Die Beschleunigung des Lebenstempos - eine Interviewanalyse


Trabajo, 2006

48 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Theorie und Herleitung
1.1 Theoretischer Ansatz
1.2 Thema der Arbeit
1.3 Forschungsgegenstand

2. Methode und Durchführung
2.1 Erhebungsmethode
2.2 Durchführung des Interviews
2.3 Zur Auswertungsmethode

3. Ergebnisse
3.1 Interviewinhalt
3.1.1 Urlaub
3.1.2 Freizeit
3.1.3 Persönliche Aspekte
3.1.4 Beruf
3.1.5 Stichworte und Aussagen
3.2 Auswertung des Interviews
3.2.1 Urlaub
3.2.2 Freizeit
3.2.3 Persönliche Aspekte
3.2.4 Beruf
3.2.5 Stichworte und Aussagen

4. Reflexion und Ausblick
4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.2 Ausblick
4.3 Reflexion

5. Literatur

6. Anhang

1. Theorie und Herleitung

1.1 Theoretischer Ansatz

„Time forms such an integral part of our lives that it is rarely thought about.“1Dieses Zitat von Barbara Adam stellt die Bedeutung des Faktors Zeit in unserer heutigen Gesellschaft treffend dar. Zeit ist allgegenwärtig und sogar älter als der Begriff, welcher sie zu umschreiben versucht. Über den Begriff Zeit nachzudenken fällt schwerer je länger man es versucht und doch beschäftigen wir uns täglich beinahe ununterbrochen mit Zeit. Vor allem aus einem Grund: wir haben keine Zeit!

In einer Gesellschaft, die sich durch Schnelllebigkeit auszeichnet, eine Gesellschaft, die sich wie keine andere je zuvor über technologischen Fortschritt und Globalisierung im Zeichen der Zeitersparnis definiert, klagen wir über einen nicht enden wollenden Zeitmangel. Auf den ersten Blick erscheint dies zugegebenermaßen paradox. Beschäftigt man sich jedoch mit der Ansicht des Soziologen Hartmut Rosa, so kommt man letztlich zu der Einsicht, dass diese Aussage nicht im Geringsten paradox, sondern das Ergebnis eines gesellschaftlich bedingten Vorgangs ist.

Rosa nimmt in seinem Buch „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstruktur in der Moderne.“ die Tatsache, dass wir keine Zeit haben, obwohl wir stets dabei sind Zeit zu sparen, als Ausgangspunkt für eine Untersuchung anhand des Phänomens der sozialen Beschleunigung. Er ist im Gegensatz zu anderen Soziologen, wie etwa Simmel, Durkheim oder Weber, davon überzeugt, man müsse die Zeit als verbindendes Element der stetig untersuchten Begriffe Natur, Struktur, Individuum und Kultur und daher als Schlüsselphänomen einer Vielzahl von theoretischen Konstrukten wahrnehmen.

Unter der Annahme, dass zeitliche Strukturen sowohl Handlungsformen des Systems wie auch der Individuen erklären können, erläutert Rosa zwei unterschiedliche Formen von Zeit – Diagnosen: Die Beschleunigung und den Stillstand. Beschleunigung soll hierbei als die ständige und sich immer schneller vollziehende Weiterentwicklung von Technik und damit von sozialen Prozessen verstanden werden. Das dazugehörige Pendant ist kurioserweise die Ansicht der Gesellschaft, alles werde langweilig, der Zauber im Leben der Menschen, wie George Ritzer es in seinem Buch „Enchanting a Disenchanted World.“ nennt, sei verloren gegangen. Die beiden Begriffe Beschleunigung und Stillstand führt Rosa sodann zum Begriff des „rasenden Stillstandes“ zusammen, ein Erstarren der Gesellschaft, welches eben gerade durch den immer schneller vor sich gehenden technologischen Fortschritt erst ausgelöst wird. Probleme ergeben sich laut Rosa, sobald eine Desynchronisation auftritt, eine einseitige Beschleunigung eines Aspekts in der Gesellschaft. So unterscheidet er zwischen einer Desynchronisation des Systems und der Individuen, falls nur einer der beiden Aspekte beschleunigt wird und der Desynchronisation verschiedener Teilsysteme, wie z.B. Politik und Wirtschaft, aufgrund ungleichmäßiger Beschleunigung. Eine dritte Möglichkeit der Desynchronisation resultiert aus der Dissonanz zwischen Alltagszeit, biographischer Zeit und historischer Zeit, was zur Folge hat, dass die Akteure keine Handlungssicherheit mehr erlangen können, da ihnen die Sinnhaftigkeit der Zukunft unerschließbar bleibt.

