-strukturellen Komponente seit Beginn der 1990er Jahre, tritt jedoch mit der Frage des Maßstabes bzw. der Analyseebene ein weiteres methodisches Problem in den Vordergrund. Hier muss bei der Bewertung der Ergebnisse entsprechend beachtet werden, ob einer Untersuchung ein personenoder raumbezogener Ansatz zugrunde liegt. Beide Ansätze können, müssen jedoch nicht zu den gleichen oder vergleichbaren Ergebnissen kommen, auch wenn der gleiche Untersuchungsgegenstand bearbeitet wird (siehe Beispiel in Schmude 1995, S.5). Zudem erschweren die problematische Datenlage und die definitorische Begriffsunschärfe die Arbeit der deutschsprachigen Gründungsforschung, eine Tatsache die sich im internationalen Vergleich noch verschärft.

Abb. 2: Komponenten der Gründungsforschung nach Schmude

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Schmude 1995, S.2, eigene Darstellung

Die Erkenntnis der Notwendigkeit einer interdisziplinären Betrachtungsweise zeigt sich in einem ersten Versuch einer fachübergreifenden, wissenschaftlichen Auseinandersetzung der deutschsprachigen Gründungsforschung, dem „Interdisziplinären Symposium zur Gründungsforschung“, das 1994 im Rahmen des Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg (IWH) durchgeführt wurde. Auf der Tagung wurden in zahlreichen Ausführungen von Fachvertretern der Betriebswirtschaftlehre, der Volkswirtschaftslehre, der Soziologie, der Geographie und den Rechtswissenschaften Forschungsergebnisse vorgestellt und von den rund 50 Teilnehmern aus Sicht der verschiedenen Disziplinen diskutiert (vgl. Schmude 1995, Vorwort). Als Ergebnis dieser Diskussionen kann festgehalten werden, dass aufgrund der Komplexität der Thematik unterschiedliche Disziplinen an der Entrepreneuship-Forschung beteiligt sind, deren Forschungsergebnisse allerdings nicht ausreichend integriert und koordiniert sind. Die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Gründungsproblematik gilt jedoch als wesentlich, da hierdurch zum einen ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch wissenschaftliche Synergieeffekte zu erwarten ist. Zum anderen sollte eine derartige Betrachtungsweise zur Klärung von sich widersprechenden Forschungsergebnissen beitragen (vgl. Universität Regensburg 2005, online im I-net).

Das von Schmude (1995, S.9) Mitte der 1990er in seinem Aufsatz „Gründungsforschung - eine interdisziplinäre Aufgabe“ gestellte Ziel, dass die Gründungsforschung nicht nur Ergebnisse zwischen den einzelnen Fachdisziplinen austauscht, sondern dass durch interdisziplinäre Projekte diese Ergebnisse gemeinsam erarbeitet und der Praxis zur Verfügung gestellt werden, kann eine Dekade später nicht gänzlich als erreicht angesehen werden. So stellt Braukmann (2001, S.82) fest, dass die paradigmatischen Ausgangslagen und die jeweiligen Erkenntnisinteressen der verschiedenen Disziplinen indizieren, dass sich die interdisziplinäre Gründungsforschung weiterhin in einem frühen und keinesfalls abschließenden Etablierungsstadium zu befinden scheint. Die Tatsache, dass interdisziplinäre Projekte zahlenmäßig Zuwachs gewinnen, gibt allerdings Anlass zur Hoffnung, dass die Gründungsforschung schnellen Schrittes dem Ziel der Etablierung entgegen schreitet. Im Folgenden werden Beispiele für interdisziplinäre Zusammenarbeit gezeigt.

