Winfried Böhms Erziehungstheorie. Eine Analyse seines pädagogischen Verhältnisses


Hausarbeit, 2019

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die geisteswissenschaftliche Pädagogik
2.1 Der pädagogische Bezug nach Nohl
2.2 Kritik am pädagogischen Bezug

3. Der Personalismus
3.1 Das pädagogische Verhältnis im Erziehungsverständnis
nach Böhm unter Berücksichtigung des pädagogischen Bezugs nach Nohl
3.2 Bewertung des pädagogischen Verhältnisses

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem pädagogischen Verhältnis nach Winfried Böhm (*1937) auseinander. Seine auf dem personalistischen Konzept basierenden Ar­beiten gehören zu den Standardwerken der Pädagogik in Deutschland (vgl. Lischewski 2012, S. 15). Darüber hinaus erlangte er durch zahlreiche Gastprofessuren internationale Beachtung (vgl. Böhm 2005, S. 108).

Im Rahmen des Seminars der Erziehungs- und Bildungstheorien stellte die Auseinan­dersetzung mit Böhms pädagogischem Hauptwerk (vgl. Lischewski 2012, S. 15) „Theo­rie und Praxis. Eine Einführung in das pädagogische Grundproblem“ den Themen­schwerpunkt dar. Im Kontext dieser Texterschließung ergab sich Böhms spezifische Betrachtung der pädagogischen Beziehung. Um ein fundiertes Wissen über sein eduka- tives Theorem zu erlangen, wird in dieser Arbeit der folgenden Frage nachgegangen: Wie kann das pädagogische Verhältnis nach Böhm unter Berücksichtigung des pädago­gischen Bezugs nach Nohl charakterisiert werden?

Diese Fragestellung ist innerhalb der Erziehungswissenschaft in der allgemeinen Päda­gogik zu verorten.

Die spezifische Interaktion zwischen Zögling und Erziehenden wurde erstmals wissen­schaftlich durch die Fachterminologie des „pädagogischen Bezugs“ nach Hermann Nohl (1879-1960) erfasst (vgl. Kron, Jürgens, Standop 2013, S. 174). Auf Grund dessen scheint es gerechtfertigt, diesen zur Analyse und Systematisierung des pädagogischen Verhältnisses nach Böhm heranzuziehen. Die aus dem Vergleich resultierenden Diffe­renzen und Gemeinsamkeiten der beiden Konzepte werden im Textverlauf hervorgeho­ben und erläutert.

Grundlage des wissenschaftlichen Traktats bilden die Inhalte aus dem oben genannten Werk Böhms sowie das erstmals 1935 publizierte Werk Nohls „Die pädagogische Be­wegung in Deutschland und ihre Theorie“, in dem er sich der systematischen Begriffs­bestimmung des pädagogischen Bezugs annimmt. Um den ideengeschichtlichen Kon­text zu verdeutlichen, werden die den edukativen Konzepten zugrundeliegenden päda­gogischen Strömungen kurz skizziert.

Die im Folgenden referierten Forschungsergebnisse entstanden unter der Verwendung der hermeneutisch-interpretativen Methode der Texterschließung.

Die daraus resultierenden Ausführungen der Arbeit befassen sich zunächst mit dem er­ziehungshistorischen Kontext der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Daran schließt sich die begriffliche Bestimmung des pädagogischen Bezugs nach Nohl an, die den Ausgangspunkt der Arbeit bildet und nachfolgend kritisch betrachtet wird. Darauf auf­bauend schließt sich der Themenschwerpunkt der Arbeit an, indem zunächst das perso­nalistische Konzept und ferner das pädagogische Verhältnis nach Böhm analysiert wer­den. Abschließend wird auch das Verständnis des spezifischen Verhältnisses zwischen Educandus und Erziehenden nach Böhm einer kritischen Reflexion unterzogen. Im Fazit werden die wichtigsten Erkenntnisse der vorangegangenen Erörterung zusammengefasst und auf ihre gegenwärtige Bedeutung für die Pädagogik hin überprüft.

2. Die geisteswissenschaftliche Pädagogik

Die geisteswissenschaftliche Pädagogik hat den erziehungswissenschaftlichen Diskurs in Deutschland von Beginn des 20. Jahrhunderts, mit Ausnahme der nationalsozialisti­schen Zeit, bis ins Jahr 1960 wesentlich geprägt. Auf Basis der Grundannahmen und Gedanken Wilhelm Diltheys (1833-1911) postuliert diese pädagogische Richtung die Autonomie der Geisteswissenschaften sowie die Demarkation zu den Naturwissenschaf­ten. Dem Verständnis der geisteswissenschaftlichen Pädagogik inhärent ist ihre Lesart der Erziehung als eine historisch-anthropogene Erscheinung, in Folge dessen der Me­thode der Hermeneutik bei der Analyse historischer Dokumente eine zentrale Rolle zu­kommt. Den primären Fokus und elementaren Gegenstand der Forschung bildet dabei die Erziehungswirklichkeit, die einem historischen und kulturellen Wandel unterliegt (vgl. Matthes 2010, S. 109f.).

