Erfolgsfaktoren interkultureller Mentoring-Beziehungen für den Einstieg hochqualifizierter Migrant:innen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Am Beispiel der Mentoring-Partnerschaft München


Master's Thesis, 2020

81 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abstrakt

0. Einleitung

1. Forschungsstand

2. Hochqualifizierte Migration

3. Was ist Mentoring?
3.1 Von Mentorzum Mentoring
3.2 Mentoring: Konzept und Funktionen
3.2.1 Entstehung der Mentoring-Beziehung
3.2.2 Funktionen des Mentorings
3.3 Interkulturelles Mentoring
3.3.1 DerKulturbegriff
3.3.2 Interkulturelles Mentoring: das Konzept

4. Die Mentoring-Partnerschaft
4.1. Struktur der Mentoring-Partnerschaft München
4.2. Anmerkungen zum Mentoring-Programm

5. Weitere Fachbegriffserläuterungen

6. Episodisches Interview mit Mentees und Mentorinnen
6.1 Methode
6.2 Datenerhebung

7. Gruppeninterview mit der Koordinationsstelle der M-P
7.1 Methode
7.2 Datenerhebung

8. Datenauswertung

9. Zusammenfassung der Ergebnisse
9.1 Die Mentoring-Beziehung und die Rolle der M-P
9.2 Funktionen des Mentorings
9.3 Voraussetzungen zu einer gelungenen Mentoring-Beziehung
9.4 Auswirkungen interkulturelles Mentoring-Beziehungen

10. Beantwortung zur Forschungsfrage

H.Schlussfolgerungen

Tabellenverzeichnis

Verzeichnis derAbbildungen

Abkürzungsverzeichnis

Quellenverzeichnis

Links

Abstract

Intercultural mentoring relationships can be an important ressource for qualified migrants with foreign qualifications to help them overcome the cultural challenges of the long integration process in a new country.

In this work I give a perspective on the success factors of intercultural mentoring relationships for achieving a job appropriate for one's own qualifications. This is in the context of the program of the Mentoring Partnerschaft Munich.

The research question I propose to identify the success factors of such an instrument is as follows:

How can intercultural mentoring relationships support highly qualified migrants to enter the German labour market with adequate qualifications?

On the basis of interviews with some mentees and mentors and the coordination office of the Mentoring Partnerschaft Munich, I analyse and identify the functions of intercultural mentoring that can lead to positive effects if certain conditions are met.

This will show that the most important factor in intercultural mentoring relationships is the synergy between the two mentoring partners in the context of the programme.

Abstrakt

Interkulturelle Mentoring-Beziehungen können eine wichtige Ressource für qualifizierte Migrantinnen mit ausländischen Qualifikationen sein, um durch den langen Integrationsprozess in einem neuen Land die kulturelle Herausforderungen zu bewältigen.

In der vorliegenden Arbeit gebe ich eine Perspektive auf die Erfolgsfaktoren von interkulturellen Mentoring-Beziehungen für die Erreichung einer für die eigene Qualifikation geeigneten Arbeitsstelle. Dies im Rahmen des Programms der Mentoring Partnerschaft München.

Die Forschungsfrage, die ich vorschlage, um die Erfolgsfaktoren eines solchen Instruments zu identifizieren, lautet wie folgt:

Inwiefern können interkulturelle Mentoring-Beziehungen hochqualifizierte MigrantInnen fördern, qualifikationsadäquat im deutschen Arbeitsmarkt einzusteigen?

Auf der Grundlage der Interviews mit einigen Mentees und Mentorinnen und der Koordinationsstelle der Mentoring-Partnerschaft analysiere und identifiziere ich die Funktionen des interkulturellen Mentoring, die durch bestimmten Voraussetzungen, zu positiven Auswirkungen führen können. Daraus wird gezeigt, dass der wichtigste Faktor in den interkulturellen Mentoring-Beziehungen in der Synergie zwischen den beiden Mentoring- Partnern und dem Kontext des Programms liegt.

0. Einleitung

Das Treffen zweier Persönlichkeiten ist wie der Kontakt zweier chemischer Substanzen: Wenn es eine Reaktion gibt, werden beide transformiert. (Carl Gustav Jung)

Der demografische Wandel ist ein gesellschaftliches Phänomen, das in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Viele verlassen das eigene Heimatland, um einen Neuanfang in einem anderen Land zu schaffen. Aufgrund des globalen Wettbewerbs oder der kritischen sozialen und politischen Situation im eigenen Land beschließen vor allem junge Menschen, in ein Land zu ziehen, in dem eine bessere Lebensqualität versprochen wird als im eigenen Land.

In den letzten Jahren sind ca. 610 000 (vgl. OECD) qualifizierte Migrantinnen1 nach Deutschland gezogen.

Für manche Zuwanderinnen mit im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen ist der Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt nicht so einfach wie sie es sich vorgestellt haben. Zudem sind sie mit Situationen konfrontiert, die die Integration auf sozialer und beruflicher Ebene behindern und auf persönlicher Ebene Unbehagen hervorrufen.

Die Figur einer berufsetablierten Fach- oder Führungskraft kann sie aber unterstützen und bei den ersten Schritten des Integrationsprozesses auf beruflicher und sozialer Ebene begleiten, mit dem Ziel, die nötigen Werkzeuge und Ressourcen zu vermitteln, um in eine qualifikationsadäquate Berufsposition einsteigen zu können.

Die Mentoring-Partnerschaft2 (M-P), ein Programm der Landeshauptstadt München und gefördert von .Integration durch Qualifizierung (IQ)‘, versucht eine Lösung dafür zu finden.

Durch das ehrenamtliche Mentoring einer berufserfahrenen Fach- bzw. Führungskraft (Mentorin) werden die betroffenen hochqualifizierten Migrantinnen (Mentees) beim Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt unterstützt. Letztere müssen folgende Voraussetzungen haben: Mindestsprachniveau B2 (gemäß GER) der deutschen Sprache; durch die Anerkennungsstelle anerkannter Studienabschluss; mindestens zwei bis drei Jahren Berufserfahrung (unabhängig vom Land).

