Die SPD und die Wiedervereinigung 1989/90


Epreuve d'examen, 2005

125 Pages, Note: 1,00


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Die Deutschlandpolitik der SPD vor dem Mauerfall
2.1.1 Sozialdemokratische Deutschlandpolitik von 1982 bis 1989
2.1.2 Krisenzeichen in der DDR in der ersten Jahreshälfte 1989
2.1.3 Ausreisewelle und Reformstillstand
2.1.4 Die Gründung formeller Gruppen
2.2 Vom Mauerfall bis zur Volkskammerwahl
2.2.1 Bekenntnis zur Einheit?
2.2.1.1 Die SPD und die deutsche Frage
2.2.1.2 Kohls Zehn-Punkte-Plan und die Haltung der SPD
2.2.1.3 Der Berliner Parteitag
2.2.2 Positionsfindung zum Einigungsprozess
2.2.2.1 Die Übersiedlerfrage
2.2.2.2 Die Wirtschafts- und Währungsunion
2.2.2.3 Die rechtliche Basis der Wiedervereinigung
2.2.2.4 Der Wahlkampf zur Volkskammerwahl
2.2.2.5 Nach der Wahlniederlage
2.3 Die Modalitäten der Wiedervereinigung
2.3.1 Außenpolitische Abstimmung
2.3.1.1 Die Grenzfrage
2.3.1.2 Die Bündnisfrage
2.3.2 Kontroversen beim ersten Staatsvertrag
2.3.2.1 Der Umtauschkurs
2.3.2.2 Kosten und Finanzierung der Wiedervereinigung
2.3.2.3 Die Umweltunion
2.3.3 Kontroversen beim Wahlvertrag
2.3.3.1 Wahltermin
2.3.3.2 Wahlrechtsmodus
2.3.4 Kontroversen beim Einigungsvertrag
2.3.4.1 Eine neue Verfassung?
2.3.4.2 Die Eigentumsfrage
2.3.4.3 Die Abtreibungsfrage
2.3.4.4 Die Kosten- und Finanzierungsfrage

3. Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Quellen und Literatur
A. Quellen
B. Literatur

1. Einleitung

Ausgehend von einem drastischen Politikwechsel (Glasnost und Perestroika) in der UdSSR durch Michael Gorbatschow kam es auch in den osteuropäischen Ländern zu revolutionären Umbrüchen. Der Reihe nach lösten sich Polen, Ungarn, die Tschechoslowakei, Bulgarien und Rumänien von der Sowjetunion. Auch wenn sich die Regierung der DDR dieser Welle zunächst widersetzte und energisch gegen das drohende Ende des Sozialismus wehrte, so war doch schnell klar, dass dies nicht auf Dauer möglich sein würde: Täglich wuchsen die öffentlichen Demonstrationen, ebenso wie die im Sommer 1989 einsetzende Fluchtbewegung, die im Herbst ihren Höhepunkt fand und letztendlich zum Mauerfall führte. Zunehmend zeichnete sich ab, dass SED und Politbüro diesem geballten Volkeswillen keine adäquaten Mittel entgegenzusetzen hatten, und die sowjetische Militärmacht verweigerte ihre Unterstützung.

Zwangsläufig fielen erst Honecker, dann die Mauer, und schließlich die SED. Diese unglaublich rasante Wendung traf alle westdeutschen Politiker völlig unerwartet. Darüber hinaus änderte sich nahezu täglich die Lage in der DDR. Die bundesdeutsche Regierung und Opposition differierten jedoch entscheidend in ihren Reaktionen auf das Geschehen dort. Während die Union bald die unaufhaltsam in eine Richtung laufende Dynamik des Prozesses erkannte, und der Bundeskanzler sein Angebot einer Währungs- und Wirtschaftsunion unterbreitete, tat sich die SPD wesentlich schwerer, auf die Ereignisse zu reagieren. Dies lag einerseits an der eigenen, bis dato betriebenen Deutschlandpolitik, die Frieden und Sicherheit über alles stellte, also auch über Freiheit, andererseits auch an engen Kontakten zur SED und einer daraus resultierenden Vernachlässigung der oppositionellen Kräfte. Hinzu kamen innerparteiliche Differenzen zwischen den Gruppierungen und Parteipersönlichkeiten – hier spielt nicht zuletzt das Alter und die daraus folgenden unterschiedlichen Lebensrealitäten der einzelnen Akteure eine Rolle.

Bei der bisherigen Behandlung der Thematik in der Forschung kann man zwei Bereiche unterscheiden. Zum einen gibt es Biographien ehemaliger, unmittelbar am Geschehen beteiligter Politiker[1], zum anderen einige wenige wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Rolle der SPD im Einigungsprozess auseinandersetzen. Besonders wertvoll unter den Biographien erweisen sich der durchaus objektive Rückblick Hans-Jochen Vogels, der viele Interna aus Sitzungen und Verhandlungen mit Oskar Lafontaine detailliert schildert, ebenso wie Horst Ehmkes Werk, der als Lafontaines Vertrauter – und oftmals Vogels Kritiker - eine ebenso aufschlussreiche Darstellung der Ereignisse bietet. Horst Teltschik[2] kann mit seiner tagebuchartigen Aufschlüsselung der Geschehnisse Einblick in die Verhandlungen und Entscheidungen des Kanzlers und in unions- und koalitionsinterne Kontroversen geben.

Einen exzellenten Überblick über den Vereinigungsprozess im Gesamten bieten die Historiker Konrad Jarausch[3] und Karl-Rudolf Korte,[4], aber auch Timothy Garton Ash[5]. Zu allen Politikbereichen finden sich Beiträge im Handbuch zur deutschen Einheit[6], das Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit erheben kann. Zur Rolle der SPD bei der Wiedervereinigung gibt ein respektives Kapitel in Jäger[7] einen kurzen, aber exzellenten Beitrag. Er bezieht sich auf die Dokumentensammlung „Deutschland 1989“ bzw. „Deutschland 1990“ und stützt sich u. a. auf die Arbeit von Petra Schuh. Die Abhandlung von Petra Schuh[8] im Besonderen muss als einzige Monographie betrachtet werden, die sich schwerpunktmäßig mit der Rolle der SPD im Einigungsprozess beschäftigt. Sie ist um ein ausgewogenes Bild sozialdemokratischer Parteipolitik zur Wendezeit bemüht, durch Untersuchung der relevanten Themenkontroversen, aber auch der Taktiken, Strategien und Flügelkämpfe in der Partei selbst. Ihre Quellenauswertung bezieht sich auf Dokumente aus dem Archiv des Parteivorstands der SPD. Bianca von der Weiden[9] beschäftigt sich hingegen ausgiebig mit dem Profil der sozialdemokratischen Partei in der DDR.

Die Sonde der Forschung umfasst ferner einzelne Aspekte sozialdemokratischer Deutschlandpolitik. Zu erwähnen ist ein umfassender, prägnanter Beitrag Bahrs[10] zur Politik der SPD in den 80er Jahren. Des Weiteren finden das Ideologiepapier mit der SED besondere Beachtung[11], ebenso wie das Berliner Programm[12] und die Wirtschafts- und Währungsunion[13]. Darüber hinaus verschaffen Kiessler/Elbe[14] interessante Einblicke in den internationalen Prozess. Fichter[15] gibt einen historischen Überblick zum Verhältnis der SPD zur nationalen Frage.

Die Quellenlage zum Untersuchungsgegenstand ist weit umfangreicher als die bisherige Behandlung in der Forschung. Einige Quellensammlungen verdienen besondere Erwähnung, wie die Deutschlandpolitischen Debatten im Deutschen Bundestag[16], und Sammlung von Texten zur Deutschlandpolitik[17], welche sowohl bedeutsame Bundestagsdebatten als auch in deutschlandpolitischer Hinsicht wichtige Reden, Ansprachen, Beschlüsse und Erklärungen beinhaltet. Eine weitere Sammlung[18] wurde vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegeben: Sie beinhaltet Dokumente der Jahre 1989 und 1990, die nach Themengebieten geordnet sind, füllt 125 Bände mit Meldungen der Nachrichtenagenturen, Pressemitteilungen aller Parteien und Presseberichte in vielen Tageszeitungen und Zeitschriften, aber auch mit Interviews und Regierungserklärungen, und hat den Anspruch, alle relevanten Dokumente des Wiedervereinigungsprozesses zu sammeln.

Das Anliegen der vorliegende Arbeit ist es, das Verhalten der SPD in der wohl bedeutendsten Phase deutscher Nachkriegspolitik, nämlich der Wendezeit, genauer zu untersuchen. Der zeitliche Rahmen beginnt mit dem schicksalhaften Jahr 1989, von den Krisenzeichen seit Jahresanfang bis hin zum wohl einschneidendsten Ereignis, dem Fall der Berliner Mauer, und soll mit dem Abschluss des formalen Prozesses der staatlichen Vereinigung, dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990, enden. Die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen werden nicht mehr thematisiert, aber als entscheidender Faktor für die Politik der SPD und ihres Kanzlerkandidaten berücksichtigt.

In dieser Arbeit soll die Deutschlandpolitik der SPD und folglich ihre Rolle im Einigungsprozess und ihr Einfluss auf eben jenen untersucht und analysiert werden, weniger die Strategien und parteiinternen Kontroversen beim Abstimmungsverhalten[19] oder der Werdegang der SDP im Besonderen.[20] Worüber wurde gestritten, worüber in der Öffentlichkeit berichtet? Der allgemeine Richtungsstreit und die Konkurrenz zwischen den Führern treten v. a. bei kontroversen Themen hervor, wie es die Verwirklichung der Deutschen Einheit zweifellos war.

