Autonomie in Ruth Cohns Konzept der Themenzentrierten Interaktion und in Wolfgang Klafkis Konzept der allgemeinen Bildung. Ein Vergleich


Hausarbeit, 2021

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problembeschreibung
1.2 Fragestellung

2 Begriffsklärung

3 Methodik

4 Autonomie in der Pädagogik - Historische Entwicklungen
4.1 Autonomie in der Pädagogik - Aktuelle Sichtweisen

5 Ruth Cohn
5.1 Ruth Cohns TZI als pädagogisches Konzept
5.2 Bedeutung der Autonomie in der TZI

6 Wolfgang Klafki
6.1 Wolfgang Klafkis Konzept allgemeiner Bildung
6.2 Bedeutung der Autonomie in Klafkis Konzept allgemeiner Bildung

7 Zusammenfassung und Diskussion

8 Fazit und Ausblick

Literatur

1 Einleitung

"Die einzig wahre Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie, wenn ich den Kan- tischen Ausdruck verwenden darf; die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht- Mit-Machen" (Adorno, 2017, S. 91).

Im Sinne Adornos muss eine demokratische-pluralistische Gesellschaft heute auf einer Erzie­hung zur Autonomie aufbauen. Der Mensch als ein lernendes Individuum soll insofern befähigt werden, Wissen zu erwerben, Kompetenzen auszubilden und sich somit seiner Selbsttätigkeit bzw. Selbststeuerung bewusst sein (Esslinger-Hinz & Fischer, 2008, S. 62).

Autonomie ist ein unausweichlicher Bestandteil unseres Alltags (Schaare, 1998, S. 121) und die meisten Menschen streben in unserer modernen Gesellschaft ein möglichst hohes Maß an Autonomie in Lebensgestaltung und Lebensführung an (Breyer-Mayländer, 2018, S. 15). Gleichzeitig werden Selbstständigkeit und Einsicht des Individuums immer mehr in Anspruch genommen. So nehmen aktuell die Anforderungen, welche an eine menschliche Autonomie gestellt werden immer mehr zu (Schaare, 1998, S. 106), gerade auch durch eine immer weiter und schneller fortschreitende Transformation durch die Digitalisierung (Breyer-Mayländer, 2018, S. 15). Es zeigen sich hierzu inzwischen zwei Deutungsmuster: Erstens, eine Tendenz zu einem, manchmal exzessiv gelebten, Individualismus; hier wird eine Autonomie befürchtet, welche auf Kosten gemeinschaftlich geteilter Werte und Praktiken gelebt wird. Zweitens zeigt sich die Autonomie als eine Verflechtung von Freiheit und Abhängigkeit im Prozess der Glo­balisierung, als ein Schub der Individualisierung (Nordström, 2013, S. 14-16).

Im Angesicht dieser Veränderungen ist es weiterhin eine der zentralen Aufgaben der Pädago­gik, Eigenkompetenzen aufzubauen und Methoden bereitzustellen, damit menschliche Auto­nomie angebahnt werden kann (Schaare, 1998, S. 112). Pädagogische Debatten dazu haben bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum heutigen Tage Konjunktur. Entsprechende Überlegungen sind u.a. bei Flitner, Nohl, Spranger und Mollenhauer (Benner & Oelkers, 2004, S. 106-124) bis hin zu Montessori, Freire, Cohn und Klafki zu finden.

1.1 Problembeschreibung

Die moderne Pädagogik definiert Autonomie, Selbstbestimmung oder auch Mündigkeit zwar als ein Ziel von Erziehung (Giesinger, 2014, S. 348), zu solch pädagogisch relevanten Fragen gibt es in der Regel jedoch nicht eine einzige anerkannte Position, sondern eine Vielzahl un­terschiedlicher Ansichten (Koller, 2004, S. 11). Heute wird so auch der selbstverständliche, ja zentrale Platz, den die Autonomie als pädagogisches und philosophisches Ideal einnimmt, durchaus kritisiert (Nordström, 2013, S. 18), (Giesinger, 2014, S. 348).

Mittels eines Vergleiches zweier einflussreicher pädagogischer Konzepte soll nun im Folgen­den die Relevanz der Autonomie in der aktuellen pädagogischen Diskussion herausgearbeitet werden. Herangezogen werden hierzu Arbeiten Ruth Cohns (hier ihr Konzept der Themen­zentrierten Interaktion) und Wolfgang Klafkis (hier sein Konzept allgemeiner Bildung).

1.2 Fragestellung

So ergibt sich folgende Fragestellung: Welche Bedeutung hat Autonomie in Ruth Cohns Kon­zept der Themenzentrierten Interaktion und in Wolfgang Klafkis Konzept allgemeiner Bildung?