Das Konzept des Mentorings ist als Personalentwicklungsinstrument im Arbeits- und Bildungsbereich beliebt und in den letzten Jahrzehnten im Fokus des wissenschaftlichen Diskurses. Allerdings wurde bisher in der deutschen Forschungsliteratur wenig Aufmerksamkeit auf den interkulturellen Aspekt in Mentoring-Beziehungen gelegt.

Die vorliegende empirische Arbeit setzt sich als Ziel, die Erfolgsfaktoren interkultureller Mentoring-Beziehungen zu identifizieren, die den Einstieg in qualifikationsadäquate Berufspositionen am deutschen Arbeitsmarkt fördern, am Beispiel des Mentoring-Programms der M-P München.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die folgende Frage:

Inwiefern können interkulturelle Mentoring-Beziehungen hochqualifizierte MigrantInnen fördern, qualifikationsadäquat im deutschen Arbeitsmarkt einzusteigen?

Um die Frage zu klären, lehnte ich mich methodisch an zwei qualitativen Forschungsansätze an.

Im ersten Schritt interviewte ich mithilfe eines Leitfadens sowohl Mentees als auch Mentorinnen, die am Programm teilgenommen haben. Dadurch konnte ich die Selbsterfahrung der Teilnehmenden auf qualitativer Ebene eruieren. Insgesamt interviewte ich drei Mentorinnen und vier Mentees.

Basierend auf den Ergebnissen der Interviews führte ich im zweiten Schritt ein Gruppeninterview mit den drei Koordinatorinnen des Programms, mit dem Ziel, die Rolle der Koordinationsstelle in Bezug auf die Dyade Mentorln-Mentee zu untersuchen.

Zur Auswertung benutzte ich die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse mit einem Kategoriensystem und am Ende verknüpfte ich die Ergebnisse.

Es ist klarzustellen, dass die vorliegende Studie nicht repräsentativ und allgemeingültig ist, sondern nur einen lokal begrenzten Beitrag zur Mentoring- Forschung im Rahmen der qualifikationsadäquaten Integration in den deutschen Arbeitsmarkt von Menschen mit Migrationshintergrund und ausländischen Berufsqualifikationen leisten kann. Die Zahl der Befragten ist begrenzt; außerdem wurden die Befragten nach Zufallsprinzip interviewt. Nur einige Parameter wurden im Vorfeld definiert.

1. Forschungsstand

Interkulturelles Mentoring als Instrument der Unterstützung zum Einstieg von hochqualifizierten Migrantinnen in den Arbeitsmarkt ist nach meinen Recherchen noch nicht Gegenstand der Forschung geworden. Daher versteht sich die vorliegende Arbeit als explorative Studie.

Zu einzelnen Teilen meiner Studie existieren dagegen verschiedene Untersuchungen.

Das Thema Mentoring wurde in den letzten Jahrzehnten weitreichend erforscht. Die ersten wissenschaftlichen Studien wurden von Kathy Kram (1985) initiiert. Sie individualisierte die Funktionen des traditionellen Mentorings im Vergleich zum Peermentoring im Arbeitsbereich. Diese Funktionen werden in Kap. 3.2 behandelt und als wichtiger Theorieteil berücksichtigt.

Eines der Standardwerke zum Mentoring ist „The Blackwell Handbook of Mentoring. A multiple Perspectives Approach“ (2007). Autoren wie Ragins, Allen, Eby, Pellegrini, Scandura, Johnson u.a., die sich schon seit den 1990er Jahren mit dem Thema Mentoring befassen, haben Aufsätze zu diesem Handbuchbeigetragen. Das Mentoring wird innerhalb jedes Kapitels in Youth­, Student-Faculty- und Workplace-Mentoring unterteilt. Ein Kapitel ist dem Thema Diversity und Mentoring gewidmet. Dies wird im Laufe der vorliegenden Arbeit thematisiert - s. Kap. 3.3.2 der vorliegenden Arbeit. Interkulturelles Mentoring wird in der amerikanischen Forschungsliteratur seit den 1990er-Jahren unter dem Begriff ,crosscultural‘ oder ,cross-race mentoring' thematisiert. Allerdings „diversified mentoring relationsships are defined as mentors and protégés who differ on the basis of race, ethnicity, gender, sexual orientation, disability, religion, socioeconomic class or other group membership associated with power in organizations“ (Ragins1997, in : Ragins 2007, S. 282). Solche Aspekte werden „problematisch dargestellt, da Mentor und Mentee in einer solchen Beziehung in ihrer Gruppenzugehörigkeit zur Kultur/Ethnie differieren“ (Johnson-Bailey/Cervero, 2002, Ragins, 1995, Zachary, 2005, S. 208, in: Voigt 2013, S. 173), und es werden eher die Problematiken betont als die Synergieeffekte.

Somit erforscht Voigt in ihrer Dissertation interkulturelles Mentoring als Instrument im Diversity Management von multinationalen Organisationen am Standort Deutschland und erkennt die Mentoringfunktionen im interkulturellen Mentoring (vgl. Voigt 2013).

Interkulturelles Mentoring stellt innerhalb der deutschen Forschungsliteratur weitestgehend eine Leerstelle dar und ist somit ein „unfinished business" (Voigt2013, S. 197).

Voigts Dissertation bildet in der vorliegenden Arbeit eine wichtige theoretische Grundlage für die Erklärung des Konzeptes des interkulturellen Mentorings. Eine weitere bedeutende Arbeit zum Thema ist Stephan Pflaums Dissertation „Mentoring beim Übergang vom Studium in den Beruf. Eine empirische Studie zu Erfolgsfaktoren und wahrgenommenem Nutzen“. Anhand dieser Quelle konnte ich die Übergangsphase der interviewten Mentees aufzeigen.

