Kultur und Agilität. Auswirkungen und Einflüsse des kulturellen Hintergrundes auf das agile Arbeiten anhand der deutsch-polnischen Zusammenarbeit


Tesis de Máster, 2021

232 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Kurzfassung

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung der Arbeit
1.2 Forschungsfragen der Arbeit
1.3 Thesen
1.4 Methodische Vorgehensweise und Struktur der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 Kultur
2.1.2 Agilität
2.2 Dimensionen der Kulturen
2.2.1 Kulturdimensionen nach Hofstede
2.2.2 Kulturdimensionen nach Hall
2.2.3 Kulturdimensionen nach Trompenaars
2.3 Empirie der Kulturen
2.3.1 Deutsche Kultur
2.3.2 Polnische Kultur
2.3.3 Zentrale Unterschiede der Kulturen
2.4 Agile Methoden
2.4.1 Kanban
2.4.2 Scrum
2.4.3 Scaled Agile Framework (SAFe)
2.4.4 Large Scale Scrum (LeSS)

3 Empirische Untersuchung
3.1 Ziel und Zielgruppe der Untersuchung
3.2 Umfragedesign und Durchführung der Untersuchung
3.2.1 Umfragetool
3.2.2 Pretest
3.2.3 Auswahl der Probanden
3.2.4 Vorgehensweise der Befragung

4 Untersuchungsergebnisse
4.1 Ergebnisse der Rücklaufstatistik
4.2 Auswertung der Datenerhebung
4.3 Interpretation der Ergebnisse
4.3.1 Einstellung zur Agilität der Gesamtteilnehmenden
4.3.2 Einstellung zur Agilität der Kulturen und Sprachauswahl
4.3.3 Einstellung zur Agilität nach Altersgruppen
4.3.4 Einstellung zur Agilität der Kulturen
4.3.5 Bevorzugte agile Methode der Kulturen
4.3.6 Vergleich bevorzugter agiler Methoden nach Altersgruppen
4.3.7 Angewandte Methoden in den Kulturen
4.3.8 Einstellung zur Selbstorganisation der Kulturen
4.3.9 Einstellung zur Selbstorganisation nach Altersgruppen
4.3.10 Einstellung zur Agilität der Kulturen abhängig vom Bildungsgrad...
4.3.11 Aussagen zur Bedeutung der agilen Methoden
4.3.12 Kulturen innerhalb der Teams in der Zusammenarbeit
4.3.13 Geeignete Kulturen für agiles Arbeiten
4.3.14 Unterschiede im agilen Arbeiten in verschiedenen Kulturen

5 Fazit
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Erkenntnisse aus der Untersuchung
5.3 Ausblick

Quellenverzeichnis

Anhänge

Kurzfassung

Organisationen setzen zunehmend auf agile Arbeitsmethoden. Diese erfordern ein be­stimmtes Mindset. Wie entsteht dieses und welche Rolle spielt dabei kulturelle Provenienz? Diese Master-Thesis beleuchtet, am Beispiel der deutsch-polnischen Zusammenarbeit, Ein­flüsse des kulturellen Hintergrundes auf das agile Arbeiten. Es soll untersucht werden, ob und wodurch Ethnie das agile Arbeiten beeinflusst. Um die Forschungsfrage zu beantwor­ten, wurden beide Kulturen theoretisch und durch eine quantitative Online-Befragung er­forscht. Die Studie hat sich, unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrundes, mit der Einstellung zur Agilität und zur Selbstorganisation sowie den angewandten und bevorzugten agilen Methoden befasst. Die Mehrheit der Probanden bevorzugt selbstorganisiertes Arbei­ten. Die Vermutung der Autorin, dass die polnische Kultur weniger als die deutsche für agile Arbeitsmethoden geeignet sei, wird in der Theorie von führenden Kulturwissenschaftlern gestützt. Dieses Ergebnis bildet sich auch in der vorliegenden Umfrage ab. Dennoch sind die Probanden beider Kulturen ähnlich stark an Agilität interessiert. Unterschiede finden sich in der bevorzugten Methodik. Während deutsche Probanden Scrum und Kanban gleich häu­fig wählen, bevorzugen die polnischen Teilnehmenden Scrum.

Abstract

Organizations are relying increasingly on agile working methods. These require a certain mindset. How does this emerge and what role does cultural provenance play? This master thesis illuminates influences of the cultural background on agile working using the example of German-Polish cooperation. The aim is to examine whether and by what means the cul­tural background influences agile working. To answer the question, both cultures were ex­amined theoretically and through a quantitative online survey. The study dealt in particular with attitudes towards agility and self-organization, the applied and preferred agile methods taking into account the cultural background. The majority of test persons prefers self-orga­nized work. The author's assumption that Polish culture is less suitable than German culture for agile working methods is supported in theory by leading cultural scientists. This result is also reflected in the present survey. Nevertheless, the respondents of both cultures are sim­ilarly interested in agility. Differences are found in the preferred methodology. While German respondents choose Scrum and Kanban with equal frequency, the Polish prefer Scrum.

Keywords: Agile, Agility, Culture, Scrum, Kanban, Culture dimensions, Scaled Agile Frame­work, Large Scale Scrum, agile Methods, Project Management, Cultural differences, Poland, Germany.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit

Abbildung 2: Drei Säulen der Kultur

Abbildung 3: “Manifestation von Kultur auf verschiedenen Tiefenebenen“

Abbildung 4: AGIL-Schema

Abbildung 5: Kulturdimensionen nach Hofstede

Abbildung 6: Beispiel Kanban Board

Abbildung 7: Scrum-Prozess

Abbildung 8: Drei Säulen des Scrum Rahmens

Abbildung 9: SAFe Big Picture 5.0 in seiner kompletten Ausbaustufe Full SAFe

Abbildung 10: Reiter Overview SAFe Big Picture 5.0

Abbildung 11: LeSS-Gesamtbild

Abbildung 12: Zehn Prinzipien von LeSS

Abbildung 13: LeSS-Framework

Abbildung 14: LeSS-Huge-Framework

Abbildung 15: Rücklauf-Statistik

Abbildung 16: Rücklauf im Zeitverlauf

Abbildung 17: Einzelstatistik zu Ausstiegsseiten

Abbildung 18: Einstellung zur Agilität nach Altersgruppen

Abbildung 19: Vergleich der Kulturen und Einstellung zur Agilität

Abbildung 20: Vergleich bevorzugter agiler Methoden

Abbildung 21: Vergleich der Kulturen und Einstellung zur Selbstorganisation

Abbildung 22: Einstellung zur Selbstorganisation nach Altersgruppen

Abbildung 23: Einstellung deutscher Probanden zur Agilität nach Bildungsgrad

Abbildung 24: Einstellung polnischer Probanden zur Agilität nach Bildungsgrad

Abbildung 25: Einstellung sonstige Probanden zur Agilität nach Bildungsgrad

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Disparität von Gesellschaften mit geringer und großer Machtdistanz - II. Arbeitsplatz

Tabelle 2: Disparität von kollektivistischen und individualistischen Gesellschaften - I. Allgemeine Norm und Familie

Tabelle 3: Disparität von femininen und maskulinen Gesellschaften - I: Allgemeine Norm und Familie

Tabelle 4: Disparität von Gesellschaften mit schwacher und starker Unsicherheitsvermeidung - I. Allgemeine Norm und Familie

Tabelle 5: Disparität von Gesellschaften mit Kurz- und Langzeitorientierung auf Basis von Daten aus der CVS: Allgemeine Norm und Familie

Tabelle 6: Disparität von genussfreudigen und zurückhaltenden Gesellschaften - I: Allgemeine Norm, persönliche Gefühle und Gesundheit

Tabelle 7: Vergleich monochroner und polychroner Kulturen

Tabelle 8: Vergleich zentraler Kulturstandards Deutschland vs. Polen

Tabelle 9: Vergleich der Kulturen nach den Dimensionen von Hofstede

Tabelle 10: Kanban-Prinzip

Tabelle 11: Rollen und Verantwortlichkeiten Scrum Methode

Tabelle 12: Einstellung zur Agilität der Gesamtteilnehmenden

Tabelle 13: Gesamtteilnehmende nach Sprachauswahl gegliedert

Tabelle 14: Vergleich der Kulturen nach Altersgruppen

Tabelle 15: Angewandte Methoden

Tabelle 16: Bedeutung agiler Methoden

Tabelle 17: Zusammenstellung der Teams

Tabelle 18: Vergleich geeigneter Kultur für agiles Arbeiten

Tabelle 19: Unterschiede im agilen Arbeiten in den Kulturen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Die Inspiration zur vorliegenden Master-Thesis, mit dem Thema „Kultur und Agilität - Aus­wirkungen und Einflüsse des kulturellen Hintergrundes auf das agile Arbeiten am Beispiel der deutsch-polnischen Zusammenarbeit“, waren persönliche Erfahrungen im Rahmen mei­ner Arbeit als Agile Coach in einem deutsch-polnischen Entwicklungsteam.

