Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - Revolution der Arbeitsbewertungssysteme?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Arten von Arbeitsbewertungsverfahren

2 Arbeitsbewertung in Deutschland

3 Das System JES

4 Die Anwendung des JES in Österreich

5 Das System ABAKABA

6 Die Anwendung von ABAKABA in Deutschland

7 Fazit

Literatur

Die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sind nach über 20 Jahren seit Erlass der Entgeltgleicheitsrichtlinie 75/117 EWG im Jahr 1975 durch den Europäischen Gerichtshof noch immer nicht vollkommen eliminiert worden. Das Problem liegt währenddessen nicht mehr nur auf juristischer Seite, sondern auch auf Seiten der Empirie und der Statistik.[1] Lohnunterschiede existieren noch immer – sind jedoch nur schwerlich nachzuweisen, wie der Beitrag „Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in Branchen, Berufen und Betrieben“ von Thomas Hinz und Hermann Gartner aufzeigt. Das Problem nicht erfassbarer bzw. geschätzter Variablen (wie z.B. tatsächliche Arbeitszeit oder das Problem der Beitragsbemessungsgrenze im Hinblick auf genaue Lohnangaben) und deren möglicher Einfluss auf die Gesamtergebnisse werden hierbei nachvollziehbar dargestellt.

Doch nicht nur die Enthüllung der Lohnunterschiede stellt eine statistische und empirische Schwierigkeit dar, sondern auch die Verhinderung des Entstehens. Die Ursache von unterschiedlichen Löhnen liegt oftmals erheblich an einer unterschiedlichen Bewertung von Arbeit.

1 Arten von Arbeitsbewertungsverfahren

Man unterscheidet derzeit zwischen zwei Arten von Arbeitsbewertungsverfahren: Summarische Bewertungsverfahren betrachten und bewerten den Arbeitsprozess als Ganzes. Es werden vorab bestimmte Kriterien (z.B. Qualifikation) festgelegt, welche jedoch nie getrennt voneinander bewertet werden. Bei den Analytischen Bewertungsverfahren hingegen wird jedes Merkmal einzeln bewertet. Die einzelnen Teilbewertungen bilden zum Schluss den so genannten Arbeitswert.

Des Weiteren differenziert man innerhalb dieser Bewertung zwischen der sog. Reihung, bei welcher die jeweiligen Arbeitsplätze ihrer Schwierigkeit nach in eine Reihenfolge gebracht werden (bei summarischen Verfahren; sog. ‚Rangfolgeverfahren’) bzw. die einzelnen Merkmale des Arbeitsplatzes ihrer Anforderung nach geordnet werden ( bei analytischen Verfahren; sog. ‚Rangreihenverfahren’) und der Stufung, bei welcher die Tätigkeiten vorab einer Gehaltsgruppe zugewiesen sind (bei summarischen Verfahren; sog. ‚Katalogverfahren’) bzw. die Merkmale jeweils einzeln zugeordnet werden (bei analytischen Verfahren; sog. ‚Stufenverfahren’).[2]

Weil Rangfolgeverfahren aufgrund des sog. ‚gendering’ immer etikettiert sind, was bedeutet, dass Tätigkeiten nicht personenunabhängig eingeschätzt werden können, sondern den Geschlechtern stets bestimmte Berufe zugeschrieben werden, stehen diese häufig stark in der Kritik.[3]‚Typische’ Frauentätigkeiten nehmen dadurch stets einen niedrigen Rang bei dieser Art der Bewertung ein. Auch die zweite Form der summarischen Verfahren, die Katalog – oder auch Entgeltverfahren, stehen in der Kritik. Hier wird bemängelt, dass von Frauen oftmals ‚leichte Tätigkeiten’ erledigt werden und daraus die (unlogische) Konsequenz hervorgeht Frauenarbeit sei ‚leichte Arbeit’. Hinzu kommt, dass Männern stets eine Ausbildungszeit angerechnet wird, bei Frauen jedoch teilweise Fähigkeiten – oftmals im Haushaltsbereich – vorausgesetzt und im Katalog letztendlich nicht berücksichtigt werden.

Aufgrund der Tatsache, dass sowohl bei Rangfolgeverfahren als auch bei Katalogverfahren erhebliche Diskriminierungspotenziale gegenüber Frauen vorhanden sind, gewinnen die analytischen Verfahren an Bedeutung.

