Konfliktpotential durch Kulturkonflikt?

Ausgewählte Erklärungsansätze von Verhaltensauffälligkeiten bei männlichen Kindern und Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund am aktuellen Beispiel der Neuköllner Rütli- Schule


Hausarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Eingrenzende Bezugsmuster
2.1 Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft in deutschen Schulen
2.1.1 Der Fall: Die Rütli- Schule
2.1.2 Schulstatistiken
2.1.3 Kriminalstatistiken
2.2 Definition: Verhaltensauffälligkeiten
2.3 Relevante türkische Rollenverhältnisse
2.3.1 Rollenverteilung in der traditionellen Familie in der Türkei
2.3.2 Rollenverteilung in der türkischen Familie unter Einfluss der Migration

3. Ausgewählte Erklärungsansätze
3.1 Rollenverständnis und Erwartungen der Eltern
3.2 Soziale Randständigkeit und Armut
3.3 Besonderheiten der Freizeitgestaltung und der sozialen Kontakte
3.4 Spezielle schulische Bedingungen

4. Fazit

Literatur- und Internetquellen

Literaturverzeichnis:

Internetquellen:

1. Einleitung

Im April 2006 werden die deutschen Medien von einer Debatte, über die Probleme von Migranten, den Sinn und Unsinn von Hauptschulen sowie über die Bildung von unterprivilegierten `Ghettos` in deutschen Städten beherrscht. Ausgelöst wurde diese zum einen sehr emotionsreiche, zum anderen teilweise sehr plakative Debatte durch die Rütli- Schule in Berlin/ Neukölln.

Die Titel der Schlagzeilen spiegeln Schrecken und Gewalt wider, dieser Eindruck wird durch das Aufführen von Statistiken über die ansteigenden Raufunfälle, die Gewaltkriminalität tatverdächtiger Kinder und Jugendlichen und dem hohen prozentualen Ausländeranteil an Berliner Hauptschulen verschärft. Abgesehen von der Übertreibung der Berichterstattung werfen die Tatsachen die Frage auf, warum Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, im schulischen und außerschulischen Bereich Verhaltensaufälligkeiten zeigen. Warum fallen Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien häufiger durch aggressives, `respektloses und ignorantes` Verhalten in der Gesellschaft auf?

Mit dieser Frage werde ich mich in dieser Hausarbeit `Konfliktpotential durch Kulturkonflikt[1] ?: Ausgewählte Erklärungsansätze von Verhaltensauffälligkeiten bei männlichen Kindern und Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund am aktuellen Beispiel der Neuköllner Rütli- Schule` auseinandersetzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ich werde mich in dieser Arbeit auf die Auseinandersetzung mit männlichen Kinder und Jugendlichen türkischer Herkunft konzentrieren, da die Personen türkischer Abstammung die größte Migrantengruppe in Deutschland darstellen (siehe Diagramm[2]), weswegen dieses Themengebiet von besonderem Interesse ist.

Aus dem in den Medien vermittelten Eindruck, dass der Konflikt an der Rütli- Schule vor allem ein Konflikt mit männlichen Schülern ist, ist es weiterhin für mich attraktiv, sich mit der gängigen Wahrnehmung bzw. dem Klischee vom Jungen mit türkischem Migrationshintergrund als `Macho` oder `Pascha` auseinanderzusetzen, um diese Stereotypen kritisch zu hinterfragen.

Um die Frage nach den Motiven für Verhaltensauffälligkeiten bei türkischen Jungen beantworten zu können, ist es zweckmäßig, zunächst die eigenen Vorüberlegungen anhand theoretischer und praktischer Tatsachen einzugrenzen. Hier zu verwende ich folgende Bezugsmuster: Anfangs die Kinder und Jugendlichen mit türkischen Migrationshintergrund in deutschen Schulen in Bezug zum aktuellen Fall der `Rütli- Schule` und verschiedener Belege anhand von Schul- und Kriminalstatistiken. Daraufhin folgen die Definition von Verhaltensauffälligkeiten und zuletzt das Rollenverständnis des türkischen Mannes, einerseits in der traditionellen Familie in der Türkei und andererseits unter Einfluss der Migration. Dies ermöglicht es dem Leser, die darauf folgenden verschiedenen Erklärungsansätze nachzuvollziehen.

Im Kapitel der Erklärungsansätze von Verhaltensauffälligkeiten türkischer Kinder und Jugendlicher stelle ich vier ausgewählte Bereiche vor, indem ich mich auf verschiedene Theorien beziehe.[3] Zunächst werde ich an das Problem des männlichen Rollenverständnisses unter Einfluss der Migration anknüpfen. Hier ist es auch interessant, die Erwartungen der türkischen Eltern an ihre Kinder in Deutschland darzustellen. Anschließend werde ich das Problem der sozialen Randständigkeit und Armut in den nicht- deutschen Familien unter Berücksichtigung von Verhaltensauffälligkeiten genauer betrachten. Hier werde ich zwei gegensätzliche Erklärungsmöglichkeiten einbringen, um die Individualität der Problematik der Kinder und Jugendlichen zu verdeutlichen und weiterhin verschiedene Ansichten von Autoren darzustellen. Weiterhin ist es wichtig die Freizeitgestaltung und die sozialen Kontakte von Kindern und Jugendlichen mit türkischer Herkunft zu betrachten, um mögliche außerschulische Bereiche zu beleuchten, die Verhaltensauffälligkeiten erklären könnten.