Zuallererst möchte ich mich bei Herrn Hans-Jürgen Neumann für seine Betreuung dieser Arbeit und die anregenden Gespräche bedanken. Des Weiteren möchte ich mich bei Frau Tanja Jazbec-Plevanc bedanken, die mir während des Studiums bei organisatorischen Fra­gestellungen weitergeholfen hat.

Als berufstätige Studentin in Vollzeit arbeitend, war es nicht immer einfach meiner Rolle als alleinerziehende Mutter gerecht zu werden. Daher gilt mein größter Dank meinem zehn Jahre alten Sohn Silas und meiner sieben Jahre alten Tochter Merle, die auf viel Mama-Zeit verzichten mussten.

Ein besonderer Dank gilt allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Umfrage, ohne die ich diese Thesis nicht hätte erstellen können. Ebenfalls möchte ich mich bei meinem Kom­militonen, Herrn Ahmad Masrieh, für zahlreichen Debatten bedanken, die zu maßgeblichen Ideen beigetragen haben, sodass mein Studium in dieser Form gelingen konnte. Außerdem bedanke ich mich bei Herrn Mateusz Klimek für die Übersetzung meiner Umfrage ins Polni­sche und bei Herrn Tomasz Nocny für die Verteilung meiner Befragung in Polen.

1 Einleitung

Agilität und agiles Arbeiten nehmen weiterhin an Bedeutung zu. Zahlreiche Unternehmen stellen ihre Prozesse auf agile Arbeitsweisen um. Um von Agilität und agilen Arbeitsweisen zu profitieren, ist es erforderlich zu verstehen, was Agilität bedeutet, welche agilen Metho­den existieren und für wen diese geeignet sind. In der Vergangenheit haben sich zahlreiche Forscher mit den Vorteilen von Arbeitsteams kulturell disparater Zusammensetzung befasst. Durch eine Vielzahl an Analysen, welche in den letzten Jahrzehnten durchgeführt wurden, wird heute jedoch deutlich, dass die interkulturelle Zusammenarbeit in Teams sowohl Vor­teile als auch Nachteile mit sich bringt. Während transnational aufgestellte agile Teams auf der einen Seite in der Lage sein können, kreative Lösungen durch Synergieeffekte zu ent­wickeln, bergen sie andererseits ein hohes Konfliktpotenzial.1 In kulturell unterschiedlichen Teams ist es weitaus schwieriger Vertrauen aufzubauen.2 Kulturen haben jeweils ihre ei­gene erlernte kulturelle Prägung, welche konsekutiv für wiederkehrende Situationen oder Entscheidungen herangezogen wird. Selbstorganisiertes Arbeiten oder die Art und Weise der Kommunikation wird im eigenen Kulturkontext und damit verbunden auf eine bestimmte Art und Weise angeeignet und angewendet. Die Kommunikation zwischen den Kulturen führt zu Missverständnissen und zur Vertrauensfrage. In diesem Zusammenhang wird dem kulturellen Unterschied ein hoher Stellenwert beigemessen.3

Der grundsätzliche Einfluss soziokultureller Aspekte auf das agile Arbeiten ist eine Frage­stellung, die bisher relativ wenig erforscht wurde, bzw. weiterhin noch viele Fragen offen lässt. Das Thema Kultur (im Sinne von Ethnie) und Agilität ist kaum präsent in der wissen­schaftlichen Gemeinschaft. Dem entsprechend ist die Quellenlage. Viel häufiger wird auf die Kultur einer Organisation respektive Unternehmenskultur eingegangen und deren Einfluss auf agiles Projektmanagement und entsprechende Techniken. Wissenschaftliche Instanzen wie Hofstede, Hall und Trompenaars, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte die Stan­dards von Kultur und deren Dimensionen beleuchtet haben, weisen uns den Weg. Sie haben eine wissenschaftliche Basis geschaffen, von der aus agiles Projektmanagement sich wei­terentwickeln und auf neue Ebenen transferiert werden kann, um künftigen Herausforderun­gen gerecht zu werden. In Zeiten von Globalisierung, zunehmender Mobilität und Migration wird es umso wichtiger, den Einfluss von Ethnie, mit seiner spezifischen Sozialisation und Prägung des Individuums, auf die Interaktion im Management zu erkennen.

Der Autorin ist unklar, ob die kulturellen Hintergründe Auswirkungen und Einflüsse auf he­terogene agile Teams haben und ob dadurch die Arbeitsergebnisse beeinflusst werden. Um sich dieser Frage zu nähern, hat sich die Verfasserin entschieden, in ihrer Master-Thesis dieses Forschungsfeld näher zu analysieren. Betrachtet werden deutsche und polnische Anwender, die im agilen Umfeld und in gemischten Teams beschäftigt werden. Die Unter­suchung erfolgt nicht branchen- und geschlechterspezifisch. Die Verfasserin ist beruflich gut vernetzt und hat Kontakte nach Polen in ein Competence Center ihres international agie­renden Arbeitgebers, in dem agile Methoden Anwendung finden. Darüber hinaus besteht die Verbindung zu einem Technologiehersteller in Warschau, der ebenfalls die agilen Me­thoden anwendet. Zudem befinden sich polnische Arbeitskollegen und Entwickler im Netz­werk der Verfasserin.

1.1 Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel der Arbeit besteht darin, herauszufinden, in welcher Weise sich der kulturelle Hin­tergrund auf das agile Arbeiten auswirkt. Es soll, am Beispiel eines deutsch-polnischen Ver­gleiches, erforscht werden, ob es Methoden gibt, welche kulturspezifisch bevorzugt werden oder geeigneter erscheinen, den jeweiligen Einstellungen im agilen Arbeitsumfeld und damit einhergehend den Erfordernissen im Projektmanagement gerecht zu werden. Darüber hin­aus soll analysiert werden, ob Zusammenhänge zwischen der Einstellung zur Agilität und dem kulturellen Hintergrund bestehen oder ob Alter oder Bildungsgrad die Einstellung zum agilen Arbeiten und zur Selbstorganisation beeinflussen. In der Folge wird die Möglichkeit geprüft, ein Modell zu entwickeln, welches die Affinität deutscher und polnischer Anwender zu den agilen Methoden, unter Berücksichtigung der kulturellen Hintergründe, des Alters und des Bildungsgrades, darstellen könnte.

1.2 Forschungsfragen der Arbeit

Unter dem Arbeitstitel „Kultur und Agilität - Auswirkungen und Einflüsse des kulturellen Hin­tergrundes auf das agile Arbeiten am Beispiel der deutsch-polnischen Zusammenarbeit“ lautet die Hauptfragestellung für die vorliegende Forschungsarbeit: Beeinflusst der kulturelle Hintergrund das agile Arbeiten?

Mit der Fragestellung werden nachfolgende Fragen verknüpft:

- Wodurch beeinflusst der kulturelle Hintergrund die agile Arbeit?
- Welche agilen Methoden werden durch die erforschten Kulturen bevorzugt?
- Was halten die erforschten Kulturen von Selbstorganisation?
- Beeinflusst das Alter die Einstellung zum agilen Arbeiten?
- Beeinflusst der Bildungsgrad die Einstellung zum agilen Arbeiten?