Als universitätsübergreifendes Beispiel für Interdisziplinarität kann das DFG- Schwerpunktprogramm „Interdisziplinäre Gründungsforschung“ gesehen werden, das 1998 ins Leben gerufen wird und 2004 endet. Zentraler Gegenstand des Programms sind neugegründete Unternehmen, wobei sowohl die vorbereitende Gründungsphase (pre-entry) als auch der Gründungsvorgang selbst sowie die Weiterentwicklung der Unternehmen miteinbezogen werden. Die das Gründungsgeschehen prägenden Strukturen und Prozesse werden hierbei im Hinblick auf gesellschaftliche, rechtliche, ökonomische und regionale Determinanten aus interdisziplinärer Sicht untersucht. Ziel ist es, durch empirische Analysen einen substanziellen Beitrag zum besseren Verständnis des Gründungsgeschehens zu leisten. Im Gegensatz zur bisher „nur“ von einzelnen Disziplinen betriebenen eindimensionalen Gründungsforschung wird durch den interdisziplinären Ansatz erwartet, dass aufgrund der wissenschaftlichen Synergien ein Abbau theoretischer Mängel und die Verbesserung der empirischen Umsetzung sowie eine Schärfung des methodischen Instrumentariums erreicht werden. Beteiligte Fachrichtungen sind die Betriebswirtschaftslehre, Geographie, Psychologie, Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaften, Raumplanung (vgl. DFG 2005a, online im I-net). Folgende Teilprojekte sind Bestandteil des Schwerpunktprogramms in seiner dritten und letzten Phase von 2002 bis 2004, wobei das Teilprojekt „Das gründungsspezifische Ausund Weiterbildungsangebot in Hochschulregionen und seine Effekte“ als Beispiel dafür gesehen werden kann, dass die Gründungsausbildung durchaus Gegenstand der Gründungsforschung sein kann:

- Das gründungsspezifische Ausund Weiterbildungsangebot in Hochschulregionen und seine Effekte (Dowling, Regensburg; Von Rosenstiel, München; Schmude, Regensburg),
- Entwicklungswege und Interaktionsbeziehungen innovativer IT-Unternehmen: Zur Bedeutung von Gründungsformen und Gründungskontext (Ekkenga, Gießen),
- Entrepreneurship und Regionalentwicklung (Fritsch, Freiberg; Schefczyk, Dresden),
- Unternehmensgründungen in industriellen Clustern am Beispiel der Medizintechnik Tuttlingen (Gaebe, Stuttgart; Staber, Stuttgart),
- Die Gründung wissensbasierter Dienstleistungsunternehmen im Kontext industrieller Kerne. Eine komperative Analyse in regionalökonomischer Perspektive (Meyer- Krahmer, Karlsruhe; Ronning, Tübingen),
- Beschäftigungseffekte durch Gründungen: Erhöhen sie die Erwerbstätigkeit und wie ist die Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze? (Brixy, Nürnberg; Kohaut, Nürnberg; Schnabel, Nürnberg),
- Die Entwicklung junger Unternehmen (Stahl, Mannheim; Brüderl, Mannheim; Licht, Mannheim; Woywode, Mannheim),
- Regionaler Entrepreneurship Monitor (REM) - Zur Beobachtung und Analyse interregionaler und intertemporaler Unterschiede im Gründungsgeschehen in Deutschland (Wagner, Lüneburg; Sternberg, Köln) (vgl. DFG 2005b, online im I-net).

Ein weiteres Beispiel der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Gründungsforschung ist der 1987 in Berlin gegründete Förderkreis Gründungsforschung e.V. (FGF), der als Ziel die Förderung von Forschung, Lehre und Transfer zur Thematik der Unternehmensgründung verfolgt. Inhaltliche Schwerpunkte liegen in der genetischen Betrachtungsweise unter Ausrichtung auf die Gründungsund Frühentwicklungsphase von Unternehmen, sowie auf dem Aspekt des unternehmerischen Handelns. So leistet der FGF in dem noch jungen Feld des Entrepreneurship mit seinen Aktivitäten einen wichtigen Beitrag zur Schaffung und Verbesserung der Infrastruktur für die akademische Forschung und Lehre. Die Aktivitäten des FGF konzentrieren sich seit Beginn unter anderem auf die Unterstützung der Etablierung von Hochschulprofessuren im Bereich Gründungsmanagement/Entrepreneurship, die Entwicklung und Pflege der Entrepreneurship Literatur Datenbank ELIDA, die Publikation wissenschaftlicher Gründungsliteratur und auf die Veranstaltung wissenschaftlicher Konferenzen zur Entrepreneurship Thematik. Der FGF sieht sich als Netzwerkknoten, der eine zentrale koordinierende Rolle im Bereich von Entrepreneurship-Forschung und -Lehre einnimmt (vgl. FGF 2005a, online im I-net).