Die alleinige Tatsache, dass sich die SPD in der entscheidenden Phase auf dem Weg zur Deutschen Einheit in der Opposition befand, deutet darauf hin, dass es hier nicht um die Untersuchung einer Partei mit festgelegten Machtverhältnissen und Rollen geht. Die Meinungsbildung innerhalb der Partei steht im Spannungsfeld der Vorstellungen der unterschiedlichen Gruppierungen der SPD im Allgemeinen und ihrer Hauptakteure im Besonderen, die in diesem Zeitraum auch von wahltaktischen Manövern maßgeblich beeinflusst wurde. Verschärfend kommt hinzu, dass Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen anstanden, und es einen Kanzlerkandidaten zu küren galt, welcher wiederum darauf bedacht sein musste, seine eigene Position zu festigen und sich gegenüber Helmut Kohl zu profilieren. Bei der Richtungsbestimmung der Parteipolitik waren also zahlreiche Akteure, Macht- und Flügelkämpfe im Spiel. Ins Zentrum der Betrachtung rückt die zentrale Figur der SPD, Oskar Lafontaine. Wurde die Zerrissenheit der SPD durch Lafontaines Taktik des Konflikts statt der Kooperation noch gefördert?

Entscheidende und oftmals erschwerende Faktoren für die SPD-Politik dieser Jahre waren auch die vorhandenen engen Kontakte zur SED und die traditionell starke Fixierung auf Sicherheit und Frieden, woraus eine Geringerstellung von Freiheit und Recht resultierten. Die gegebenen Vorgaben, u. a. durch die Parteitradition, steckten also einen engen Rahmen ab, stellten Einflussfaktoren auf das Verhalten und die Entscheidungsmöglichkeiten führender Politiker in der SPD dar. Hierauf trafen die Ereignisse in der DDR. Inwieweit die Einschätzungen der führenden SPD-Politiker richtig und wegweisend waren, oder ob sie zu sehr in ihrer eigenen Denkweise und Tradition gefangen und damit befangen waren, ob sie zu langsam in ihrem politischen Handeln reagierten und dadurch weniger Einfluss nahmen, als sie hätten können, wird sich in meiner Arbeit durch Auswertung der wichtigsten Dokumente der Wendezeit zeigen. Darüber hinaus werden aber auch die Akteure der verschiedenen Parteien miteinbezogen, denn nur durch ihren Rückblick kann ein Blick hinter die Kulissen gelingen.

Die Vorgehensweise in dieser Arbeit ist durchweg chronologisch gehalten. Die außen- und sicherheitspolitische Abstimmung, der diplomatische Weg zur Deutschen Einheit, wird im Schlusskapitel des Hauptteils wegen seiner Wichtigkeit vorangestellt; er begleitete den inneren Prozess der Wiedervereinigung seit dem Mauerfall und verlief parallel zu den Vertragsverhandlungen zur inneren Einheit.

2. Hauptteil

2.1 Die Deutschlandpolitik der SPD vor dem Mauerfall

2.1.1 Sozialdemokratische Deutschlandpolitik von 1982 bis 1989

Um die Haltung der SPD zur Zeit der Wende zu verstehen, ist es notwendig, zunächst auf ihre Deutschlandpolitik in den vorausgegangenen Jahren einzugehen, denn jene bildet die Grundlage für das Verhalten ihrer Entscheidungsträger und Gremien. Es bietet sich der Zeitraum beginnend mit dem Verlust der Regierung im Jahre 1982 bis zum Jahre 1989, dem Zerbrechen des Ostblocks, an, jene Phase, die auch die „zweite Phase der Ostpolitik“ bzw. „zweite Phase der Entspannungspolitik“ genannt wird.[21]

Frieden, und damit Sicherheit in Deutschland wie in Europa wurden im angesprochenen Zeitraum vor dem Hintergrund des Wettrüstens der beiden Supermächte und der Stationierung von Chemie- und Nuklearwaffen auf dem Boden der DDR und der BRD zur Maxime. Die Einheit Deutschlands wurde nun nicht mehr als dafür unabdingbarer Faktor angesehen.[22] Statt dessen sollte die Anerkennung der Zweistaatlichkeit Entspannung und Stabilität fördern. Doch hat die SPD dabei dem „Motto: ,Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts!’“ alles andere untergeordnet und damit Menschenrechte, Recht auf Selbstbestimmung und auf Freiheit dem „Postulat der Sicherheitspartnerschaft“ geopfert?[23]

Man suchte das programmatische Ziel des Friedens hauptsächlich mittels eines Dialogs mit den Parteien der Staaten des Warschauer Pakts und insbesondere der DDR zu erreichen. Dahinter standen zwei Überlegungen:

„Sofern wir also unsere Kontakte von der bisherigen Regierungsebene auf die der Parteien verlegen würden, ergäbe sich die ungewöhnliche und wirklich neue Situation, operativen Einfluss auf dem Umweg über die regierenden Parteien auf die dortigen Regierungen und ihre Haltung nehmen zu können und damit einen Hebel zu gewinnen, um die eigene Regierung an das Versprechen zu binden, Entspannungs- und Deutschlandpolitik fortzusetzen.“[24]

Die intensiven Kontakte zwischen SPD und SED umfassten Treffen auf mehreren Ebenen, auf Landesverbandsebene[25] sowie auf höchster Ebene[26], und die Einrichtung gemeinsamer Arbeitsgruppen[27] zu den verschiedensten Themen. Parallel zu Arbeitsgruppen, die sicherheitspolitische Aspekte betrafen, wurde im Sommer 1984 eine weitere eingerichtet. Am 27. August 1987 präsentierten die Leiter Erhard Eppler und Otto Reinhold das Resultat, ein gemeinsames Papier über den „Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“, das sich mit der Koexistenz, der Existenzberechtigung und dem Wettbewerb der beiden Systeme beschäftigt, die sich gegenseitig anerkennen, aber auch kritisieren dürfen.[28]

Der grundlegende Wunsch der Grundwertekommission war es dabei, über den Dialog mit der herrschenden SED-Führungsriege durch sozialdemokratische Ideen und Argumente eine Veränderung im Denken eben jener zu erreichen.[29] Wie auch die Regierungskoalition, wollte die Oppositionspartei eine Verbesserung der Lage durch eine zwischenstaatliche Annäherung erreichen.[30] Das Ideologiepapier spaltete die Gemüter: Die SPD sah darin einen wichtigen Beitrag zum Untergang der SED[31], andere - nicht zuletzt SPD-Mitglieder - konnten dieses Papier nicht akzeptieren, schließlich legitimierte es gleichzeitig Kommunismus und SED. Dennoch gilt: Durch die Tatsache, dass das „Ideologiepapier“ auch im Osten veröffentlicht wurde, verlieh es kritischen DDR-Bürgern eine Grundlage, auf die sie sich zur Rechtfertigung beziehen konnten[32] – ein Mittel, dessen stimulierende Wirkung also doch nicht unterschätzt werden sollte. Und letztendlich brachte die Ostpolitik der SPD die SED zwangsläufig und ungewollt in die unangenehme Verpflichtung, Zugeständnisse an die SPD machen zu müssen, während die Aussagen der SPD, einer Oppositionspartei, keine Verbindlichkeiten hatten.[33]

Die operative Deutschlandpolitik in dieser Phase wurde deshalb später von innenpolitischen Gegnern nicht zu Unrecht „Nebenaußenpolitik“[34] oder „quasi gouvernemental“[35] genannt. Der intensive Austausch einer Oppositionspartei mit einer Regierungspartei überrascht, jedoch begriff man sich als ebenbürtiges Gewicht gegenüber SED und Bundesregierung[36], schließlich war die Ostpolitik eine Erfindung Willy Brandts und Egon Bahrs und wurde von Helmut Schmidt und auch Helmut Kohl fortgeführt. Verständlicherweise wollte die SPD ihre Steckenpferde Deutschland- und Entspannungspolitik nach dem Gang in die Opposition nicht aufgeben.

Die SPD handelte vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen mit Ereignissen wie des Prager Frühling, bei denen der Westen keine Handlungsmöglichkeiten hatte.[37] Durch die Verabsolutierung der Werte Frieden und Sicherheit sollte sich dies nicht mehr wiederholen können. Dahinter stand die Auffassung, dass man sich auf die herrschende Regierung konzentrierte, auf eben „den Gegner, den allein sie – die SPD - ideologisch beeindrucken, bewegen, verändern konnte.“[38]

Die Deutschlandpolitik der SPD von 1982 bis 1989 war Grund und Grundlage für die intensiven Parteibeziehungen zur SED, sie bildet die entscheidende Basis für das Verständnis sozialdemokratischen Verhaltens in den schicksalhaften Monaten des Jahres 1989 bis hin zum Mauerfall – dem Umbruch in der DDR. Der Kurs des Wandels durch Annäherung diente dem Zweck, die Verbundenheit der beiden deutschen Staaten zu bewahren.[39] Die Entspannungspolitik im Gesamten muss negativ beurteilt werden, denn sie geriet zur „staatlichen Gleichgewichtspolitik“ und zu einer „Status-quo-Politik.“[40] Ihr Schwachpunkt lag insbesondere letztendlich darin, dass man die Lage in der DDR zu beeinflussen versuchte, indem man die Einheitspartei zu Reformen bewegen wollte. Damit legitimierte die SPD jedoch die SED-Regierung und, noch folgenschwerer, vernachlässigte Kontakte zu oppositionellen Gruppen.

2.1.2 Krisenzeichen in der DDR in der ersten Jahreshälfte 1989

Schon Anfang des Jahres 1989 waren Krisenzeichen in der DDR sichtbar. Insbesondere der Reformstillstand stand im Kontrast zu den Reformbewegungen im Ostblock. In der DDR verlor die überaltete SED-Führung durch fehlende Konzessionen an die Oppositionellen und durch ihre allgemeine Handlungsunfähigkeit immer mehr das Vertrauen der Bevölkerung.

In gleicher Weise, in der Wunsch nach Reformen und Massenproteste wuchsen, versuchte die Einheitspartei verstärkt, Kritik von außerhalb der Partei zu unterdrücken, und gegen Oppositionelle vorzugehen, etwa durch Festnahmen infolge des Rosa-Liebknecht-Marschs im Januar. Auch Ereignisse wie die Erschießung des 20-jährigen Chris Gueffroy, des letzten Toten an der Mauer, bei seinem Fluchtversuch im Februar, die Farce der Kommunalwahl[41], gefolgt von Protesten, im Mai oder die kalte Rechtfertigung[42] des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking im Juni zeugten von Reformunwilligkeit, ja Realitätsverlust in der SED. Ein weiteres Ereignis, das unter diesen Zeichen stand, war nicht zuletzt die Verhaftung von 120 Bürgerrechtlern, als sie dem Staatsrat eine Eingabe zu den Wahlfälschungen geben wollten. Es wurde immer deutlicher: Während es in den übrigen Ostblockstaaten vermehrt zu Reformen kam, herrschte in der DDR Stillstand.

