Die Frage nach der Funktionsweise des menschlichen Gehirns ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Kein anderes Organ im menschlichen Körper gibt auch der modernen Wissenschaft, aller Fortschrittlichkeit zum Trotz, so viele Rätsel
auf. Gerade deswegen ist die Beschäftigung mit diesem Thema so faszinierend. Eine der wohl interessantesten Fragestellungen ist die Verbindung zwischen Sprache und Gehirn. Theorien zu dieser Verbindung entwickelten sich aus der medizinischen Notwendigkeit, Patienten zu helfen, die nach einer Schädigung
des Gehirns mit Sprachproblemen zu kämpfen hatten. Die Medizin, die vielleicht älteste Wissenschaft überhaupt, legte den Grundstein für die intensive Beschäftigung mit diesem Thema. Die Liste der Disziplinen, die sich im Laufe der Jahrhunderte der Diskussion anschlossen, ist schier endlos: Philosophie, Theologie, Neurolinguistik, Psycholinguistik, Psychologie...
Diese Arbeit wird versuchen, den Vorgängen im menschlichen Gehirn, die uns erlauben, eine oder mehrere Sprachen zu verwenden, auf die Spur zu kommen. Die zentrale Frage dieser Arbeit steht seit Beginn der Aphasieforschung im
Mittelpunkt des Interesses: Wie ist Sprache im Gehirn eines Menschen repräsentiert/organisiert? Nur über eine Klärung dieser Frage wird man in die Lage versetzt, die Krankheitsbilder von Aphasiepatienten richtig zu interpretieren. Der Aspekt der Mehrsprachigkeit wird mit der Erweiterung der Ausgangsfrage auf zwei oder mehr Sprachen zum Tragen kommen. Es wird klar
werden, dass die beiden konkurrierenden Hauptkonzepte der Aphasieforschung - Lokalisation und Holismus - auch heute noch die Aphasieforschung sowohl bei Ein- wie auch bei Mehrsprachigkeit beeinflussen.
Nach Klärung zweier zentraler Begriffe dieser Arbeit wird zunächst die historische Entwicklung der Aphasieforschung dargestellt und teilweise kritisch beleuchtet werden. Dies ist nötig um zu verstehen, wo die Wurzeln der einzelnen miteinander konkurrierenden Theorien dieses Forschungsgebietes liegen. Der
erste Teil schließt mit einer kurzen Zusammenfassung und einigen offenen Fragen ab.
Im zweiten Teil meiner Arbeit werde ich auf die verschiedenen Theorien zur Aphasie bei Mehrsprachigkeit eingehen, um im dritten Teil dann die daraus resultierenden Modelle zur Repräsentation und Organisation mehrerer Sprachen
im menschlichen Gehirn zu diskutieren.[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffsklärung
- Aphasien
- Mehrsprachigkeit
- Historischer Überblick
- Die Antike
- Die ersten Dokumente
- Die Anfänge des Lokalisationsgedankens
- Das Mittelalter
- Die Renaissance
- Das 18. Jahrhundert
- Das 19. Jahrhundert
- Paul Broca
- John Hughlings Jackson
- William Ogle – Die Entdeckung der amnestischen Aphasie
- Heymann Steinthal: Die Psycholinguisten betreten die Bühne
- Carl Wernicke
- Zusammenfassung
- Die Antike
- Aphasie und Mehrsprachigkeit
- Der Wiederherstellungsprozess als Ausgangspunkt
- Das Gesetz von Ribot und die Regel von Pitres
- Klassifikation der Restitutionsverläufe
- Synergistic recovery
- Successive & selective recovery
- Antagonistic recovery
- Mixed recovery
- Zusammenfassung
- Erklärungsversuche für die Restitutionsmuster anhand einer strengen Lokalisationstheorie
- Mögliche Formen der Organisation und Repräsentation mehrerer Sprachen im menschlichen Gehirn
- Die mögliche Rolle der rechten Hirnhemisphäre beim monolingualen Menschen
- Der Wada-Test
- Untersuchungen an Patienten nach erfolgter Kommissurotomie
- Der dichotische Hörtest
- Die Rolle der rechten Hirnhemisphäre beim mehrsprachigen Menschen
- Mögliche Faktoren mit Einfluss auf die Lateralisierung mehrerer Sprachen im menschlichen Gehirn
- Sprachspezifische Faktoren
- Spracherwerbsfaktoren
- Der Switch Mechanismus
- Anatomieunabhängige Hypothesen zur Organisation mehrerer Sprachen im menschlichen Gehirn
- Die Energietheorie von Green
- Die subsystem hypothesis
- Die activation threshold hypothesis
- Die Energietheorie von Green
- Das limbische System
- Bildgebende Verfahren in der Hirnforschung
- Die mögliche Rolle der rechten Hirnhemisphäre beim monolingualen Menschen
- Fazit
- Das einsprachige Gehirn
- Das mehrsprachige Gehirn
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Repräsentation und Organisation von Sprache(n) im menschlichen Gehirn, insbesondere im Kontext von Aphasie bei mehrsprachigen Patienten. Sie beleuchtet die historische Entwicklung der Aphasieforschung, analysiert verschiedene Theorien zur Aphasie bei Mehrsprachigkeit und diskutiert konkurrierende Modelle (Lokalisation vs. Holismus).