2.3 Ein halbes Jahrhundert Gründungsausbildung in den USA

Der Grundstein der Unternehmensleiter-Ausbildung wird bereits 1881 an der Wharton School of Commerce and Finance an der Universität von Pennsylvania gelegt (vgl. Andrews 1968, S.17). Die Geschichte der Entrepreneurship-Ausbildung in den USA hingegen beginnt Mitte des 20. Jahrhunderts. Im Februar 1947 hält Myles Mace den ersten Entrepreneurship Kurs in den USA an der Havard’s Business School, der 188 von insgesamt 600 second-year MBA Studenten anzieht. Der Aufstieg einer neuen Disziplin war somit eingeläutet (vgl. Katz 2003, S.283f). Während in den 1950ern und 1960ern die Thematik Entrepreneurship allerdings nur mäßig an Bedeutung gewann, stieg in den 1970er Jahren die Anzahl der business schools, die Entrepreneurship-Kurse anboten, drastisch an. Was genau diesen Boom auslöste, ist nur schwer nachzuvollziehen. Im Zuge der Bedeutungszunahme ändert sich jedoch die Konnotation des Begriffs Entrepreneurship schlagartig von Begriffsfeldern wie Geiz, Ausbeutung, Eigensinn und Untreue zu Kreativität, Schaffung von Arbeitsplätzen, Profitabilität, Innovativität und Großzügigkeit (vgl. Vesper 1997, S.406f.). Die anhaltende Bedeutungszunahme der Disziplin Entrepreneurship lässt sich auch anhand folgender Zahlen belegen: Während im Jahr 1994 schon mehr als 120.000 amerikanische Studenten Entrepreneurship oder small business Kurse belegten, hat die Zahl der Studenten zu Beginn des neuen Jahrtausends schätzungsweise um weitere 50 Prozentpunkte zugenommen (vgl. Katz 2003, S.283f). Dass kein anderer Bereich der amerikanischen business education aus einer größeren und weiter verbreiteten finanziellen Grundlage schöpft, unterstreicht zudem die Bedeutung der Disziplin Entrepreneurship. Trotz der „dot-com“ Pleite im Jahre 2000 und der Flaute an der Börse der Jahre 2000 und 2001 kommt die Mehrzahl der amerikanischen Millionäre noch immer aus dem Kreis der Unternehmensgründer, und es kann nach wie vor davon ausgegangen werden, dass diese ihrer Alma Mater die nötige finanzielle Unterstützung zukommen lassen (vgl. Katz 2004. S.4f.). Etwa ab Ende der 1980er Jahre sehen Plaschka und Welsch (1990, S.59f.) Entrepreneurship in den USA als eigenständige Disziplin, wenngleich die Lehrpläne und deren Umsetzung noch nicht ausgereift zu sein scheinen.

Der Aufschwung der Disziplin Gründungsausbildung verdeutlicht sich laut Katz (2003, S.285ff.) anhand drei Komponenten: Kurse, infrastrukturelle Elemente und Veröffentlichungen. Bei der Zahl der in Entrepreneurship angebotenen Kurse ist ein stetiger und rapider Anstieg zu verzeichnen, wenngleich eine gewisse Kontroverse darüber herrscht, was als Zuwachs gewertet wird. Laut Katz (2003, S.285) wird eine der bedeutendsten Untersuchungen von business schools in den USA hinsichtlich ihrer angebotenen Kurse von Vesper (1993) durchgeführt. Gegenstand der Untersuchung sind einzig 4-year und graduate Programme und davon nur solche, die Entrepreneurship zum Gegenstand haben. Die Anzahl der Hochschulen, die Kurse in Entrepreneurship anbieten, steigt stetig von 4 im Jahr 1968 auf 370 im Jahr 1993. Die Untersuchung wurde von Vesper und Gartner (2001, introduction) fortgeführt, und so zeigt sich im Jahr 2001 ein Zuwachs auf 504 Hochschulen, die Kurse in Entrepreneurship anbieten. Die Zuwachsrate von 1968 bis 2001 beträgt somit durchschnittlich ca. 15 Hochschulen pro Jahr. Mittlerweile gibt es in den USA keine einzige bedeutende business school, die das Fach Entrepreneurship nicht anbietet. Von den ca. 3000 colleges in Nordamerika, die business Programme anbieten, haben zudem etwa die Hälfe Entrepreneurship-Kurse im Programm, während die verbleibenden so genannten late-adopter schools stetig versuchen, die Voraussetzungen zu schaffen, um Entrepreneurship in Zukunft in ihr Programm aufzunehmen (vgl. Katz, S.285ff.).

