Persönlichkeitsentwicklung durch Inszenierung. Ambivalenzen der Wertevermittlung und ihre Methodik im Fach Werte und Normen (Sekundarstufe I)


Hausarbeit, 2020

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Verstehen durch Inszenieren im Fach Werte und Normen

2. Der Bildungsbeitrag des Faches Werte und Normen - dialogische Wertevermittlung

3. Verstehen durch Empathie

4. Das Pädagogische Rollenspiel nach Pfeifer, Roew und Kriesei

5. Fazit: Ambivalenz der Wertevermittlung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Verstehen durch Inszenieren im Fach Werte und Normen

Werte sind zwischenmenschliche Phänomene, die das Zusammenleben von Individuen struk­turieren. Die Vielschichtigkeit konkurrierender moralischer Standpunkte innerhalb unserer de­mokratischen Gesellschaft erschwert uns die eigene moralische Orientierung. Der vermeintli­che Kompass der Verfassung, basierend auf Grund- und Menschenrechten, ist nicht in der Lage diese moralischen Spannungsfelder konkurrierender Werte aufzulösen. Auch das kantisch ka­tegorische Prinzip, die Freiheit des Individuums nach Maß des sittlichen Handelns und der Menschenwürde einzuschränken, stellt keinen Antagonismus zum demokratischen Methoden­pluralismus dar - es hebt die Wichtigkeit demokratischer Grundprinzipien, wie der Meinungs­freiheit, in besonderem Maße hervor. Wertevermittlung, die dem kantischen Freiheitsbegriff und dem demokratischen Miteinander gerecht werden muss, kann deshalb gar nicht anders, als einen wertschätzenden Umgang mit unauflösbaren, wertepluralistisch bedingten Spannungsfel- dem als Bildungsbeitrag zu formulieren. Eine solche Wertevermittlung wird keine bloß rational faktische Antwort auf die Fragen der Schülerinnen zur moralischen Orientierung bieten kön­nen. Welche Konsequenzen der Bildungsbeitrag für die Wahl von Methoden im Fach Werte und Normen (Sekundarstufe I) im Bundesland Niedersachsen hat, wird im Folgenden themati­siert.

In Didaktik des Ethikunterrichts beschreibt Volker Pfeifer das „Inszenieren von Rollen­spielen [als] voraussetzungsreich“1 und stellt heraus, dass die Bedingungen für den Erfolg in­szenierender Methoden in einer didaktisch tief reflektierten und detaillierten Planung liegen. Den didaktischen Herausforderungen inszenierender Methoden zollen auch Roew und Kriesei in ihrer Einführung in die Fachdidaktik des Ethikunterrichts Tribut, betonen aber, darüber hin­aus, ausdrücklich den Wert der Fähigkeit dieser Methoden, die Persönlichkeit der Lernenden in sowohl ihrer rationalen als auch affektiven Dimension zu adressieren.2

Ein „Leitmotiv des Faches Werte und Normen“3 stellt laut dem Niedersächsischem Kul­tusministerium die kantische Moralphilosophie im Sinne der Frage nach sittlichem Handeln dar. Dementsprechend wird es dem Anspruch von Unterricht in Werte und Normen nicht ge­nügen können, bloß explizites Wissen in Form von Regeln und Fakten zu vermitteln - das moralische Handeln selbst, seine rationalen und affektiven Dimensionen inkludiert, muss Teil von Wertevermittlung sein, die ihren Bildungsbeitrag erfüllen möchte. Moralisches Handeln als Bildungsziel wird im Kerncurriculum durch das Bestreben impliziert, den Lernenden auf dem Weg ihrer Entwicklung zu autonomen Individuen zur Seite zu stehen. Sie sollen die Fä­higkeit erlangen, sich aktiv in der Gestaltung der Gesellschaft einzubringen. In diesem Zusam­menhang stellen Roew und Kriesei die Chancen inszenierender Methoden vor:

Handlungsorientierter Unterricht kann den Schülern [...] neue Erfahrungen ermögli­chen - .. in Rollenspielen -, die ihnen in der Folge in ihrem emotionalen Gedächtnis zur Verfügung stehen werden und ggf. auch Einfluss auf ihre zukünftigen Entscheidungen haben dürften.4

Im kantischen Sinne interpretiert, geht es in erfolgreicher Wertevermittlung darum, die Lernen­den bei ihrer Bildung zu mündigen Individuen zu unterstützen. Sie sollen in der Lage sein, ihr erlerntes Wissen auch anzuwenden - sie sollen dem kantischen Ideal der Sittlichkeit und Frei­heit entsprechend zum moralischen Handeln befähigt zu werden.

Vor diesem Hintergrund sollen die Chancen und Herausforderungen inszenierender Me­thoden im Fach Werte und Normen thematisiert werden. Dazu ist es zunächst sinnvoll, den vom Niedersächsischen Kultusministerium formulierten Bildungsbeitrag im Kemcurriculum des Fa­ches Werte und Normen der Sekundarstufe I zu beleuchten. Erfolgreiche Wertevermittlung misst sich zwangsläufig an den dort formulierten Zielen. Im Anschluss wird diskutiert, dass inszenierende Methoden, in Form des Pädagogischen Rollenspiels, sich zum Erfüllen des Bil­dungsbeitrags in Werte und Normen besonders eignen können. Abschließend steht die These, dass Wertevermittlung, im Sinne des Bildungsbeitrages des Faches Werte und Normen, von einer Dialogizität gekennzeichnet ist, die in der Methodik des Unterrichts berücksichtigt wer­den sollte. Dadurch wird der Umgang mit nicht auflösbaren, wertebedingten Spannungsfeldem erprobt und begünstigt letzten Endes die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen zu mündigen Individuen.