In der Migrationsliteratur steht das Thema der hochqualifizierten Migration in den letzten Jahren im Fokus. Im Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit wird darauf näher eingegangen. Eine Quelle, die für diese Studie marginal relevant ist, trägt den Titel „Hochqualifizierte Migrantinnen. Teilhabe an Arbeit und Gesellschaft“ von Jungwirth und Wolffram (2017). In der Studie werden Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe von hochqualifizierten Migrantinnen aus einer geschlechtersoziologischen Perspektive analysiert, und es wird ein Überblick über die Situation von hochqualifizierten Migrantinnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gegeben.

Schließlich erstellte 2018 die Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen des Sozialreferat der Landeshauptstadt München (LHM) eine Wirkungsanalyse3 über die volkswirtschaftliche Effekte der Beratungs- und Unterstützungsangebote auf den Haushalt der LHM und „in welchem Ausmaß sich die individuelle berufliche Situation von Personen verbessert, die die Angebote der Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen in Anspruch genommen haben“ (Gächter / von Loeffelholz, 2018, S. 7). Die Mentoring-Partnerschaft, das Mentoringprogramm der Interviewteilnehmer meiner Studie, wird u.a. von der Servicestelle als Programm empfohlen, um den Übergang auf den deutschen Arbeitsmarkt zu schaffen. In der Kurzfassung des Berichts kann man die individuellen beruflichen Situationen der Ratsuchenden erheben. Diese Ergebnisse dienten mir dazu, einen Gesamtüberblick über die Effekte der Beratungsstelle zu erhalten. Es lässt sich daraus aber nicht ersehen, welche Erwerbstätigenquote die Mentees der M-P nach Teilnahme am Programm erreicht haben.

Eine Masterarbeit (2017) des Studiengangs „Interkulturelle Kommunikation und Kooperation“ an der Hochschule München wurde über den Einfluss der Anerkennungsberatung auf die Arbeitsmarktintegration von hochqualifizierten Migranten in München verfasst. In der vorliegenden Arbeit wurde diese nur zur Orientierung herangezogen, denn es erwähnt marginal die Beziehung von der M-P zur Servicestelle als Beratungsangebot für die Erreichung einer qualifikationsadäquaten Stelle auf den deutschen Arbeitsmarkt.

I Theorie

2. Hochqualifizierte Migration

Migration ist ein globales Phänomen, das als „Teilbestand der Kulturgeschichte der Menschheit“ (Aigner 2017, S. 3) zu betrachten ist. Der Begriff entstammt dem Lateinischen „migrare“ und heißt auf Deutsch wandern. Heckmann nennt Ursachen von Migration: „[d]ie Sicherung oder Suche nach Verbesserung der Lebensbedingungen hat die Menschen motiviert oder gezwungen, Orte zu verlassen und neue zu suchen, an denen sie leben bzw. besser leben konnten, das zentrale Motiv der Migration“ (Heckmann, S. 22). Mit der Entwicklung der Nationalstaaten wird von internationaler Migration gesprochen, wobei die Gründe dafür gleichgeblieben sind.

In der Migrationspolitik wird zwischen diversen Migrationsformen unterschieden. Diese können „allgemein danach unterschieden werden, ob die Migration freiwillig oder gezwungen erfolgt, ob sie temporär oder dauernd ist, oder nach welchem rechtlichen Zugang zum Einwanderungsland sie ermöglicht wird“ (Heckmann, S. 24). Auch wenn „eine binäre Konzeption von Migrationsformen in den Gegensätzen von Zwang und Freiwilligkeit, Dauerhaftigkeit und zeitlicher Begrenzung, Prozess und Ergebnis“ überholt sind (Jungwirth/Wolffram 2017, S. 7).

Man spricht von Arbeitsmigration, Familienmigration, irregulärer Migration u. a. (vgl. Heckmann 2015, Jungwirth/Wolffram 2017, Aigner 2017), die sich untereinander nicht ausschließen müssen.

Zur Arbeitsmigration gehört ein Prozentsatz von Menschen mit einem Hochschulabschluss, die vom eigenen in ein anderes Land auswandern, um dort ein neues Lebenskapitel zu beginnen. Dabei geht es um die Abwanderungen in die Global Cities (vgl. Sassen 2003), wo Absolventinnen mehr Arbeitschancen haben als im eigenen Land4, und die Gewinnsituation im Aufnahmeland bei der Akquise von Fachkräften5.

Hochqualifizierte Migrantinnen sind in anderen Länder eher .erwünscht' als andere. „Die Thematisierung der Migration als .erwünscht' ist dabei immer ein Hinweis darauf, dass Migration gleichzeitig als .nicht erwünscht' problematisiert wird.“ (Jungwirth/Wolffram 2017, S. 7)

Deutschland ist für hochqualifizierte Migrantinnen „ein vergleichsweise attraktives Ziel und gehört hier zu den drei beziehungsweise sechs besten OECD-Ländern“6

In den Jahren 2000 bis 2004 wurden mit der Einführung der Green Card für IT-Fachkräfte erste Maßnahmen zur Einwanderungspolitik eingeleitet.

Mit der Einführung der Blauen Karte EU7 2011 hat sich für hochqualifizierte Zuwanderinnen aus Nicht-EU-Staaten der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt wesentlich vereinfacht.

2012 trat in Deutschland das Anerkennungsgesetz des Bundes in Kraft. Damit „werden die Verfahren zur Bewertung ausländischer Berufsqualifikationen im Zuständigkeitsbereich des Bundes vereinfacht, vereinheitlicht und für bisher nicht anspruchsberechtigte Zielgruppen geöffnet“8.

Das Anerkennungsgesetz des Bundes gibt Fachkräften aus dem Ausland das Recht, dass „ihr Berufsabschluss auf Gleichwertigkeit mit dem deutschen Referenzberuf überprüft wird. Die Erfahrungen zeigen, dass das Gesetz ein Erfolg ist.“9

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entwickelt fortlaufend Maßnahmen, die Integration und Anerkennung ermöglichen.