Abschließend möchte ich, in Bezug auf das vorgestellte Beispiel der Rütli- Schule, den schulischen Aspekt hervorheben.

Sowohl in der Berichterstattung als auch bei den Reaktionen der Politiker konnte man teilweise den Eindruck gewinnen, es gäbe eine bzw. einfache Lösung. Bei der Auseinandersetzung mit meiner Fragestellung stellte ich jedoch fest, dass dies nicht der Fall ist. Vielmehr wurde mir deutlich, dass es auch hier entscheidend ist sich aus mehreren Perspektiven damit zu beschäftigen, daher halte ich es im Rahmen dieser Arbeit für gerechtfertigt, die einzelnen Ansätze nicht vertiefend darzustellen, dafür aber mehrere Aspekte beleuchten zu können.

2. Eingrenzende Bezugsmuster

2.1 Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft in deutschen Schulen

Zu Beginn dieses Kapitels werde ich kurz das auserwählte Modell dieser Arbeit `Die Rütli- Schule`, zum Verständnis und als Beispiel von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern nicht- deutscher Herkunft illustrieren. Ich habe speziell die Rütli- Schule ausgewählt, da diese zum einen als Hauptschule, die Tatsache widerspiegelt, dass ein sehr großer Anteil von Migrationskindern, vor allem Kindern und Jugendlichen mit türkischer Herkunft, diese Schulform besucht. Zum anderen verdeutlicht die Rütli- Schule, wie schwerwiegend und problematisch die Verhaltensauffälligkeiten bei den Kindern und Jugendlichen und ihre Folgen sein können.

Anzumerken ist, dass ich im Verlauf dieser Arbeit den Begriff `Schüler` verwende, welcher männliche sowie weibliche Kinder und Jugendliche einschließt. Wenn ich speziell über ein bestimmtes Geschlecht berichte, werde ich dieses zum Ausdruck bringen.

2.1.1 Der Fall: Die Rütli- Schule

Die Rütli- Hauptschule im Berliner Stadtteil Neukölln geriet im April 2006 durch einen dreiseitigen Brief an den Senat, verfasst von der dort amtierenden Gesamtlehrerkonferenz[4] in die Schlagzeilen der Medien. Dieser Brief, so „Der Spiegel“[5], war ein Brandbrief, eine Anklage, eine Bankrotterklärung und zugleich ein Hilfeschrei, denn die Lehrer der Rütli- Schule sahen sich, sowie die Schüler, in einer aussichtslosen Situation. „Die Zeit“[6] schreibt: „Die Lehrer liegen absolut richtig, wenn sie die Probleme an der Rütli- Schule mit der sozialen Benachteiligung, der mangelnden Sozialintegration sowie der Perspektivlosigkeit der Schüler in Verbindung bringen, von den 34,9 Prozent arabisch-, 26,1 Prozent türkischstämmig und 17 Prozent deutscher Herkunft sind.“ Demnach beträgt der Gesamtanteil der Kinder nicht- deutscher Herkunft 83 Prozent.

In dem Brief heißt es, dass die Stimmung an der Schule geprägt ist durch Gewalt, Aggression und Ignoranz: „Türen werden eingetreten, Papierkörbe als Fußbälle missbraucht, Knallkörper gezündet und Bilderrahmen von den Flurwänden gerissen.“[7] Die Täter können in den meisten Fällen nicht ermittelt werden, da sich sie gegenseitig schützen. Laut Aussage eines Schülers der Berliner Hauptschule, gilt es als besondere Anerkennung im Kiez, wenn aus einer Schule möglichst viele negative Schlagzeilen in der Presse erscheinen.[8] „Der Intensivtäter wird zum Vorbild. Es gibt für sie in der Schule keine positiven Vorbilder. Sie sind unter sich und lernen Jugendliche, die anders leben, gar nicht kennen. Hauptschule isoliert sie, sie fühlen sich ausgesondert und benehmen sich entsprechend.“[9]

Die Schüler sehen sich, laut der Gesamtlehrerkonferenz der Rütli- Schule, in einer perspektivlosen Lage[10] und lehnen den Unterrichtsstoff aufgrund Resignation ab. Das notwendige Unterrichtsmaterial wird nur von wenigen Schülern mitgebracht und die Anweisungen der Erzieher werden ignoriert. Einige Lehrer betreten nur noch mit dem Mobiltelefon die Klassenzimmer, um im Fall eines Notfalls, über Funk Hilfe holen zu können. In den Schulräumen regiert menschenverachtendes Verhalten und es ist keine Seltenheit, dass Gegenstände zielgerichtet gegen den Lehrkörper fliegen.