Im ersten Absatz des Bildungsbeitrags des Faches Werte und Normen wird auf den übergeord­neten Anspruch des Niedersächsischen Schulgesetzes eingegangen, „die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler“5 in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Im Sinne Zierers, kann Per­sönlichkeit an dieser Stelle als der Reifegrad der Entwicklung der Individualität der Person verstanden werden. Persönlichkeit meint also eine variable Größe, die sich ein Leben lang ent­wickelt. Sie schließt Wissen, Können, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wertungen und Haltungen mit ein.6 Es dürfte soweit offensichtlich sein, dass Persönlichkeit sowohl rationale als auch affek­tive Ebenen des Daseins miteinbezieht. Beide Ebenen sind entscheidend am alltäglichen menschlichen Handeln beteiligt.

Als Maßstab für die angestrebte Entwicklung der Persönlichkeit werden Werte auf „Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, de­mokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen“7 genannt. Augenscheinlich geht es bei den hier thematisierten Grundlagen um Ideale, die ein gesellschaftliches Miteinander, durch Aneig­nung bestimmter Werte eines möglichstjeden Individuums, auf wertepluralistischer Basis, ge­währleisten sollen. DerBegriff des Miteinanders, welcher in Gesellschaft bereits mitschwingt, ist für Unterricht als Begegnung von Mensch zu Mensch von zentraler Bedeutung. Werte, die das menschliche Zusammenleben, in welcher Art und Weise auch immer, bestimmen, entstehen zwangsläufig im alltäglichen Austausch verschiedener Individuen - man kann auch sagen, sie werden im (zwischen)menschlichen Handeln transparent. Auch der Schulalltag ist von (zwi­schenmenschlichen Handlungen durchzogen, die mit alltagsrelevanten Konsequenzen verbun­den sind. Dabei bietet Schule als Institution einen gewissermaßen geschützten Raum - Ler­nende sollen, im Sinne ihrer Persönlichkeitsentwicklung, den Umgang mit dem eigenen Stand­punkt und andersartigen Positionen geschützt erproben, um sich nach der Absolvierung des Lebensabschnitts als Schülerinnen besser in der Welt zurechtzufinden.

Persönlichkeit der Lernenden entwickelt sich damit im Wechsel, sowie der Übernahme, von Perspektiven. In den Worten Martin Bubers, entwickelt sich Persönlichkeit in einer Begegnung von Mensch zu Mensch: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“17 Im kantischen Sinne soll Schülerinnen eine Entwicklung zu mündigen Individuen, die einen kategorischen Freiheitsbegriff nicht bloß rational verstehen, sondern auch in ihren Handlungen umsetzen können, ermöglicht werden. Damit ist Wertevermittlung zwangsläufig dialogisch.

[...]


1 Pfeifer, Volker: Didaktik des Ethikunterrichts, Bausteine einer integrativen Wertevermittlung, 3. Auflage, Stuttgart2013., S. 100.

2 Vgl. Roew, Rolf und Kriesei, Peter: Einführung in die Fachdidaktik des Ethikunterrichts, Regensburg 2017, S. 227-40.

3 Niedersächsisches Kultusministerium: Kemcurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5, Werte und Nor­men. db2.nibis.de/ldb/cuvo/datei/wn_gym_si_kc_druck_2017.pdf, abgefragtam23.03.2020., S. 5.

4 Roew und Kriesei 2017, S. 105.

5 Niedersächsisches Kultusministerium, abgefragt am 23.03.2020, S. 5.

6 Vgl. Zierer, Klaus. Conditio Humana, Eine Einführung in pädagogisches Denken und Handeln, 3. Auflage, Ho­hengehren 2012., S. 20-3.

7 Niedersächsisches Kultusministerium, abgefragt am 23.03.2020, S. 5.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Persönlichkeitsentwicklung durch Inszenierung. Ambivalenzen der Wertevermittlung und ihre Methodik im Fach Werte und Normen (Sekundarstufe I)
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Philosophie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
16
Katalognummer
V1150463
ISBN (eBook)
9783346535085
ISBN (Buch)
9783346535092
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der Dozentin: Eine sehr gute Hausarbeit, welche die theoretischen Implikationen des Bildungsbeitrages des Faches Philosophie/Werte und Normen in die Praxis transferiert.
Schlagworte
Fachdidaktik, Persönlichkeitsentwicklung, Lehramt, Bildungsbeitrag, Wertevermittlung, Pädagogisches Rollenspiel, Empathie, Wertepluralismus Mündigkeit, Kant Freiheit, Moralische Orientierung
Arbeit zitieren
Maximilian Rugen (Autor:in), 2020, Persönlichkeitsentwicklung durch Inszenierung. Ambivalenzen der Wertevermittlung und ihre Methodik im Fach Werte und Normen (Sekundarstufe I), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1150463

Kommentare

  • Gast am 10.11.2021

    Super interessante Hausarbeit! Hat mir sehr weitergeholfen!

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Titel: Persönlichkeitsentwicklung durch Inszenierung. Ambivalenzen der Wertevermittlung und ihre Methodik im Fach Werte und Normen (Sekundarstufe I)



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