Die wachsende Bedeutung von entrepreneurship education in den USA wird auch an dem Wachsen infrastruktureller Elemente ersichtlich (vgl. Katz 2003, S.291f.). Abbildung 3 zeigt die stetig steigenden Zahl der endowed positions (Stiftungsprofessuren) sowohl in den USA als auch weltweit und dokumentiert so nicht nur den rasanten Anstieg in den USA, sondern auch die Vormachtstellung der amerikanischen Gründungsausbildung. Die hohe Frequenz bei der Schaffung von Stiftungsprofessuren erklärt sich größtenteils aus der Tatsache, dass diese aus Erlösen des Börsenbooms der späten 1990er finanziert wurden. 2003 wurden in den USA 406 endowed positions gezählt. Obwohl die endowed positions außerhalb der USA erst seit ca. 15 Jahren auf dem Vormarsch sind, haben sie zahlenmäßig ebenfalls eine enorme Zunahme zu verzeichnen. Von gerade mal 4 Stiftungsprofessuren im Jahr 1991 stieg die Zahl auf 158 im Jahr 2003 und trägt so zu den weltweit 563 Stiftungsprofessuren des Jahres 2003 bei. Betrachtet man den Zeitraum von 1999 bis 2003, wird weltweit an jedem 5,6ten Tag eine neue Stiftungsprofessur errichtet (vgl. Katz 2004, S.6ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Katz 2004, S.9, eigene Darstellung

Neben den angebotenen Kursen und den infrastrukturellen Elementen wie beispielsweise die Schaffung von Stiftungsprofessuren lässt sich der Aufschwung der Disziplin Gründungslehre laut Katz (2003, S.292ff.) noch anhand der Veröffentlichungen zum Thema verdeutlichen. Die Zahl der Lehrbücher im Entrepreneurship und verwandten Bereichen wächst immer weiter. Laut einer umfassenden Erhebung von Katz und Green (1996, S. 365ff.) im Jahr 1996 existieren 625 Lehrbücher. Zwei Jahre später wird eine ähnliche Untersuchung unter Zuhilfenahme des US-amerikanischen Onlinehändlers amazon.com durchgeführt. Es werden 3555 Titel, die den Begriff „small business“, und 1132 Titel, die den Begriff „entrepreneurship“ beinhalten, gelistet. Die kombinierte, bereinigte Liste ergab immerhin noch 2723 Titel. Bei einer eigenen Recherche am 28.02.2005 listet amazon.com für den Begriff „small business“ 11875, für den Begriff „entrepreneurship“ 1543 Bucheinträge auf. Akademische Zeitschriften widerspiegeln ebenfalls die steigende Bedeutung der Thematik. Größtenteils in der Zeit nach 1987 in Erscheinung getreten, hat sich die Zahl der akademischen Zeitschriften im Schnitt alle drei Jahre verdoppelt. Im Mai 2001 gibt es 44 akademische Zeitschriften, die sich dem Thema Entrepreneurship widmen (vgl. Katz 2003, S.292). Eine aktuelle Liste akademischer Zeitschriften kann auf der Homepage der Entrepreneurship Fakultät der Saint Louis University eingesehen werden (vgl. online im I-net: Saint Louis University 2005). Die Unüberschaubarkeit hinsichtlich der Vielzahl akademischer Zeitschriften und ein Defizit an wissenschaftlichen Mitarbeiter und vor allem an PhD-Programmen können als größere Probleme im Bereich der US-amerikanischen Gründungslehre gesehen werden, wenngleich Katz (2003, S.385ff.) in der Gründungslehre in den USA die Entwicklungsstufe der Reife als erreicht sieht. Für die

Zukunft sei laut Katz (2003, S. 283) eine anhaltende Entwicklung von Entrepreneurship au- ßerhalb der business schools als auch außerhalb der USA zu erwarten.

Während Katz (2003, S.285ff.) den Aufschwung der Disziplin Gründungslehre anhand von Kursen, infrastrukturellen Elementen und Veröffentlichungen verdeutlicht, untersucht eine 1997 von Vesper und Gartner (1997, S.403ff.) veröffentlichte Studie unter anderem die besten Entrepreneuship Programme in den USA. Kriterien, die in die Bewertung einfließen, sind folgende: offered courses, faculty publications, impact on community, alumni exploits, innovations, alumni start-ups und outreach to scholars. Der Studie zufolge wird das beste Entrepreneurship-Programm in den USA vom Babson College angeboten, gefolgt von dem Programm der Harvard Business School und dem der Wharton School.