An diesem Punkt wird der Zusammenhang mit dem Modernisierungsschema von Hans van der Loo und Willem van Reijen deutlich. Ausgehend von Modernisierungstheorien der Klassiker, wie Weber und Marx, wird dargestellt, wie Beschleunigungstheorien schon in diesen Ansätzen eine erhebliche Rolle spielen: Bei Marx ist dies die Existenz der Zeit als begrenzte Ressource und daraus folgend die unmittelbare Umwandlung gesparter Zeit in erhöhte Produktivität, bei Weber ist die Beschleunigung Vorraussetzung des Kapitalismus und so auch der Rationalisierung. So zeigt Rosa schliesslich den ursprünglichen Zusammenhang der Beschleunigung mit den nach van der Loo/Reijen charakteristischen Aspekten der Modernisierung: Differenzierung, Rationalisierung, Individualisierung und Domestizierung. Es wurde jedoch nie so tiefgründig auf die Beschleunigung als Ursprung dieser Aspekte eingegangen, dass daraus eine Theorie entwickelt werden konnte.

Gemäß einer Definition von Hartmut Rosa soll eine der drei von ihm dargestellten Formen der Beschleunigung (technische Beschleunigung, Beschleunigung des Lebenstempos und Beschleunigung des sozialen Wandels) folgendermaßen verstanden werden: „Beschleunigung des sozialen Wandels lässt sich […] definieren als Steigerung der Verfallsraten von handlungsorientierenden Erfahrungen und Erwartungen und als Verkürzung der für die jeweiligen Funktions-, Wert- und Handlungssphären als Gegenwart zu bestimmenden Zeiträume . “2. Es gilt sodann noch zwischen Beschleunigung in der Gesellschaft, wie sie die Form der technischen Beschleunigung darstellt und Beschleunigung der Gesellschaft selbst zu unterscheiden, wie etwa die Beschleunigung des sozialen Wandels.

1.2 Thema der Arbeit

Die in dieser Arbeit jedoch primär interessierende Form von Beschleunigung ist die Beschleunigung des Lebenstempos. Dieser Begriff soll hierbei verstanden werden als Verdichtungen von Handlungsabfolgen auf zweierlei Arten: Zum einen kann dies durch die Beschleunigung der einzelnen Aktionen erreicht werden, zum anderen jedoch auch durch das gleichzeitige Ausführen mehrerer Tätigkeiten auf einmal (sog. Multitasking). Zur Untersuchung dieser Phänomene sind objektive wie subjektive Erhebungen notwendig. Die objektiven Untersuchungen beschränken sich zumeist auf relativ einfach zu erhebende Daten, da sich gezeigt hat, dass die quantitative Methodenforschung an ihre Grenzen gerät, wenn es darum geht Empfindungen wie Zeitnot repräsentativ zu erheben. Insbesondere die Interpretation der ausgewerteten Ergebnisse kann hierbei häufig zu falschen Gesamtergebnissen führen.

Daher ist es in dieser Untersuchung vor allem Sache der qualitativen Methoden, geeignete Daten zu erheben.