Im Sozialreferat der Landehauptstadt München befindet sich die Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen, die zuständig ist für die Regionalkoordination der Münchner Netzwerkprojekte von MigraNet. MigraNet ist Teil des deutschen Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)"10 und „vernetzt seit 2005 relevante Organisationen, Einrichtungen, Institutionen, Unternehmen und Migrantinnen- und Migrantenorganisationen, um die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern nachhaltig zu verbessern“11.

Das Netzwerk des Förderprogramms IQ widmet sich somit der beruflichen Anerkennung, Qualifizierungsberatung und beruflichen Integration für alle hochqualifizierten Migrantinnen mit ausländischen Qualifikationen.

Seitdem erhöhen sich die Chancen für Migrantinnen mit einer ausländischen Berufsqualifikation, eine ihrer Qualifikation entsprechenden Stelle in München zu finden.

Das Programm der Mentoring-Partnerschaft ist ein Teilprojekt von MigraNet. In dieser Untersuchung wurde ein Teil der hochqualifizierten Migrantinnen interviewt, die am Programm teilgenommen haben.

Basierend auf den Ergebnissen meiner Forschung ergibt sich eine Liste einiger der Herausforderungen und Hindernisse, denen hochqualifizierte Zuwanderinnen zu Beginn ihres Integrationsprozesses in Deutschland gegenüberstehen:

- Sprachbarriere (je nach Sprachniveau)
- Anerkennung eigener Qualifizierung im Arbeitsbereich
- Neuer sozialer Kontext und tendenziell ein Mangel an Netzwerken
- Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche
- Anpassung an einem neuen kulturellen Kontext

Die Mentoring-Partnerschaft unterstützt Migrantinnen durch die Begleitung eines Mentors bzw. einer Mentorin. Bevor das Programm näher beschrieben wird, soll im folgenden Kapitel das Konzept des Mentorings erläutert werden.

3. Was ist Mentoring?

Mentoring ist ein Konzept bzw. ein Personalentwicklungsinstrument, dass in unterschiedlichen Arbeits- und Bildungsbereichen verwendet wird.

Eine allgemeingültige Definition von Mentoring existiert nicht (vgl. Jacobi 1991; Eby/Rhodes/Allen 2007; Stöger/Ziegler/Schimke, 2009). Allgemein lässt sich festhalten, dass Mentoring aus der Beziehung eines Mentors bzw. einer Mentorin und einem Mentee (m/w/d) oder Protégé besteht, die miteinander agieren, um eines oder mehrere Ziele zugunsten des Mentees zu erreichen.

3.1 Von Mentorzum Mentoring

Die Geschichte des Mentorings hat seine Wurzeln in der mythologischen Literatur der Antike in Homers Epos Odyssee: Als Ulysses bzw. Odysseus seine Heimat Itaka und seine Familie verließ, ernannte er seinen Freund Mentor zum Betreuer seines Sohnes12. Seine Aufgabe war es, sein Wissen und seine Erfahrung mit dem Jungen zu teilen. Mentor vertritt im Laufe des Epos mehrmals die Göttin Athena13, um dem jungen Telemachos weise Ratschläge und Schutz zu geben.

Schwiebert (2000) stellt in ihrer Analyse fest, dass die Figur des Mentors gegenüber Telemachos Aspekte manifestiert, die als typisch männlich definiert werden könnten, wie die Entwicklung seiner Interessen und seiner „Karriere“, gleichzeitig manifestiere er aber auch den weiblichen Aspekt durch die Verkleidung der Göttin Athena, die Sorge und Schutz für den jungen Telemachos biete.

Diese zwei Aspekte werden in der modernen Literaturwiederentdeckt und übertragen, dies zuerst 1699 durch die pädagogische Novelle Les aventures de Télémaque des französischen Schriftstellers und Philosoph Frangois de Salignac de La Mothe Fénelon. Wieder ist Mentor Begleiter, Lehrer und Beschützer von Telemachos und vertritt, wenn erforderlich, die Göttin Athena. Allerdings ist der Kontext ein anderer, denn Telemachos begibt sich auf eine Reise, die ihn in ein Land mit ihm unbekannten Normen und Regelungen führt, und Mentor berät, betreut und schützt ihn14.

Das Konzept des Mentorings verbreitete sich weiter in die Literatur, u. a.in Werke wie Much Ado about Nothing (1599) von Shakespeare, Frankenstein (1818) von Mary Shelley und The Great Gatsby (1925) von Francis Scott Fitzgerald (Eby/Rhodes/Allen 2007, S. 7).

,,[D]er Mythos des Mentors wurde in vielen Mentorln-Mentee-Verhältnissen realisiert. Institutionalisierte Formen umfassen beispielsweise das Verhältnis des Meisters und seines Lehrlings oder das rabbinische Judentum.“ (Ziegler 2009, S.11)

Mentoring-Beziehungen entstanden z. B. in der Philosophiezwischen Aristoteles und Alexander dem Großen, in der Musik zwischen J.S. Bach und W.A. Mozart, in der Psychologie zwischen Sigmund Freund und Carl G. Jung, in der Fiktion zwischen Obi-Wan Kenobi und Anakin Skywalker oder in der Politik zwischen Michelle und Barack Obama(Vgl. Ziegler 2009, Eby/Rhodes/Allen 2007).

Mentoring ist auch in der Popkultur verankert - in TV-Serien, Reality-Shows etc.: „In short, mentoring is everywhere, everyone thinks they know what mentoring is, and there is an intuitive belief that mentoring works“ (Rhodes 2005; Wrightsman, 1981, in: Eby/Rhodes/Allen 2007, S. 7).