Fiet (2000a, S.1ff.) sieht die Frage nach dem Stand der US-amerikanischen Gründungslehre eng verknüpft mit der Findung einer allgemeinen Theorie. Die Debatte, ob Entrepreneurship lehrbeziehungsweise erlernbar ist, geht immer wieder auf die Frage zurück, ob sich eine klar definierte, kumulative Theorie aufstellen lässt. Für die Befürworter der Lehrund Erlernbarkeit von Entrepreneurship ist eine allgemeine Theorie essentieller Bestandteil einer jeden Ausbildung, da es ihrer Meinung nach keine andere Möglichkeit gibt, Studenten zu helfen, die Zukunft zu antizipieren. Eine theoretische Grundlage kann als der Schlüssel des unternehmerischen Erfolges gesehen werden, sofern sich der angehende Unternehmer nicht auf Intuition oder gar Schicksal verlassen will. So kann Theorie als das praktischste gesehen werden, das Studenten lernen können. Aus diesem Grund untersucht Fiet (2000a, S.3ff.) den Fortschritt der Entwicklung einer allgemeingültigen Entrepreneurship- Theorie anhand von 18 in Entrepreneurship-Kursen angewandten Lehrplänen, die in der Gründungslehre tätige Dozenten und Hochschullehrer zu Verfügung stellen. Als Ergebnis kann eine große Diskrepanz bezüglich der Themen festgestellt werden, eine Tatsache, die bei einer sich entwickelnden Disziplin wohl unumgänglich zu sein scheint. So sind alle bislang angewandten Theorien in bestimmter Weise ungenau, gegensätzlich oder unvollständig. Die Versuche, eine Entrepreneurship-Theorie zu entwickeln, sind in der Vergangenheit meist als Experimente, verschiedene Theorien in Einklang zu bringen, und nicht als Entwicklung einer kumulativen Theorie zu sehen. So erscheint es zuweilen, dass jedes Projekt in der Gründungsforschung von neuem beginnt, ungeachtet der Tatsache, dass bereits verwandte Projekte existieren. Zudem konzentriert sich die Gründungsforschung zu sehr auf die Beschreibung von gründungsrelevanten Aspekten, anstatt Theorien zu entwickeln, die präzise Vorhersagen des Gründungsgeschehens ermöglichen. Diese Tatsache beschränkt sich nicht nur auf die Forschung, sondern kann auch in Lehrbüchern gesehen werden. Fiet (2000b, S.101ff.) belässt es aber nicht bei einer bloßen Forderung nach einer allgemeinen Entrepreneurship-Theorie, sondern beschäftigt sich zudem mit einer Strategie zu deren Umsetzung. So erfordert eine didaktisch begründete Strategie zur Umsetzung einer Entrepreneurship-Theorie unter anderem folgende Aspekte: Zum einen sollte der Unterrichtsgegenstand stets ein überraschendes Moment beinhalten, anstatt nur Vorhersagbares in Betracht zu ziehen. Da eine gute Theorie jeden Anwendbarkeitstest besteht, fördert dies die Motivation der Lernenden. Zum anderen sollte eine effektive Strategie in der Umsetzung einer Entrepreneurship-Theorie auch den Lernenden mit einbeziehen, da nur ein harmonisches Arbeitsklima dem Lernfortschritt förderlich ist. Zudem sollte dem Studenten ein hohes Maß an Eigeninitiative abverlangt werden, da aktives Erarbeiten von Problemfällen im Hinblick auf den Lernerfolg dem passiven Aufnehmen des Unterrichtsstoffes vorzuziehen ist.

Die in der US-amerikanischen Entrepreneurship-Literatur aufgeworfenen Fragen, ob Unternehmer für ihre Tätigkeit geboren werden oder dazu gemacht werden (vgl. Morrison 1998, S.6 f.) beziehungsweise ob Entrepreneurship gelehrt werden kann oder nicht (vgl. Gibb 1996, S.312), lassen die Aneignung und den Aufbau einer beruflichen Handlungskompetenz und die damit verbundene Frage nach dem Sinn und Zweck der Gründungslehre allgemein schwierig erscheinen. Anderseck (2000, S.15) hält es für wenig sinnvoll, zwischen den beiden Alternativen „born or made?“ zu unterscheiden, da sie auf unterschiedlichen Weltsichten basieren. Insgesamt seien seiner begründeten Meinung nach alle Bildungsanstrengungen gerechtfertigt, die sich auf die Motivation und die Einstellungen zur Selbständigkeit insbesondere junger Menschen richten. Andere Beiträge in der deutschen Entrepreneurship-Education-Diskussion (siehe z.B. Grüner 1993, S.490; Rispas 1998, S.218) stützen die Lehrbzw. Erlernbarkeit einer gründungsbezogenen Handlungskompetenz (vgl. Braukmann 2001, S.79). Abschließend lässt sich festhalten, dass vom Meinungsaustausch bezüglich der Gründungslehre zwischen den zahlreichen Wissenschaftler nicht nur die Gründungslehre in den USA, sondern auch die deutsche Gründungslehre, profitiert.