2 Arbeitsbewertung in Deutschland

Deutschland liegt mit 21% Lohnunterschied (ohne Berücksichtigung der Variablen ‚Qualifikation’ und ‚tatsächliche Arbeitszeit’)[4] etwa 5 Punkte über dem Durchschnitt der EU – Länder. Die niedrigsten Entgeltdifferenzen vergleichbarer Staaten finden sich in Italien, Belgien und Portugal. Warum variieren die Entgeltdifferenzen nun so stark? Die Ursache liegt in der anfangs dargestellten Unterschiedlichkeit der Arbeitsbewertungsverfahren, welche die Grundlage für verschiedene Lohnabkommen bilden, wie Tarifverträge, Kollektivverträge oder individuelle Regelungen. In manchen Ländern fehlt die Begründung für eine unterschiedliche Bewertung bestimmter Arbeitsstellen sogar völlig.

Deutschland gehört zu den Staaten, in welchen das Einkommen überwiegend in Tarifverträgen geregelt ist. Befasst man sich nun näher mit den Regelungen über Tarifverträge, so stößt man unmittelbar auf die Richtlinie 75/117/EWG, die vorschreibt, dass bei der Bewertung der Tätigkeiten einheitliche Kriterien anzuwenden sind. Hinter dieser Bezeichnung verbergen sich laut verschiedenen Entscheidungen des EuGH unter anderem folgende Anforderungen: Die Entgeltsysteme müssen objektive Differenzierungskriterien verwenden, sie müssen durchschaubar bzw. überprüfbar sein, die Kriterien müssen der tatsächlich zu verrichtenden Arbeit entsprechen und sie müssen diskriminierungsfrei angewendet werden können. Betrachtet man sodann die Tarifverträge, so muss man feststellen, dass viele dieser europarechtlichen Anforderungen in deutschen Tarifverträgen nicht erfüllt werden. So werden z.B. Kriterien doppelt oder mehrfach gewertet, Anforderungen gänzlich nicht berücksichtigt, unterschiedliche Kriterien bei männer – und frauendominierten Tätigkeiten verwendet oder aber es werden Bewertungsspielräume eröffnet. Zudem kommt es vor, dass verschiedene Bewertungssysteme des gleichen Arbeitgebers für Arbeiter und Angestellte verwendet werden. Dies ist vor dem Hintergrund des Arbeitsrechts eine fragwürdige Praktik, da der Unterschied zwischen Arbeitern (zeichnen sich durch körperliche Arbeit aus) und Angestellten (zeichnen sich durch geistige Arbeit aus) doch eher eine relative Unterscheidung darstellt (zur Veranschaulichung dient hier das Beispiel des Fussballspielers, welcher als Angestellter einzustufen ist).[5]

Wenn man entdeckt, dass diese Regelungen offensichtlich nicht immer beachtet werden, fragt man sich warum nichts gegen Tarifverträge dieser Art unternommen wird. Die Antwort ist, dass sich sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften durch die – für die aktuell angewendeten Verfahren typischerweise sich darbietenden – Bewertungsspielräume bei der jeweiligen Arbeitsbewertung Vorteile erhoffen.

Die Ablehnung der analytischen Systeme ist also beiderseits verankert. Es gibt jedoch bereits Vorschläge und auch Erfahrungswerte über analytische Verfahren welche den Widerstand etwas verringert haben dürften:

3 Das System JES

In England und Wales wurde für Kommunalverwaltungen 1995 das Arbeitsbewertungssystem JES (Job Evaluation Scheme) des National Joint Council (NJC) von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus je zwei Vertreterinnen der drei Arbeitgeberverbände und der drei größten Gewerkschaften dieses Bereichs, entwickelt.[6]