Auch in der SPD kam es zu keinem Richtungswechsel. Zwar wurde bereits eine Gruppe unter der Leitung von Gert Weisskirchen mit der Aufnahme von Kontakten zur Evangelischen Kirche sowie zu Friedensaktivisten beauftragt, jedoch die Konzentration auf die SED keineswegs aufgegeben.[43] Der Kontakt zu oppositionellen Kräften hatte weiterhin nur marginale Bedeutung.

Am 29. März 1989 zog die Grundwertekommission eine kritische Bilanz zur Politik der SED und zum Ideologiepapier und seinen Zielen, besonders zum Dialog der SPD mit der SED. „Den Zielsetzungen des Papiers offensichtlich entgegengerichtete Vorgänge in der DDR haben den Kritikern und Skeptikern Argumente geliefert.“[44] Kritisiert wurden „die Einengung des gesellschaftlichen Dialogs in der DDR und die Verschlechterung seiner Bedingungen, die wir schon wenige Monate nach der Veröffentlichung des gemeinsamen Projekts mit Unverständnis und Empörung zur Kenntnis nehmen mußten.“[45] Darüber hinaus wurden repressive Maßnahmen verurteilt.[46] Doch trotz der offenkundigen Verstöße der Vereinbarung, die auch scharf kritisiert wurden, trotz der warnenden Erkenntnis, dass wer „den Dialog im Inneren verweigert, gefährdet auch den nach außen“[47], und trotz der daraus entstehenden Frage, ob sich angesichts dessen das Unternehmen überhaupt lohne, wollte man die Kooperation aber fortsetzen.[48]

Obwohl man also die eindeutigen Krisenzeichen in der DDR und alle Anzeichen, dass die SED keineswegs ihre politische Richtung zu ändern gedachte, geschweige denn zu Reformen bereit war, wahrgenommen hatte, gab es keinen Kurswechsel in der sozialdemokratischen Politik. Wie gehabt fanden das jährliche Treffen zwischen Honecker und Vogel statt, wurde eine weitere Arbeitsgruppe zum Umweltschutz eingerichtet, trafen sich die SPD-Grundwertekommission und die AFG der SED zum Thema „Menschenrechte in unserer Zeit“ vom 13.-15. April in Wendriesch-Riehl[49], und besuchte eine Delegation des Landschaftsausschusses der Volkskammer Anfang Juni auf Einladung die SPD-Fraktion. Auch Oskar Lafontaine und Hans-Jochen Vogel waren beim Empfang von Honeckers Kronprinz Egon Krenz am 7. und 8. Juni zwar ehrlich besorgt, die Kooperationspolitik wurde jedoch zu keiner Zeit in Frage gestellt.[50]

Am 17. Juni hielt Eppler die traditionelle Rede im Bundestag anlässlich des Volksaufstandes in der DDR. Nach seinen Worten bliebe die Zukunft der DDR „unberechenbar“. „Es gibt bei vielen Menschen dort so etwas wie ein DDR-Bewußtsein, ein manchmal fast trotziges Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem kleineren, ärmeren Staat“.[51] „[N]och dürfte es in der DDR eine Mehrheit geben, deren Hoffnung sich nicht auf das Ende, sondern auf die Reform ihres Staates richtet.“[52]

Epplers Rede mag inhaltlich nicht die tatsächliche Meinung der DDR-Bürger getroffen haben, ebenso wenig mögen die hoffnungsvollen Reformer dort noch in der Mehrzahl gewesen sein, doch erkannte Eppler die Tatsache, dass sich die DDR in einer Umbruchphase befand, die es nun zu unterstützen galt, und dies vielleicht besser durch Kooperation mit einem anderen Partner, wenn sich die SED nicht wandelte: „Wenn sich die Führung der SED allerdings weiterhin in jener realitätsblinden Selbstgefälligkeit übt, die wir aus den letzten Monaten kennen, dann könnte in weiteren zwei Jahren aus dieser Mehrheit eine Minderheit geworden sein. Wie angstvoll muß die SED-Führung die Wirklichkeit verdrängen, wenn sie meinen sollte, der Staat zwischen Oder und Elbe könne sich dem Geist des Wandels widersetzen, der [...] schon das Ostufer der Oder erreicht hat!“[53]

Erhard Epplers Rede zum 17. Juni ist der Vorbote eines Wendepunkts, denn kein anderer Sozialdemokrat hatte so klar und deutlich eine Warnung formuliert, die in ihrer Konsequenz sowohl alle Hoffnungen und Theorien sozialdemokratischer Kooperations- und Entspannungspolitik zunichte machen musste, als auch das enge Band zur SED zerriss. Erstmals deutete sich damit auch ein Wandel der Ansichten innerhalb der SPD an, der schon lange nötig gewesen wäre, und den mancher DDR-Bürger schon lange vollzogen hatte.[54] Erstmals wurde auch das Selbstbestimmungsrecht von einem SPD-Politiker wieder betont.[55] Doch immer noch gab es in der SPD zu wenige, die erkennen wollten, dass sie auf den falschen Partner gesetzt hatten, dass sie an einer Illusion festhielten, und dass zumindest jetzt ein radikaler Richtungswechsel eine große Unterstützung für das entstehende Netzwerk von Aktivisten darstellen würde. Die Phase des Umdenkens und Überdenkens der Kontakte zur SED war dennoch eingeleitet, die kritischen Stimmen mehrten sich.

2.1.3 Ausreisewelle und Reformstillstand

Als Ungarn am 2. Mai begann, die Grenze zu Österreich abzubauen, setzte eine Fluchtbewegung aus der DDR ein. Um die Jahresmitte wurden die Anzeichen eines Zusammenbruchs immer offensichtlicher: Trotz Erleichterungen bei der Reisefreiheit setzte sich die Ausreisewelle fort, und schwoll im Sommer zu einer Massenabwanderung an; die überfüllten Botschaften in Prag, Budapest und Warschau brannten sich ins Gedächtnis ein. Die Führung der DDR befand sich in einer prekären Lage: Jenseits ihrer Ostgrenze wandelten sich die Länder durch Reformprozesse, jenseits ihrer Westgrenze besaß die Bundesrepublik offensichtlich so viel Anziehungskraft, dass die DDR-Bürger ihr Leben riskierten, um aus ihrem Land auszubrechen. Die Flüchtlinge und Übersiedler[56] bedeuteten letztendlich den Anfang vom Ende der DDR, denn sie waren es, die die Mauer zum Einsturz brachten, sie untergruben das Fundament des Staates.

Die Entscheidung vieler Ostdeutschen stieß Spekulationen über die deutsche Frage an, bereitete aber hauptsächlich den Politikern der SPD Probleme, da sie ihre Konzepte zur Deutschlandpolitik in Frage stellte, wenn nicht gar umstürzte. Durch die engen Kontakte zur SED und die Aufenthalte im Kreise der Herrschenden hatten viele nichts von der „traurigen Realität“ in der DDR mitbekommen.[57] Um die eigene Orientierungslosigkeit zu überdecken, verwiesen Sozialdemokraten darauf, dass sich die DDR den positiven Entwicklungen im Ostblock sowieso nicht entziehen könnte und betonten jede positive Entwicklung in der SED, obwohl vielen in der SPD klar war, dass „ausgerechnet die Machthaber in der Deutschen Demokratischen Republik [...] Menschenrechte mit Füssen treten“.[58] Darüber hinaus warnten viele Genossen eindringlich davor, die liberalere Ausreisepolitik, die Kompromissbereitschaft und die Verbesserungen in der DDR nicht zu gefährden. So verwies insbesondere Egon Bahr auf mögliche fatale Reaktionen der SED: „Veränderung darf nicht in Anarchie oder gar offene Rebellion umkippen. Das hätte für uns wie für die Menschen drüben negative Folgen. Ich möchte nicht erproben, ob es wirklich stimmt, daß unter keinen Umständen Panzer rollen. Das Spiel mit dem Feuer ist absolut unverantwortlich.“[59] Auf diese Weise versuchte die SPD, die eigene Politik des Dialogs mit den SED-Machthabern zu rechtfertigen.[60]

Angesichts der Flüchtenden, der Demonstranten, der entstehenden Bürgerrechtsgruppen und Parteien, und der von alledem scheinbar unberührten SED-Führung sahen sich Politiker wie Horst Ehmke und Willy Brandt schließlich zum Umdenken gezwungen. Sie hielten die „Politik der kleinen Schritte“ für nicht mehr zeitgemäß und forderten statt dessen einen Reformdialog, in den die Opposition miteinbezogen werden sollte.[61] Mitte August 1989 wandelte sich also die sozialdemokratische Politik dahingehend, dass man nicht mehr bedingungslos am Dialog mit der SED-Führung festhielt, nicht mehr ohne Gegenleistung zu ihr stand: Die SED „sei jetzt am Zuge.“[62] Karsten Voigt schloss sich diesem Meinungswandel an:

„[W]ir wollen Stabilität in der DDR, aber [...] keinen gesellschaftspolitischen Status Quo [...], sondern [...] eine Reformpolitik [...]. Die DDR sagt selber [...], sie sei reformwillig. (Dann) sagen wir: Gut, wenn ihr zu einer umgreifenden und tiefgreifenden Reform willig seid, dann lohnt sich eine umfassende Kooperation, ... dann wird die Lage in der DDR auch so, dass Bürger dort bleiben wollen.“[63]