2 Begriffsklärung

Zuerst sollen die für die vorliegende Arbeit zentralen Begriff „Autonomie“, „pädagogisches Konzept“ und „Allgemeinbildung“ geklärt werden: Autonomie steht seinem griechischen Ur­sprung nach (autos = selbst, nomos = Gesetz) für politische oder rechtliche Eigenständigkeit, auch für Freiheit und Selbstbestimmung von Zielen und Mitteln und die Unabhängigkeit von fremdem Willen (Esslinger-Hinz & Fischer, 2008, S. 149). In der Pädagogik ist Autonomie eine unterschiedlich beanspruchte Kategorie im Gegensatz zu Fremdbestimmung (Heteronomie). Sie ist ein Ideal der Erziehung und gilt ebenso als Behauptung eines von Politik und Ökonomie unabhängigen gesellschaftlichen Sektors. Didaktisch und organisationstheoretisch bezeichnet Autonomie die Selbstbestimmung der Schule, der Lehrer oder der Schüler im Unterricht (Ten- orth & Tippelt, 2012, S. 51). Im Laufe der Zeit hat sich der Begriff der Autonomie zu einem ganzen Ideenkomplex entwickelt (Breyer-Mayländer, 2018, S. 18), wobei es eine einheitliche Definition des Begriffes Autonomie bis jetzt nicht gibt. Deutungen sind u.a.: Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Mündigwerden, usw. (Bulitta & Bulitta, 2015, S. 113), (Nordström, 2013, S. 55-56). In der Fachliteratur werden so auch die Begriffe Selbstbestim­mung und Autonomie häufig synonym verwendet (Fornefeld, 2008, S. 120), (Waldschmidt, 2012, S. 14).

Zu den „Pädagogischen Konzepten“: Der Begriff „Pädagogik“ leitet sich vom altgriechischen „paidagogos“ (= Knabenführer) (Bernhard, 2017, S. 16), bzw. "paideia" (= Erziehung, Bildung) ab (Stein, 2017, S. 11). Die beiden Begriffe „Pädagogik“ und „Erziehungswissenschaft“ wer­den häufig identisch gebraucht (Gudjons & Traub, 2016, S. 21). Pädagogik ist dabei auch auf eine große Zahl praktischer Handlungsfelder bezogen (Krüger & Rauschenbach, 2012, S. 12). Ein Pädagoge kann daher als Wissenschaftler in der Erziehungswissenschaft und auch als Erzieher oder Bildungsverantwortlicher in der Erziehungspraxis stehen (Riedl & Schelten, 2013, S. 206). Ein „Konzept“ (engl. concept; lat. con = zusammen, capere = fassen), ist eine allgemeine Bezeichnung für eine Grundvorstellung oder Idee, im Sinne einer Sammlung ver­schiedener Gedanken (Wirtz, 2020), ebenso ein klar umrissener Plan oder ein Programm für ein Vorhaben (z.B. ein Bildungskonzept) (Dudenredaktion, o.J.). Konzepte sind also auf der einen Seite Werkzeuge gedanklicher und begrifflicher Klarheit, auf der anderen Seite eine Art von Handlungsentwurf (Spielmann, Schneider-Landolf & Zitterbarth, 2014, S. 209). Pädagogi­sche Konzepte sind so in einem Übergangsraum zwischen Theorie und Praxis zu sehen (Spielmann et al., 2014, S. 210) ( die „Montessori Pädagogik“ und die „Freinet Pädagogik“ können z.B. als pädagogische Konzepte angesehen werden) (Reiser, 2006, S. 46).

Der Begriff "Allgemeinbildung“ ist als Substantiv erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in Gebrauch. Es ist theoretisch unscharf und steht auch für Kenntnisse und Verhalten, die einen „Gebildeten“ auszeichnen (als Kanon von Wissen, der vermeintlich hinreichende Bildung erst definiert). Systematisch bezeichnet Allgemeinbildung heute eine grundlegende Bildung, die für alle Heranwachsenden einer Gesellschaft als notwendig und unentbehrlich angesehen wird (Tenorth & Tippelt, 2012, S. 14-15). Aus der Idee einer modernen Bildung heraus soll das Individuum so lernen, sein Handeln, seine Bedürfnisse und seine Interessen selbst zu bestimmen (Schaare, 1998, S. 52).

3 Methodik

Nach einer umfassenden Literaturrecherche im Hinblick auf die Schlagwörter Autonomie, Ruth Cohn und Wolfgang Klafki wurden nachfolgend aktuelle Arbeiten betreffend Autonomie in der Pädagogik und Pädagogische Konzepte zusätzlich gesichtet. Eingeschlossen wurden hier ins­besondere Ansätze innerhalb des deutschsprachigen Raums.