In der Mentoring-Forschungsliteratur (vgl. (Eby/Rhodes/Allen 2007; Kram, 1985), lassen sich in jeder Mentoring-Beziehung die karrierebezogene und die psychosoziale Funktion erkennen, die Mentor gegenüber Telemachos hatte. „In sum, the original concept of mentoring embodied both career and psychosocial functions, both of which are recognized today as essential components ofsuccessful mentoring relationships.“ (Schwiebert, S. 2)

Im folgenden Kapitel werden das erweiterte Konzept des Mentorings und seine Funktionen beschrieben.

3.2 Mentoring: Konzept und Funktionen

Heutzutage wird Mentoring im Bildungs- und Arbeitsbereich angewendet.

Im Bereich des Personalmanagements wird das Konzept des Mentorings in Unternehmen genutzt, um Nachwuchskräfte beim Einarbeitungsprozess durch eine Führungskraft zu unterstützen. In Bildungseinrichtungen werden Mentees von Schülern, Studenten oder Auszubildenden aus fortgeschrittenen Bildungsniveaus bei der Orientierung betreut.

Kern und Grundlage des Mentorings ist die Beziehung zwischen Mentorin und Mentee. Beide Beteiligten definieren die Regeln und entwickeln Synergien, um die persönliche und im Arbeitsbereich die berufliche Entwicklung des Mentees durch Erfahrung und notwendiges Wissen, Informationen und Beratung zu fördern.

Mentoring-Beziehungen lassen sich durch folgende Merkmale kennzeichnen, um einen gemeinsamen Bezugsrahmen für das Verständnis des Konzeptes zu schaffen (Eby/Rhodes/Allen 2007, S. 10):

- Jede Mentoring-Beziehung ist einzigartig, denn „distinct interpersonal exchanges and idiosyncratic interaction patterns define and shape the relationship.“
- Das Mentoring ist eine „learning partnership“. Bei den meisten Mentoring- Beziehungen geht es um Wissenserwerb. Aber auch wenn in einer Mentoring-Beziehung die Erwartungen nicht erfüllt werden, können beide Beteiligten daraus lernen.
- Mentoring ist ein Prozess - je nach Art der Unterstützung, die der Mentor dem Protegé gewährt.
- Die Beziehung ist wechselseitig, da Mentee und Mentorin voneinander lernen, aber dennoch asymmetrisch, denn der Fokus in der Mentoring- Beziehung liegt auf der Weiterentwicklung des Mentees, auch wenn Mentorinnen ebenfalls profitieren.
- Mentoring-Beziehungen sind dynamisch, denn sie ändern sich im Laufe der Zeit und „the impact of mentoring increases with the passage of time“.

Ein weiteres wichtiges Merkmal, das jede funktionierende Mentoring- Beziehung prägt, ist „gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen“, denn „ihr Ziel ist die Förderung des Lernens und der Entwicklung sowie das Vorankommen des/der Mentees“ (Stöger / Ziegler / Schimke 2009, S. 11).

Eine Mentoring-Beziehung ist eine intermenschliche Beziehung und ein komplexer Mechanismus von Dynamiken. „The relationshipemergesfrom a series of interdependent, reciprocal interactions over time in which each individual influences the other through exchanging information, expressing emotions, regulating behavior, and negotiating goals“ (Keller2007, S. 31).

Bevor sich eine Beziehung entwickelt, muss zunächst ein Mentoring-Paar entstehen, das in verschiedenen Formen gebildet werden kann.

3.2.1 Entstehung der Mentoring-Beziehung

Das Mentoring kann formell oder informell sein (vgl. Eby / Rhodes / Allen 2007).

Formelles Mentoring entsteht, wenn die Zusammensetzung des Mentoring­Paars durch eine dritte Partei (ein Programm, eine Einrichtung, eine Institution) organisiert wird. Ein solches Zuordnungs- und Auswahlverfahren wird als Matching bezeichnet. Die dritte Partei „can range from random assignment to deliberate pairing based on one or more attributes“ (Eby I Rhodes I Allen 2007, S. 13).

Die Auswahlkriterien unterscheiden sich von Programm zu Programm und werden im Vorfeld oder auch im Prozess von der dritten Partei selbst festgelegt. Das formelle Mentoring bietet weitere Maßnahmen an, die die Weiterentwicklung des Mentees fördern, aber auch die Mentoring-Beziehung unterstützen kann. Zum Beispiel: Coaching und Trainings überein bestimmtes Thema.

Informelles Mentoring ist dagegen die spontane Entstehung von Mentoring- Beziehungen ohne die Vermittlung eines Programms oder einer Einrichtung. Bei den für die vorliegende Forschungsarbeit analysierten Mentoring- Beziehungen handelt es sich um formelles Mentoring, das durch ein Programm koordiniert wurde.

Eine Mentoring-Beziehung kann außerdem lateral oder hierarchisch sein. Bei einer lateralen Beziehung haben Mentee und Mentorin den gleichen Status innerhalb einer Organisation bzw. Struktur, wie es bei zwei Führungskräften aus verschiedenen Abteilungen der Fall ist. Diese Form wird auch als Peermentoring bezeichnet.

Eine hierarchische Beziehung liegt vor, wenn Mentorin und Mentee unterschiedlichen Status besitzen, wie z. B. eine Führungs- (Mentorin) und eine Nachwuchskraft (Mentee) eines Unternehmens.

Im folgenden Kapitel werden die Funktionen des Mentorings beschrieben.

3.2.2 Funktionen des Mentorings

Die spezifische Funktionen einer Mentoring-Beziehung können so klassifiziert werden: „Eine karrierebezogene, eine psychosoziale, emotionale sowie [kann] den/die Mentorin als Rollenmodell und Vorbild für die Nachwuchskraft [wirken].“ (Stöger/Ziegler/Schimke, S. 40)

Die Rollenmodell-Funktion entsteht, wenn sich „an intense interpersonal relationship“ (Schwiebert 2000, S. 4) entwickelt. Eine intensivere Phase der Beziehung kann, abhängig von den Einflussfaktoren, nach etwa einem Jahr durchgehenden Mentorings beginnen (vgl. Kram 1985).