2.4 Gründungsausbildung in Deutschland: Die USA als orientierendes Muster?

Während zum Ende der 1980er Jahre in den USA bereits 50 Lehrstühle und 52 weitere Professuren im Bereich Entrepreneurship eingerichtet sind, wird die Ausbildung zum Unternehmensgründer durch den tertiären Bildungssektor in der Bundesrepublik Deutschland lange Zeit vernachlässigt (vgl. Schmude 1995, S.1). So dauert es, wie bereits erwähnt, bis zum Jahr 1998, ehe der erste Lehrstuhl für Entrepreneurship-Ausbildung an der Privathochschule in Oestrich-Winkel besetzt wird (vgl. Schmude 2001, S.3). Gibt es in den USA mittlerweile keine einzige bedeutende business school, die das Fach Entrepreneurship nicht anbietet, wird in Deutschland in den letzten Jahren ein ähnlicher Weg bestritten, wenn auch noch nicht mit der gleichen Intensität wie in den USA. So wird in Deutschland unter anderem eine Vielzahl von Ausbildungsprogrammen zur Existenzgründung gefördert (vgl. Bronner 2001, S.582). Diese Hochschulinitiativen werden auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vorgestellt (vgl. BMWI 2005, online im I-net).

Während diese Hochschulinitiativen auf einzelne Universitäten beschränkt sind, kann das EXIST-Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung als bundesweites Beispiel der Förderung von Existenzgründungen gesehen werden. Das Programm „EXIST - Existenzgründer aus Hochschulen“, das 1998 ins Leben gerufen wird, verfolgt das Ziel, dauerhaft eine Kultur der unternehmerischen Selbständigkeit in Lehre, Forschung und Verwaltung an den Hochschulen zu etablieren. Weitere Ziele sind die konsequente Übersetzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in wirtschaftliche Wertschöpfung, die zielgerichtete Förderung des großen Potenzials an Geschäftsideen und Gründerpersönlichkeiten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen und eine deutliche Steigerung der Anzahl innovativer Unternehmensgründungen und damit die Schaffung neuer und gesicherter Arbeitsplätze. Insgesamt soll EXIST dazu beitragen, das Gründungsklima an den Hochschulen zu verbessern und die Anzahl der Unternehmensgründungen aus akademischen Einrichtungen zu steigern. In regionalen Netzwerken wurden dazu die Voraussetzungen für die Ausbildung und Unterstützung von unternehmerischen Persönlichkeiten geschaffen. Die Hochschulen arbeiten in Netzwerken mit externen Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, wie z.B. außeruniversitä- ren Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Kapitalgebern, Technologieund Gründerzentren, Unternehmensberatungen, Kammern, Verbänden und Kommunen zusammen. Gemeinsam entwickeln sie ein abgestimmtes Angebot für Studierende, Mitarbeiter und Absolventen. EXIST kann somit als ein bedeutender Baustein in der öffentlichen Unterstützung der Bundesregierung von innovativen Unternehmensgründungen gesehen werden, der durch seine spezielle Zielsetzung zur Verbesserung des Wissensund Technologietransfers aus den Hochschulen beiträgt.

EXIST beginnt im Dezember 1997 als Ideenwettbewerb, bei dem eine Kooperation von mindestens drei verschiedenen Partnern aus einer Region, darunter eine Hochschule, gefragt ist. Die hohe Beteiligung von über 200 Hochschulen mit über 100 Ideenskizzen für regionale Netzwerke zeigt die Bedeutung des Programms. In einem zweistufigen Verfahren werden fünf Modell-Regionen von einer unabhängigen Jury ausgewählt: bizeps (Wuppertal - Hagen), dresden exists, GET UP (Ilmenau - Jena - Schmalkalden - Weimar), KEIM (Karlsruhe - Pforzheim) und PUSH! (Stuttgart). Mit EXIST-Transfer werden seit Sommer 2002 zehn weitere Netzwerke in der deutschen Hochschullandschaft gestärkt und ausgebaut. Dabei werden die Erfahrungen aus den bisherigen fünf EXIST-Modellregionen ausgetauscht. Folgende zehn Regionen werden aus 45 Bewerbern ausgewählt: BEGIN (Potsdam - Brandenburg), BRIDGE (Bremen), fit-exist (Trier), G-Dur (Dortmund), GROW (Ostbayern), Gründerflair MV (Mecklenburg-Vorpommern), KOGGE (Lübeck - Kiel), Route A 66 (Frankfurt - Wiesbaden - Offenbach), START (Kassel - Fulda - Marburg - Göttingen) sowie SAXEED (Südwestsachsen). Ein Überblick über nahezu alle Standorte und Regionen (EXIST-Regionen, EXIST- Partnerregionen), an denen Förderinitiativen für Existenzgründungen aus Hochschulen in Deutschland betrieben werden, geht aus Karte 1 hervor.