Das Verstehen des pädagogischen Handelns und dessen Bedeutung gilt als genuine Zielsetzung der geisteswissenschaftlichen Pädagogik, um für das Praxisfeld der Päda­gogik entsprechende Theorien konzipieren zu können (vgl. Zirfas 2018, S. 57). Die Evidenz der Pädagogik, die sie von anderen Wissenschaften akzentuiert, ergibt sich dabei aus ihrem spezifischen Gegenstandsbereich, dem pädagogischen Verhältnis zwischen Erziehenden und Zögling. Als Konsequenz des daraus resultierenden, signifikan­ten Aufgaben- und Problembereiches hat die Pädagogik somit auch ihre „einheimischen Begriffe“ (Nohl 2002, S. 157) anzuwenden (vgl. Gudjons, Traub 2016, S. 33).

Die vorangegangenen Grundannahmen der geisteswissenschaftlichen Pädagogik bilden das Fundament für die wissenschaftlichen Arbeiten Nohls. Als einer der Hauptvertreter der geisteswissenschaftlichen Pädagogik setzte er sich systematisch mit dem Phänomen des pädagogischen Verhältnisses auseinander (vgl. Kron u. a. 2013, S. 172) und promulgierte 1935 dafür erstmals die Fachterminologie „pädagogische[r, S.K.] Bezug“ (Nohl 2002, S. 164).

Die Strukturmerkmale sowie die kennzeichnenden Charakteristika dieses Theorems werden im folgenden Kapitel nach dem Verständnis Nohls näher skizziert und erläutert.

2.1 Der pädagogische Bezug nach Nohl

In seinem 1935 publizierten Werk „Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie“ stellt Nohl in einem eigenen Kapitel sein Verständnis des pädagogischen Bezugs1 dar. Die Grundlage dieser spezifischen Interaktion bildet dabei „das leiden­schaftliche Verhältnis eines reifen Menschen zu einem werdenden Menschen, und zwar um seiner selbst willen, daß er zu seinem Leben und seiner Form komme“ (Nohl 2002, S. 169). Der Educandus wird demzufolge im Rahmen des Generationengefälles als ein sich noch zu entwickelndes Individuum gesehen. Um diesen Prozess erfolgreich bewäl­tigen zu können, bedarf es der Hilfe und Unterstützung eines älteren Erziehenden. An­satzpunkt des pädagogischen Handelns bildet dabei das Subjekt selbst. Die Edukation hat sich nicht primär durch die objektiven Machtinteressen staatlicher, religiöser oder wirtschaftlicher Instanzen zu instrumentalisieren, sondern der eminenten Fokussierung der kindlichen Bedürfnisse und seines Lebens gerecht zu werden (vgl. ebd., S. 159).

Supplementär dazu betont Nohl, dass der Edukandus durchaus mit den Ansprüchen ob­jektiver Gehalte und Ziele konfrontiert werden muss und sich somit in einem permanen­ten Spannungsverhältnis zwischen Individualisierung und Sozialisation befindet (vgl. ebd., S. 161). Hieraus resultiert die Grundantinomie der Edukation:

„Hier ist das Ich, das sich aus sich und seinen Kräften entwickelt und sein Ziel zunächst in sich selbst hat, und dort sind die großen objektiven Inhalte, der Zusammenhand der Kultur und die sozialen Gemeinschaften, die dieses Individuum für sich in Anspruch nehmen und ihre eigenen Gesetze haben, die nicht nach Wille und Gesetz des Individuums fragen“ (ebd.).

Bedingt durch den unausweichlichen Prozess der Enkulturation kommt hier dem Erzie­henden eine duale Funktion zu. Er repräsentiert auf Grund seiner Reife die kulturellen Inhalte und vertritt somit die Werte und Normen der Gesellschaft. Aus dieser Internali­sierung ergibt sich für Nohl die Kompetenz, die dazu befähigt auf einen jüngeren Men­schen erzieherisch einzuwirken. Dabei ist es die konstitutive Aufgabe der Edukation, die objektiven Gehalte und Anforderungen nicht unreflektiert an den Zögling weiterzu­geben, sondern diese unter Rücksichtnahme der kindlichen Ressourcen und Lebenswelt kritisch zu prüfen. Die Inhalte sollen dabei unter dem Verständnis des Erziehenden als „Anwalt des Kindes“ (Kron u. a. 2013, S. 176) einer selektiven Umformung unterzogen werden (vgl. Nohl 2002, S. 160). Die Akzentuierung des Kindes ist konditional für Nohls pädagogische Auffassung und dient der individuellen Selbstverwirklichung des Heranwachsenden.

[...]


1 Im Folgenden werden als Synonym die Begriffe „pädagogisches Verhältnis“ und „pädagogische Bezie­hung“ verwendet.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Winfried Böhms Erziehungstheorie. Eine Analyse seines pädagogischen Verhältnisses
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
17
Katalognummer
V1151889
ISBN (eBook)
9783346539779
ISBN (Buch)
9783346539786
Sprache
Deutsch
Schlagworte
winfried, böhms, erziehungstheorie, eine, analyse, verhältnisses
Arbeit zitieren
Stefanie Kaya (Autor:in), 2019, Winfried Böhms Erziehungstheorie. Eine Analyse seines pädagogischen Verhältnisses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1151889

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