Kramund Isabella (1985) untersuchten in den 1980er-Jahren die Funktionen des traditionellen Mentorings (hierarchisch) parallel zu den Funktionen des Peermentorings (lateral) auf Basis der zwei ursprünglichen Funktionskomponenten einer Mentoring-Beziehung: der karrierebezogenen und der psychosozialen bzw. emotionalen. Voigt übernahm die Aufstellung für ihre Dissertation und passte sie in der Begrifflichkeit an:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Hierarchisches vs. Laterales Mentoringfunktionenmodell (Voigt 2013)

Bei einer hierarchischen Mentoring-Beziehung fällt auf, dasssie mehr karrierebezogene Funktionen aufweist als das laterale Peermentoring.

Die karrierebezogenen Funktionen im hierarchischen Mentoringheben die die vertikale Beziehung hervor: Der Mentor vermittelt dem Mentee das eigene Wissen und die eigene Erfahrung, der Mentee ist in diesem Fall Lernender.

Im lateralen Mentoring ist die Beziehung durch einen balancierten Austauschprozess charakterisiert, in dem beide Partner voneinander lernen und auf Augenhöhe kommunizieren.

In der psychosozialen Funktion des hierarchischen Mentorings ergibt sich Acceptance-and-confirmation, Counseling und Role Modeling als vertikale Beziehung zwischen Mentor und Mentee. Allerdings kann die Mentoring- Beziehung kollegial sein und eine Freundschaft zwischen den zwei Mentoring­Partner entstehen (Friendship).

Im Peermentoring bzw. laterales Mentoring sind Confirmation, Emotional Support und Personal Feedback Zeichen von Direktheit und Offenheit in der Beziehung. Die Freundschaftsfunktion (Friendship) kann sich genauso wie im hierarchischen Mentoring entwickeln.

Je nach Kontext, Persönlichkeit und Erfahrung der Mentees und Mentorinnen kann es sich um hierarchische oder laterale Mentoring-Beziehungen handeln. Auch wenn in einem hierarchischen Mentoring der Eindruck entstehen kann, dass der Mentee wie in einer traditionellen Lehrende-Lernende-Beziehung passiv ist, so ist dies dennoch nicht der Fall.

Der Mentor bzw. die Mentorin ist auch Mentee, denn:

Mentors report increased status and greater internal satisfaction and fulfillment. Many mentors experience a sense of renewal and rejuvenation as well as benefiting from the creativity and energy of their protégés. Mentors also may benefit from the loyalty of their protégés as the protégés attain new levels of career advancement and the mentors may berecognized for their efforts as mentors by their organizations. (Schwiebert, S. 6)

Dies heißt, dass auch Mentorinnen vom Austauschprozess profitieren, denn beide Partner kooperieren, um ein gemeinsames Ziel (oder mehrere) zugunsten des Mentees zu erreichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Mentor bzw. die Mentorin im Mentoringprozess als Ko-Lotse gegenüber dem Mentee agiert.

Die beschriebenen Funktionen wurden zurTheoretisierung des interkulturellen Mentorings von Voigt erweitert, was im folgenden Kapitel näher ausgeführt werden soll.

3.3 Interkulturelles Mentoring

Das traditionelle Konzept des Mentorings „imposes a monocultural perspective and an assimilationist goal“ (Gonzalez-Rodriguez 1995, S. 73, in: Schwiebert 2000, S. 58).

Interkulturelles Mentoring bezeichnet durch den Begriff /nter kulturell wörtlich einen Kommunikations- und Austauschprozess zwischen Kulturen und die Entstehung einer so genannten Inter kultur (vgl. Bolten 2007).

Um interkulturelles Mentoring zu definieren, ist zunächst die Definition des Kulturbegriffs notwendig.

3.3.1 Der Kulturbegriff

In Anlehnung an Thomas lässt sich Kultur in erster Linie verstehen als ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystemstrukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft somit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung. (Thomas 2004, S. 149)

Kultur ist somit ein Orientierungssystem, das im Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln eines Individuums erkennbarwird.

Mittels eines solchen Orientierungssystems versteht und handelt das Individuum in seiner Umwelt durch die eigene Wahrnehmung und interpretatorische Schemata, „die sich im permanenten Wechselspiel von Erfahrung und Erwartung in unserem Gehirn herausgebildet hat“ (Bolten 2007, S. 35). Dies bedeutet, dass sich durch Erfahrungen eigene Wahrnehmungen und ein eigenes Weltverständnis bilden.

Was eine Person sieht und wahrnimmt ist nicht gleichbedeutend mit dem, was es auf einer objektiven Ebene bedeutet.

Geertz spricht von einer .dichten' und einer .dünnen' Beschreibung. Die dichte Beschreibung ist das Unausgesprochene und das Unbegreifliche einer Kultur. Im Gegensatz dazu ist die dünne Beschreibung der Teil, der beobachtet werden kann und greifbar ist. Zwischen diesen beiden Beschreibungen liegt jedoch" eine geschichtete Hierarchie bedeutungsvoller Strukturen" (Geertz 1987, S. 12).

Der Kulturansatz von Geertz ist handlungsorientiert, da Kultur von ihm als ein kontextuell eingebundenes Handeln beschrieben wird. Nach der kognitiven Anthropologie ist der Mensch an ein Regelsystem bzw. ein kognitives Modell seiner jeweiligen Kultur gebunden. Geertz grenzt sich davon jedoch ab, da die kognitive Anthropologie nur eine .dünne' Beschreibung vornehmen kann.

Bei der .dichten' Beschreibung ist das Individuum nicht mehr in ein Bedeutungsgewebe eingebunden, sondern wird vielmehr vom Kontext beeinflusst (vgl. Geertz 1987).

