Geschlechterunterschiede im Risikoverhalten. Beiträge der experimentellen Ökonomik


Bachelor Thesis, 2017

39 Pages, Grade: 1.3


Excerpt


Gliederung

1 Einleitung

2 Geschlechterunterschiede in den Risikopräferenzen

3 Der Einfluss von Umweltfaktoren auf die Entwicklung der Risikopräferenzen

4 Verhaltensökonomische Phänomene mit Einfluss auf das Risikoverhalten
4.1 Geschlechterunterschiede in der Wettkampfbereitschaft
4.2 Geschlechterunterschiede in der Selbstüberschätzung

5 Geschlechterunterschiede in der Risikobereitschaft von professionellen Risikoträgern .

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

“Life is either a daring adventure or nothing.”

Helen Keller in Let Us Have Faith (Keller 1946: 50)

Das Risiko beeinflusst das Verhalten jedes einzelnen Individuums und spielt eine bedeutende Rolle in fast allen ökonomischen und alltäglichen Entscheidungen. So hat die Risikobereitschaft weitreichende Auswirkungen - von der Auswahl des beruflichen Werdegangs bis hin zur Bereitschaft, gesundheitsschädliches Verhalten an den Tag zu legen, wie zum Beispiel der Konsum von Alkohol oder Drogen. In der klassischen Entscheidungstheorie ist eine Entscheidung mit Risiko verbunden, wenn der Nutzen des Endresultats mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist (March, Shapira 1987: 1404). Im Allgemeinen verhalten sich Individuen risikoavers. Das bedeutet, sie bevorzugen eine sichere Variante gegenüber einem Wagnis, welches denselben erwarteten Nutzen erbringen würde. Die Bereitschaft, mehr Risiken einzugehen, wird jedoch oft mit persönlichem und wirtschaftlichem Erfolg assoziiert (MacCrimmon, Wehrung 1990: 431).

Die Divergenz der Risikobereitschaft von Frauen und Männern ist ein Thema, das in vielen akademischen Bereichen untersucht und mit Experimenten erforscht wurde. In einer Analyse der psychologischen und ökonomischen Literatur untersuchten Byrnes et al. (1999) 150 Studien mit dem Ziel, Geschlechterunterschiede in der Risikobereitschaft aufzudecken. Dabei zeigte sich, dass Frauen durchschnittlich in allen untersuchten Bereichen weniger bereit waren, Risiken einzugehen (Byrnes et al. 1999: 377).

Im Folgenden werden verschiedene Aspekte der Geschlechterunterschiede in der Risikobereitschaft analysiert. Es wird auf die Unterschiede in den Risikopräferenzen und dem Bestehen von Stereotypen eingegangen. Die Beeinflussung durch Umweltbedingungen im Kindesalter gibt Einsicht in die Entwicklung der Risikopräferenzen. Weiterhin wird der Einfluss von Verhaltensökonomischen Phänomenen, wie die Selbstüberschätzung von Individuen und ihre Wettkampfbereitschaft auf die Risikobereitschaft untersucht. Zuletzt werden die Ergebnisse in der Risikobereitschaft einer Nicht-Managementpopulation denen einer Managementpopulation gegenübergestellt um die Risikobereitschaft von professionellen Risikoträgern aufzudecken. Im Zuge dessen werden Experimente der Psychologie und Ökonomie dargestellt und analysiert. Implikationen über den Einfluss von Geschlechterunterschieden auf die Entscheidungen von Frauen in der Wahl ihrer Berufe sowie der Besetzung von Führungspositionen werden gezogen.

2 Geschlechterunterschiede in den Risikopräferenzen

In der ökonomischen Literatur konzentrieren sich die Untersuchungen von Geschlechterunterschieden in Risikopräferenzen weitgehend auf die Bereiche Gesundheit, den finanziellen Sektor, Glücksspiel sowie die strategische Entscheidungsfindung und den professionellen Beschäftigungskontext. In allen Bereichen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Frauen risikoaverser sind als Männer. Die Ergebnisse sind dabei unterschiedlich eindeutig. Als Grund für die unterschiedliche Risikobereitschaft benennen Ökonomen unter anderem Unterschiede in den Risikopräferenzen. Frauen schätzen im Gegensatz zu Männern Risiken höher ein, lassen sich seltener auf risikoreiche Situationen ein und ziehen Alternativen mit geringerem Risiko vor (Maxfield, Shapiro 2010: 588).

Experiment

Eckel und Grossman (2008) untersuchten in ihrem Experiment mithilfe eines leicht verständlichen, abstrakten Glücksspiels mit verschiedenen Rahmenbedingungen die Unterschiede in den Risikopräferenzen zwischen Männern und Frauen. Dabei wurde die Risikobereitschaft der Studenten, die an dem Experiment teilnahmen, anhand zu erwartender Erträge und der Varianz der Auszahlungen gemessen (Eckel, Grossman 2008: 7). Neben der Ermittlung von Präferenzen prüften die Autoren die Hypothese, dass das Geschlecht einer Person als Indikator für Risikobereitschaft und somit als Grundlage für Stereotype in der Gesellschaft dient.

Das Experiment bestand aus drei verschiedenen Komponenten. Alle Teilnehmer beantworteten zuerst einen psychologischen Fragebogen, dabei handelte es sich um die Zuckerman-Sensation-Seeking-Scale, ein Test, der Fragen zur Risikobereitschaft in verschiedenen hypothetischen Situationen enthält. Diese waren in die Kategorien Nervenkitzel, Empfänglichkeit für Langeweile und Enthemmung eingeteilt. Der psychologische Fragebogen wurde als Kontrollvariable in einer Regression zur Analyse der Risikobereitschaft eingesetzt (Eckel, Grossman 2008: 4-6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Auswahlmöglichkeiten der Teilnehmer im Glücksspiel (eigene Darstellung in Anlehnung an Eckel, Grossman 2008: 4)

Anschließend standen jedem Teilnehmer im Rahmen des Glücksspiels fünf Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung, von denen eine selektiert werden musste. Jede Auswahlmöglichkeit barg zwei mögliche Ereignisse, die mit gleicher Wahrscheinlichkeit eintreten konnten (50/50). Bei der ersten Auswahlmöglichkeit war die Höhe der Auszahlungen jeweils gleich groß (10 $/10 $). Somit wurde den Teilnehmern eine „sichere Variante“ ohne Risiko angeboten. Der Differenzbetrag der beiden Eventualitäten stieg mit jeder weiteren Auswahlmöglichkeit an. Möglichkeit 2 hatte den geringsten Differenzbetrag und Möglichkeit 5 den höchsten. Somit konnte ein risikofreudiger Teilnehmer mit der Entscheidung für eine Auswahlmöglichkeit mit hoher Auszahlung seinen möglichen Gewinn erhöhen. Gleichzeitig war jedoch das damit verbundene Risiko höher, bei Eintreten des Gegenereignisses am Ende einen geringeren Betrag zu erhalten.

Die Teilnehmer wurden in drei verschiedene Treatments eingeteilt und mussten das Glücksspiel unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen durchführen. In Abbildung 1 werden alle Auswahlmöglichkeiten sowie deren Szenarien übersichtlich dargestellt. In dem ersten und dritten Treatment erhielten die Teilnehmer für die Beantwortung des psychologischen Fragebogens vorab eine Auszahlung von 6 $. Das „Verdienen“ dieses Betrages als Belohnung für eine Leistung vermittelte den Teilnehmern ein Gefühl des Besitzes. Dieser Zustand wurde genutzt, um das Gefühl möglicher Verluste zu bekräftigen. Die Auswahlmöglichkeiten 4 und 5 des Glücksspiels in diesen Treatments bargen außerdem die Gefahr von Verlusten in Form von negativen Beträgen. Somit hatten die Teilnehmer bei der Wahl der Auswahlmöglichkeit 5 zwar die Chance auf die höchstmögliche Auszahlung, liefen bei dieser Wahl jedoch Gefahr, nicht nur keine Auszahlung zu erhalten, sondern zusätzlich ihre Anfangsauszahlung von 6 $ zu verlieren. Die einzige Disparität zwischen Treatment 1 und 3 war die Betitelung der Aufgabenstellung. Wurde diese den Teilnehmern aus Treatment 1 als Glücksspiel vorgestellt, präsentierte man sie in Treatment 3 als Investitionsmöglichkeit. In dem zweiten Treatment erhielten Teilnehmer keine Vergütung für die Beantwortung des Fragebogens, jedoch waren die Auszahlungen höher als in den beiden anderen Treatments um eine Gleichwertigkeit der Auszahlungen zu garantieren. Außerdem bestand hier keine Gefahr eines Verlustes, da die minimale Auszahlung null betrug.

Die Gegenüberstellung der verschiedenen Treatments diente zur Aufdeckung unterschiedlicher Präferenzen. Falls sich Männer und Frauen des ersten Treatments (Verlust) in ihren Entscheidungen signifikant unterschieden, die Geschlechter des zweiten Treatments (Kein Verlust) jedoch nicht, deutete dies auf eine Verlustaversion, anstatt einer Risikoaversion hin. Ein Abweichen der Ergebnisse des dritten Treatments von Treatment 1 deutete folglich auf eine Glücksspielaversion anstatt einer Risikoaversion hin (Schubert et al. 1999: 383-385).

Die Risikobereitschaft der einzelnen Teilnehmer wurde anhand der Standardabweichung der Auszahlungen gemessen. Somit war eine Wahl des ersten Glücksspiels ein Indikator für ein hohes Niveau an Risikoaversion, die Wahl des letzten Glücksspiels ein Indikator für eine hohe Risikobereitschaft (Eckel, Grossman 2008: 4).

Nach Beendigung des Experiments wurde das Eintreten eines der beiden Ereignisse und die damit verbundene Höhe der Auszahlung für jeden einzelnen Teilnehmer bestimmt. Dafür musste jeder Teilnehmer im Beisein der übrigen Probanden einen Würfel werfen, der über das Eintreten einer der beiden 50/50-Ereignisse und somit die Auszahlungen des Glücksspiels bestimmte. Während ein Teilnehmer über die Höhe seiner Auszahlung durch Werfen des Würfels entschied, nutzten die anderen Teilnehmer die Erscheinung und das Auftreten des jeweiligen Teilnehmers zur Einschätzung seiner Risikobereitschaft. Sie gaben dann auf einem Formular an, für welche Auswahlmöglichkeit sie glaubten, dass sich der jeweilige Teilnehmer entschieden hatte. Um die Teilnehmer zu möglichst genauen und wohlüberlegten Einschätzungen zu motivieren, wurde jede richtige Einschätzung mit 1 $ belohnt. Anschließend wurden die erzielten Erträge an die Teilnehmer ausgezahlt und das Experiment war beendet.

Die zusätzliche Aufgabe zur Einschätzung der Risikobereitschaft der übrigen Teilnehmer wurde durchgeführt, um mögliche Geschlechterunterschiede in der Wahrnehmung Dritter aufzudecken. Bei Unterschieden in der Wahrnehmung gab dies einen Hinweis auf Stereotypen bezüglich der Risikopräferenzen von einem der Geschlechter (Eckel, Grossman 2008: 6).

Ergebnisse des Experiments

Männer entschieden sich durchschnittlich zu 33,82 % für die riskanteste Auswahlmöglichkeit, Frauen wählten diese nur zu 12,50 %. Dieser Geschlechterunterschied wurde auch in der Wahl der ersten „sicheren“ Auswahlmöglichkeit deutlich. Nur 1,47 % der Männer entschieden sich für die sicherste Variante. Frauen wählten diese Möglichkeit zu durchschnittlich 7,50 %. Frauen waren in allen drei Treatments signifikant risikoaverser als Männer mit einem Signifikanzniveau von 0,001. Die Ergebnisse der einzelnen Treatments wichen nur insignifikant voneinander ab, dadurch konnte die Risikobereitschaft über alle drei Rahmenbedingungen (Verlust, kein Verlust, Investition) deutlich werden. Somit konnte die Hypothese der Verlustaversion und Glücksspielaversion abgelehnt werden. Auch die Zuckerman-Sensation-Seeking-Scale unterstützte diese Ergebnisse teilweise. In zwei der vier untersuchten Bereiche (Empfänglichkeit für Langeweile und Enthemmung) wählten Frauen eine geringere Bereitschaft, Risiken einzugehen. Bei der Kategorie Empfänglichkeit für Langeweile waren Frauen dabei signifikant risikoaverser mit einem Signifikanzniveau von 0,05 (Eckel, Grossman 2008: 7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Wahl des Glücksspiels - Risikoaversion bei Glücksspiel 1, Risikobereitschaft bei Glücksspiel 5 (eigene Darstellung in Anlehnung an Eckel, Grossman 2008: 7)

Ergebnisse der Vorhersage der Risikobereitschaft

Im Durchschnitt schätzten sich die Teilnehmer selbst als risikofreudiger ein als die anderen Teilnehmer des Experiments. Dies spiegelte sich sowohl in der Auswahl der Antworten im psychologischen Fragebogen als auch in den Ergebnissen des Glücksspielexperiments wider. Weiterhin wurden Frauen als das signifikant risikoaversere Geschlecht eingeschätzt, das Signifikanzniveau betrug 0,001. Diese Einschätzung wurde von Männern und Frauen gleichermaßen geteilt (Eckel, Grossman 2008: 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Auswahl und Vorhersage der Glücksspielwahl von Männern und Frauen (eigene Darstellung in Anlehnung an Eckel, Grossman 2008: 10)

Implikation

In Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen zeigten die Ergebnisse des Glücksspielexperiments von Eckel und Grossman, dass ein signifikanter Unterschied in den Risikopräferenzen zwischen Männern und Frauen bestand. Frauen entschieden sich deutlich häufiger für eine der risikoärmeren Auswahlmöglichkeiten, Männer hingegen wählten die beiden risikofreudigsten Varianten am häufigsten. Weiterhin wurden Beweise für das Bestehen eines Stereotypen hinsichtlich der Risikopräferenzen vorgelegt. Frauen wurden von beiden Geschlechtern als signifikant risikoaverser eingestuft. Eine Begrenzung der dargestellten Ergebnisse stellt möglicherweise die fehlende Vielfalt des Teilnehmerpools dar. Studenten bewegen sich einem emanzipierten Umfeld, das die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fördert. Durch die Beschränkung der Teilnahme auf Studenten, könnten die Ergebnisse geringere Geschlechterunterschiede aufweisen, als die einer anderen Population.

Unterschiede in der Risikobereitschaft zwischen Männern und Frauen haben weitreichende, ökonomische Folgen. Die unterschiedlichen Präferenzen können sich auf verschiedene Entscheidungen auswirken, da jede Entscheidung ein Abwägen der Ausgänge und dem damit verbundenen Risiko ist. So können die Präferenzen für eine geringere Risikobereitschaft Frauen davon abhalten, sich um Berufe in höheren Lohnsektoren zu bemühen, da diese oft mit der Notwendigkeit einer höheren Risikobereitschaft verbunden sind. Des Weiteren könnte die geringere Risikobereitschaft Frauen dazu bewegen, ihre Investitionsentscheidungen ihren Präferenzen anzupassen, womit zwar eine sichere, aber geringere Rendite zu erwirtschaften ist.

Zusätzlich zu den Präferenzen des eigenen Geschlechts hat die Einschätzung Dritter eine große Bedeutung für die Wahrnehmung von Frauen und Männern. Wenn ein Stereotyp besagt, dass Frauen weniger bereit sind Risiken einzugehen als Männer (wahr oder nicht), so führt dies möglicherweise zu einer Diskriminierung in der Zuteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten. Dies könnte, unabhängig von eigentlichen Präferenzen, zu einer wachsenden Geschlechterkluft in den Gehältern führen (Eckel, Grossman 2008: 10). In den Untersuchungen von Atkinson et al. (2003) wurden zum Beispiel keinerlei Unterschiede in der Performance und dem Investitionsverhalten von weiblichen und männlichen Investmentfondmanagern gefunden. Dennoch galten weibliche Fondsmanager als unterrepräsentiert. Die Autoren erklären diesen Geschlechterunterschied damit, dass sich Fondsfamilien in ihren Untersuchungen für männliche Manager entschieden, aus Sorge, Investoren würden diese gegenüber weiblichen Managern vorziehen (Atkinson et al. 2003: 17). In einer Gesellschaft in der sich darum bemüht wird, Unterschiede in der Behandlung von Männern und Frauen zu beseitigen um für Gleichberechtigung zu sorgen, haben die Ergebnisse der dargestellten Untersuchungen eine entgegengesetzte Wirkung.

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Details

Title
Geschlechterunterschiede im Risikoverhalten. Beiträge der experimentellen Ökonomik
College
University of Passau
Grade
1.3
Author
Year
2017
Pages
39
Catalog Number
V1152359
ISBN (eBook)
9783346541680
ISBN (Book)
9783346541697
Language
German
Keywords
Behavioral Economics, Wirtschaftsökonomie, Gender, Risk, Management, Experimentelle Ökonomik, VWL, Bachelorarbeit
Quote paper
Rudolf Knoll (Author), 2017, Geschlechterunterschiede im Risikoverhalten. Beiträge der experimentellen Ökonomik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1152359

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