Hinsichtlich der Ausreisenden selbst muss man konstatieren: Keiner in der SPD begrüßte den Flüchtlingsstrom an sich, denn es konnte für keinen eine Lösung sein, wenn kritische, reformwillige DDR-Bürger ihr Land verließen, statt dort zur Veränderung beizutragen, doch die überwiegende Mehrheit der Sozialdemokraten wollte aus Solidarität und moralischen Gründen und trotz aller Probleme die Bürger der DDR herzlich aufnehmen und zeigte Verständnis für deren Entscheidung. Zu ihnen zählten Hans-Jochen Vogel, Karsten D. Voigt, Willy Brandt, Jürgen Schmude und Björn Engholm.[64] Hans Büchler sprach sich in derselben Richtung aus, jedoch nicht ohne auf schon vorhandene Wohnungsnot in Westdeutschland zu verweisen.[65] Oskar Lafontaine betonte v. a. die organisatorischen und finanziellen Probleme, die kaum mehr zu bewältigen seien.[66] Im Gegensatz zur großen Mehrheit hielt Bahr, der Architekt der Ostpolitik, immer noch an alten Positionen fest und sah in der Unterstützung der Flüchtenden in erster Linie eine Gefahr für die Richtungsvorgabe der Entspannungspolitik, für Stabilität und Reformen in der DDR.[67]

Die Haltung der SPD in den Sommermonaten 1989 konzentrierte sich v. a. darauf, den Übersiedlerstrom zu stoppen. Dieses Ziel wurde als unabdingbar für die Interessen und für weitere Reformen in der DDR angesehen. „Eine DDR, die ausblutet, wird sich nicht schneller, sondern überhaupt nicht reformieren. Sie wird in Lethargie oder gar im Chaos versinken.“[68] Erst „in zweiter Linie“[69] dachte man an die Probleme, die dieser Strom für Westdeutschland bedeutete. Mit der sich deutlich zeigenden Reformunwilligkeit und repressiven Politik war vielen DDR-Bürgern, aber nur wenigen SPD-Politikern die Perspektivlosigkeit einer Politik mit der SED klar geworden. Erst mit dem Anschwellen der Ausreisewelle aus der DDR wuchs auch innerhalb der SPD die Erkenntnis, dass mit der SED-Führungsriege keine Reformen zu erwarten wären.[70] Ihre lange Untätigkeit und Ratlosigkeit brachte die Partei deutschlandpolitisch in die Defensive.

Die offizielle Öffnung der ungarischen Grenze zum Westen am 11. September, die die SED unbedingt verhindern wollte, beendete die Botschaftsbesetzungen, jedoch keineswegs die Ausreiseströme. Die SPD respektierte die Entscheidung der Ostdeutschen, zu der sie das Grundgesetz berechtige, ohne sie zu kritisieren, aber mit der Bitte, sie zu überdenken.[71] Obwohl man die Entwicklung nicht guthieß – die Übersiedler „sind und bleiben willkommen.“[72]

2.1.4. Die Gründung formeller Gruppen

Massenflucht und Massendemonstrationen für Reformen im Inland angesichts der Fortschritte im osteuropäischen Ausland spornten nun auch Dissidenten an, ihre bisherige gesellschaftliche Isolierung aufzugeben. Trotz Repressalien traten sie mit eigenen Vorschlägen an die Öffentlichkeit und begannen, formelle Gruppen zu konstituieren. Innerhalb eines Monats hatten sich im September fünf Oppositionsgruppen formiert.[73] Großen Zulauf hatte das Neue Forum, gegründet am 9. September als Diskussionsforum für notwendige Reformen.

Letztendlich führte der September den Kurswechsel der SPD herbei, nachdem der geplante Besuch einer SPD-Delegation unter Leitung von Horst Ehmke von Ost-Berlin abgesagt worden war, auf Grund offen und unumwunden formulierter Forderungen an die SED zuvor. Gansel hatte angesichts der neuen entspannungspolitischen Situation „Wandel durch Abstand“ statt „Wandel durch Annäherung“ propagiert, was bedeutete, dass man sich mehr auf den innenpolitischen Wandel als auf den zwischenstaatlichen Dialog konzentrieren wollte.[74] Er setzte damit den Wert der Freiheit vor den Wert der Sicherheit auf der Prioritätenliste. Ehmke selbst hatte bekannt gebeben, sich mit Bärbel Bohley vom Neuen Forum treffen zu wollen. Noch am selben Tag erfolgte die Absage aus Ost-Berlin. Über die Reaktionen innerhalb der Partei berichtet Ehmke: „Vogel war darüber erleichtert, Bahr gratulierte mir dazu, die SED in die Defensive gebracht zu haben. Ich selbst bedauerte die Absage, da sie die Entwicklung weiter zuspitzte.“[75]

Nach der Absage kündigte die SPD eine Revision ihrer Politik an. Dieser Rückzug von einer Fehleinschätzung war nicht nur durch die Ausreisewelle, sondern auch durch scharfe Attacken der Union nötig geworden.[76] Mit der Entschließung zur Deutschlandpolitik des Parteivorstandes vom 18. September[77] gab man bekannt, dass man nun auch andere Kräfte in der DDR unterstützen wollte; von nun an sollten Kontakte mit Reformern, mit kirchlichen und oppositionellen Gruppen Vorrang vor der SED erhalten. Das Überdenken der Beziehungen zur Einheitspartei, das mit der Rede Epplers begonnen hatte, war vollzogen, und die SED wurde von der SPD jetzt ernsthaft kritisiert, sie sei dialogunfähig und reformunwillig.[78] Viel zu lange hatte die „Lebenslüge der Reformfähigkeit“ jedoch die Deutschlandpolitik der Sozialdemokraten bestimmt, und die Entspannungspolitik immer mehr zu einem „schlechten Kompromiß mit dem autoritären Regime“ gemacht.[79]

Die deutschlandpolitische Kurskorrektur war jedoch heftig umstritten.[80] Ehmke sah in der SPD-Politik keinen Wandel, denn auf Abstand ginge die SED und nicht die SPD. Vogel und Ehmke hoben in diesem Zusammenhang den Erfolg der Annäherungspolitik hervor: Immer mehr Menschen würden sich auf das Streit- und Dialogpapier beziehen, dadurch ermutigt werden.[81] Auch Lafontaine betonte, dass es keine Alternative zur bisherigen Deutschlandpolitik der SPD gebe, und dass man die Lage der Menschen in der DDR nur verbessern könne bzw. nur dann ihre Sicherheit nicht gefährde, wenn man mit den Machthabern verhandle[82] ; aber auch er wählte deutliche Worte gegenüber dem DDR-Regime: Die SED werde nur dann aus ihrer Akzeptanzkrise herausfinden, wenn sie begreife, „,daß das Maß für eine sozialistische Gesellschaft immer der Grad ihrer Demokratisierung ist’.“[83] Bahr bestritt ebenfalls die faktische Kurskorrektur: Die Kooperation mit der Opposition sei nur ein Additivum zur bisherigen Politik.[84]

Viele SPD-Politiker wollten die Kurskorrektur nicht zugeben, da sie meinten, damit den Erfolg der Entspannungspolitik herabzusetzen und die Strategie der Kooperation mit der SED als Fehler einzugestehen.[85] Viele glaubten, ein Kurswechsel sei das Eingeständnis eines Fehlschlags der bisherigen Politik. Doch andere äußere Umstände fordern eine andere Strategie, und so erkannte auch die SPD, dass eine Unterstützung der oppositionellen Kräfte absolut notwendig und angebracht, da in der Öffentlichkeit erwartet, war.

Bahr allerdings versuchte noch am 8. Oktober vorsichtig, Honecker zu verteidigen, indem er auf alles verwies, was unter seiner Führung in den deutsch-deutschen Beziehungen erreicht worden sei. Honecker habe „homöopathische Veränderungen in seinem Staat“ zugelassen. „Es hat ja, wenn sie so wollen, Reformen gegeben.“ Und noch zehn Tage vor dem Sturz Honeckers sagte Bahr: „Es ist ein Lehrsatz, der für jedes System gilt: Mitten im Strom wechselt man nicht die Pferde.“[86]

Wie sehr die SPD an ihrer allgemeinen Gesprächsbereitschaft zu SED festhielt, hatte der Besuch des SED-Bezirkssekretärs Modrow auf Einladung der SPD in Baden-Württemberg Ende September gezeigt, worin man im Westen die Bereitschaft der SED zur Fortführung der Gespräche sah[87], und zeigte sich auch nach der Gründung der SDP. Diese ging im wesentlichen auf die beiden Pastoren Martin Gutzeit und Markus Meckel zurück, und wurde unterstützt von vielen, die das Programm des neuen Forums zu vage fanden.[88] Auf der konstituierenden Sitzung am 7. Oktober - zugleich der vierzigste Jahrestag der Gründung der DDR - wählte man bewusst den Parteinamen „Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP)“, um so die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Partei von der SPD der Bundesrepublik hervorzuheben.[89]

Walter Momper, immer noch in alten Vorstellungen haftend[90], erteilte den Initiativen schon Ende August eine Absage: „Mit Parteigründungen durch kleine Gruppen kann in der DDR jetzt gar nichts bewegt werden.“[91] Der SPD-Parteivorstand hingegen erklärte, die SPD begrüße das politische Engagement, und bekundete Solidarität.[92] Vogel bekräftigte dies nochmals am 8. November im Bundestag, wo er emotionalere Worte äußerte: „[E]s berührt und bewegt [...] uns, daß es in einem Gebiet, das zu den Stammlanden der deutschen Sozialdemokratie gehört, jetzt, 43 Jahre nach der Zwangsvereinigung, wieder eine Sozialdemokratische Partei gibt“.[93] Darüber hinaus schlägt z. B. Büchler Patenschaften als Formen der Hilfe vor.[94] Bahr möchte die SDP mit Gesprächen unterstützen, grundsätzlich wolle sich die SPD aber nicht einmischen.[95] Mit letzterem rechtfertigte er die zurückhaltende Haltung der Partei: „Wir werden hier doch nicht konspirativ tätig, wir veranlassen nichts und handeln nicht für die Menschen drüben. Das müssen die aus eigenem Recht tun. Sie allein können beurteilen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“[96]

Vor dem Mauerfall hatte sich die innergesellschaftliche Opposition formiert, die Ausreisewelle hielt an, die DDR-Regierung verlor weiter an Macht, das System stand vor dem Kollaps. Die SPD änderte ihre Politik des Dialogs nicht, fuhr nun jedoch zweigleisig mit ihrer Gesprächsbereitschaft sowohl zur SED-Führung als auch zu den oppositionellen Gruppen. Unverständlich bleibt dies, da doch die meisten den fehlenden Reformwillen der SED erkannt hatten.[97] Auch die Rechtfertigung, man wolle sich nicht einmischen, und die DDR-Bürger nicht bevormunden, mutet seltsam an vor dem Hintergrund der massiven Kontakte und Kooperation mit der SED in den Jahren zuvor. Indem man keine „konspirativen Beziehungen“ zu oppositionellen Gruppen pflegen wollte, degradierte man gleichsam die Opposition, die ja nur im Untergrund hatte entstehen können. Die Verwendung des Wortes „konspirativ“ in Zusammenhang mit der Gründung der SDP musste für die Öffentlichkeit befremdlich wirken.