2.1.2 Schulstatistiken

„Elternhaus und Schule sind die Orte, an denen ein Kind im schulfähigen Alter die meiste Zeit seines Lebens verbringt. Will man das kindliche Leben und Verhalten hinreichend verstehen, so muss man (…) auch seine schulische Umwelt betrachten.“[11] Daher ist es für die Untersuchung in dieser Arbeit unerlässlich, darzustellen, wie viele Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft, welche Schulform besuchen.

In dem kommenden Diagramm[12] werde ich die nicht- deutschen Schüler, je nach der Schulform Hauptschule, Realschule und Gymnasium, in den Schuljahren 2002/03, 2003/04 und 2004/05 einordnen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Laut dem Statistischen Bundesamt bilden die Kinder mit Migrationshintergrund im Jahr 2005 einen prozentualen Anteil von ca. 18,7 % an Hauptschulen, 7,2 % an Realschulen und 6,1 % an Gymnasien[13]. „Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Fachhochschulreife oder Abitur an der Gesamtzahl der Schulabgänger aus allgemein bildenden Schulen lag bei den deutschen fast zweieinhalb mal so hoch wie bei den Schülern ausländischer Herkunft und es gab mehr als doppelt so viele ausländische wie deutsche Abgängerinnen und Abgänger ohne Hauptschulabschluss.“[14] Es fällt auf, dass diese Kinder an Hauptschulen deutlich überrepräsentiert sind. Auch an Sonderschulen für Lernbehinderte/ Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen zeigt sich eine offensichtliche Überrepräsentation der Kinder mit nicht- deutscher Herkunft[15].

Weiterhin lässt sich feststellen, dass im Jahr 2005 23,7 % der nicht- deutschen Kinder den Schulkindergarten besucht haben, wobei dieser eine Maßnahme zur Rückstellung bei der Einschulung ist, das heißt die Kinder häufig als noch nicht schulfähig eingestuft werden. Lediglich haben nur ???? den Kindergarten und 11, 5 % Kinder die Grundschule besucht, wobei die meist besuchten Schulen von Schülern nicht- deutscher Herkunft die Abendhaupt- und Abendrealschulen darstellen[16].

[...]


[1] … Kulturbegriff Definition, Verständnis in dieser Arbeit von Kultur

[2] In diesem Diagramm habe ich die drei größten Migrantengruppen, der in Deutschland lebenden Personen dargestellt. (Quelle: Ausländerzentralregister (Stand: Dezember 2003))

[3] Ich werde die jeweiligen Theorien nicht detailliert erläutern, sondern gegebenenfalls in einer Fußnote kurz anreißen, da alles andere den Umfang dieser Arbeit übersteigen würde.

[4] Der Brief wurde ohne Enthaltung und ohne Gegenstimme von der kommissarischen Schulleiterin Petra Eggebrecht verfasst.

[5] „Der Spiegel“ (Nr.14 / 2006); S.22 & 23

[6] „Die Zeit“ (Nr. 15 / 2006) ; S. 49

[7] UNISPIEGEL (2006)- Download vom 27.07.06

[8] Vgl. ebd.

[9] ebd.

[10] „Perspektiven? `Ich will Hartz IV werden`, das soll ein arabischstämmiger Rütli- Schüler auf die Frage nach seinem Berufwunsch geantwortet haben. Ein anderer holte seinen Personalausweis heraus und rief: ` Ist doch egal, ihr könnt mich jetzt nicht mehr ausweisen.` (…) Kein einziger Abgänger des letzten Jahrgangs der Rütli- Schule bekam eine Lehrstelle.“ (vgl. „Der Spiegel“ (Nr.14 / 2006); S.26)

[11] SAVVIDIS, Georgios (1975); S.18

[12] Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland 2005 (Stand: Oktober 2005)

[13] Vgl. ebd.

[14] BOOS- NÜNNING, Ursula In: ZANDER, Margherita (2005); S.169

[15] Die ethnische Differenzierung setzt sich im Ausbildungsbereich und beim Übergang in den Beruf fort. PISA 2000 untersucht die sogenannten drei Hürden im Zugang zu weiterführenden Schulen: die Sozialstruktur, die Distanz gegenüber der Majoritätskultur und die unzureichende Beherrschung der deutschen Sprache (vgl. hier zu ZANDER, Margherita (2005))

[16] Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland 2005 (Stand: Oktober 2005)

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Konfliktpotential durch Kulturkonflikt?
Untertitel
Ausgewählte Erklärungsansätze von Verhaltensauffälligkeiten bei männlichen Kindern und Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund am aktuellen Beispiel der Neuköllner Rütli- Schule
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta
Veranstaltung
Verhaltensauffälligkeiten
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V115178
ISBN (eBook)
9783640167401
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konfliktpotential, Kulturkonflikt, Verhaltensauffälligkeiten
Arbeit zitieren
Sandra Haßebrock (Autor:in), 2006, Konfliktpotential durch Kulturkonflikt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115178

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Konfliktpotential durch Kulturkonflikt?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden