Kunst zwischen Politik und Aktivismus. Das Zentrum für Politische Schönheit


Akademische Arbeit, 2021

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Hinführung

2. Das Zentrum für Politische Schönheit
2.2 Das Kollektiv

3. Die Kunstaktion ,Flüchtlinge Fressen“
3.1 Beschreibung
3.2 Künstlerische Strategien des Zentrum für Politische Schönheit
3.3 Politische Ein_Wirkung

4. Diskussion vor dem Hintergrund der Seminarinhalte
4.1 Hans Haacke, Valie Export und der Dadaismus
4.2 Was kann Kunst?.. .Was darf Kunst?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Hinführung

An einem vielbesuchten Platz in Berlin werfen sich ,Flüchtlinge‘1 hungrigen Tigern zum Fraß vor und lösen Entsetzen aus. Die Öffentlichkeit schaut zu und fragt sich: Warum tun sie das? Bei diesem zunächst absurd erscheinenden Schauspiel handelt es sich um eine komplexe Kunstaktion des Künstler*innenkollektivs Zentrum für politische Schönheit [2] . Unter dem Titel Flüchtlinge Fressen sprengt das Kollektiv die Grenzen eines engen Kunstverständnisses, wagt den Schritt zu einem künstlerischen Politaktivismus' und legt damit den Grundstein für interdisziplinäre Diskurse - Wie eingreifend, verändernd und kritisierend darf und kann Kunst sein? Die öffentliche Meinung zu dieser Kunstaktion ist vielstimmig und bewegt sich medial zwischen persönlichem Entsetzen, aufflammender Aggressionen und intellektuellem Zuspruch.

Vor dem Hintergrund des Seminars Kritisieren, Eingreifen, Verändern: Das Politische (in) der Kunst wird die Kunstaktion Flüchtlinge Fressen als Beispiel herangezogen, um Fragen nach den Grenzen und politischen Einwirkungsmöglichkeiten von Kunst nachzugehen. Dafür wird in dieser Arbeit das Künstler*innenkollektiv Zentrum für Politische Schönheit vorgestellt (Kap.2) und die politische Kunstaktion Flüchtlinge Fressen analysiert (Kap.3). In der Analyse wird die Kunstaktion zunächst beschrieben und dann unter Betrachtung der angewandten Strategien auf seine Wirkungsmöglichkeiten untersucht. Vor diesem Hintergrund werden Fragen nach politischer Ein_Wirkung, die durch das Kunstwerk Flüchtlinge Fressen zum Tragen kommt, untersucht und ausgehandelt (Kap 3.3). Infolgedessen sollen daraufhin jene Überlegungen in Verbindung mit Seminardiskussionen weiter ausgeführt und verhandelt werden (Kap.4), um diese Ausarbeitung zusammenfassend mit einem umrahmenden Fazit (Kap.5) abzuschließen.

2. Das Zentrum für Politische Schönheit

In diesem Kapitel soll dargelegt werden wann das das Künstler*innenkollektiv gegründet wurde, welche Mitglieder partizipieren und nach welcher eigens definierten Philosophie das Kollektiv seine Kunstaktionen plant und auslegt.

2.2 Das Kollektiv

Das Künstler*innenkollektiv Zentrum für Politische Schönheit [3] wird im Jahr 2008 von dem Philosophen und Aktionskünstler Phillip Ruch gegründet. Seither vertritt er das Kollektiv und repräsentiert es sowohl in akademischen als auch in massenmedialen Bereichen.4 Etwa 70 Aktionskünstler*inne und Kreative bilden gemeinsam das Kollektiv, das durch multi- und transmediale Kunstaktionen Aufmerksamkeit erregt.5

Als Erkennungsmerkmal schwärzen die teilnehmenden Künstler*innen ihre Gesichte mit Kohle. Hierin liegen laut Kollektiv unterschiedliche Bedeutungen: Zum einen solle die Asche als mahnendes Symbol an untergegangenen Hochkulturen erinnern und bestünde außerdem aus den verbrauchten Hoffnungen Deutschlands.6 Bereits an dieser Stelle lässt sich ablesen, dass das Künstler*innenkollektiv durch symbolische Erklärungen und Verbindungen Aufmerksamkeit auf sich lenken (will). Jene Aufmerksamkeit, die das Zentrum für Politische Schönheit für seine diskutablen Kunstaktionen erhält, fällt allerdings nicht immer positiv aus. Bereits im Jahr 2017 wird das ZPS als „Bildung einer kriminellen Vereinigung“7 verdächtigt und von staatlichen Instanzen durchleuchtet und überprüft.8