Die vorliegende Arbeit beschreibt die Bedeutung der Autonomie in der Pädagogik anhand ei­ner Gegenüberstellung der entsprechenden Arbeiten Ruth Cohns und Wolfgang Klafkis. Aus­gehend von einem historischen Rückblick und beispielhaften pädagogischen Sichtweisen er­folgt der Vergleich entlang der Lebensläufe und Einflüsse der Autoren, gefolgt von einer Beschreibung der gewählten pädagogischen Konzepte, abgeschlossen von einer vertieften Betrachtung der Autonomie innerhalb der jeweiligen Darlegungen Cohns und Klafkis.

4 Autonomie in der Pädagogik - Historische Entwicklungen

Die Dichotomie von Autonomie- und Heteronomie, von Selbst- und Fremdbestimmung durch­zieht als Spannungsverhältnis die Geschichte der Pädagogik (Esslinger-Hinz & Fischer, 2008, S. 56) in unterschiedlichen Ausformungen und war dabei geprägt durch den jeweiligen Zeit­geist und die vorherrschenden Erziehungstheorien (Ahrbeck & Rauh, 2004, S. 7).

Schon die griechische Tradition sah in der „Paideia“ die Bedingung der Einbindung der Perso­nen in eine soziale und politische Welt, die in einen Kosmos eingebettet war. Der Erziehungs­prozess sollte dabei zu einer dem allgemeinen Wohl der „Polis“ verpflichtenden Handeln füh­ren (Cloos, Lochner & Schoneville, 2020, S. 96). Das nach der Antike folgende dominante Bild der göttlichen, gnadenvoll wirkenden Autonomie des Mittelalters tritt dann mit der Renaissance in den Hintergrund. Hier wird der Mensch frei und autonom geschaffen und mit der weiter zunehmenden Säkularisierung wird der Mensch aus der göttlichen Fremdbestimmung heraus­gelöst (Ahrbeck & Rauh, 2004, S. 19-20).

Die Idee einer individuellen Autonomie kam schließlich zusammen mit den Idealen der Aufklä­rung in Gang. Mit der Forderung nach Autonomie und Freiheit suchte sich der moderne Mensch aus der Zwangsjacke der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung endgültig zu be­freien. Allerdings musste er damit auch die volle Verantwortung für sein Handeln übernehmen (so z.B. bei Kant und Humboldt). Es ging um die radikale Veränderung des Rahmens des eigenen Tuns. Eine Veränderung, auf die er vorbereitet und für die er ausgebildet werden musste. Dieser Herausforderung sollte dann die Erziehung Rechnung tragen (Cloos et al., 2020, S. 96) . „Mit der Begründung von Autonomie als zentralem Bildungsziel kann die Philo­sophie und Pädagogik der Aufklärung als erste Reflexionsform der modernen Gesellschaft und des modernen Konzepts von Kindheit begriffen werden" (Drieschner, 2007, S. 21).

Als einer der zentralen Bezugspunkte der Pädagogik findet sich die Autonomie später z.B. in der Reformpädagogik und auch in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik wieder (Combe & Helsper, 2017, S. 535). In neuerer Zeit erfährt der Autonomiebegriff wiederum eine Renais­sance, insbesondere als Autonomie der Schule und somit als Rückbau eines überbordenden bürokratischen Apparates (Dzierzbicka, 2008, S. 16-17).

4.1 Autonomie in der Pädagogik - Aktuelle Sichtweisen

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, wird in einem modernen Kontext Erziehung insofern als legitim wahrgenommen, wenn sie Autonomie fördert. Autonomie wird hier als notwendig zur Menschwerdung betrachtet (Nordström, 2013, S. 21-22). Pädagogisches Handeln ist gleichzeitig jedoch selbst nicht frei von Zwängen. Es findet im Rahmen sozialer Regeln und Normen statt. Insofern kann pädagogisches Handeln diese Zwänge niemals ganz auflösen. Es entsteht ein Paradoxon in zwei Aspekten: Wie kann einerseits Entmündigung bemündigt werden? Und wie kann andererseits Erziehung als einschränkende Kontrolle zur Förderung der Autonomie legitimiert werden? (Nordström, 2013, S. 22-23), (Krüger & Helsper, 2010, S. 19-20).

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Details

Titel
Autonomie in Ruth Cohns Konzept der Themenzentrierten Interaktion und in Wolfgang Klafkis Konzept der allgemeinen Bildung. Ein Vergleich
Hochschule
Evangelische Hochschule Nürnberg; ehem. Evangelische Fachhochschule Nürnberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
21
Katalognummer
V1151357
ISBN (eBook)
9783346545954
ISBN (Buch)
9783346545961
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pädagogik, Bildungswissenschaften, Klafki, Cohn, Autonomie
Arbeit zitieren
Michael Werner (Autor:in), 2021, Autonomie in Ruth Cohns Konzept der Themenzentrierten Interaktion und in Wolfgang Klafkis Konzept der allgemeinen Bildung. Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1151357

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