Kunsttherapie bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (AD(H)S). Eine Interventionsmöglichkeit bei Kindern und Jugendlichen


Dossier / Travail, 2019

28 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufmerksamkeitsdefizit - (Hyperaktivitäts)störung (AD(H)S)
2.1 Symptomatik
2.2 Ätiologie
2.3 Multimodales Behandlungskonzept

3. Kunsttherapeutischer Behandlungsansatz
3.2 Schwerpunkte der Kunsttherapie in Bezug auf AD(H)S
3.3 Die kunsttherapeutische Haltung des Begleiters

4. Schlussteil
Diagnostische Einschätzung von drei Kinderzeichnungen
Vorschemaphase Ende des 4. Lebensjahres
Erste Schemaphase nach der Werkreife (ca. 7-12 Jahre)
Zeichnung des Jugendalters (ab 12 Jahren)

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Aufmerksamkeitsdefizit- oder auch Hyperaktivitätsstörung (weiter AD(H)S genannt) gilt als eine der häufigsten Diagnosen im Zusammenhang mit kinder- und jugendpsychiatrischen Konsultationen (vgl. Gerhards et. al 2013: 30). In der Zeit von 1993 bis 2003 ist die Zahl der Ritalin1 -Verschrei­bungen um rund 270 Prozent gestiegen (vgl. Wohler 2011: 175). Allein in Deutschland belaufen sich die Zahlen der ADHS-Diagnosen bislang auf 300.000 bis 500.000 Kinder und Jugendliche (vgl. Wohler 2013: 55). Für Betroffene ist es oft eine große Herausforderung ihren Platz in der Gesell­schaft zu finden, denn häufig gehen die Verhaltensauffälligkeiten auch mit einer sozialen Isolation einher (vgl. Wohler 2013: 13) und die Kinder können Bildungsangebote (Kindergarten, Schule etc.) nur unzureichend nutzen, was wiederum nachhaltige Entwicklungsdefizite mit sich zieht. Die Ursa­chen und Therapiemöglichkeiten werden bis heute sehr kontrovers disku­tiert und sind bis dato noch nicht genügend erforscht (vgl. Gerhards et. al 2013: 30). Im Rahmen dieser Hausarbeit sollen kunsttherapeutische Inter­ventionsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, bei denen ADHS diag­nostiziert wurde, vorgestellt werden.

Zunächst wird das Krankheitsbild der AD(H)S unter Berücksichtigung der aktuellen Klassifizierungssysteme definiert sowie auf Symptomatik und Äti­ologie eingegangen. Anschließend werden Ursachen und Therapieansätze unter besonderer Berücksichtigung der Kunsttherapie aufgezeigt. Hier wer­den weniger die Unterschiede zu therapeutischer und pädagogischer Kunsttherapie als Methode diskutiert, sondern vielmehr die Bedeutsamkeit beider Interventionen im Hinblick auf Kinder und Jugendliche mit AD(H)S betont.

Abschließend sollen die Erkenntnisse der Hausarbeit in Bezug zur heutigen Sozialen Arbeit gesetzt werden.

2. Aufmerksamkeitsdefizit - (Hyperaktivitäts)störung (AD(H)S)

Die Prävalenz für AD(H)S bei Kindern und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren liegt in den USA bei 9,5 %, in Deutschland nach aktuellen Erhe­bungen bei 6,1 % (vgl. Gerhards et. al 2013: 30). Besonders auffällig scheint, dass Jungen deutlich häufiger als Mädchen betroffen sind. Das Verhältnis liegt laut Berking und Rief (2012) bei vier zu eins. Entgegen vieler Annah­men kann AD(H)S auch über die Adoleszenz hinausgehen (vgl. Gerhards et. al 2012: 31). Synonym verwendet wird der Begriff Hyperkinetische Störung (HKS2 ). Die Störung bzw. das Syndrom äußert sich hauptsächlich im Ver­halten des Menschen durch ein hohes Maß an Unaufmerksamkeit, Hyper­aktivität und Impulsivität (vgl. Wohler 2013: 51).

Um AD(H)S im Kindes- und Jugendalter zu diagnostizieren, ist es unabding­bar, dass diese drei charakteristischen Symptome mindestens ein halbes Jahr andauern und vor dem sechsten bzw. siebten Lebensjahr auftreten (vgl. Berking/Rief 2012: 218). Es handelt sich bei dem Krankheitsbild um einen Zustand, „der den Menschen in seiner psychischen, emotionalen, kognitiven und sozialen Entwicklung beeinträchtigt“ (Neuhaus 2011: 67). Laut den Leit­linien der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin liegt ADHS dann vor, wenn unaufmerksames und impulsives Verhalten, das mit oder ohne deutliche Hyperaktivität ausgeprägt ist, nicht dem Alter und dem Ent­wicklungsstand entspricht und zu Störungen in den sozialen Bezugs­systemen, der Wahrnehmung und im Leistungsbereich von Schule und Beruf führt (Wohler 2013: 57).