Das ZPS richtet seine Kunstaktionen nach einer eigens definierten Philosophie und Weltanschauung aus, die die Kunstaktivist*innen selbst als „aggressiven Humanismus“9 bezeichnen. Bereits derartige Begriffszusammenführung lässt einen polarisierenden Charakter der Kunstaktionen erwarten. Diese Vereinigung beider Begriffe, begründet das Kollektiv mit dem Anspruch, die Menschenrechte auf kompromisslose Weise zu verteidigen. Der Kampf um Humanität werde zu höflich geführt und es bedürfe mehr Mut und Aggression.10 So werfen die Künstler*innen beispielsweise Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International vor, zu nachlässig, „[...] untätig und gelähmt [...j“11 vorzugehen: Um für die Menschenrechte zu kämpfen brauche es aggressiveres Vorgehen als das bloße Verschicken von Protest-Mails an Politiker*innen. Nach der Meinung des ZPS 's weichen politische Theorie und politische Praxis voneinander ab, was eine Nicht-Einhaltung der Menschenrechte zur Folge habe.12 Da sie diesen Zustand selbst nicht mehr ertragen wollen, nutzen sie ein Mittel, das auch ein wichtiges Moment in ihrer Philosophie darstellt: Konfrontation. Die Künstler*innen wollen einerseits konfrontieren und stellen andererseits Nicht-Konfrontation infrage, denn auch ein Sich-Nicht-Konfrontieren und Nicht-Handeln ist ihrer Meinung nach ein politischer Akt.13 Vor diesem Hintergrund sollen ihre Kunstaktionen aufwühlen, stören und die Zuschauer*innen durch das Darstellen von unangenehmen Themen erschüttern. Nicht nur, aber auch aus diesem Grund, verstehen sie sich selbst als „moralische Heizer[*innen]“14. Damit definieren sie sich als Ausübende einer radikalen Form von Humanismus, woraus sich der ironische Name „Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit“15 entwickelt. Die erwähnten Aspekte ihrer Philosophie lassen sich an ihren Kunstaktionen ablesen, die zwischen Kunst, Theater, Bürger*innenschaft und Politik transzendieren- Somit positioniert sich das ZPS an der Schnittstelle von Kunst und politischem Aktivismus, um zu versuchen in die Wirklichkeit einzugreifen. Hierzu erklärt das Kollektiv:

Wir formen den politischen Widerstand des 21. Jahrhunderts und bewaffnen die Wirklichkeit mit moralischer Phantasie und der Geschichte. Widerstand ist eine Kunst, die weh tun, reizen und verstören muss. Wir experimentieren mit den Gesetzen der Wirklichkeit und drängen in die Leerstelle, die jahrzehntelang von den öffentlichen Intellektuellen besetzt wurde: das moralische Gewissen.16

Das ZPS will also einen Widerstand realisieren, bei dem nicht nur Bevorrechtete politisch aktiv werden können. Sie versuchen durch ihre Kunstaktionen alternative Formen politischer Partizipation zu ermöglichen, wodurch sich die Partei- und Politikverdrossenheit der Bürger*innen in ein aktives Mitwirken verändern kann. Ihrer Philosophie entsprechend, sollen die Kunstaktionen Räume eröffnen, die „bürger*innenschaftliche Praxis“17 zwischen den Wahlterminen vorantreiben und Bürger*innen so zu Mitgestalter*innen ihres eigenen gesellschaftlichen Produkts machen.18 Eben diese Ausgestaltungsmöglichkeiten des gesellschaftlichen Produkts sind ihrer Meinung nach streit- und verhandelbar, weshalb Diskurs, Konfrontation, Kritik und Mitwirken als gewinnbringende Faktoren bewertet werden. Nach dieser Auffassung können staatliche Stellen durch eine aktivistische Zivilgesellschat unter Druck gesetzt werden und somit die Legitimität der geltenden Regeln innerhalb der hegemonialen politischen Ordnung in Frage stellen. Zusammenfassend bewertet das Kollektiv Konfrontationen nicht nur als eine Möglichkeit sondern als ein Muss . Es möchte Bürger*innen durch die Kunstaktionen zu Veränderung und Mitgestaltung ermutigen und ermächtigen, damit Menschen „[.] Schöpfer *innen ihrer eigenen Welt [werden] und nicht nur Geschöpfe ihrer Sozialisation [bleiben]“.19 Mit welchen Strategien das ZPS sein Publikum und deren politische Partizipation anzuregen versucht, soll im folgenden Kapitel an einem Beispiel genauer untersucht werden.

3. Die Kunstaktion ,Flüchtlinge Fressen'

In diesem Kapitel wird die interaktive Kunstaktion Flüchtlinge Fressen des ZPS verhandelt. Der Fokus liegt hierbei auf den verwendeten Mitteln und Strategien sowie den politischen Effekten, die sich möglicherweise ergeben. Vorangehend soll darauf hingewiesen werden, dass die Kunstaktion einen digitalen Teil und einen analogen Teil umfasst.

[...]


1 Im Sinne dieser Arbeit, wird die Verwendung des Begriffs ,Flüchtling' gewählt, um eine Verbindung zum Namen der Kunstaktion zu ziehen und die politische Wirkung von Sprache sichtbar zu machen. Die Verwendung des Apostroph's soll verdeutlichen, dass sich von dem historischen und rechtlichen Bedeutungshorizont des Begriffs ,Flüchtling‘ distanziert wird. Denn die politisch korrekte Verwendung wäre Asylsuchende*r oder Geflüchtete*r.

2 Die kursive Schriftart wird in diesem Portfolio für künstlerische Eigennamen verwendet.

3 wird ab hier abgekürzt als ZPS.

4 vgl. Kiyak 2016.

5 vgl. Evert 2016, S. 65.

6 vgl. Stange 2016.

7 vgl. ebd.

8 vgl. ebd.

9 vgl. ebd.

10 vgl. Evert 2016, S. 65.

11 vgl. Hausschild 2016, S.55.

12 vgl. ebd., S.57.

13 vgl. ebd.

14 vgl. Stange 2016.

15 vgl. Hausschild 2016, S.50.

16 vgl. Huttenlocher 2019.

17 vgl. Hausschild 2016, S.50.

18 vgl. Hausschild 2016, S.50.

19 vgl. ebd., S.52.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Kunst zwischen Politik und Aktivismus. Das Zentrum für Politische Schönheit
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Sprach- und Kulturwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
21
Katalognummer
V1152979
ISBN (eBook)
9783346544513
ISBN (Buch)
9783346544520
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kunst Politik Aktivismus
Arbeit zitieren
Alicia Alexy (Autor:in), 2021, Kunst zwischen Politik und Aktivismus. Das Zentrum für Politische Schönheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1152979

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