Ein besonderes Augenmerk soll hierbei auch auf den Faktor Freizeit verwendet werden, wobei hier zwischen freier Zeit und tatsächlicher Freizeit unterschieden werden soll. Die Tatsache, dass Menschen ihre Freizeit niedriger schätzen, als diese tatsächlich ist, hängt laut Rosa mit der Ausfüllung derselbigen durch eine Vielzahl von notwendigen Tätigkeiten zusammen. Die Reihenfolge der ausgeführten Tätigkeiten spielt eine weitere Rolle: Durch das Gefühl sich zu etwas verpflichtet zu fühlen, wie z.B. Sport zu treiben oder sich zu bilden und die tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten entsteht oftmals ein Spannungsverhältnis. Die für erstrebenswert gehaltenen Tätigkeiten weichen, aufgrund des Anpassungszwangs (s.u.), oftmals weniger erstrebenswerten Beschäftigungen, die notwendigerweise ausgeführt werden müssen. Rosa stellt hierbei das sogenannte „Kurz – Kurz – Muster“ vor: ein Muster, welches den Individuen eine kurzzeitige Befriedigung während kurz anhaltenden, nicht anspruchsvollen Tätigkeiten vermittelt: „Kurze, stimulationsreiche, aber gegeneinander isolierte, d.h. ohne innere Verbindung bleibende Erlebnisepisoden lösen einander in raschem Wechsel ab.“3. Paradebeispiel für eine solche Aktivität ist fernsehen. Auch die Untersuchung der Aussagen über Freizeit und Tätigkeitsmuster soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Schließlich soll sodann noch untersucht werden, inwiefern die laut Rosa verantwortlichen Ursachen für Zeitnot, namentlich Anpassungszwang und Verpassensangst, eine Rolle im gesellschaftlichen Leben spielen. Unter Verpassensangst soll hierbei die Angst verstanden werden, die auftritt wenn Menschen ihr Bild eines gelungenen Lebens in Gefahr sehen und aufgrund dessen ständig versuchen ihr Leben zu beschleunigen um letztendlich ‚alles erreicht zu haben, was man sich im Leben vorgenommen hat’. Der Anpassungszwang hingegen hat zur Folge, dass sich niemand auf dem bisher Erreichten oder Erlernten ausruhen kann, da ihm oder ihr sonst droht, gesellschaftlich ins Hintertreffen zu gelangen und dies wäre wiederum mit mühsamer Aufholarbeit verbunden um nicht gesellschaftlich sanktioniert oder separiert zu werden. Bei der Erhebung dieser Daten ist des Weiteren die Beobachtung zu berücksichtigen, dass Zeitnot positiv behaftet ist, da dies in der heutigen Gesellschaft ein Zeichen für Begehrtheit ist. Die Analyse der Ergebnisse muss daher unter Berücksichtigung dieses Faktums durchgeführt werden.

1.3 Forschungsgegenstand

Aufgrund der Tatsache, dass diese Untersuchung für eine unheimlich große Zahl verschiedenster Typen durchgeführt werden kann (berufstätige Mütter, Arbeitslose, Kinder, Studenten, Rentner, usw.) mussten Fokus der Untersuchung sowie die untersuchte Personengruppe weiter präzisiert werden. Aufgrund des vorangegangenen Projektseminars und der Arbeit unserer Gruppe mit Zeitstrukturen im Bereich der Wirtschaft, entschieden wir uns, dies auch in unseren individuellen Untersuchungen zu übernehmen. Es bot sich daher auch eine Befragung von Menschen im Berufsleben mittleren Alters (30 bis 55) an. M.E. nach besonders interessant ist der Übergang von Studienzeit in die Berufstätigkeit, da hier zwei unterschiedliche Zeitstrukturen direkt aufeinander folgen.

2. Methode und Durchführung

Wie vorab bereits erwähnt sollten das Phänomen der Zeitnot und die daraus resultierenden Zeitstrukturen der befragten Person anhand einer qualitativen Untersuchung erhoben werden. Hierbei muss angemerkt werden, dass dies keine Arbeit im Sinne einer Hypothesenprüfung darstellen soll, sondern durchaus im Rahmen eines zirkulären Forschungsprozesses Raum für die Entdeckung und Entwicklung einzelner, gegebenenfalls sogar neuer Umgangsformen mit dem Phänomen der Zeitnot lassen soll. Was untersucht werden soll, sind daher nicht einzelne, vorgeschriebene Fälle, sondern es soll aufgedeckt werden, wie Menschen mit dem von Hartmut Rosa beschriebenen Phänomen der Zeitknappheit umzugehen versuchen, welche Methoden sie entwickeln und welche Strukturen sich daher in ihrem Leben manifestiert haben.