Massenflucht und Massendemonstrationen und letztendlich der Mauerfall zeigten, dass die Ostdeutschen ihr Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung einforderten.[98] Damit war die Maxime des Friedens der sozialdemokratischen Deutschlandpolitik gescheitert, und auch die Entspannungspolitik der Annäherung, denn „Revolution und nicht Transformation brachte die Einheit.“[99]

2.2 Vom Mauerfall bis zur Volkskammerwahl

2.2.1 Bekenntnis zur Einheit?

2.2.1.1 Die SPD und die deutsche Frage

Völlig überraschend wurde durch den Mauerfall die Grundlage für die innerdeutschen Beziehungen ganz wesentlich verändert: Die bundesdeutschen Parteien mussten ihre Politik erst einmal an die neue Situation anpassen. Fluchtbewegung und Oppositionsformierung hatten bereits verdeutlicht, dass man den DDR-Staat in der damaligen Form unter keinen Umständen behalten wollte. So hatte sich auch das Hauptaugenmerk der SPD-Politik seit ihrer Ausladung durch die SED auf die innerstaatlichen Demokratisierung der DDR mit der SDP als Ansprechpartner gelegt. Das schnelle Hinauslaufen auf die Wiedervereinigung war jedoch von niemandem am 9. November 1989 absehbar.

Die Diskussion über die deutsche Frage war bereits durch die vielen Flüchtlinge und deren herzliche Aufnahme im Westen im September zur Sprache gekommen. Willy Brandt schrieb schon am 21. September: „,Es ist nicht ewig zu trennen, was doch zusammengehört’“.[100] Auch Bahr und Eppler hielten bereits zu jener Zeit die Einheit für denkbar.[101] Brandt ging sogar noch weiter: Für das Ziel der nationalen Einheit – natürlich unter einem europäischem Dach - stünden die Zeichen günstiger als je zuvor.[102]

Generell wollte die Mehrheit der SPD-Führer eine Wiedervereinigungsdebatte vermeiden, da jede Diskussion in dieser Richtung als hinderlich angesehen wurde, sowohl für den Reformprozess in der DDR als auch für eine europäische Vereinigung und ggf. für eine deutsche[103], aber auch um die gegensätzlichen Positionen in der eigenen Partei zu überdecken. Hans Büchler bemühte sich, die in der eigenen Partei schwelenden Kontroversen zu ersticken, indem er daran erinnerte, dass bundesdeutsche Politiker „natürlich immer den Auftrag des Grundgesetzes, die Einheit der Nation zu wahren, im Auge behalten“[104] würden. Am 31. Oktober verabschiedete der Parteirat schließlich eine deutschlandpolitische Entschließung, in der das Selbstbestimmungsrecht in den Mittelpunkt gestellt wurde. Mit diesem ersten Formelkompromiss wurde die Grundsatzfrage „Einheit oder Konföderation“ verschoben, die widerstreitenden Meinungen blieben verdeckt jedoch bestehen, bis die Debatte mit dem Mauerfall offen ausbrach.

Obwohl der Meinungsumschlag in der Bevölkerung erst gegen Jahresende deutlich wurde, begann die Diskussion über die deutsche Frage unter Politikern bereits in den ersten Wochen nach dem Mauerfall, auch weil die Ausreisewelle aus der DDR anhielt und zu Problemen in der Bundesrepublik führte. Aufgrund ihrer Entspannungspolitik der Jahre zuvor fiel der SPD die Positionsfindung hinsichtlich der deutschen Frage schwer.[105] Egon Bahr stellte fest: „Als die Einheit vor der Tür stand, brach die Dialektik auf, ob Entspannungspolitik die Einheit ermöglichen oder überflüssig machen sollte.“[106] Während die Regierungskoalition auf ihren Rechtspositionen bestanden, Systemunterschiede stets deutlich gemacht[107] und finanzielle Hilfe nur im Austausch gegen Verbesserungen in der DDR gewährt hatte[108], hatten sich v. a. die jüngeren Sozialdemokraten vom Ziel der nationalen Einheit weitgehend verabschiedet; nicht so aber die alte Garde um Willy Brandt. Jenem Ex-Bürgermeister Berlins galt einen Tag nach dem Mauerfall der Jubel der Zuhörer auf einer Großkundgebung vor dem Schöneberger Rathaus: Der Mauerfall habe bestätigt, „,daß die widernatürliche Trennung keinen Bestand’ habe. Wir sind jetzt in der Situation, wo zusammenwächst, was zusammengehört.’“[109] Obwohl zweifelhaft bleibt, ob dieser Ausspruch Teil seiner Rede war[110], wurde er zum Inbegriff der gesamtdeutschen Stimmung nach dem Mauerfall.

Neben dem Ex-Bundeskanzler muss man Hans-Jochen Vogel, Klaus von Dohnanyi und Johannes Rau zu den Einheitsbefürwortern zählen, mehr noch, ihnen war die deutsche Einheit ein persönliches Anliegen.[111] Dohnanyi und Karsten Voigt erkannten auch bald, dass die Lage letztlich auf eine Wiedervereinigung hinauslaufen würde, da sie zwangsläufig mit dem Streben der DDR-Bürger nach Freiheit, Demokratisierung, Selbstbestimmung und individuellem Glück einherginge und sich allein schon aus ökonomischen Gründen ergäbe.[112] Denn wer in der DDR sah nicht, dass der eigene Staat vor dem Bankrott stand, die Bundesrepublik jedoch auf 40 Jahre wirtschaftliche Prosperität zurückblicken konnte, und damit einen ganz anderen Lebensstandard bot?

Die Einheitsgegner dagegen stützten sich auf die Behauptung, die DDR-Bürger, deren Selbstbestimmungsrecht weiter Vorrang hätte, würden selbst gegen eine Wiedervereinigung sein. Insbesondere der linke Flügel um Oskar Lafontaine mokierte sich über Überheblichkeit und Polemik: „Der westdeutsche Hurra-Patriotismus feiert billige Triumphe. Man schwelgt in Armenspeisungen und vollzieht im Geiste schon den Anschluß der ,Zone’ an die Bundesrepublik.“[113] Darüber hinaus wähnte man den europäischen Einigungsprozess gefährdet. Ein Nationalstaat in den Grenzen von 1937 war für Oskar Lafontaine das „Gespenst des Vierten Reiches“, die „Rückwendung zu einer unseligen Vergangenheit“, ein „Hemmschuh“ für die europäische Einigung.[114] Auch die Idee des Nationalstaats an sich war für einen großen Teil innerhalb der SPD nicht mehr zeitgemäß und schon gar nicht zukunftsfähig. Für sie kam eine vereinte deutsche Nation nur als vereinte Kulturnation innerhalb eines geeinten Europas in Frage.[115]

Der Generationenkonflikt spielte bei dieser Grundsatzfrage eine große Rolle.[116] SPD-Politiker, die die Nachkriegszeit selbst miterlebt hatten, interessierten sich für die Wiedervereinigung viel mehr als ihre jüngeren Genossen.[117] Die unter 50-jährigen SPD-Funktionsträger hingegen hatten das Ziel der nationalstaatlichen Einheit Deutschlands längst aufgegeben, im Grunde weil es für sie weder wichtig noch vorstellbar war: Sie waren an die Existenz zweier Staaten gewohnt und hatten wenig emotionalen Bezug zur DDR. Ihre Herangehensweise an die deutsche Frage war dadurch nüchterner, analytischer.

Die Entschließung des Parteivorstands vom 11.11.1989 war ein weiterer Formelkompromiss. Da das Selbstbestimmungsrecht erreicht worden sei, müssten beide deutsche Staaten dies nutzen, um ihre Beziehungen zu verbessern; dies dürfe auf keinen Fall eine europäische Vereinigung behindern, müsse sie aber auf jeden Fall fördern.[118] Völlig unklar bleibt, für welchen Weg sich die SPD aussprach: „Aus der Zweistaatlichkeit ein Dogma zu machen, ist ebenso abwegig, wie im Nationalstaat die einzige Ableitung aus dem Einheitsgebot des Grundgesetzes zu sehen.“[119]

In der Sitzung des Parteivorstandes am 20. November prallten schließlich die zwei Gegenpositionen aufeinander. Auf heftigen Widerstand stieß nach eigenen Angaben z. B. Dohnanyi, für den nur ein klares Bekenntnis zur Wiedervereinigung in Frage kam.[120] Die Einheitsbefürworter konnten nicht begreifen, warum man nicht einsah, dass die Wirklichkeit und der Wille der DDR-Bürger die deutsche Einheit in greifbare Nähe gebracht hatten. Sie konnten die theoretische und unhistorische Betrachtungsweise, die ihrer Meinung nach jeglichen politischen Sachverstand entbehrte und die in der künstlichen Teilung Deutschlands nichts Widernatürliches sah, nicht nachvollziehen.[121]

Indem die Parteiführung immer wieder das Selbstbestimmungsrecht der DDR-Bürger in den Vordergrund rückte, wollte man die eigenen Schwierigkeiten bei der Positionsfindung, die seit September schwelten, überdecken. Nur scheinbar und vorläufig wurden zwei Gegenpositionen vereint.[122] „Formelkompromisse banden die beiden Flügel zusammen, aber fliegen konnte die Partei damit nicht, wie sich 1990 erwies“, so Egon Bahr im Rückblick.[123] Wieder berief man sich darauf, sich nicht einmischen zu wollen, weil man Solidarität, Verständnis und Kooperation nicht in der Bevormundung der DDR-Bürger sah, sondern darin, sie ihre eigene Identität finden zu lassen und ihrem Land eine Chance zu geben, sich zu reformieren.[124] Neben dem Selbstbestimmungsrecht der DDR-Bürger führte man an, dass über eine Wiedervereinigung ohnehin nur die Alliierten zu entscheiden hätten, und zog sich somit noch weiter aus der Verantwortung.