Die Master-Thesis soll mit der Beantwortung der Fragestellungen folgende Ergebnisse lie­fern:

- Eine Aussage darüber, ob und inwieweit der kulturelle Hintergrund die Einstellung zum agilen Arbeiten und das Arbeiten mit agilen Methoden an sich beeinflusst. Und im Umkehrschluss, ob die eine oder andere Kultur, den Wirkungsgrad agiler Metho­dik unterstützt oder eher hemmt, bzw. besser oder schlechter geeignet ist für den Einsatz von Agilität.
- Informationen darüber, inwiefern die in dieser Arbeit zur Auswahl gestellten agilen Arbeitsmethoden bevorzugt werden oder ob andere Arbeitsmethoden favorisiert werden.
- Transparenz über die Einstellung zu selbstorganisiertem Arbeiten der deutschen und polnischen Kultur. Zudem, ob der Bildungsgrad sowie das Alter eine Rolle bei der Einstellung zu agilem Arbeiten spielen.

1.3 Thesen

In diesem Kapitel werden die Thesen zur Arbeit wiedergegeben.

These 1: Die polnische Kultur ist weniger für das agile Arbeiten und das Umsetzen von agilen Methoden geeignet, da in dieser Kultur starkes hierarchisches Denken und Handeln Bestandteil der Arbeit sind.

These 2: Insbesondere Scrum ist möglicherweise nicht die geeignetste Methode für die pol­nische Kultur, da eine der Prämissen von Scrum eine offene Feedbackkultur ist. Polen scheuen sich Feedback zu geben.

These 3: Der Erfolgsfaktor Selbstorganisation wird von der deutschen Kultur deutlich eher angenommen als von der polnischen Kultur. Die Polen folgen hierarchischen Strukturen und brauchen eine Führung.

1.4 Methodische Vorgehensweise und Struktur der Arbeit

Die Arbeit ist in fünfKapitel aufgegliedert und wird in nachfolgender Abbildung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit

Kapitel 1: In der Einleitungwird die Zielsetzung der Arbeit beschrieben, die Thesen und die Fragestellungen dargelegt. Des Weiteren werdendie methodische Vorgehensweise und die Struktur der Arbeit vorgestellt.

Kapitel 2: Im zweiten Kapitel werden die wesentlichen Begrifflichkeiten definiert und Kultur­dimensionen betrachtet. Im Anschluss wird die deutsche und die polnische Kultur näher beleuchtet, um einen entsprechenden Überblick zum einen und Einblicke in kulturspezifi­sche Eigenheiten zum anderen zu gewähren. Dann werden die zentralen Merkmale und Unterschiede der erforschten Kulturen aufgezeigt. Zuletzt werden die ausgewählten agilen Methoden beschrieben.

Kapitel 3: Im dritten Kapitel wird eine Transparenz darüber erzeugt, wie die empirische Un­tersuchung vorbereitet, entwickelt und eingesetzt wurde.

Kapitel 4: Dieses Kapitelstellt die Untersuchungsergebnisse sowie ihre Interpretationen dar. Die erworbenen Daten werden inklusive der Auswertungsergebnisse dargelegt und erläu­tert.

Kapitel 5: Das letzte Kapitel beinhaltet die Zusammenfassung der Arbeit. Es wird beschrie­ben, ob die zu Beginn aufgeführten Thesen widerlegt oder belegt wurden. Ferner wird die Forschungsfrage beantwortet. Es werden die gewonnen Erkenntnisse aus der Untersu­chung aufgezeigt. Schließlich folgt ein Ausblick darüber, welche tieferen Untersuchungen in weiterführenden Forschungen vorgenommen werden könnten.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Begriffsdefinitionen

Umein einheitliches Verständnis der Begriffe, die den Kern dieser Arbeit bilden, zu gewähr­leisten, werden zunächst die definitorischen Grundlagen des Begriffes Kultur erläutert. Es folgtdie Agilität, welchein diesem Zusammenhang mit dem Begriff „agil“gleichgesetztwird.

2.1.1 Kultur

Zum Begriff Kultur finden sich in der Literatur zahlreiche Definitionen. Bereits in den fünfziger Jahren gab es eine Menge unterschiedlicher Begriffsbestimmungen dazu. Podsiadlowski ist der Meinung, dass die am häufigsten zitierte Definition von den Autoren Kroeber und Kluck- hohn stammt.4 Kroeber und Kluckhohn definieren Kultur als Verhaltensmuster, die die un- verwechselbarenLeistungenundCharakterevon Menschengruppen darstellen. Als wesent­lichen Kern der Kultur bezeichnen sie die traditionellen Ideen, die historisch hergeleitet und ausgewählt wurden und diedamit verbundenen Werte.5

Die aus dem 18. Jahrhundert herausgebildete und bis heute noch im Alltag anzutreffende Kulturauffassung in Deutschland besagt, dass Kultur sich in Bildung, einem gepflegtem Äu­ßeren und Sinn für geschmackvolle Kleidung sowie Interesse für klassische Musik und Kunst zeigt. Zudem zählt die Fähigkeit, an geistig anspruchsvollen Gesprächen in Bezug auf die Entwicklung des Weltgeschehens und der Sinnhaftigkeit des Lebens, teilzunehmen. Der auf die geistigen Werte reduzierte Begriff, wurde im Rahmen einer auf wissenschaftli­cher und politischer Ebene geführten Diskussion im 20. Jahrhundert durch einen weiteren Kulturbegriff abgelöst. Der neue Kulturbegriff beinhaltete, zusätzlich zu den geistigen Wer­ten, alle Formen von Kreativität und Lebensweisheiten des Alltags. Dies reichte den Vertre­tern der jungen Staaten allerdings nicht. Sie fordertenvon derUNESCO, nach dem Zusam­menbruch des Kolonialsystems, die Integration der gesellschaftlichen Leistungen. Der Kul­turbegriff wurde um die imposanten historischen Bauwerke und Errungenschaften, wie Tem­pel oder Pyramiden sowie das jeweils überlassene schriftliche geistige Erbe erweitert. In der vom 26. Juli bis 06. August 1982 in Mexiko-Stadt veranstalteten internationalen Weltkonfe­renz Mondiacult, wurde eine gemeinschaftliche Definition zum Kulturbegriff verabschiedet.6 Darin heißt es: „Therefore, expressing trust in the ultimate convergence of the cultural and spiritual goals of mankind, the Conference agrees: that in its widest sense, culture may now be said to be the whole complex of distinctive spiritual, material, intellectual and emotional features that characterize a society or social group. It includes not only the arts and letters, but also modes of life, the fundamental rights of the human being, value systems, traditions and believes; that it is culture that gives man the ability to reflect upon himself. It is culture that makes us specifically human, rational beings. endowed with a critical judgement and a sense of moral commitment. It Is through culture that we discern values and make choices. It is through culture that man expresses himself, becomes aware of himself, recognizes his incompleteness, questions his own achievements, seeks untiringly for new meanings and creates works through which he transcends his limitations.” Darüber hinaus hielten sie fest, dass es die Kultur ist, die dem Menschen die Fähigkeit gibt, auf sich selbst zurückzugreifen. Es ist die Kultur, die den Menschen zu einem spezifischen, menschlichen und rationalen Wesen macht, das mit einem kritischen Urteilsvermögen und einem Sinn für moralische Verpflichtung ausgestattet ist. Es ist die Kultur, die Werte erkennen und Entscheidungen treffen lässt. Durch die Kultur drückt sich der Mensch aus, wird er sich seiner selbst bewusst, erkennt er seine Unvollständigkeit, stellt er seine eigenen Errungenschaften in Frage, sucht er unermüdlich nach neuen Bedeutungen und schafft er Werke, durch die er seine Grenzen überschreitet.7

Die Erweiterung des Kulturbegriffes ermöglichte andere Betrachtungsweisen und durch Kul­turvergleiche das Erforschen übergreifender Strukturen der unterschiedlichsten Kulturen in der Welt.8 Podsiadlowski ist der Meinung, dass die Kultur unser Denken, Fühlen und unser Verhalten beeinflusst und unsere Einstellungen, Überzeugungen und Werte kulturell ge­prägt sind. Kultur baut auf drei Säulen auf.9 Hall ist der Meinung, dass die Kultur eine Reihe von situativen Verhaltens- und Denkmodellen darstellt.10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Drei Säulen der Kultur11

Werte: Stellen die Einstellung einer Person oder einer Gruppe dar, also das was für richtig und gut gehalten wird und wie sich jemand im Umgang mit anderen, sei es auf der Arbeit oder zu Hause, verhalten soll.