2.1 Erhebungsmethode

Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass wohl viele Novizen unter den Interviewern und Interviewerinnen waren wurde ein Leitfaden-Interview durchgeführt. Für eine narrative und relativ unstandardisierte Form des Interviews sprachen außerdem folgende Gründe:

Narrative Interviews haben, wenn sie korrekt durchgeführt werden, einen hohen Grad an Authentizität. Durch die Möglichkeit der Respondenten, eigene Schwerpunkte während ihren Erzählungen zu setzen, erhält der Interviewer bzw. der Forscher hierdurch einen Einblick in die tatsächlichen, latenten Tiefenstrukturen, die es in den meisten Formen der qualitativen Forschung zu untersuchen gilt.

Hinzu kommt, dass es stets einfacher ist, einzelne Personen zu Interviews zu bewegen, als eine, zeitlich und finanziell sicher aufwändigere, (in diesem Fall teilnehmende) Beobachtung durchzuführen.

Auch die Nachvollziehbarkeit der aus diesen Interviews gewonnenen Daten und Interpretationen ist aufgrund der Niederschrift sämtlicher Bestandteile – gegenüber Beobachtungsprotokollen z.B. – leichter.

Das Leitfaden-Interview als Unterform des narrativen Interviews bot sich, gemeinsam mit dem vorab erwähnten Grund, deshalb an, da ein Leitfaden eine zusätzliche Hilfestellung zur Durchführung des Interviews geben kann, jedoch nicht muss. Die Offenheit des Interviews liegt stets beim Interviewer, welcher die Fragen des Leitfadens nicht systematisch ‚abarbeiten’ sollte, sondern den Leitfaden lediglich als Stütze verwenden sollte. Überdies stellt der Leitfaden zusätzlich sicher, dass keine wichtigen Aspekte vergessen werden.

Der Leitfaden wurde gemeinsam mit allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe des Projektseminars erstellt. Da zu diesem Zeitpunkt bereits fest stand, dass wir Personen im Alter von 30 bis 55 Jahren befragen werden, konnten nach der Entwicklung eines theoretischen Ansatzes Themenfelder notiert werden, die für unser Forschungsinteresse von Bedeutung sein könnten. Hierbei ergaben sich folgende Themenfelder: Urlaub, Freizeit, Persönliches, Beruf und ein Block aus Stichworten und Aussagen zur Kommentierung.

Nach diesem Schritt wurden die einzelnen Fragen entwickelt, wobei auf eine sinnvolle Reihenfolge und die nötige Offenheit der jeweiligen Fragen geachtet wurde. Es galt hierbei die Fragen so allgemein wie möglich zu halten, da bis zu diesem Zeitpunkt die jeweiligen Interviewpartner noch nicht feststanden und vermieden werden sollte, dass Fragen entwickelt werden, die zu spezifisch auf einzelne Personen zugeschnitten waren. Im anschließenden Schritt wurden Schlüsselfragen sowie optionale Fragen gekennzeichnet. Einige Mitglieder der Gruppe führten daraufhin einen Pretest durch, dessen Ergebnis eine Umstrukturierung und weitere Aus- und Umformulierungen der Fragen zur Folge hatte.

2.2 Durchführung des Interviews

Das Auffinden eines entsprechenden Interviewpartners erwies sich, aufgrund einer ziemlich präzisen Vorstellung über denselbigen, als relativ schwer. Es war hierbei problematisch, jemanden zu finden, der nach Möglichkeit noch nicht zu lange berufstätig ist und daher den Unterschied bezüglich seiner Zeitverwendung in Studium und Beruf noch relativ gut rekapitulieren konnte. Über zahlreiche private Kontakte gelang es schliesslich einen entsprechenden Respondenten für das Interview zu gewinnen. Hierbei wurde lediglich erwähnt, dass es in dem Interview um Zeit gehe, um nicht den gesamten Interviewinhalt vorab preiszugeben.

Das Interview fand in der Wohnung des Respondenten statt, wobei es hier wichtig erscheint zu erwähnen, dass ihm daran lag, das Interview in Abwesenheit seiner Lebensgefährtin zu führen, was er damit begründete, dass er sich nicht durch Zwischenfragen stören lassen wollte. Zu dieser Aussage soll jedoch zu einem späteren Zeitpunkt in der Auswertung der Ergebnisse nochmals genauer Stellung genommen werden.