Zur Diagnostik dient das Klassifikationssystem DSM-V3 sowie das ICD-104 (vgl. Berking/Rief 2012: 218ff.). Hierzu werden klinische Interviews ange­wandt, die eine biopsychosoziale Anamnese des Kindes ermöglichen.

Je nach Klassifikationssystem werden noch weitere Subtypen beschrieben, die u.A. mit Störungen des Sozialverhaltens einhergehen können und eine sehr geringe bis hohe Ausprägung einer Hyperaktivität mit sich ziehen. Im Folgenden wird synonym der Begriff AD(H)S verwendet. Es wird ausführlich auf die Symptomatik eingegangen, da die Kunsttherapie an eben diese Ver­haltensweisen anknüpft.

2.1 Symptomatik

Kernsymptome einer AD(H)S sind - wie bereits beschrieben - „massive Probleme bei der Konzentration (Aufmerksamkeitsdefizit), eine ausge­prägte motorische Unruhe (Hyperaktivität) und erhebliche Schwierigkeiten, das eigene Verhalten zu planen und zu steuern (Impulsivität)“ (Gawrilow 2009: 9). Es zeichnet sich zudem aber auch durch eine geringe Frustrati­onstoleranz und ein geringes Durchhaltevermögen aus. Die fehlende Aus­dauer bei Beschäftigungen führt dazu, dass Tätigkeiten meist nicht zu Ende gebracht werden und schnell aufgegeben wird, wenn etwas nicht auf An­hieb funktioniert. Es kommt zu einer generalisierten Misserfolgs- bzw. einer geringen Selbstwirksamkeitserwartung. Die Kinder stecken in einer Endlos­spirale negativer Ereignisse (vgl. Born/Oehler 2015: 38). Hyperaktivität, also motorische Unruhe, Ruhelosigkeit und unruhiges Verhalten tritt vor al­lem in Situationen, in denen Ruhe verlangt wird, in Form von nicht zu regu­lierender und ungeordneter motorischer Aktivität auf. Impulsivität äußert sich beispielsweise in der Missachtung sozialer Regeln. Abrupte motorische und verbal unpassende Aktionen sowie das Hineinbegeben in Gefahren ohne Berücksichtigung möglicher Konsequenzen sind ebenfalls typisch (vgl. Wohler 2013: 57 f.). Die betroffenen Kinder und Jugendlichen reagieren spontan und ohne nachzudenken auf ihre Umwelt. Beziehungen einzuge­hen fällt ihnen meist schwer und häufig sind sie nicht in der Lage, sich em­pathisch auf ein Gegenüber einzustellen (vgl. ebd.). Ebenso sind Kinder mit ADHS meist in ihrer psychosozialen Entwicklung eingeschränkt (vgl. Woh­ler 2011: 176). Auftretende Verhaltensauffälligkeiten und Anpassungs­schwierigkeiten betroffener Kinder gehen mit Erfahrungen sozialer Aus­grenzung und Beziehungsabbrüchen einher, aus denen folglich auch ein geringer Selbstwert resultiert. Gerhards (et. al 2013: 35) bestätigt dies: „We­gen der häufigen negativen Reaktionen seiner Umwelt fühlt sich das Kind abgelehnt und entwickelt unter Umständen ein unzureichendes Selbstwert­gefühl sowie ein negatives Selbstbild."

Wie es zu dieser Symptomatik kommen kann, beschreibt das anschlie­ßende Kapitel.

2.2 Ätiologie

Die Ursachen der AD(H)S sind noch nicht ausreichend erforscht, obgleich die beschriebene Symptomatik ca. 200 Jahre zurückreicht. So zeigen sich die charakteristischen Züge der AD(H)S beispielsweise schon in den Ge­schichten vom Zappelphilipp (Hoffmann 1844). Erstmalig wurde die Be­zeichnung Hyperkinetische Störung 1991 im ICD-10 genannt und mit den genannten Symptomen zu einem Syndrom vereint (vgl. Wohler 2013: 56f.). Es gibt unterschiedliche Erklärungsversuche. In der Pathogenese haben nach derzeitigem Kenntnisstand u.a. genetische Faktoren einen bedeuten­den Einfluss. Zudem werden verschiedene neuropsychologische und -physiologische Zusammenhänge diskutiert.