Karte 1: Förderinitiativen für Existenzgründungen aus Hochschulen in der BRD

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: EXIST 2005b, online im I-net, eigene Darstellung

Damit das Programm EXIST erfolgreich verlaufen kann, bedarf es der wissenschaftlichen Begleitung. Hier gilt es unter anderem das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) zu nennen. Darüber hinaus informiert eine bundesweite Öffentlichkeitsarbeit über den Verlauf des Programms. So erscheinen viermal im Jahr die „EXIST-News“. Zudem werden zu einzelnen Themen und Fragen im Bereich „unternehmerische Selbstständigkeit“ regelmäßig Publikationen und Studien veröffentlicht. Auf der Homepage www.exist.de fließen alle Informationen zusammen. Dazu gehören unter anderem die Projektdatenbank, die Dokumentation der im Rahmen von EXIST gegründeten Unternehmen sowie eine interaktive Netzwerkkarte mit einem Überblick über einschlägige Initiativen au- ßerhalb der EXIST-Regionen.

Die Erfahrungen der ersten fünf EXIST-Regionen zeigen unter anderem, dass sich für die Wissensvermittlung an die Studierenden Veranstaltungen durch das reguläre Lehrpersonal bewähren, besonders dann, wenn sie mit unternehmerischen Persönlichkeiten aus der Praxis angereichert werden. Noch nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob und wie die Lehrangebote in den Studienordnungen verankert werden oder sogar prüfungsrelevant sein können. Von großer Bedeutung ist allerdings ein sehr intensives Marketing durch die EXIST-Initiativen, um Studierende aller Fachrichtungen für das Gründungsthema zu sensibilisieren und Interesse für eine entsprechende Qualifizierung zu wecken. Diese und andere Erfahrungen müssen für andere Netzwerke nutzbar gemacht werden, wobei die Studie des Fraunhofer-ISI „Erfahrungen aus EXIST - Querschau über die einzelnen Projekte“ eine Hilfe darstellt, indem sie die Erfahrungen aus der Arbeit der EXIST-Netzwerke systematisch aufbereitet (vgl. EXIST 2005a, online im I-net). So beschränken sich beispielsweise die Unterstützungsfelder für Ausgründungen, die Hochschulen in der Ausbildung und darüber hinaus leisten können, nicht nur auf die Motivation der Studierenden, Mitarbeiter und Hochschullehrer zu selbständiger unternehmerischer Tätigkeit, sondern umfassen auch diverse andere Bereiche, die aus Tabelle 2 hervorgehen (vgl. Kulicke 2002, S.10).

Tab. 2: Unterstützungsfelder von Hochschulen für Ausgründungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kulicke 2002, S.10, eigene Darstellung

Der Blick in die Zukunft gibt aufgrund der bisherigen Erfahrungen Anlass zur Hoffnung, dass das Ziel von EXIST erreicht wird, innerhalb der im Netzwerk beteiligten Hochschulen Bedingungen zu schaffen, die auch bei Auslaufen der Förderung eine permanente Fortführung der gründungsrelevanten Aktivitäten in selbsttragenden Strukturen sichern. So haben sich die beteiligten Hochschulen bereits verpflichtet, aus eigener Anstrengung heraus das Gründungsthema fest in ihrem Leistungsangebot zu verankern. Dazu gehören nicht nur Änderungen im Lehrangebot und die Berücksichtigung der Lehrveranstaltungen zur Qualifizierung von Gründerpersönlichkeiten in den Studienund Prüfungsordnungen, sondern auch spürbare Budgetverlagerungen in den Hochschulhaushalten. Für die Zukunft gilt es zudem, weitere Regionen, deren Gründungsgeschehen noch am Beginn steht, zur Nachahmung anzuregen und den Transfer von Ergebnissen und Erfahrungen aus den EXIST-Regionen zu forcieren (vgl. E- XIST 2005a, online im I-net).