Normen: Bilden die Rollen und Regeln, die das Funktionieren einer Gruppe und die Zuge­hörigkeit einer Person innerhalb der Gruppe sicherstellen. Diese Rollen und Regeln wer­den bereits in der frühen Kindheit im Elternhaus, in der Schule oder durch die Kirche erlernt.

Symbole: Verdeutlichen die Unterschiede zwischen den Kulturen. Sie äußern sich durch die Art der Kleidung, das Essen, die Musik und die Rituale wie beispielsweise die Begrüßungs- form. 12

Für Hofstede ist Kultur ein mentales Programm. Er teilt Podsiadlowskis Meinung, dass die Handlungsmuster des Individuums in der frühen Kindheit entstehen. In dieser Zeit ist der Mensch am empfänglichsten für das Antrainieren von Verhaltens- und Lernprozessen. Es ist eine Art „mentale Programmierung“ im Kopf, welche maßgeblich abhängig ist vom Um­feld, in dem ein Individuum aufwächst. Um etwas anderes zu lernen, muss zunächst das
verfestigte „Programm“ abgelegt werden.13 Hofstede unterteilt die Kultur in die Ebenen Sym­bole, Helden, Rituale und Werte, die er in einem Zwiebeldiagramm visualisiert. Symbole bilden die äußerste Schicht der Zwiebel. Danach kommen die Helden, die Rituale und schließlich die Werte, die den Kern der Zwiebel darstellen.14

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: “Manifestation von Kultur auf verschiedenen Tiefenebenen“15

Symbole: Symbole sind Worte, Gesten und Bilder, deren Bedeutung nur von denen als sol­che verstanden werden, die der gleichen Kultur entstammen.

Helden: Helden sind Personen, die aufgrund ihrer Eigenschaften, die in der Kultur hoch angesehen werden, als Vorbilder betrachtet werden.

Rituale: Rituale sind kollektive Handlungen, die man in bestimmten Situationen ausführt. Diese können Gruß-Formen oder religiöse Zusammenkünfte sein. Rituale können gleichzei­tig als Image eines Landes betrachtet werden, die ein typisches Ländermerkmal darstellen.

Werte: Werte bezeichnen spezifische Tendenzen, bestimmte Umstände anderen vorzuzie­hen („gut-böse, schmutzig-sauber, erlaubt-verboten“, etc.). Sie werden früh erworben, dabei als wichtige Informationen aus dem Umfeld aufgenommen und entsprechend kategorisiert.16

You can't shed Culture - Du kannst Kultur nicht abstreifen, sagt Hall. Er ist der Auffassung, dass, wie sehr sich der Mensch auch bemüht, es ihm unmöglich ist, seine Kultur abzulegen. Die Kultur dringt bis zu den Wurzeln des Nervensystems vor und determiniert die individuelle Perzeption der Umwelt. Der größte Teil der verinnerlichten Kultur liegt verborgen und au­ßerhalb bewusster Kontrolle. Sie bildet „Kett- und Schussfaden“, also die Grundstruktur menschlicher Existenz. Auch wenn kleine Fragmente von Kultur bis auf Bewusstseinsebene gelangen, so ist es doch schwierig, diese zu ändern. Nicht nur weil sie persönlichen Erfah­rungen entsprechen, sondern weil Menschen nicht in der Lage sind, bedeutungsvoll zu agie­ren oder interagieren, außer durch das Medium der Kultur.17

2.1.2 Agilität

Der Begriff Agilität ist heute mehr denn je in aller Munde, obschon er bereits in den fünfziger Jahren in der Systemtheorie von Organisationen auftauchte. Eine endgültige Definition hat sich jedoch bisher nicht durchgesetzt.18 Das Wort Agilität stammt aus dem Lateinischen. „Agilitas“ bedeutet Gewandtheit oderWendigkeit.19 Es steht für die Eigenschaft agil zu sein und wird mit den Begriffen Beweglichkeit und Wendigkeit synonym verwendet.20 Der Begriff „agil“ taucht in der Wissenschaft erstmals 1953 als Terminus eines systemtheoretischen Modells im Bereich der Soziologie auf, wird jedoch nicht primär aus „agilitas“ abgeleitet.Der US-amerikanische SoziologeParsonshatseinPhasenmodell„AGIL“ veröffentlicht,mitdem er Sozialsysteme als Subsystem des Systems des Handelns spezifizierte. Er entwarf das AGIL-Schema, welches vier Phasen beinhaltet.21

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: AGIL-Schema22

Die vier Problemphasen, wie Parsons sie nannte, lauten Adaptation, Goal Gratification, In­tegration und Latent Pattern Maintainance.23 Bei Parsons Modell geht es um Anpassung, Zielerreichung, Inklusion und Zusammenhalt sowie um die Beständigkeit von Strukturen und Wertmuster, die von essentieller Bedeutung sind.24

Jahre später wurde der Begriff Agilität durch zahlreiche Autoren erneut aufgegriffen und definiert, nun aber auch unter dem Aspekt der ursprünglichen lateinischen Bedeutung. Gold­man und andere betrachten Agilität aus zwei Perspektiven. Aus der Unternehmensperspek­tive sowie aus der Perspektive des Individuums. Aus der Sicht des Unternehmens bedeutet Agilität, die Fähigkeit zu besitzen, in einem konkurrierenden Markt, in dem sich Kundenwün­sche unvorhersehbar und immerwährend ändern können, profitabel zu handeln. Aus der Perspektive des Individuums bedeutet Agilität, die Fähigkeit zu haben, den Gewinn des Un­ternehmens, welches seine Ressourcen auf die sich ständig ändernden Kundenwünsche anpassen muss, zu maximieren.25

Agilität ist ein erfolgsorientierter Optimierungsprozess, durch die Integration restrukturierba­rer Ressourcen und Best Practices, in einer wissensbasierten Umgebung. Dabei bilden Ge­schwindigkeit, Flexibilität, Innovationsfreudigkeit, Qualität und Rentabilität die Variablen. Zielstellung ist es, kundenorientierte Produkte und Dienstleistungen, in einem sich schnell verändernden Marktumfeld, anzubieten.26

Dechange versteht unter „agil“ Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit.27 Agilität ist ein persis­tentes Verhalten oder die Fähigkeit einer sensitiven Entität, sich mit Flexibilität an erwartete oder unerwartete Veränderungen schnell anzupassen, eine möglichst kurze Zeitspanne zu verfolgen, ökonomische, einfache und qualitativ hochwertige Instrumente in einer dynami­schen Umgebung einzusetzen sowie aktualisiertes Vorwissen und Erfahrungen zu nutzen, um aus der internen und externen Umgebung zu lernen.28 Die Autoren Iivari erklären, dass Agilität das Ziel hat, den Kunden, durch frühzeitige und kontinuierliche Lieferung von wert­voller Software, zufriedenzustellen. Dabei verweisen sie auf das erste Prinzip des agilen Manifests, welches weiter unten erläutert wird.29

Der Agile Alliance zufolge ist „agil“ die Fähigkeit, Veränderungen zu schaffen und darauf zu reagieren. Sie ist eine Möglichkeit, mit einem unsicheren und turbulenten Umfeld umzuge­hen und letztlich erfolgreich zu sein. Die Verfasser des „Agilen Manifests“ wählten "agil" als Etikett für diese Idee. Das Wort stellt die Anpassungsfähigkeit und Reaktion auf Verände­rungen dar. Diese sind für den Ansatz des Agilen Manifests ausschlaggebend. Es geht da­rum, darüber nachzudenken, in welchem Umfeld man sich befindet und was vor sich geht. Ferner geht es darum, herauszufinden, welche Ungewissheiten existieren und wie eine An­passung darauf erfolgen kann.30

Maehrlein beschreibt Agilität als eine innere Einstellung, die sich auf die Werte und Prinzi­pien des Agilen Manifests stützt.31

Die vier Werte bilden die Kernthese des Agilen Manifests. Nachfolgend werden die vier Wer­tepaare aufgeführt:

„Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge“ „Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation“ „Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung“ „Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans“32

Die zwölf Prinzipien hingegen bilden die Konkretisierung einer agilen Denk- und Handlungs­weise (Mindset). Nachfolgend werden die zwölf Prinzipien aufgeführt:

„Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufrieden zu stellen.“

„Heisse Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.“

„Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.“

„Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.“

„Errichte Projekte rund um motivierte Individuen.

Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.“

„Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.“

„Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.“

„Agile Prozesse fördern eine nachhaltige Entwicklung.

Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.“

„Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität.“

„Einfachheit -- die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren -- ist essenziell.“

„Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.“

„In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein

Verhalten entsprechend an.“33

Wegen der Komplexität vieler Projekte, ist Agilität ein Thema im Projektmanagement. Agili­tät beantwortet die Frage, wie komplexe Systeme gesteuert werden können.34 Mit agilen Ansätzen lässt sich angemessener mit der Komplexität von Projekten und Projektteams um­gehen als auf klassischem Weg. Das agile Rahmenwerk beruht auf einer anderen Ansicht zur Durchführung von Projekten. Dabei werden die Rahmenbedingungen akzeptiert. Prob­leme und Risiken werden nicht durch tiefe hierarchische Gliederungen und Mikroplanung antizipiert. „Die Selbstorganisation der einzelnen Teams und ihrer Mitglieder sind das stärkste Werkzeug im Umgang mit unvorhersehbaren Aspekten im Projektablauf und das beste Mittel, die Flexibilität der Projektorganisation zu optimieren.“35 Dabei geht es darum, die klassische hierarchische Führungsverantwortung in ein Team zu übertragen.36 Eine Prä­misse von Agilität ist eine offene Fehlerkultur, die als Trend aus dem agilen Management ersichtlich wird. Regelmäßige und offene Diskussionen sind fester Bestandteil der Agilität und werden in der Sprint Retrospektive nicht nur erwartet, sondern durch die agile Feed­backkultur in die Richtung gelenkt. Eine Voraussetzung dafür ist die Einstellung, Fehler als Chance zur Verbesserung zu sehen. Die Möglichkeit zu bekommen, zu lernen. Dazu ist die Bereitschaft, die eigenen Fehler zu teilen, essentiell.37

Vollnhofer und Sparrer sehen Agilität als Fähigkeit, schnell die Richtung zu ändern, sobald erkannt wird, dass in die falsche Richtung entwickelt wird.38 „Agilität wird oftmals auch Schnelligkeit nachgesagt.“39 Kotter hingegen ist der Auffassung, dass die Fähigkeit agil zu sein, sich schnell genug zu verändern und dadurch zu wachsen, unter den Umständen einer zunehmenden Vielfalt und eines Übermaß an Informationen leidet.40

Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen zur Definition von Agilität, findet die Begriffs­definition der Agile Alliance im weiteren Verlauf dieser Thesis Anwendung.

2.2 Dimensionen der Kulturen

Das Konzept der Kultur wurde erstmals 1871 durch Tylor in gedruckter Form definiert.41 Nach Tylor ist Kultur (oder Zivilisation) eine Summe aus Wissen, Glauben, Moral, Kunst, Sitten und Recht, welche sich das Individuum als Teil einer Gesellschaft zulegt. Sie sei dem­nach insbesondere geeignet, Gesetze des menschlichen Denkens und Handelns zu erfor­schen. Tylor erklärte dabei einerseits eine Gleichförmigkeit der Zivilisation als Folge von wiederkehrenden Ursachen, welche uniforme Wirkungen erzielen, andererseits als Entwick­lungsstadien, welche wiederum Folge der eigenen Historie sind und die weitere Geschichte selber mitgestalten.42

Die Idee, die hinter dem Schema der Kulturdimensionen steckt, basiert auf dem Gedanken, dass alle Kulturen der Welt sich mit global gültigen Kategorien oder Themen befassen und für die Antworten entwickelt sein müssen. Erstmals definierten die Soziologen Parsons und Shils 1951 sowie die Anthropologen Kluckhohn und Strodtbeck 1961 spezielle Kategorien, die aus dieser Behauptung hervorgingen. In Konsequenz dieser Annahme, müssen alle Kul­turen miteinander vergleichbar sein. Die Vorgehensweise wird daher als „universalistisch“ bezeichnet. Ausgehend von diesen Thesen aus den 50er und 60er Jahren, wurden im Laufe der vergangenen Jahrzehnte unterschiedliche Programme zur Kulturdimension entwickelt.43

Dieses Kapitel befasst sich mit den Dimensionen der Kulturen. In den folgenden Unterkapi­teln werden die Dimensionen nach Hofstede, Hall und Trompenaars näher beleuchtet.

2.2.1 Kulturdimensionen nach Hofstede

Der holländische Sozialwissenschaftler Geert Hofstede forschte jahrzehntelang im Bereich der interkulturellen Zusammenarbeit und leistete einen großen Beitrag in der Kulturfor­schung. Seinen Schwerpunkt legte er auf die national-kulturellen Unterschiede und ihre Ein­flüsse auf das Management und die Führung in Unternehmen, Themen, die in Zeiten der Globalisierung und Migration von zunehmender Bedeutung sind.44 „Er zählt zu den einfluss­reichsten und meistzitierten Wissenschaftlern auf dem Gebiet des interkulturellen Manage- ments“.45

In seinen Untersuchungen geht er auf die Konfrontationen ein, die zwischen Menschen, Gruppen und Völkern, die unterschiedlich fühlen, denken oder handeln, entstehen.46 Hof­stede führte eine Erhebung über die Werte von Menschen im multinationalen Konzern, In­ternational Business Machines Corporation (IBM), in 50 Ländern der Welt durch. Er unter­suchte die kulturellen Unterschiede und konstruierte aus den Ergebnissen der Untersu­chung ein Modell mit vier Dimensionen, die auf Basis von Faktoranalysen entstanden, mit denen Kulturen analysiert werden können.47 Die Erhebung selber fand zwischen 1968 und 1972 statt.48 Jahre später entwickelte Hofstede, zusätzlich zu diesen vier Dimensionen, eine fünfte Dimension, die aus den Analysen von Bonds abgeleitet wurde. Hofstede gab ihr den Namen „langfristige gegenüber kurzfristige Orientierung“ (LZO). Die sechste Dimension übernahm er später von Minkov.49 Minkov ist ein bulgarischer Wissenschaftler, der bereits in den 90er Jahren mit Hofstede in Kontakt trat.50 Minkov führte Analysen mit länderüber­greifenden Daten durch, die im Rahmen des World Values Survey (WVS) gesammelt wur­den. Minkovs Dimension "Monumentalismus" führte in der sechsten Auflage von Hofstedes

Literatur zur Modifizierung der Dimension LZO. Die sechste Dimension „Genuss gegenüber Zurückhaltung“ (GGZ) geht aus der Forschung Minkovs hervor, die nachträglich in das Mo­dell der Kulturdimensionen von Hofstede aufgenommen wurde.51

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Kulturdimensionen nach Hofstede52

Nachfolgend werden die sechs Kulturdimensionen von Hofstede näher erläutert:

Machtdistanz: Mit der Dimension Machtdistanz wird das Ausmaß zum Ausdruck gebracht, bis zu dem sowohl erwartet als auch akzeptiert wird, dass Macht in der Gesellschaft und in Organisationen ungleich verteilt ist. In Ländern mit geringer Machtdistanz verlaufen die Ent­scheidungsfindungsprozesse partizipativ. Die Mitarbeitender haben die Erwartung, in Ent­scheidungen miteinbezogen zu werden oder widersprechen dem Vorgesetzten, wenn ihnen die getroffenen Entscheidungen nicht zusagen. In Ländern mit großer Machtdistanz erwar­ten Mitarbeitende Anweisungen.Entscheidungen verlaufen top down und diesen wird nicht widersprochen. Es herrscht eine große Abhängigkeit zum Vorgesetzten.53

Der Machtdistanzindex (MDI) wurde anhand der Fragestellung, wie oft ein Problem aus der Sicht der Mitarbeiter auftaucht,durch Hofstedes Studie bei IBM ermittelt. Dazu wurden nach­folgende Themen abgefragt:

- Die Angst der Mitarbeiter, dem Vorgesetzten zu zeigen, dass sie nicht der gleichen Meinung sind wie der Vorgesetzte.
- Die Wahrnehmung der Mitarbeiter darüber, wie der Vorgesetzte tatsächlich Ent­scheidungen trifft.
- Die Bevorzugung eines Stiles aus der Sicht des Mitarbeiters, wie der Vorgesetzte Entscheidungen fällensollte.54

Nach Hofstedewirddie Disparität vonGesellschaften mitgeringerund großerMachtdistanz in drei Kategorien unterteilt:

- „I. Allgemeine Norm, Familie, Schule und Gesundheitsfürsorge
- II. Arbeitsplatz
- III. Staat und Gedankenwelt“55

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Disparität von Gesellschaften mit geringer und großer Machtdistanz - II. Ar- beitsplatz56

Auf die Kategorien I. und III. geht die Autorin nicht näher ein.