Die Durchführung des Interviews verlief durchweg positiv, wobei sich der Leitfaden in manchen Situationen als äußerst hilfreiches Instrument erwies. Die Eingangsfrage stellte sich als ansprechende Erzählaufforderung heraus und auch die übrigen Fragen führten kaum zu Verständnisproblemen seitens des Respondenten. Dieser legte bei nahezu jeder gestellten Frage eine ausgesprochene Erzählbereitschaft an den Tag, was wiederum das gesamte Interview sehr einfach zu steuern machte. Ebenfalls sehr angenehm waren die deutlichen Abschlüsse des Respondenten, mithilfe derer es einfach zu erkennen war, wann die Ausführungen zur jeweiligen Frage beendet waren.

Auch die thematische Positionierung der Aussagen und Stichworte am Ende des Interviews erwies sich als sinnvoll, da hier deutlich zu erkennen war, wie der Respondent auf die jeweiligen Formulierungen der Aussagen einging und sich daher wohl auch etwas beeinflussen ließ. Zudem war der Wert der Kommentare für die anschließende Analyse bis zu diesem Zeitpunkt noch relativ unklar, so dass es sich als folgerichtig erwies, diese am Schluss des Interviews zu stellen, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass man dem Respondenten zu diesem Zeitpunkt bereits eine Art geistiger Erschöpfung anmerkte.

Zum Abschluss des Interviews wurde mit dem Respondenten ein kurzes Resümee gemacht und es wurde ihm die Möglichkeit gegeben, selbst noch Punkte hinzuzufügen, die er persönlich eventuell für hilfreich bzw. wichtig hielt.

Im abschließenden Gespräch nach dem Interview wurde ihm ausserdem das Ziel des Interviews erklärt und was der Inhalt des dazugehörigen Projektseminars war.

2.3 Zur Auswertungsmethode

Bezüglich der Auswertungsmethode gibt es keine spezielle Form, wie beispielsweise in der Biographieforschung. Es soll hier lediglich eine inhaltliche Interpretation der aus dem Interview erhaltenen Daten erfolgen, welche sodann mit der Theorie Hartmut Rosas verglichen werden und kategorisch auf Übereinstimmungen oder Dissonanzen überprüft werden soll, woraufhin eventuell bestimmte Muster zur Bewältigung der Zeitknappheit entstehen. Insbesondere der Aspekt der Veränderung des Zeitmanagements im Übergang vom Studium zum Berufsleben erscheint hier interessant.

3. Ergebnisse

3.1 Interviewinhalt

Der Befragte Herr R. ist 31 Jahre alt und arbeitet für ein Pharmaunternehmen in der Abteilung PR und Öffentlichkeitsarbeit. Er ist nicht verheiratet, lebt jedoch mit seiner Freundin zusammen in einer Wohnung. Zuvor hat er Germanistik im Hauptfach, sowie Kunst- und Medienwissenschaften und Geschichte im Nebenfach an der Universität Konstanz studiert.

Auf die Einstiegsfrage welche Bedeutung Zeit für ihn habe, spricht er umgehend den Unterschied zwischen Studium und Beruf an. Er erzählt, dass Zeit „unglaublich relativ“(Z.13) für ihn geworden ist, seit er arbeitet und dass die Zeit seitdem an ihm „vorbeiflutscht“ (vgl. Z.14). Er ist auch der Meinung, sein „Zeitgefühl habe sich verabschiedet“ (Z.13) im Vergleich zu seiner Studienzeit. Damals, so der Respondent, hatte er nicht zuviel Zeit, da es ständig Dinge gab mit denen er sich beschäftigte. Heutzutage beschreibt er sein Leben hingegen als ständige „Hetzerei“ (vgl. Z.24). Auch die Zeit außerhalb der Arbeit wird, aufgrund der privaten Aufgaben als knapp empfunden. Hier werden „Haushalt, Termine oder Gefallen für Freunde“ (vgl. Z.28-30) angesprochen. Letztlich zieht er ein Resümee seiner Erzählung und hat das Gefühl „die Zeit hat sich verabschiedet“ (Z.31).