[...] prä- und perinatale Faktoren wie Frühgeburtlichkeit, Alkohol-, Ni­kotin- und weiterer Drogenkonsum während der Schwangerschaft [werden] als Risikofaktoren für die Entstehung der bei ADHS vorlie­genden Dysfunktionen von Neurotransmittern im dopaminergen, sero­tonergen und noradrenergen System angesehen (Schumann et al. 2017: 27).

Weitestgehend wird von einer biopsychosozialen Kombination ausgegan­gen. So kristallisiert sich ein Zusammenspiel von mehreren Risikofaktoren heraus, die eine AD(H)S begünstigen (vgl. Gerhards et. al 2013: 35f.). Ebenso heißt es, dass eine Stoffwechselerkrankung im Hirn für die Symp­tomatik zuständig ist (vgl. Wohler 2011: 176). Außerdem kann es durch die hervorgerufenen negativen Reaktionen der Umwelt zu einer Verfestigung der Symptomatik bzw. sogar zu einer Zunahme der Störungen im Selbst­regulationsprozess kommen (vgl. Schumann et. al 2017: 27). Hiermit ein­hergehend besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Komorbidi­täten wie Depressionen und Angststörungen. Oppositionelles Verhalten, Aggressivität und Delinquenz werden begünstigt. Ebenso weisen die an AD(H)S erkrankten Kinder später ein erhöhtes Suchtrisiko auf (vgl. Wohler 2013: 72). Welche herkömmlichen Behandlungsansätze angewandt wer­den, soll im Folgenden skizziert werden.

2.3 Multimodales Behandlungskonzept

Die Behandlung von AD(H)S erfordert ein multimodales und multipro­fessionelles Vorgehen, bestehend aus Elterntraining, Lehrerberatung und psychotherapeutischen Hilfen für das Kind. In schweren Fällen ist eine medikamentöse Begleitbehandlung sehr hilfreich (Wälte/ Borg- Laufs/ Brückner 2011: 67).

Neuste Erkenntnisse der Gehirnforschung zeigen darüber hinaus auch Er­folge von Neurofeedback5 - und Selbstmanagement -Methoden (vgl. ebd.), wobei Letztere unter die Verhaltenstherapie fällt. Des Weiteren werden Er­gotherapie und Musiktherapie genannt. Die Behandlung verläuft i.d.R. am­bulant. Bei besonders ausgeprägter Symptomatik kann auch eine statio­näre Behandlung in Erwägung gezogen werden (vgl. Wohler 2013: 98ff.). Empirischen Untersuchungen zufolge erhöht sich die Wirksamkeit einer kombinierten Behandlung, bei der pharmakologische, edukative und verhal­tenstherapeutische Maßnahmen miteinander verbunden werden (vgl. Gawrilow 2009: 51; Lehmkuhl et al. 2009: 40).

Schlussfolgernd lässt sich also sagen, dass eine ausschließlich medika­mentöse Behandlung zwar die Symptomatik lindern kann, jedoch die Ursa­chen nicht nachhaltig bekämpft. Da von einem biopsychosozialen System ausgegangen wird, braucht es eine ebenso multimodale Behandlung, die individuell auf die Ausprägung der Symptomatik der/des Betroffenen und seine/r Umwelt abgestimmt ist. Im Rahmen einer solchen multimodalen Be­handlung kann z.B. die Kunsttherapie einen nicht unerheblichen Behand­lungserfolg erzielen.

[...]


1 Medikament zur Behandlung von ADHS.

2 Klassifikation nach ICD-10 wird synonym mit AD(H)S gebraucht.

3 Diagnostic and statistical Manual of Mental Diseases ist ein amerikanisches Klassifi­kationssystem für psychische Erkrankungen. 2018 erschien das aktuelle DSM 5.

4 international Classification of Diseases ist das aktuelle, internationale Klassifikations­system, herausgegeben durch die WHO.

5 Methode zur Messung und Verbesserung der Gehirnaktivität.

Fin de l'extrait de 28 pages

Résumé des informations

Titre
Kunsttherapie bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (AD(H)S). Eine Interventionsmöglichkeit bei Kindern und Jugendlichen
Note
1,0
Auteur
Année
2019
Pages
28
N° de catalogue
V1154393
ISBN (ebook)
9783346548900
ISBN (Livre)
9783346548917
Langue
allemand
Mots clés
kunsttherapie, aufmerksamkeitsdefizit-hyperaktivitätsstörung, eine, interventionsmöglichkeit, kindern, jugendlichen
Citation du texte
Melina Trichli (Auteur), 2019, Kunsttherapie bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (AD(H)S). Eine Interventionsmöglichkeit bei Kindern und Jugendlichen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1154393

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