Individualismus gegenüber Kollektivismus: Diese Dimension entspricht zwei entgegenge­setzten Polen. Der Individualismusindex (IDV) wurde ermittelt, indem die Mitarbeiter nach Faktoren befragt wurden, die ihnen bei einer Arbeit wichtig sind. Für den individualistischen Pol bewegten sich die Fragen in den Kategorien persönliche Zeit sowie Freiheit und Her­ausforderungen. Für den kollektivistischen Pol bewegten sich die Fragen in den Kategorien Fortbildung, physische Bedingungen, Anwendungen der Fertigkeiten:

Individualistischer Pol:

- Persönliche Zeit: Eine Arbeit, die Work-Life Balance zulässt.
- Freiheit: Freiheit zu besitzen, die Arbeit nach eigenen Vorstellungen durchzufüh­ ren.
- Herausforderung: Herausfordernde Aufgaben, die das Gefühl vermitteln, etwas ge­leistet zu haben.

Kollektivistischer Pol:

- Fortbildung: Die Möglichkeiten eingeräumt zu bekommen, sich weiterzuentwickeln.
- Physische Bedingungen: Eine gute Arbeitsumgebung zu haben, die beispielsweise gut beleuchtet ist.
- Anwendung der Fertigkeiten: Das volle Einsetzen der Fähigkeiten und Fertigkei- ten.57

Nach Hofstede wird die Disparität von individualistischer und kollektivistischer Gesellschaft in vier Kategorien unterteilt:

- „I. Allgemeine Norm und Familie
- II. Sprache, Persönlichkeit und Verhalten
- III. Schule, Arbeitsplatz und IKT
- IV. Politik und Gedankenwelt“58

Bei der individualistischen Gesellschaft wächst jedes Individuum damit auf, sich nur um sich und seine unmittelbare Kernfamilie kümmern zu müssen. Schon von Kind an wird gelernt in der Ich-Form zu denken. Das Äußern der eigenen Meinung ist ein besonders auffälliges Merkmal dieser Dimension. Die kollektivistische Gesellschaft hingegen beschäftigt sich mit der Wir-Form. Kinder lernen in Wir-Begriffen zu denken und zu handeln. Die Menschen wer­den in Großfamilien hineingeboren. Das Bewahren der Harmonie und das Vermeiden von Auseinandersetzungen hat stets einen hohen Stellenwert.59 In einer individualistischen Ge­sellschaft bedeutet Management das Managen von Individuen. Anreize in Form von Bonifi­kationszahlungen sind an individuelle Leistungen gebunden. Das gilt nicht für kollektivisti­sche Gesellschaften. In kollektivistischen Gesellschaften geht es um das Managen von Gruppen, die ggf. auch multikulturell aufgestellt sein können. Anreize sollten für die Gruppe gewährt werden. Beurteilungsgespräche können vom Mitarbeiter als „inakzeptabler Ge­sichtsverlust“ empfunden werden und damit einhergehend einen Bruch der Harmonie be- deuten.60

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Disparität von kollektivistischen und individualistischen Gesellschaften - I. Allge- meine Norm und Familie61

Auf die Kategorien II., III. und IV. geht die Autorin nicht näher ein.

Durch die Untersuchung wurde festgestellt, dass viele Länder, die einen niedrigen IDV-Wert haben, einen hohen MDI-Wert erreichen und umgekehrt. Das bedeutet, dass diese beiden Dimensionen negativ in Korrelation zueinander stehen. Es ist auffällig, dass Länder wie USA, Australien, Großbritannien und Kanada eine hohe individualistische Ausprägung ha­ben. Polen und Deutschland platzieren sich in der Mitte. Viele südamerikanische Länder, wie Guatemala, Ecuador, Venezuela und asiatische Staaten wie Thailand, Indonesien und Singapur, zeigen einen niedrigen IDV-Wert an. Daraus könnte abgeleitet werden, dass mög­licherweise Wohlstand die Ursache für Individualismus ist.62

Maskulinität gegenüber Femininität: Diese Dimension zeigt auf, wie sich maskuline Gesell­schaften von femininen Gesellschaften durch deutlich abgegrenzte Geschlechterrollen un­terscheiden. Dabei sind nicht die biologischen Unterschiede gemeint. Das Interesse des Forschers lag mehr in der kulturellen und sozialen Rolle, die er als maskulin und feminin bezeichnet. Wobei gesagt werden muss, dass die Geschlechterrollen untereinander tau­schen können. Ein Mann kann feminine Verhaltensweisen aufzeigen und eine Frau kann maskuline Züge haben.63 „Eine Gesellschaft bezeichnet man dann als maskulin, wenn die Rollen der Geschlechter emotional klar gegeneinander abgegrenzt sind: Männer haben be­stimmt, hart und materiell orientiert zu sein, Frauen dagegen müssen bescheidener, sensib­ler sein und Wert auf Lebensqualität legen. Als feminin bezeichnet man eine Gesellschaft, wenn sich die Rollen der Geschlechter emotional überschneiden: sowohl Frauen als auch Männer sollen bescheiden und feinfühlig sein und Wert auf Lebensqualität legen.“64

Nach Hofstede wird die Disparität von femininen und maskulinen Gesellschaften in fünf Ka­tegorien unterteilt:

- „I. Allgemeine Norm und Familie
- II. Geschlecht und Sex
- III. Erziehung, Bildung und Verbraucherverhalten
- IV. Arbeitsplatz
- V. Politik und Religion“65

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Disparität von femininen und maskulinen Gesellschaften - I: Allgemeine Norm und Familie66

Für die Untersuchung wurde der Maskulinitätsindex (MAS) ermittelt, dem die Faktorpunkt­werte je Land zugrunde liegen. Für das am stärksten maskuline Land wurden 100 Punkte und für das am stärksten feminine Land wurden 0 Punkte als Faktorpunkte berücksichtigt, die durch Multiplikation mit 20 und Addition von 50 umgerechnet wurden.67 Die Dimension hat Auswirkung in der Wirtschaft auf das Einkaufsverhalten. In feministischen Kulturen wird der Großteil der Nahrungsmitteileinkäufe vom Mann übernommen. Es wird generell mehr Geld für Haushaltszwecke ausgegeben. Bei wichtigen Ausgaben, wie beim Autokauf, ent­scheiden beide Partner. In maskulinen Gesellschaften wird allgemein mehr Geld für Sta­tuskäufe wie Schmuck und teure Uhren ausgegeben.68

Auf die Kategorien II., III., IV. und V. geht die Autorin nicht näher ein.