3.1.1 Urlaub

Herr R. macht selten Urlaub und beschreibt Urlaub auch nicht als „Faktor, der ihn vom Zeitdruck befreit“ (Z.42, 43). Den letzten Urlaub, den er in Ägypten verbracht hat, beschreibt er allerdings als „furchtbar entspannt“ (Z.47) und erzählt sichtbar zufrieden, endlich wieder ein Buch gelesen zu haben (vgl. Z.49). Auf die Frage nach einer typischen Gestaltung eines Urlaubs, gibt er an, die „Entspannung“ (Z.56) stehe hier im Vordergrund und nicht der Besuch von Sehenswürdigkeiten. Er präzisiert sodann seine Aussage weiter, indem er von dem Streben nach „mehr Muße“ (Z.62) und „wenigen Zwängen“ redet (Z.62) und das Angenehme eines Urlaubs die „Optionen“ (Z.70) seien, die man hat, etwas zu tun oder auch nicht.

3.1.2 Freizeit

Die letzte freie Zeit ohne Verpflichtungen hatte Herr R. seinen ersten Angaben nach am Ende des Studiums im März 2005 über einen Zeitraum von etwa 4 Wochen. Hier spricht er daraufhin wieder die Zeit als Student, insbesondere die Prüfungszeit an, während welcher er auch freie Zeit hatte, diese Zeit aber nicht als wirklich frei ansieht, da er ständig ein schlechtes Gewissen hatte, sobald er nicht gelernt hat. Daher lehnt er den Begriff Freizeit für diese Zeit ab. Auf die Nachfrage hin, ob er denn aktuell keine Zeit ohne Verpflichtungen habe, stellt sich heraus, dass er einen Wohnungswechsel hinter sich hat und sich daher derzeit „zu allem verpflichtet“ (vgl. Z.99) fühlt. Er erzählt weiter, dass er durchaus Zeit hat um Aufgaben zu erledigen, jedoch nach einem Arbeitstag keine Energie mehr für dieselbigen aufbringen kann und sich daher mit physisch weniger anspruchsvollen Dingen wie Internet-Surfen beschäftigt. Die Zeit als Faktor spielt im Leben des Herrn R. vor allem geschäftlich eine große Rolle. Er berichtet von Zeitdruck, vor allem bezüglich beruflicher Termine und dem damit verbundenen Stress. Andererseits gibt es jedoch auch Termine, bei denen er weiß, „falls ich diesen Termin verpasse dann reißt mir keiner den Kopf ab“ (Z.120, 121). Diese Art von Terminen wird von ihm dann des Öfteren auch bewusst hinausgezogen. Eine zweite Rolle spielt Zeit als Faktor sodann auch in seinem Privatleben: hier vergehen die 5 bis 6 Stunden nach Feierabend aufgrund von Aufgaben im Haushalt so schnell, dass es nicht ausreicht für etwas „Gescheites das man unternehmen könnte“ (Z.129). Die Zeit wird daher mit „fernsehen, Internet oder einem Bier“ (vgl. Z.130, 131) verbracht, bevor er schlafen geht. Auf Nachfragen stellt sich heraus, dass Herr. R. keine Hobbys in Vereinen oder Ähnlichem hat. Ohne eine Frage seitens des Interviewers erläutert Herr R. sodann seine Ansicht über den Begriff Freizeit. Er teilt diesen Begriff in „freie Zeit“ (Z.141, 142), in der man nicht arbeiten muss und welche nach seinem Verständnis dazu dient „Tätigkeiten, die notwendig sind“ (Z.143) zu erledigen. Freizeit hingegen bedeutet für ihn Zeit, die nach Erledigung aller Tätigkeiten „noch übrig bleibt“ (Z.145) und dadurch gekennzeichnet ist, dass sie „ein bisschen freier […] ist“ (Z.149). Er betont hier erneut, dass diese Zeit frei von jeglichem Zwang und dadurch „vom eigenen Willen und […] der Lust geleitet“ (Z.159) ist und nennt als Beispiele Samstag und Sonntag, wobei der Sonntag Abend für ihn bereits wiederum „innerlich in Zeitdruck ausartet“ (Z.161), da er sich auf den nächsten Arbeitstag vorbereitet.