Trotz dieser positiven Veränderungen ist Deutschland in dem Ranking des Global Entrepreneurship Monitor 2000 in der Kategorie „Status quo of education at schools and universities“ noch eines der Schlusslichter. Wenngleich eine verstärkte Bereitschaft von Seiten der Dozenten als auch der Studenten besteht, sich dem Thema Entrepreneurship anzunehmen, gibt es andererseits doch immer wieder Kritik bezüglich der unzureichenden Interdisziplinarität der angebotenen Kurse, der mangelnden Qualifikation im Bezug auf Unternehmensgründung und -führung und der unzureichenden Motivation der Dozenten und schließlich der sehr bürokratisch geführten Universitäten (vgl. Koch 2003, S.635f.). Vor allem aber mangelt es der Gründungsausbildung noch an fundierten, praxisbezogenen Konzepten und Fallstudien einerseits und einer wissenschaftlich untermauerten Entrepreneurship-Theorie andererseits. Eine Tatsache, die zeigt, dass der Bereich Gründungausbildung in Deutschland – im Unterschied zu den USA – noch in den Kinderschuhen steckt (vgl. Volkmann 2002, S.62). Die Notwendigkeit der Integration praxisbezogener Elemente in die Lehre verdeutlichen unter anderem die Ergebnisse einer repräsentativen Absolventenbefragung, die 2000 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von der Hochschul-Informations-System (HIS) GmbH durchgeführt wird. Die HIS-Studie 2000 zeigt, dass Defizite in der Ausbildung, insbesondere in der Entwicklung der Kommunikations-, Organisations-, und Kooperationsfähigkeit, sowie der Praxiserfahrung bemängelt werden (vgl. Holtkamp 2001, S.49f.). Diese Kritik kann allerdings den Bedeutungszuwachs der Entrepreneurshipausbildung nicht bremsen; im Jahr 2004 sind in Deutschland bereits 44 Entrepreneurshipprofessuren zu verzeichnen.

Zum inhaltlichen Gegenstand der Gründungsausbildung gibt es unterschiedliche Ansichten. Eine laut Bronner, Mellewigt und Späht (2001, S.583f.) zweckmäßige Definition kennzeichnet Entrepreneurship als Prozess, der mit der Ideengenerierung beginnt, zwingend die Gründung einer Unternehmung umfasst und mit dem Aufbau formaler Führungssysteme oder dem Austritt des Gründers endet. Daneben erfordert Entrepreneurship, dass Unternehmer (zumindest teilweise) Eigentümer des Unternehmens sind und auch unternehmerisches Risiko tragen. Dadurch wird Entrepreneurship von Intrapreneuship abgegrenzt. Zusätzlich streben Unternehmen Wachstum an und zielen auf Gewinnund Wertmaximierung, wodurch Entrepreneurship von der reinen Existenzgründung abgegrenzt wird. Somit gelten als typische Inhalte des Entrepreneurship bzw. Gründungsmanagement:

- Generierung von Geschäftsideen (Opportunity identification),
- Bewertung der Geschäftsideen (Feasibility Study),
- Aufstellung eines Unternehmensplans,
- Marktund Standortanalyse,
- Festlegung der Markteintrittsstrategie,
- Finanzierung der Unternehmensgründung,
- Beschaffung von Wagnisbzw. Eigenkapital (Venture capital, business angels),
- Rechtsformwahl,
- Gesetzliche und steuerliche Rahmenbedingungen,
- Öffentliche Gründungsförderung,
- Schutzrechte (Patente, Lizenzen),
- Management von schnellem Wachstum,

[...]

Ende der Leseprobe aus 112 Seiten

Details

Titel
Lehrbücher in der Kritik - Eine Studie zur Bewertung von Entrepreneurship-Lehrbüchern in der deutschen Gründungsausbildung
Hochschule
Universität Regensburg  (Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
112
Katalognummer
V114991
ISBN (eBook)
9783640153848
ISBN (Buch)
9783640155460
Dateigröße
2234 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lehrbücher, Kritik, Eine, Studie, Bewertung, Entrepreneurship-Lehrbüchern, Gründungsausbildung
Arbeit zitieren
Philipp Namberger (Autor:in), 2005, Lehrbücher in der Kritik - Eine Studie zur Bewertung von Entrepreneurship-Lehrbüchern in der deutschen Gründungsausbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114991

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