Die Untersuchungsergebnisse von Hofstede legen dar, dass sowohl Polen als auch Deutschland maskuline und individualistische Länder sind.69

Unsicherheitsvermeidung: Die Dimension Unsicherheitsvermeidung beschäftigte sich ur­sprünglich mit der Fragestellung, wie häufig die Mitarbeiter bei der Arbeit angespannt oder nervös sind. Dabei kam der Verdacht zunächst auf, dass diese Frage mit nachfolgenden Fragen korrelierte:

- Zustimmung zur Aussage, dass keine Regeln, die im Unternehmen existieren, ge­brochen werden dürfen, auch wenn der Verstoß dem Unternehmen Vorteile ver­schafft.
- Die Absichten der Mitarbeiter in Bezug auf langfristige Zugehörigkeit und Karriere im Unternehmen.70

Die Auswertung der Daten ergab schließlich, dass keine Korrelation der drei Fragen besteht. Wenn ein Mitarbeiter regelmäßig Nervosität oder Stress auf der Arbeit hat, bedeutet dies nicht gleich, dass er nicht die Absicht hat, langfristig im Unternehmen tätig zu sein.Es wurde der Unsicherheitsvermeidungsindex (UVI) ermittelt. Errechnet wurde der UVI aus den durch­schnittlichen Punktewerten der ersten beiden Fragen und Anteilig der letzten Frage.71 Hof­stede weist darauf hin, Unsicherheitsvermeidung nicht mit Risikovermeidung zu verwech­seln. „Unsicherheit verhält sich zu Risiko wie Angst zu Furcht.“ Während Unsicherheit und Angst unbestimmte, nebulöse Gefühle sind, sind Risiko und Furcht objektbezogen.72 „Unsi­cherheitsvermeidung lässtsich daher definieren als der Grad, bis zu dem die Mitglieder einer Kultur sich durch nicht eindeutige oder unbekannte Situationen bedroht fühlen. Dieses Ge­fühl drückt sich u.a. in nervösem Stress und einem Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit aus:

Ein Bedürfnis nach geschriebenen und ungeschriebenen Regeln.“73 Dabei wird zwischen schwacher Unsicherheitsvermeidung und starker Unsicherheitsvermeidung unterschieden. Eine Gesellschaft mit schwacher Unsicherheitsvermeidung bedeutet, die Ungewissheit ist eine normale Erscheinung im Leben und wird täglich hingenommen. In einer Gesellschaft mit starker Unsicherheitsvermeidung wird die dem Leben innewohnende Unsicherheit stän­dig als Bedrohung empfunden, die immerzu bekämpft werden muss. Es herrscht ein großes Stress- und Angstgefühl.74 „Was anders ist, ist gefährlich“ ist die Einstellung starker Unsi­cherheitsvermeidung und „Was anders ist, macht neugierig“ die der schwachen Unsicher- heitsvermeidung.75

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Disparität von Gesellschaften mit schwacher und starker Unsicherheitsvermei- dung - I. Allgemeine Norm und Familie76

Nach Hofstede wird die Disparität von Gesellschaften mit schwacher Unsicherheitsvermei­dung und starker Unsicherheitsvermeidung in fünf Kategorien unterteilt:

- „I. Allgemeine Norm und Familie
- II. Gesundheit, Bildung und Einkaufen
- III. Arbeitsplatz, Organisation und Motivation
- IV. Bürger und Staat
- V. Toleranz, Religion und Gedankenwelt“77

Auf die Kategorien II., III., IV. und V. geht die Autorin nicht näher ein.

Aus den Ergebnissen Hofstedes lässt sich ableiten, dass Polen eine starke Unsicherheits­vermeidung zeigt, und Deutschland sich in den mittleren Werten wiederfindet.78

Langzeit- gegenüber Kurzzeitorientierung : Die Dimension Lang- gegenüber Kurzzeitorien­tierung entstand aus der Untersuchung des Wissenschaftlers Bonds in China.79 Sie ist die Folge der Studie „Chinese Value Survey“ (CVS).80 Hofstede übernahm die Ergebnisse und entwickelte, wie bereits zu Beginn des Kapitels genannt, die fünfte Dimension, die er LZO nannte.81 „Langzeitorientierung steht für das Hegen von Tugenden, die auf künftigen Erfolg hin ausgerichtet sind, insbesondere Beharrlichkeit und Sparsamkeit. Das Gegenteil, die Kurzzeitorientierung steht für das Hegen von Tugenden, die mit der Vergangenheit und der Gegenwart in Verbindung stehen, insbesondere Respekt für Traditionen, Wahrung des „Ge­sichts“ und die Erfüllung sozialer Pflichten.“ 82

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Disparität von Gesellschaften mit Kurz- und Langzeitorientierung auf Basis von Daten aus der CVS: Allgemeine Norm und Familie83

Während Deutschland langzeitorientiert ist, ist Polen kurzzeitorientiert.84

Genuss gegenüber Zurückhaltung: Die sechste und letzte Dimension beschäftigt sich mit dem Gefühl von Glück und wurde durch Minkov wie folgt abgefragt:

- Wie glücklich stufen sich die Befragten ein; auf einer Skala von sehr glücklich bis überhaupt nicht glücklich.
- Wie viel Entscheidungsfreiheit und Kontrolle glauben die Befragten in ihrem Leben zu haben; auf einer Skala von gar keine bis eine Menge.
- Wie wichtig wird Freizeit empfunden; auf einer Skala von sehr wichtig bis überhaupt nicht wichtig.85

Hofstede gab dieser Dimension die Bezeichnung „Genuss gegenüber Zurückhaltung“ (GGZ).86 Genuss steht dafür, dass die Kontrolle über das eigene Leben und das Glück wich­tig sind. Grundlegende Bedürfnisse im Leben sollten befriedigt werden, insbesondere dieje­nigen, die dazu beitragen, das Leben zu genießen und Spaß zu haben. Zurückhaltung spie­gelt das Beherrschen und die eingeschränkte Befriedigung des Lebens wieder, was durch strenge soziale Normen geregelt ist.87

Nach Hofstede wird die Disparität von Gesellschaften, die genussfreudig sind und Gesell­schaften, die zurückhaltend sind, in zwei Kategorien unterteilt:

- „I. Allgemeine Norm, persönliche Gefühle und Gesundheit
- II. Privatleben, Verbraucherverhalten, Sex und Politik“88

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6: Disparität von genussfreudigen und zurückhaltenden Gesellschaften - I: Allge- meine Norm, persönliche Gefühle und Gesundheit89

Auf die Kategorie II. geht die Autorin nicht näher ein.

Hofstedes Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Polen zurückhaltend und kurzzeitorien­tiert ist, und Deutschland sich zwischen genussfreudig und zurückhaltend bewegt, allerdings langzeitorientiert ist.90

2.2.2 Kulturdimensionen nach Hall

Der Anthropologe Edward T. Hall konzentrierte sich auf Verhaltensunterschiede innerhalb der interkulturellen Kommunikation. Ihm ging es weniger darum, in mehreren Kategorien massenhaft Daten zu erheben, sondern vielmehr, sich auf Themen zu konzentrieren, die offensichtlich in jeder Kultur zum Tragen kommen. Nach Hall kommunizieren Menschen, die verschiedenen Kulturen angehören, in unterschiedlicher Intensität. In seinen Kontextdimen­sionen unterteilt er die Kommunikation in die vier Dimensionen Kontextorientierung, Raum­orientierung, Zeitorientierung und Informationsgeschwindigkeit.91

Kontextorientierung: Diese Dimension unterteilt Hall in Low-Context-Kulturen und High­Context-Kulturen. Bei der Low-Context-Kultur wird der überwiegende Teil der Informationen direkt und verbal übermittelt. Die Empfänger der Informationen müssen lediglich darauf ach­ten, was gesagt wird, um die Botschaft zu verstehen. Diese Methode ist in individualistischen Kulturen vorzufinden. Beispielsweise in Deutschland. Probleme werden direkt angespro­chen und es bleibt wenig Spielraum für Interpretationen. Bei der High-Context-Kultur geht es darum, dass erhebliche Informationen zur Nachricht durch Schaffen einer entsprechen­den Atmosphäre sowie durch Mimik und Gestik vermittelt werden. Das tatsächlich Gedachte wird nicht ausgesprochen. Anzutreffen ist diese Art der Kommunikation meist in kollektivis­tischen Kulturen wie beispielsweise in Japan.92 Hofstede integrierte Halls Kontextdimension später in seiner Dimension Individualismus, da er auch der Meinung war, dass in individua­listischen Kulturen mit wenig und in kollektivistischen Kulturen mit hohem Kontext kommu­niziert wird.93