Geertz versteht Kultur damit unter einem semiotischen Aspekt und als Interpretationssystem. Er beschreibt dies wie folgt: “Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe.” (Geertz 1987, S.9) Hochqualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund und ausländischen Abschlüssen konfrontieren sich mit einer Kultur, die für sie neu und fremd ist. Manche Aspekte müssen dann neu interpretiert werden.

Mentees, die zwar einen Hochschulabschluss und in den meisten Fällen Berufserfahrung haben, wissen zwar, wie man sich z.B. bei einem Bewerbungsverfahren verhält. Aufgrund des neuen Kontextes befinden sie sich jedoch in einer Situation, in der sie sich neu orientieren und das System neu interpretieren müssen.

Durch einen Kommunikations- und Austauschprozess zwischen Mentorin und Mentee und durch die Funktionen des Mentorings vermittelt der Mentor oder die Mentorin dem Mentee die nötige Instrumente, um die kulturellen Herausforderungen zu bewältigen und die neue Kultur durch ein neues Orientierungssystem zu verstehen. Mentoring leistet damit außer dem Erfahrungs- und Wissenstransfer auch einen Kulturtransferprozess. Lüsebrink beschreibt dies wie folgt:

Kulturtransferprozesse betreffen die interkulturellen Vermittlungsformen zwischen Kulturen, das heißt jene Kulturgüter und -praktiken, die transferiert und in der Zielkultur rezipiert werden: Informationen, Diskurse, Texte, Institutionen und Handlungsweisen und hiermit auch die kulturellen Dimensionen des Transfers von Objekten, Produkten und Konsumgütern. (Lüsebrink2016, S. 143)

Es bildet sich eine Inter kultur:

Interkulturen sind dynamisch als Ereignisse des Zusammentreffens von Angehörigenunterschiedlicher Kulturen zu verstehen. Sie besitzen insofern prozessualen und nicht räumlichen Charakter. Interkulturen stellen keine Synthesen, sondern Synergiepotenziale dar. Ob und in welcher Weise sich Synergien entfalten, ist weitgehend situationsabhängig und insofern unvorhersagbar. (Bolten 2007, S. 26)

Interkultur versteht sich als einen Zwischenraum, in dem Mentorin und Mentee synergetisch interagieren, mit dem Ziel einer Selbstentwicklung und Weiterentfaltung des Mentees auf diversen Ebenen. Das Mentoring ist somit eine Inter kultur.

3.3.2 Interkulturelles Mentoring: das Konzept

Wie in Kapitel 1 gezeigt, stellt das interkulturelle Mentoring eine Leerstelle in der deutschsprachigen Mentoring-Literatur dar. Die Dissertation „Interkulturelles Mentoring Made in Germany. Zum Cultural Diversity Management in multinationalen Unternehmen“ (2013) von Viola Voigt ist bisher die umfangreichste Forschung zum interkulturellen Mentoring in Deutschland. Sie untersucht zwei Aspekte: das Interkulturelle Mentoring als Instrument zur Umsetzung des Diversity Managements in Unternehmen in Deutschland und die Funktionen des Mentorings in interkulturellen Mentoring- Beziehungen. Der zweite Aspekt ist eine wichtige Theoriegrundlage der vorliegenden Arbeit.

Interkulturelles Mentoring (Cross-cultural Mentoring) wird in der Forschungsliteratur häufig mit dem kulturellen Begriff der Ethnizität (vgl. Schwiebert 2000; Ragins: 2007) verbunden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Interkulturelles Mentoringfunktionenmodell (Voigt, S. 191)

Somit ist das von mir konzeptualisierte interkulturelle Mentoringfunktionenmodell bei einem interkulturellen Mentoring, in der beide Partner eine Weiterentwicklungspartnerschaft eingehen, eine Mischform der Mentoringfunktionen des lateralen und hierarchischen Funktionenmodells, ergänzt um die Kulturfunktion. Somit ergibt sich, dass die Rolle des Mentors und des Mentees innerhalb der Mentoringbeziehung changieren kann. Ebenso wird von einer Reziprozität der Mentoringfunktionen in der interkulturellen Mentoringbeziehung ausgegangen, in der sowohl Mentor als auch Mentee lernen. Denn nur in einer solchen Mentoringkonstellation kann die kulturelle/ethnische Differenz ein zentrales persönliches Lern- und Weiterentwicklungspotenzial entfalten. (Voigt, 191-192)

Die Funktionen des traditionellen und des Peermentorings sind somit miteinander verbunden und nicht mehr strikt getrennt. Die interkulturelle Funktion manifestiert sich hier als Erkenntnis der anderen Kultur bzw. Ethnizität (Knowledge of different culture/ethnicity) sowie deren Respekt (Respect for antoher culture/ethnicity).

Voigt versteht Kultur als Ethnizität, um „im Sinne eines konstruktivistischen Verständnisses von Kultur zu untersuchen, wie die Individuen Kultur innerhalb der Mentoringbeziehung definieren“ (Voigt 2013, S. 112). In ihrer Forschung wird u.a. die Frage gestellt, wie Mentorin und Mentee die jeweiligen zugeschriebenen Kategorien der Ethnizität/Kultur interpretieren (vgl. Voigt 2013).

Solches Kulturverständnis weicht von meinem ab, wie im vorigen Kapitel beschrieben. Ich sehe Ethnizität als Teil einer Identität, außerdem ist es nicht Ziel der vorliegenden Arbeit, das Kulturverständnis des jeweiligen Mentoringpartners zu untersuchen, sondern die Erkenntnis kulturunterschiedlicher Aspekte innerhalb der Mentoring-Beziehung zu beleuchten.

Aus diesem Grund passe ich die interkulturelle Funktion des Mentoring wie folgt an:

[...]