3.1.3 Persönliche Aspekte

Auf die Frage nach der persönlichen Planung des Tagesablaufs mit Hilfsmitteln, wie Terminkalender oder Notizzetteln, gibt der Befragte an ein elektronisches Hilfsmittel – Microsoft Outlook – zu verwenden. Er ist der Ansicht, wichtige Dinge „muss man einfach aufschreiben“ (Z.180, 181). Andere Termine, wie etwa Verabredungen, notiert er sich nicht und vergisst diese „komischerweise auch nie“ (Z.175). So beschreibt er seine Planung als lediglich „grobe Planung“ (Z.172). Die Einteilung in zeitliche Einheiten eines Arbeitstages gestaltete sich wie folgt: Herr R. steht um 6 Uhr auf und bereitet sich innerhalb einer halben Stunde, was er selbst als „schnell“ (Z.195) beschreibt, auf die Arbeit vor. Nach einer halben Stunde Anfahrtsweg, arbeitet er 5 Stunden bis er schließlich zwischen 45 und 60 Minuten Mittagspause hat. Der zweite Arbeitsblock umfasst 3,5 Stunden. Arbeitsende ist demnach stets zwischen 16.30 Uhr und 17 Uhr. Den letzten Block betitelt er selbst als

„Feierabendblock“, welcher für die übrigen Aufgaben in Haushalt und Privatleben verwendet wird. Auf die Frage nach Situationen, die regelmäßig mit Zeitdruck verbunden sind, erwähnt Herr R. wieder umgehend die Arbeit. Er schildert als Beispiel die Berichterstattung über ein aktuelles Ereignis und gibt an, dass „mit der Sekunde wo diese Veranstaltung zu Ende ist […] schon der Zeitdruck“ (Z.214) beginnt. Jedoch auch am Wochenende befindet er sich unter Zeitdruck: er hat das Gefühl relativ früh aufstehen zu müssen, um „wenigstens den Mittag“ (Z.219) frei zu haben und steht daher um 8 Uhr auf. Er erwähnt hierbei auch, dass Konflikte mit seiner Freundin auftreten können, falls diese nicht aufstehen möchte. Auf die Frage wofür er seiner Meinung nach zu wenig Zeit habe, erwähnt Herr R. „die geistigen Belange des Menschen“ (Z.228), wie über religiöse und philosophische Dinge nachzudenken. Er ist der Ansicht er achte nicht mehr auf seine „tatsächlichen Bedürfnisse“ (Z.231), sondern verwendet seine Zeit nur noch um an „eher materielle Dinge und alltägliche Dinge des Lebens“ (Z.233) zu denken. Auch das Lesen gibt er auf Nachfragen des Interviewers bei diesem Punkt an. Er resümiert zum Schluss, dass der „Konsum an sich“ (Z.245, 246) abgenommen hat, wohingegen der Konsum von Genussmitteln gestiegen ist, was er damit begründet, dass er nach der Arbeit hierdurch Entspannung findet. Zu viel Zeit verwendet er hingegen seiner Auffassung nach für die Arbeit, wobei er hier nicht die zeitliche Komponente verantwortlich macht („…die Zeit wär’ gar nicht so das Problem, weil wenn ich 42,5 offizielle Stunden pro Woche arbeite, hab ich eigentlich noch ’nen Haufen Stunden übrig“, Z.253-255), sondern das „Energiedefizit“ (Z.256), welches er nach einem Arbeitstag empfindet. Hierdurch hat er „zu wenig Energie übrig um […] mit dem Leben so viel noch anfangen zu können, dass es wirklich gut oder schön wär’“ (Z.256, 257). Hierdurch beschäftigt er sich nicht mehr mit für ihn persönlich interessanten Dingen, sondern fast nur noch mit „Fremdsachen“ (Z.263). Als Erklärungsversuch für diese Tatsache stellt er auf die Theorie der „Entfremdung des Arbeiters“ (Z.264) nach Marx ab. Problematisch in diesem Zusammenhang, sieht er die Tatsache, dass die Firma für welche er arbeitet nicht seine eigene ist und dass daher auch kein absolutes Interesse seinerseits existiert. Seine Freizeitaktivitäten beschreibt er im Folgenden auf eine direkte Frage des Interviewers als „durchaus sinnlos“ (vgl. Z.274), schreibt ihnen jedoch letztlich doch einen „kleinen Spassfaktor“ (Z.288) zu. Zeit als Messgröße wird von