Raumorientierung: Raum ist eines der Kernsysteme in jeder Kultur.94 In unterschiedlichen Gesellschaften existieren unterschiedliche Verhältnisse zum Raum. Hall unterscheidet zwi­schen der Privatsphäre und einem Territorium. Die Privatsphäre ist ein unsichtbarer Kreis, der eine Person umgibt und je nach Bedarf ausgedehnt wird oder sich zusammenzieht. Er darf nur nach Erlaubnis von einer anderen Person betreten werden. Das Territorium definiert Hall als alle Gegenstände und Orte, die von einer Person als persönliches Eigentum be­trachtet werden. Nur wenige Menschen dürfen in diesen Bereich eindringen und dann auch nur für kurze Zeit. Veränderungen im persönlichen Kreis, die erzwungen werden, führen zu Unwohlsein und Aggressionen der Menschen. Während in Nordeuropa dieser persönliche Kreis recht groß gehalten wird und die Menschen distanzierter sind, ist der persönliche Kreis in Südfrankreich, Italien, Griechenland und Spanien kleiner. Die im Norden als intim emp­fundene Distanz wird im Süden als normale Gesprächsdistanz empfunden. Was bedeutet, dass die Mittelmeereuropäer den Deutschen, den Skandinaviern, den Engländern und den Amerikanern mit nordeuropäischer Abstammung "zu nahe kommen". In Nordeuropa wird bereits eine Entschuldigung entlockt, wenn versehentlich der Mantelärmel gestreift wird.95

Zeitorientierung: Hall beschreibt zwei kontrastierende Wege, Zeit zu behandeln. Monochron und polychron. Monochrone Kulturen unterteilen die Zeit und behandeln jeweils einen Vor­gang. Sie verlieren die Orientierung, wenn sie mit mehreren Aktivitäten gleichzeitig umge­hen müssen. Polychrone Kulturen neigen dazu, mehrere Dinge gleichzeitig durchzuführen. Möglicherweise, weil sie stärker miteinander interagieren. Dafür findet der monochrone Mensch es häufig leichter zu funktionieren, wenn er Aktivitäten zeitlich und räumlich trennen kann. Beispielsweise empfinden monochrone Nordeuropäer die ständigen Unterbrechun­gen durch polychrone Südeuropäer nahezu unerträglich, weil es so scheint, als würde nie­mals etwas fertig.96

[...]


1 Vgl. Jedrzejczyk, 2012, S. 103 f.

2 Vgl. Münscher/Hormuth, 2013, S. 9.

3 Vgl. ebd., S. 110.

4 Vgl. Podsiadlowski, 2004, S. 2.

5 Vgl. Kroeber/Kluckhohn, 1952, S. 181.

6 Vgl. Broszinsky-Schwabe, 2017, S. 79 f.

7 Vgl. Schlussbericht der internationalen UNESCO Weltkonferenz, 1982, S. 1.

8 Vgl. Broszinsky-Schwabe, 2017, S. 80.

9 Vgl. Podsiadlowski, 2004, S. 2.

10 Vgl. Hall, 1977, S. 13.

11 Eigene Darstellung in Anlehnung an Podsiadlowski, 2004, S. 3.

12 Vgl. ebd., S. 2.

13 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 3.

14 Vgl. ebd., S. 7.

15 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd.

16 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 7 f.

17 Vgl. Hall, 1990b, S. 188.

18 Vgl. Schreiner et al., 2019, S. 19.

19 Vgl. https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Agilität, abgerufen am 22.04.2021.

20 Vgl. https://www.openthesaurus.de/synonyme/Agilität, abgerufen am 22.04.2021.

21 Vgl. Parsons et al., 1953, S.189.

22 Eigene Darstellung in Anlehnung an Parsons et al., 1953, S. 189.

23 Vgl. ebd.

24 Vgl. Schreiner et al., 2019, S. 19.

25 Vgl. Goldmann et al., 1996, S. 3.

26 Vgl. Yusuf et al., 1999, S. 37.

27 Vgl. Dechange, 2020, S. 38.

28 Vgl. Qumer/Henderson-Sellers, 2008, S. 281.

29 Vgl. Iivari/Iivari, 2011, S. 511.

30 Vgl. https://www.agilealliance.org/agile101/, abgerufen am 31.10.2020.

31 Vgl. Maehrlein, 2020, S. 18.

32 Vgl. Beck et al., 2001, https://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html, abgerufen am 01.11.2020.

33 Vgl. Beck et al., 2001, https://agilemanifesto.org/iso/de/principles.html, abgerufen am 01.11.2020.

34 Vgl. Vigenschow, 2015, S. 9.

35 Vgl. ebd., S. 15.

36 Vgl. Ritter/Grosenick, 2019, S. 31.

37 Vgl. Angst/Kemmer in Projektmanagement aktuell, Beiheft zu Heft 04/2020, S. 14.

38 Vgl. Vollnhofer/Sparrer in Projektmanagement aktuell, Beiheft zu Heft 04/2020, S. 33.

39 Vgl. ebd., S. 34.

40 Vgl. Kotter/Ameln, 2019, S. 113.

41 Vgl. Hall, 1990a, S. 20.

42 Vgl. Tylor, 2016, S. 1.

43 Vgl. Thomas/Utler, 2013, S. 42.

44 Vgl. Ternés/Towers, 2017, S. 15.

45 Vgl. Hofstede/Hofstede, 2006, S. 30.

46 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 2.

47 Vgl. ebd., S. 37 f.

48 Vgl. Flader, 2008, S. 16.

49 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 47.

50 Vgl. https://geerthofstede.com/related-scientists/michael-minkov/, abgerufen am 26.11.2020.

51 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 56 f.

52 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd., S. 435.

53 Vgl. Hofstede et al.,2017, S. 75.

54 Vgl. ebd., S. 67.

55 Vgl. ebd., S. 86 ff.

56 Eigene Darstellung in Anlehnung an Hofstede et al., 2017, S. 91.

57 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 109 ff.

58 Vgl. ebd., S. 130 ff.

59 Vgl. ebd., S. 108 f.

60 Vgl. ebd., S. 140.

61 Eigene Darstellung in Anlehnung an Hofstede et al., 2017, S. 130.

62 Vgl. ebd., S. 121 f.

63 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 155 f.

64 Vgl. ebd., S. 159.

65 Vgl. ebd., S. 175 ff.

66 Eigene Darstellung in Anlehnung an Hofstede et al., 2017, S. 175.

67 Vgl. ebd., S. 159 f.

68 Vgl. ebd., S. 182.

69 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 168.

70 Vgl. ebd., S. 208.

71 Vgl. ebd., S. 209.

72 Vgl. ebd.

73 Vgl. ebd., S. 210.

74 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 224.

75 Vgl. ebd., S. 223.

76 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd., S. 224.

77 Vgl. ebd., S. 224 ff.

78 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 242.

79 Vgl. ebd., S. 47.

80 Vgl. Bond, 1987, S. 143.

81 Vgl. ebd., S. 47.

82 Vgl. ebd., S. 257.

83 Eigene Darstellung in Anlehnung an Hofstede et al., 2017, S. 262.

84 Vgl. ebd., S. 273 f.

85 Vgl. ebd., S. 305.

86 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 306.

87 Vgl. ebd., S. 313.

88 Vgl. ebd., S. 320 ff.

89 Eigene Darstellung in Anlehnung an ebd., S. 320.

90 Vgl. Hofstede et al., 2017, S. 314.

91 Vgl. Thomas/Utler, 2013, S.45.

92 Vgl. Genkova, 2019, S. 102.

93 Vgl. Thomas/Utler, 2013, S.45.

94 Vgl. Hall/Hall, 1990, S. 180.

95 Vgl. ebd., S. 11.

96 Vgl. Hall, 1990b, S. 173.

Final del extracto de 232 páginas

Detalles

Título
Kultur und Agilität. Auswirkungen und Einflüsse des kulturellen Hintergrundes auf das agile Arbeiten anhand der deutsch-polnischen Zusammenarbeit
Universidad
University of Applied Sciences Ludwigshafen
Curso
Projektmanagement
Calificación
1,7
Autor
Año
2021
Páginas
232
No. de catálogo
V1156521
ISBN (Ebook)
9783346551405
Idioma
Alemán
Palabras clave
kultur, agilität, auswirkungen, einflüsse, hintergrundes, arbeiten, zusammenarbeit
Citar trabajo
Jasmin Schumacher (Autor), 2021, Kultur und Agilität. Auswirkungen und Einflüsse des kulturellen Hintergrundes auf das agile Arbeiten anhand der deutsch-polnischen Zusammenarbeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1156521

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