1 In der vorliegenden Arbeit wird das Binnen-I für eine geschlechtergerechte Ausformulierung verwendet, gemäß dem Leitfaden der geschlechtergerechten Sprache an der Hochschule München: https://w3-mediapool.hm.edu/mediapool/media/dachmarke/dm lokal/qender/qleichstellunq 1/Leitfaden Geschlechtergerechte Sprache 072015.pdf (abgerufen am 10.10.2019)

2 In den folgenden Kapiteln wird mit M-P abgekürzt.

3 Gächter, August/von Loeffelholz, Hans Dietrich: Wirkungsanalyse der Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen der Landeshauptstadt München. Studie im Auftrag der Landeshauptstadt München. Zentrumfür soziale Innovation (ZSI), 18.07.2018

4 Sassen spricht von einer Zunahme der „Westernization of advanced education systems (Portes and Walton, 1981), which facilitates the movement of highly educated workers into the developed Western countries. This is a process that has been happening form any decades and is usually referred to as the brain drain“ (Sassen 2007, S. 70).

5 Man spricht im Englischen von braindrain (Talentabwanderung des Humankapitals) für die Auswanderungsländer und braingain (Talentzuwanderung) für die Aufnahmeländer.

6 Siehe Artikel: OECD, Deutschland ist für ausländische Fachkräfte nur mäßig attraktiv,29.05.20^9, OECD-Website: http://www.oecd.org/berlin/presse/talent-attractiveness- 29052019.htm (abgerufen am 10.10.2019)

7 „Die Blaue Karte EU wurde nach dem Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifiziertenrichtlinie der Europäischen Union am 1. August 2012 in Deutschland umgesetzt. Die Blaue Karte EUistein Aufenthaltstitel für Akademiker aus Nicht-EU-Staaten zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung. Neben einem Hochschulstudium ist ein Arbeitsvertrag mit einem bestimmten Mindestgehalt erforderlich. Der Begriff der Blue Card wurde in Anspielung auf die Green Card in den USA und mit Bezug zum Blau der EU-Fahne geprägt.“ BAMF, https://www.bamf.de/DE/Service/ServiceCenter/Glossar/ functions/glossar.html?cms Iv2=28 2934&cms Iv3=294742) (Abgerufen am 10.12.2019)

8 Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen, §3 Begriffsbestimmungen, Art. 1, in: https://www.anerkennung-in- deutschland.de/imaqes/content/Medien/anerkennunqsqesetz.pdf (aufgerufen am 19.09.2019)

9 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMF): https://www.bmbf.de/de/anerkennung- auslaendischer-berufsqualifikationen-1091.html (abgerufen am19.10.2019)

10 Siehe Website:https://www.netzwerk-iq.de/(abqerufen am 15.09.2019)

11 Website der LHM: https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltunq/Sozialreferat/Wohnunqsamt/Service- auslaendischer-Qualifikation/Miqranet.htmKabqerufen am 15.09.2019)

12 „Mentor, who was a comradeof noble Odysseus. Tohim, on departingwithhisships, Odysseus hadgiven all hishouse in charge, thatitshouldobeytheold man andthat he shouldkeep all thingssafe.“ (Homer, Odyssee, 2.225)

13 But toTelemachusspokeflashing-eyed Athena, 400 callinghimforthbeforethestatelyhall, havinglikenedherselfto Mentor both in formand in voice: “Telemachus, alreadythy well- greavedcomradessit at theoarandawaitthysetting out. Come, letusgo, thatwemay not longdelaytheirjourney.” (Homer, Odyssee, 2.400-405)

14 Folgender Textausschnitt zeigt, wie Télémaque bedauert, dass er nicht auf den Rat von Mentor gehört habe und verspricht, in Zukunft nur noch das zu glauben, was dieser ihm sage. Mentor lächelt ihm zu und sagt ihm, dass er ihm keinen Fehler vorwerfe und es darauf ankomme, seine Fehler selbst zu erkennen und dass er in Zukunft mit seinen eigenen Wünschen bescheidener umgehen werde: "Mon eher Mentor, pourquoi ai-je refusé de suivre vos conseils? Ne suis-je pas malheureuxd'avoir voulu me croire moi-mème, dans un âge ou l'on n'a ni prévoyance de l'avenir, ni expérience du passé, ni modération pour ménager le present? O si jamais nous échappons de cette tempète, je medé fierai de moi-mème comme de mon plus dangereux ennemi: c'est vous, Mentor, que je croirai toujours." Mentor, en souriant, merépondit: "Je n'ai garde de vous reprocher la faute que vous avez faite; il suffit que vous la sentiez et qu'elle vous serve â ètre une autre fois plus modéré dans vos désirs.(de Salignac de La Mothe Fénelon , Les aventures de Télémaque, S. 5)

Excerpt out of 81 pages

Details

Title
Erfolgsfaktoren interkultureller Mentoring-Beziehungen für den Einstieg hochqualifizierter Migrant:innen auf dem deutschen Arbeitsmarkt
Subtitle
Am Beispiel der Mentoring-Partnerschaft München
College
Munich University of Applied Sciences
Grade
2,0
Author
Year
2020
Pages
81
Catalog Number
V1153492
ISBN (eBook)
9783346545275
ISBN (Book)
9783346545282
Language
German
Notes
Die Anhänge sind NICHT im Dokument enthalten, können aber auf Nachfrage bereitgestellt werden.
Keywords
erfolgsfaktoren, mentoring-beziehungen, einstieg, migranten, berufsposition, arbeitsmarkt, beispiel, mentoring-partnerschaft, münchen, kultur, interkulturelle kommunikation, interkulturell, geflüchtete, mentoring, kulturvergleichend, landeshauptstadt münchen, hochqualifiziert, auslandsqualifikation, berufsorientierung, netzwerkaufbau, personalentwicklung, arbeitsplatzsuche, wissenstranfer
Quote paper
Chiara Marchi (Author), 2020, Erfolgsfaktoren interkultureller Mentoring-Beziehungen für den Einstieg hochqualifizierter Migrant:innen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1153492

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