Herrn R. als neutral eingestuft, es sei jedoch individuell, wie jemand damit umzugehen weiß. Auf die Frage, ob Zeit ihn einschränke oder ihm bei der Strukturierung seiner Handlungen unterstützt, erklärt er, dass er aufgrund seiner kreativen Arbeit Zeit eher als Einschränkung erfährt und oftmals unzufrieden mit Ergebnissen ist, welche unter enormem Zeitdruck entstanden sind. Im weiteren Verlauf erklärt der Respondent sodann auf eine Frage hin, dass es ihm sehr oft bewusst ist, wie er seine Zeit verbringt. Als Beispiel hierfür verwendet er die „gesellschaftliche Verpflichtung“ (Z.323), die er empfindet, wenn er sich mit Menschen unterhalten muss, obwohl er stattdessen lieber etwas anderes tun würde. Auch hier zieht er wieder von selbst einen Vergleich zu früher, als er noch mehr Zeit hatte und so etwas „verschmerzen“ (Z.326) konnte. Darauf folgend gibt er sogar an, keine neuen Freundschaften mehr schließen zu wollen, da er schon jetzt zu wenig Zeit für die bestehenden Freundschaften hat und nimmt nach einem kurzen Sprecherwechsel erneut die Thematik über den bewussten Umgang mit Zeit auf. Dabei erzählt er von einem Mitarbeiter, welcher im Alter von etwa 50 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist und betont wie wichtig ihm in solchen Momenten die Zeit wird und dass er diese lieber mit „Persönlichem füllt, als mit Fremdarbeit“ (vgl. Z.349, 350). In Bezug auf Pünktlichkeit unterscheidet der Befragte zwischen Arbeit, bei welcher er sich selbst als „eher pünktlich“ (Z.356) beschreibt und „personenbezogener“(Z.366) Pünktlichkeit, bei welcher es stets auf das Gegenüber ankommt, wie pünktlich er ist. Herr R. berichtet sodann, auch wiederum auf Fragen des Interviewers hin, dass er gleichermaßen an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft denkt, wobei er sich über die Zukunft relativ bedenklich äußert. Er ist der Meinung, die Menschen haben sich verändert, sind „egoistischer und egozentrierter“ (Z.389) geworden. In Zusammenhang damit, gibt er zu verstehen, dass er die Zukunft als zu „unsicher ansieht und von zu vielen Faktoren abhängig“ macht, als das diese „planbar“ wäre (vgl. Z.390-394). Er schließt den Abschnitt mit der Äußerung ab, es mache ihm Angst (vgl. Z.406), zu sehen wie sich die soziale Moral und die Wirtschaft entwickeln. Später im Text gibt er auch zu, bezüglich zukünftiger Dinge wenig zu planen. Über die zeitliche Gestaltung der Zukunft hingegen, hat er konkrete Vorhaben: Er möchte „regelmäßig Sport treiben“(Z.434) und selbst kreativ etwas schreiben, was ein Jugendtraum von ihm ist. Ändern würde er hingegen am liebsten die Verwendung seiner Zeit für die Arbeit, was jedoch aus finanziellen Aspekten und weil er es als „Pflicht“ (Z.448) sieht, nicht möglich ist. Daran fügt er an, dass es nicht möglich sei, Karriere zu machen und gleichzeitig weniger zu arbeiten. Hätte er jedoch mehr Zeit, so würde er außer Sport und Schreiben noch andere Aktivitäten ausüben, wie „Gitarre spielen, E-Gitarre, Lesen […] und Rad fahren“ (Z.467, 468).

[...]

Final del extracto de 48 páginas

Detalles

Título
Die Beschleunigung des Lebenstempos - eine Interviewanalyse
Universidad
University of Constance  (Geisteswissenschaftliche Sektion, Fachbereich: Geschichte und Soziologie)
Curso
Zeitkompetenzen (Projektseminar im Hauptstudium)
Calificación
1,0
Autor
Año
2006
Páginas
48
No. de catálogo
V115691
ISBN (Ebook)
9783640170777
ISBN (Libro)
9783640172740
Tamaño de fichero
536 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Beschleunigung, Interviewanalyse, Zeitkompetenzen, Lebenstempo, Zeit, Zeitverwendung, Entschleunigung
Citar trabajo
B.A. Dominique Blümke (Autor), 2006, Die Beschleunigung des Lebenstempos - eine Interviewanalyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115691

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