Durch den Mauerfall war der SPD gleichsam über Nacht ihr deutschlandpolitisches Konzept abhanden gekommen. Mit dem Mauerfall war sie in die Defensive, in Untätigkeit verfallen und musste endgültig einen Neuansatz suchen. War sie mit der Ostpolitik über Jahrzehnte und selbst in der Opposition konzeptioneller Ideengeber gewesen, wurde ihr zögerliches Bekenntnis von außerhalb der Partei als schwerer Fehler gesehen, von wenigen in der Partei aber früh kritisiert.[125]

Wurde Willy Brandt im Gegensatz zu Helmut Kohl vor dem Schöneberger Rathaus noch frenetisch gefeiert, so vermochte seine Partei es nicht, diese Sympathien zu nutzen, sondern zerrieb sich in der Folge vielmehr zwischen ihren gegensätzlichen Lagern. Statt eines eindeutigen deutschlandpolitischen Konzepts musste sich die SPD mit sich selbst beschäftigen und sah sich immer wieder mit dem „Verdacht nationaler Unzuverlässigkeit“[126] konfrontiert, gepaart mit den Erinnerungen an die Entspannungspolitik der vorhergehenden Jahrzehnte die die „deutschlandpolitische Glaubwürdigkeit“[127] eingeschränkt hatte. Deshalb ist es „eine – parteitaktische – Verkürzung der historischen Wahrheit“ wenn Lafontaine allein die Schuld am Debakel zugeschoben würde; denn: „an diesem ungenießbaren Gericht haben viele Köche mitgekocht.“[128]

Lafontaine und seine Anhänger lagen letzten Endes grundfalsch. Sie hatten das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl unterschätzt. Sehr bald kam es, begünstigt vor allem auch durch die öffentliche Debatte über die deutsche Einheit, zu einem dramatischen Meinungsumschwung unter den DDR-Bürgern.[129] Auch wenn die Einheit wohl auch aus ökonomischen Gründen von den DDR-Bürgern gewünscht wurde - die Einheit der Nation war kein überholtes Konzept. Zu lange hatte sich die SPD im Umkreis der Regierenden bewegt und die Bewegungen im Volk nicht erkannt, „und wurde 1989/1990 dafür vom realen Leben bestraft.“[130] Darüber hinaus war die SPD für alle Zeiten gebrandmarkt durch den Vorwurf der Anbiederung an die SED.

2.2.1.2 Kohls Zehn-Punkte-Plan und die Haltung der SPD

Während die Partei im November auf Brandts Sympathiewelle schwamm und bei jeder Gelegenheit seinen berühmten Ausspruch über das Zusammenwachsen beider Staaten proklamierte, versuchte ihre Führung verzweifelt, die Einheitsgegner in den eigenen Reihen auf Linie zu bringen. Eindringlich hatten Dohnanyi und Ehmke gewarnt, die SPD verschlafe dieses Thema, ließe die große Chance, dieses Thema zu besetzen, ungenutzt. Der Positionskampf führte zu einer lähmenden Unentschlossenheit, so dass gerade in dieser entscheidenden gesellschaftspolitischen Umbruchphase, in der die Illusion eines dritten Wegs zwischen Kapitalismus und Kommunismus langsam aufgegeben wurde, die SPD zu keiner Richtungsvorgabe fähig war.

Ehmkes Stufenplan war der verzweifelte Versuch, die eigene Partei wieder in die Offensive zu bringen. Doch Vogel befolgte seinen Rat nicht, denn er präsentierte Ehmkes Plan nicht sofort der Presse und Öffentlichkeit, und so wurde der Vorschlag des Sozialdemokraten zeitgleich mit Kohls Zehn-Punkte-Plan veröffentlicht.[131] Am 28. November unterbreitete nämlich der Bundeskanzler dem Bundestag sein Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas. Es sah eine Entwicklung der beiden deutschen Staaten bis hin zu einer Konföderation vor, welche aber eingebettet in den europäischen Gesamtprozess sein müsse; das politische Ziel der Bundesregierung bliebe die Widervereinigung, die staatliche Einheit Deutschlands.[132]

Der Bundeskanzler beherrschte am Tag darauf alle Medien, während Ehmkes Vorschlag unterging. Die SPD hatte sich damit endgültig in die Defensive gebracht, schlimmer noch: Helmut Kohls eindeutiges Bekenntnis machte ihn für alle Zeit zum Ideengeber und Initiator der Einheit. Der Bundeskanzler übernahm durch seine klare Zielvorgabe die Meinungsführerschaft und brachte die SPD unter Zugzwang. Es wurde völlig uninteressant, dass Ehmke u. a. schon vorher die Möglichkeit einer Konföderation ins Auge gefasst hatten.[133] Auch Vogel, erster Redner in der Bundestagsdebatte am 28. November, hatte vor Kohls Redebeitrag den Konföderationsgedanken dargelegt. Voigt, in seinem Beitrag, der direkt nach Kohls folgte, stimmte im Namen der SPD dem Zehn-Punkte-Plan in allen Punkten zu.[134]

Hinter diesem Entschluss Vogels stand jedoch nicht die Mehrheit der SPD-Fraktion. Schon in einer Sondersitzung am nächsten Tag machte sich Unmut breit. Neben der „Parlamentarischen Linken“ und des „Seeheimer Kreises“ war auch der linke Flügel des Vorstand gegen die schelle Zustimmung von Voigt und Vogel. Die SPD revidierte deshalb ihre bedingungslose Zustimmung unter dem Druck der Einheitsgegner in den eigenen Reihen. Für die Linke kam allenfalls eine Konföderation in Frage, und eben nicht Kohls Ausdruck „Wiedervereinigung“; auch war sie prinzipiell gegen ein rasches Tempo im Einigungsprozess. Für sie war Lafontaines Politik realistischer und nüchterner.

[...]


[1] Dohnanyi, Klaus von, Das Deutsche Wagnis, München 1990; Ehmke, Horst, Mittendrin. Von der Großen Koalition zur Deutschen Einheit, Berlin 1994; Schäuble, Wolfgang, Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte, Stuttgart 1991; Schmidt, Helmut, Handeln für Deutschland. Wege aus der Krise, Berlin 1993; Vogel, Hans-Jochen, Nachsichten. Meine Bonner und Berliner Jahre, München 1996; Waigel, Theo/Schell, Manfred, Tage, die Deutschland und die Welt veränderten; Vom Mauerfall zum Kaukasus. Die deutsche Währungsunion, München 1994.

[2] Teltschik, Horst, 329 Tage. Innenansichten der Einigung, Berlin 1991.

[3] Jarausch, Konrad H., Die unverhoffte Einheit. 1989-1990 (Edition Suhrkamp Neue Folge, 877), Frankfurt/Main 1995.

[4] Korte, Karl-Rudolf, Die Chance genutzt? Die Politik zur Einheit Deutschlands, Frankfurt a. M./New York 1994. Korte verteidigt jedoch durchweg die Deutschlandpolitik der damaligen Bundesregierung, indem er sie als alternativlos hervorhebt.

[5] Ash, Timothy Garton, Im Namen Europas. Deutschland und der geteilte Kontinent, München/ Wien 1993.

[6] Handbuch zur deutschen Einheit 1949 – 1989 - 1999, hg. v. Werner Weidenfeld/Karl-Rudolf Korte, Neuausgabe 1999 (bpb Schriftenreihe, 363), Bonn 1999.

[7] Jäger, Wolfgang, Die Überwindung der Teilung. Der innerdeutsche Prozeß der Vereinigung 1989/90 (Geschichte der deutschen Einheit, 3), Stuttgart 1998.

[8] Schuh, Petra, Die SPD (West) im Einigungsprozeß 1989/90. Positionen, Kontroversen, Strategien, in: dies./Bianca M. von der Weiden, Die deutsche Sozialdemokratie 1989/90. SDP und SPD im Einigungsprozeß (Schriftenreihe der Forschungsgruppe Deutschland, 9), München 1997, S. 181-346.

[9] Weiden, Bianca M. von der, Das Profil der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP/SPD). Von ihrer Gründung bis zum ersten Parteitag (1989/90), in: Petra Schuh, Petra/Bianca M. von der Weiden, Die deutsche Sozialdemokratie 1989/90. SDP und SPD im Einigungsprozeß (Schriftenreihe der Forschungsgruppe Deutschland, 9), München 1997, S. 9-180.

[10] Bahr, Egon, Die Deutschlandpolitik der SPD nach dem Kriege, in: Dieter Dowe (Hg.), Die Ost- und Deutschlandpolitik der SPD in der Opposition 1982-1989. Papiere eines Kongresses der Friedrich-Ebert-Stiftung am 14. und 15. September 1993 in Bonn (Gesprächskreis Geschichte, 4), Bonn 1993, S. 11- 40.

[11] Eppler, Erhard, Plattform für eine neue Mehrheit. Ein Kommentar zum Berliner Programm der SPD (Politik im Taschenbuch, 1), Bonn 1990; Müller, Emil-Peter: Das Berliner Programm der SPD (div-Sachbuchreihe, 53), Köln 1990.

[12] Vgl. z. B. Brinkel, Wolfgang/Rodejohann, Jo (Hg.), Das SPD:SED-Papier. Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit. Das Originaldokument mit Beiträgen von Erhard Eppler, Otto Reinhold, Joachim Garstecki, Richard Löwenthal, Gerd Bucerius, Marion Gräfin Dönhoff, Iring Fetscher u. a., Freiburg 1988; Hilsberg, Stephan, Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit. Zur Diskussion um das Streitkultur-Papier von SPD und SED, in: Dieter Dowe (Hg.), Die Ost- und Deutschlandpolitik der SPD in der Opposition 1982-1989. Papiere eines Kongresses der Friedrich-Ebert-Stiftung am 14. und 15. September 1993 in Bonn (Gesprächskreis Geschichte, 4), Bonn 1993, S. 67-73.