Anfangs fand eine Unterteilung der Anforderungen der jeweiligen Arbeitsplätze in drei Kategorien statt: Kenntnisse und Fähigkeiten (wie z.B. Handlungsspielraum der Arbeitnehmer), emotionale und Belastungsanforderungen sowie Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung des Arbeitsumfeldes. Aus traditionellen Bewertungsverfahren wurden sodann einige Verantwortungsfaktoren übernommen. In vorangegangenen Systemen wurde die Gewichtung der Arbeitsplatzfaktoren aufgrund einer festgelegten Rangfolge der beruflichen Tätigkeiten festgelegt (vgl. oben ‚Rangfolgeverfahren’). Für das aktuelle System wurden jedoch Prinzipien zur Gewichtung und Auswertung festgesetzt. Es zeigte sich nach der Erprobungsphase, dass dem Faktor ‚Kenntnis’ die größte Gewichtung zuzuordnen war und dass es sinnvoll erschien, allen Verantwortungsfaktoren die gleiche Gewichtung zuzuschreiben. Wichtig war ebenfalls, dass spezielle Anforderungen von frauendominierten Tätigkeiten ebenso Teil des Systems waren wie die von männerdominierten Tätigkeiten. Auf Grund dessen wurden namentlich Faktoren wie emotionale Anforderung oder kommunikative Fähigkeiten mit in das System aufgenommen. Bezogen auf die Entgeltgleichheit wurden Schulungen über Grundsätze der Lohngleichheit mit allen an der Entwicklung des Systems beteiligten Personen durchgeführt.

Für die Umsetzung benötigte man sodann eine Steuerungsgruppe, die bei der Anwendung des Systems und der Bewertung nach festgelegten Faktoren eine unterstützende Position einnahm sowie Jobanalytiker, welche in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern für die Bewertung der einzelnen Arbeitsstellen sorgten. Schliesslich wurden die für die Arbeitsstellenbeschreibung angefertigten Fragebögen nach Eliminierung der geschlechtsbezogenen Angaben ausgewertet. Aufgrund der hohen Teilzeitbeschäftigtenquote in Großbritannien wurden die jeweiligen Belastungsanforderungen proportional berücksichtigt.

Probleme des Projekts traten unter anderem aufgrund der Tatsache auf, dass dieses System nicht verpflichtend war, sondern freiwillig. Es ging dabei jedoch nicht um eine Entscheidung für oder gegen ein Arbeitsbewertungssystem, sondern um die Entscheidung für ein bestimmtes System. Ausserdem gab es, wie aber sicherlich erwartet, Proteste auf Seiten der Arbeitgeber, welche die Erhöhung der Einstufung bestimmter Frauenberufe kritisierten. Auch der Gedanke an hohe Kosten einer Arbeitsplatzbewertung spielte bei vielen Firmen eine bedeutende Rolle.

4 Anwendung des JES in Österreich

In Österreich wurde 1999 von der Bundesagentur für Wirtschaft und Arbeit ein Projekt namens D.A.B.O. (Diskriminierungsfreie Arbeitsbewertung und Arbeitsorganisation) in die Wege geleitet. Ziel des Projektes war die Aufdeckung von Entgeltdifferenzen und eventuellen Diskriminierungsquellen in zwei Betrieben und die damit verbundene Einführung eines Arbeitsbewertungssystems.[7]

Einer dieser Betriebe war die Volkshilfe Oberösterreich, ein gemeinnütziger Verein, der unter anderem in Altenbetreuung, Kinderbetreuung, Flüchtlingsbetreuung, Krankenpflege und mobiler Therapie tätig ist. Im Rahmen des Projekts FABA (Faire Bewertung der Arbeit) wurde das eben erläuterte Bewertungssystem NJC aktiv angewendet.

[...]


[1] Vgl. Tondorf/Ranftl (bmfsfj – Leitfaden), 11-16

[2] Vgl. Krell/Winter, 6 sowie Ranftl, 41

[3] vgl. Krell/Winter, 3

[4] vgl. Hinz/Gartner, 16

[5] vgl. Wörlen/Kokemoor, 34-35

[6] vgl. bmfsfj – Dokumentation, 17 ff.

[7] vgl. Meggeneder/Gschwandtner/Ranftl/Buchinger, 37 ff. sowie bmfsfj – Dokumentation, 21 ff.

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Details

Titel
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - Revolution der Arbeitsbewertungssysteme?
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Arbeitsmarktsoziologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V115682
ISBN (eBook)
9783640170746
ISBN (Buch)
9783640179800
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
8 Einträge im Literaturverzeichnis, davon 3 Internetquellen.
Schlagworte
Gleicher, Lohn, Arbeit, Revolution, Arbeitsbewertungssysteme, Arbeitsmarktsoziologie
Arbeit zitieren
B.A. Dominique Blümke (Autor:in), 2006, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - Revolution der Arbeitsbewertungssysteme? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115682

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