[13] Busch, Andreas, Die deutsch-deutsche Währungsunion: Politisches Votum trotz ökonomischer Bedenken, in: Ulrike Liebert/Wolfgang Merkel (Hg.), Die Politik zur deutschen Einheit. Probleme - Strategien – Kontroversen, Opladen 1991, S. 185-207.

[14] Kiessler, Richard/Elbe, Frank, Ein runder Tisch mit scharfen Ecken. Der diplomatische Weg zur deutschen Einheit, Baden-Baden 1993.

[15] Fichter, Tilman, Die SPD und die nationale Frage, in: Cora Stephan (Hg.), Wir Kollaborateure. Der Westen und die deutschen Vergangenheiten, Reinbek bei Hamburg 1992, S. 107-124.

[16] Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hg.), Auf dem Weg zur deutschen Einheit I. Deutschlandpolitische Debatten im Deutschen Bundestag vom 28. November 1989 bis zum 8. März 1990 (Zur Sache, 90, 8), Bonn 1990; Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hg.), Auf dem Weg zur deutschen Einheit II. Deutschlandpolitische Debatten im Deutschen Bundestag vom 30. März bis zum 10. Mai 1990 (Zur Sache, 90, 9), Bonn 1990; Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hg.), Auf dem Weg zur deutschen Einheit III. Deutschlandpolitische Debatten im Deutschen Bundestag vom 23. Mai bis zum 21. Juni 1990 mit Beratungen der Volkskammer der DDR zum Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts-, und Sozialunion und zur polnischen Westgrenze (Zur Sache, 90, 12), Bonn 1990.

[17] Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.), Texte zur Deutschlandpolitik. Reihe III, Bd. 7: 4. Januar 1989 – 31. Dezember 1989, Wolfenbüttel 1990; Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.), Texte zur Deutschlandpolitik. Reihe III, Bd. 8a: 10. Januar 1990 – 23. August 1990, Wolfenbüttel 1991; Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hg.), Texte zur Deutschlandpolitik. Reihe III, Bd. 8b: 31. August 1990 – 31. Dezember 1990, Wolfenbüttel 1991.

[18] Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), Deutschland 1989. Dokumentation zu der Berichterstattung über die Ereignisse in der DDR und die deutschlandpolitische Entwicklung, Bonn 1990; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), Deutschland 1990. Dokumentation zu der Berichterstattung über die Ereignisse in der DDR und die deutschlandpolitische Entwicklung, Bonn 1993.

[19] Zu diesem Themengebiet finden sich ausführliche Kapitel in: Schuh, Die SPD, 1997.

[20] Mit diesem Thema befasst sich: Weiden, Das Profil, 1997.

[21] Ash, Im Namen Europas, 1993, S. 458.

[22] Wuthe, Einheit der Nation, 1991, S. 1176.

[23] Bredow/Brocke, Das deutschlandpolitische Konzept, 1986, S. 9; Zitate ebd.; vgl. dazu auch Ash, Im Namen Europas, 1993, S. 465-468.

[24] Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S. 23.

[25] Bredow/Brocke, Das deutschlandpolitische Konzept, 1986, S. 34-38.

[26] So trafen sich zum Beispiel einmal im Jahr Erich Honecker und Hans-Jochen Vogel auf dem Jagdschloss Hubertusstock oder in Ost-Berlin (Ash, Im Namen Europas, 1993, S. 472).

[27] Zu den einzelnen Arbeitsgruppen vgl. Uschner, Die Ostpolitik, 1991, S. 135-140; Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S. 24f.; Bredow/Brocke, Das deutschlandpolitische Konzept, 1986, S. 32-34.

[28] Das Papier wurde erarbeitet von der Grundwertekommission der SPD und der Akademie für Gesellschaftswissenschaften (AFG) des Zentralkomitees der SED und ist abgedruckt in: Brinkel/Rodejohann, Das SPD:SED-Papier, 1988, S. 11-21.

[29] Schuh, Die SPD, 1997, S. 201.

[30] Schwinn (Hg.), Pressedienst, Nr. 241, 15.12.1989.

[31] Brinkel/Rodejohann, SPD:SED-Papier, 1988, S. 28f.; Schwinn (Hg.), Pressedienst, Nr. 241, 15.12.1989.

[32] Interviews mit Bürgerrechtlern, in: bpb/RBB (Hg.), Kontraste; vgl. Ash, Im Namen Europas, 1993, S. 478-480.

[33] Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S. 23.

[34] Ehmke, Mittendrin, 1994, S. 349.

[35] Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S. 25.

[36] Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S. 22.

[37] Bahr-Interview, in: WDR, 12.7.1989; Starrheit ist nicht gleich Stabilität, Bahr-Interview, in: DIE ZEIT, 1.9.1989.

[38] Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S. 28.

[39] Eppler, Plattform, 1990, S. 47.

[40] Fichter, Die SPD, 1992, S. 110.

[41] Ungeachtet der Liberalisierungsentwicklungen in den Ostblockstaaten erreichte die SED bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 98,85 Prozent der Stimmen. Vertreter der Bürgerbewegungen hatten jedoch Wahlfälschungen nachgewiesen, gegen die sie öffentlich demonstrierten.

[42] DPA-Meldung Nr. 92, 5.6.1989; DDP-Meldung Nr. 45, 5.6.1989, AFP-Meldung Nr. 37, 5.6.1989, REU-Meldung Nr. 1800, 5.6.1989.

[43] Ash, Im Namen Europas, 1993, S. 480.

[44] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 68.

[45] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 69f.

[46] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 70.

[47] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 71.

[48] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 71f.

[49] Schuh, Die SPD, 1997, S. 205.

[50] Ash, Im Namen Europas, 1993, S. 481; Ehmke, Mittendrin, 1994, S. 394f.; Vogel, Nachsichten, 1996, S. 282f.

[51] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 165.

[52] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 165.

[53] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 165.

[54] „Spätestens im Frühsommer 1989 wurde denen, die es wissen wollten, klar, daß die DDR auf eine Existenzkrise zusteuerte.“(Groh/Brandt, Gesellen, 1992, S. 327)

[55] „Die Deutschen haben, wie alle Völker, ein Recht auf Selbstbestimmung. Es ist nicht verwirkt, auch nicht durch das, was Deutsche Europa angetan haben.“(BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 161)

[56] Übersiedler sind diejenigen, die mit Genehmigung der ostdeutschen Behörden in die BRD übersiedelten, Flüchtlinge alle anderen (Handbuch, hg. v. Weidenfeld/Korte, 1999, S. 446).

[57] Fichter, Die SPD, 1992, S. 119f.; Zitat ebd., S. 120.

[58] Frau Renger: Finanzieller Druck ist keine Lösung, Renger-Interview, in: Bild, 10.8.1989.

[59] Starrheit ist nicht gleich Stabilität, Bahr-Interview, in: DIE ZEIT, 1.9.1989.

[60] Bahr-Interview, in: WDR, 12.7.1989; Frau Renger: Finanzieller Druck ist keine Lösung, Renger- Interview, in: Bild, 10.8.1989.

[61] Ehmke, Mittendrin, 1994, S. 396; Brandt ist Anfang September ebenfalls der Ansicht, die Politik der kleinen Schritte sei vorbei (vgl. Schuh, Die SPD, 1997, S. 206).

[62] SPD: Jetzt muß Kohl direkt mit Honecker sprechen, Büchler-Interview, in: OZ, 19.8.1989.

[63] Voigt-Interview, in: RIAS 1, 18.8.1989.

[64] Vogel, Nachsichten, 1996, S. 306f.; Der Reformprozeß macht um die DDR keinen Bogen, Brandt-Interview in: HAM, 28.9.1989; Interview mit Jürgen Schmude, dem Präses der Synode der evangelischen Kirche Deutschlands, in: RIAS 1, 16.8.1989; Voigt-Interview in: BBC, 25.9.1989; Engholm: 1 Million Flüchtlinge – wir bekämen Probleme, Engholm-Interview, in: Bild, 4.11.1989.

[65] Jahn (Hg.), Die SPD, Nr. 1930, 22.8.1989.

[66] Vogel, Nachsichten, 1996, S. 289.

[67] Bahr-Interview, in: PPP, Nr. 163, 25.8.1989.

[68] So Vogel, in: BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 342.

[69] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 342.

[70] Vgl. Vogel in: Fuchs (Hg.), Presseservice, Nr. 581, 11.9.1989.

[71] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 348f., 390; Jahn (Hg.), Die SPD, Nr. 2599, 9.11.1989.

[72] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 349.

[73] Handbuch, hg. v. Weidenfeld/Korte, 1999, S. 184. Eine Übersicht der neuen Gruppen und politischen Vereinigungen, die sich bis zur Volkskammerwahl formierten, bietet Korte, Chance, 1994, S. 59, Tabelle 5.

[74] Gansel in: DLF, 15.9.1989 in BPA 89, Bd. 24, S. 64. Gansel war damit einer der wenigen Mutigen aus der „Enkel“-Generation, die angesichts der Übersiedlerwelle ihre Haltung änderten (Fichter, Die SPD, 1992, S. 120).

[75] Ehmke, Mittendrin, 1994, S. 398.

[76] Korte, Chance, 1994, S. 60.

[77] Fuchs (Hg.), Presseservice, Nr. 595, 19.9.1989.

[78] Vogel in: ARD, 15.9.1989; „Lage der DDR ist angespannt und verschärft sich weiter“, Vogel- Interview, in: DIE WELT, 18.9.1989.

[79] Fichter, Die SPD, 1992, S. 121. Ob die Entspannungspolitik letzten Endes negativ bewertet werden muss, bleibt eine offene Frage - schließlich blieb dadurch der Kontakt zum Westen erhalten. Ein leidenschaftliches Plädoyer für ihren Erfolg schreibt Peter Glotz (Glotz, Fichter und Fichte, 1992, S. 125-130).

[80] Vgl. Gansels Aussagen in: SR, 20.9.1989.

[81] So Ehmke in: Jahn (Hg.), Die SPD, Nr. 2144, 20.9.1989. Vgl. auch Vogels Aussage: „Da geschieht jetzt genau das, was im gemeinsamen Streit- und Ideologiepapier gefordert und aufgeschrieben ist, nämlich daß die Menschen diskutieren und ihre eigenen Auffassungen zur Geltung bringen können.“(Fuchs (Hg.), Presseservice, Nr. 636, 10.10.1989)

[82] Fuchs (Hg.), Presseservice, Nr. 600, 21.9.1989; Lafontaine: Weiter mit den Machthabern reden, Lafontaine-Interview, BamS, 24.9.1989; In diesem Sinne spricht sich auch Anke Fuchs aus (in: „Wir erwarten, daß sich die SED bewegt“, Fuchs-Interview, in: Mannheimer Morgen, 11.10.1989).

[83] Lafontaine: Ein Gespenst geht um, in: SZ, 7.10.1989; vgl. auch: „Die Idee der Freiheit wird sich in der DDR durchsetzen“, Lafontaine-Interview, SZ, 7.10.1989.

[84] Vgl. Bahr lobt die Rolle Bonns in DDR-Krise, Bahr-Interview, in: NP, 22.9.1989.

[85] Obwohl die Entschließung vom 18. September ausdrücklich die Erfolge würdigt (vgl. Vogel, Nachsichten, 1996, S. 288).

[86] Ash, Im Namen Europas, 1993, S. 482f.; Zitate ebd.

[87] Spöri-Interview, in: DLF, 28.9.1989.

[88] Jarausch, Die unverhoffte Einheit, 1995, S. 64.

[89] Gründungsurkunde, Vorstandsmitglieder und Grundpositionen des Parteiprogramms finden sich in: BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 278-280.

[90] „Wichtig ist, daß sich der Reformdruck in der Bevölkerung der DDR und in Teilen der SED endlich in der Spitze der Staatspartei durchsetzt. Denn die SED hat in der DDR tatsächlich die Macht, und sie wird sie in absehbarer Zeit behalten.“(DDR muß dritten Weg gehen, Momper-Interview, in: TAZ, 30.8.1989)

[91] DDR muß dritten Weg gehen, Momper-Interview, in: TAZ, 30.8.1989.

[92] Fuchs (Hg.), Presseservice, Nr. 631, 8.10.1989.

[93] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 338.

[94] SPD-Büchler: „Drüben sehr schnell neue Führung“, Büchler-Interview, in: Bild, 10.10.89.

[95] „Sie sind der SPD sehr willkommen“, Bahr-Interview, in: Abendzeitung, 9.10.1989; Fuchs (Hg.), Presseservice, Nr. 636, 10.10.1989.

[96] „Immer daran denken, aber nicht davon reden“, Bahr-Interview, in: HS, 10.10.1989; Kommunistische Parteien im historischen Prozeß, Bahr-Interview, in: AAZ, 10.10.1989.

[97] Nicht zuletzt anlässlich Honeckers Rede zum 40-jährigen Gründungstag der DDR, vgl. Vogel in: Genscher rechnet mit Ausreise – Erleichterungen, in: WamS, 8.10.1989.

[98] Kohl dagegen hatte „seit seinem Amtsantritt [...] die Freiheit als den Kern der deutschen Frage bezeichnet. In seinem Bericht zur Lage der Nation sagte der: »Und darin liegt ja das eigentliche Problem der deutschen und europäischen Teilung: in der Verweigerung von Freiheit und Selbstbestimmung für die Menschen in Mittel- und Osteuropa.«“(Korte, Chance, 1994, S. 215)

[99] Korte, Chance, 1994, S. 215.

[100] Brandt, „Es ist nicht ewig zu trennen, was doch zusammen gehört“, in: Bild, 21.9.1989.

[101] Wiedervereinigung: Bahr sieht Wende in der US-Politik, in: FT, 23.9.1989; „Die Deutsche Frage ist offen“, Eppler-Interview, in: Stern, Nr. 40, 28.9.1989.

[102] Brandt, „Es ist nicht ewig zu trennen, was doch zusammen gehört“, in: Bild, 21.9.1989.

[103] Starrheit ist nicht gleich Stabilität, Bahr-Interview, in: DIE ZEIT, 1.9.1989; so Vogel im Bundestag am 8.11.1989, in: BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 345; „Ich bin strikt gegen jede Wiedervereinigungs-Rhetorik“, Momper-Interview, in: NP, 29.8.1989; Warnung vor Nationalismus, Ehmke-Interview, in: BN, 31.10.1989. Noch am 31.10. erklärte auch Oskar Lafontaine, die deutsche Frage wäre im Moment nicht aktuell (Lafontaine-Interview, in: ARD, 31.10.1989).

[104] Schwinn (Hg.), Pressedienst, Nr. 183, 22.9.1989 (Beschluss des Vorstands); Dass allerdings die Formel von der „Einheit der Nation“ nicht notwendigerweise auf die Schaffung eines einheitlichen Nationalstaates zielte, hatte die SPD bereits in ihren Thesen zur Deutschlandpolitik von 1984 unterstrichen (Jäger, Die Überwindung, 1998, S. 145).

[105] Zum (historisch) schwierigen Verhältnis der deutschen Sozialdemokratie zur Rolle des Staates vgl. Müller, Das Berliner Programm, 1990, S. 55-57; Bredow, Zwei deutsche Staaten, 1993, S. 108f.

[106] Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S.36.

[107] Auch der SPD ging es nie darum, den Antagonismus der beiden Systeme zu leugnen, sondern durch den Dialog eine Reformdynamik in der DDR freizusetzen (Groh/Brandt, Gesellen, 1992, S. 326).

[108] Jarausch, Die unverhoffte Einheit, 1995, S. 52; Korte, Chance, 1994, S. 65.

[109] Winters, Mauer und Stacheldraht trennen nicht mehr, in: FAZ, 11.11.1989.

[110] Vgl. Jäger, Die Überwindung, 1998, S. 151. Nach Jäger (Die Überwindung, 1998, Fußnoten 112- 115) berichtet nur eine Zeitung davon. Nach eigenen Recherchen (siehe Fußnote 82) berichtet dies aber auch noch die FAZ.

[111] Vgl. hierzu auch die Regierungserklärung von Johannes Rau in Nordrhein-Westfalen vom 14.11.1989: „Die Spaltung Europas und die Teilung Deutschlands als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges überwinden zu helfen – das war das Thema, das mich zur Politik gebracht hat. Es hat mich seither nicht losgelassen.“(PIB (Hg.), Deutschland 1989, Bd. 14, 1990, S. 477-496)

[112] Dohnanyi, Wiedervereinigung: Konflikt zwischen Kopf und Bauch?, in: Stern, Nr. 47, 16.11.1989; Rosenbaum, SPD denkt um: „Wiedervereinigung von unten“ hat begonnen, in: Bild, 16.11.1989.

[113] Jaenecke, Gebt der DDR eine Chance, in: Stern, Nr. 48, 23.9.1989.

[114] Lafontaine, „Das Gespenst des Vierten Reiches“, in: Der Spiegel, Nr. 39, 25.9.1989.

[115] Zum Begriff der Nation vgl. Handbuch, hg. v. Weidenfeld/Korte, 1999, S. 572ff.; zu Lafontaines Vorstellung von der Nation vgl. Lafontaine, Deutsche Wahrheiten, 1990, S. 123-147, 185-215; vgl. auch Lafontaines Äußerung: „Deutscher Patriotismus ist immer auch europäisch und hat nichts mit nationaler Beschränktheit zu tun“, in: Loose: „Das Weggehen aus der DDR nicht prämiieren“, in: GA, 27. 1.1989).

[116] „Die linke Angst vor einem neuvereinigten Deutschland hat freilich nicht nur generationsspezifische Ursachen. Denn seit der freiwilligen Übergabe der politischen Macht an Adolf Hitler im Januar 1933 ist das Urvertrauen der deutschen Linken in die demokratische Kultur unseres Landes stark gestört. Große Teile der deutschen Linken in und jenseits der SPD [...] mißtrauen, nicht zuletzt angesichts der kampflosen Kapitulation der deutschen Arbeiterbewegung vor der braunen Barbarei, auch der eigenen Politik- und Aktionsfähigkeit in der Krise.“(Fichter, Die SPD, 1992, S. 120)

[117] Lösche, „Anarchie“, 1993, S. 42.

[118] Fuchs (Hg.), Presseservice, o. Nr., 11.11.1989.

[119] Fuchs (Hg.): Presseservice, o. Nr., 11.11.1989.

[120] Dohnanyi, Wagnis, 1990, S. 136, 140.

[121] Dohnanyi, Wagnis, 1990, S. 136, 139-141.

[122] Bredow/Brocke, Das deutschlandpolitische Konzept, 1986, S. 86.

[123] Bahr, Deutschlandpolitik, 1993, S. 36.

[124] Jaenecke, Gebt der DDR eine Chance, in: Stern, Nr. 48, 23.9.1989.

[125] Dohnanyi, Wiedervereinigung: Konflikt zwischen Kopf und Bauch?, in: Stern, Nr. 47, 16.9.1989.

[126] Fichter, Die SPD, 1992, S. 107. Zum Verhältnis der Sozialdemokratischen Partei und der nationalen Frage in historischer Hinsicht vgl. ebd., S. 107-112.

[127] Fichter, Die SPD, 1992, S. 111; Zitat ebd.

[128] Fichter, Die SPD, 1992, S. 111; Zitate ebd.

[129] Jarausch, Die unverhoffte Einheit, 1995, S. 53, 106.

[130] Fichter, Die SPD, 1992, S. 120.

[131] Ehmke, Mittendrin, 1994, S. 404f.

[132] BfiB (Hg.), Texte Bd. 7, 1990, S. 75-81.

[133] Ehmke, Mittendrin, 1994, S. 404; Schwinn (Hg.), Pressedienst, Nr. 223, 20.11.1989.

[134] BT (Hg.), Weg zur Einheit I, 1990, S. 82.

Fin de l'extrait de 125 pages

Résumé des informations

Titre
Die SPD und die Wiedervereinigung 1989/90
Université
University of Regensburg  (Institut für neuere und neueste Geschichte)
Cours
Die Wiedervereinigung 1989/90
Note
1,00
Auteur
Année
2005
Pages
125
N° de catalogue
V115468
ISBN (ebook)
9783640169856
Taille d'un fichier
899 KB
Langue
allemand
Mots clés
Wiedervereinigung
Citation du texte
Daniel Eckert (Auteur), 2005, Die SPD und die Wiedervereinigung 1989/90, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115468

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