- Historische Entwicklung der Aphasieforschung
- Aphasie bei mehrsprachigen Patienten
- Theorien zur Repräsentation von Sprache im Gehirn
- Lokalisations- und holistische Ansätze in der Aphasieforschung
- Die Rolle der Hirnhemisphären bei Ein- und Mehrsprachigkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Sprachrepräsentation im Gehirn ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Organisation von Sprache(n) im Gehirn und deren Bedeutung für das Verständnis von Aphasie, besonders bei Mehrsprachigkeit, vor. Sie umreißt den Aufbau der Arbeit und hebt die Bedeutung der historischen Entwicklung der Aphasieforschung und der Auseinandersetzung mit konkurrierenden Theorien (Lokalisation und Holismus) hervor.
Begriffsklärung: Dieses Kapitel klärt die zentralen Begriffe "Aphasie" und "Mehrsprachigkeit", um eine solide Grundlage für die folgenden Kapitel zu schaffen. Es definiert Aphasie als Sprachstörung aufgrund von Hirnschädigungen und differenziert verschiedene Arten von Mehrsprachigkeit, um die Komplexität des Themas zu verdeutlichen und die Grundlage für die spätere Untersuchung der Auswirkungen von Aphasie auf mehrsprachige Patienten zu legen.
Historischer Überblick: Dieser Abschnitt zeichnet die historische Entwicklung der Aphasieforschung nach, beginnend von der Antike bis zum 19. Jahrhundert. Er präsentiert die wichtigsten Meilensteine und Persönlichkeiten wie Broca, Wernicke und Jackson, und beleuchtet die Entwicklung des Lokalisationsgedankens und die Herausbildung konkurrierender Theorien. Der Überblick zeigt, wie sich unser Verständnis von Sprache und Gehirn im Laufe der Geschichte entwickelt hat und welche wissenschaftlichen Ansätze die heutige Aphasieforschung prägen.
Aphasie und Mehrsprachigkeit: Dieses Kapitel befasst sich mit den verschiedenen Theorien zur Aphasie bei mehrsprachigen Patienten. Es analysiert den Wiederherstellungsprozess nach Aphasie, besonders die Gesetze von Ribot und Pitres, und klassifiziert die verschiedenen Restitutionsverläufe (synergistisch, sukzessiv, selektiv, antagonistisch, gemischt). Der Fokus liegt auf dem Verständnis, wie sich Mehrsprachigkeit auf den Verlauf und die Wiederherstellung von Sprachfunktionen nach einer Hirnschädigung auswirkt.
Mögliche Formen der Organisation und Repräsentation mehrerer Sprachen im menschlichen Gehirn: Dieses Kapitel erörtert verschiedene Modelle der Organisation und Repräsentation mehrerer Sprachen im Gehirn. Es untersucht die Rolle der rechten Hirnhemisphäre bei Ein- und Mehrsprachigen und diskutiert verschiedene Faktoren, die die Lateralisierung von Sprachen beeinflussen (z.B. sprachspezifische und spracherwerbsbezogene Faktoren). Der "Switch-Mechanismus" und anatomieunabhängige Hypothesen (wie die Energietheorie von Green) werden ebenfalls behandelt. Dieser Abschnitt präsentiert unterschiedliche Perspektiven auf die neuronale Organisation von Mehrsprachigkeit.
Schlüsselwörter
Aphasie, Mehrsprachigkeit, Sprachrepräsentation, Gehirn, Lokalisation, Holismus, Hirnhemisphären, Restitution, Spracherwerb, Neurolinguistik, Psycholinguistik, Bildgebende Verfahren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Aphasie und Mehrsprachigkeit - Ein Überblick
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit befasst sich mit der Repräsentation und Organisation von Sprache(n) im menschlichen Gehirn, insbesondere im Kontext von Aphasie bei mehrsprachigen Patienten. Sie untersucht die historische Entwicklung der Aphasieforschung, analysiert verschiedene Theorien zur Aphasie bei Mehrsprachigkeit und diskutiert konkurrierende Modelle (Lokalisation vs. Holismus).
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die historische Entwicklung der Aphasieforschung, Aphasie bei mehrsprachigen Patienten, Theorien zur Repräsentation von Sprache im Gehirn, Lokalisations- und holistische Ansätze in der Aphasieforschung, sowie die Rolle der Hirnhemisphären bei Ein- und Mehrsprachigkeit. Sie umfasst Begriffsklärungen zu Aphasie und Mehrsprachigkeit, einen historischen Überblick über die Aphasieforschung, eine Analyse des Wiederherstellungsprozesses nach Aphasie bei Mehrsprachigen, und eine Diskussion verschiedener Modelle der Organisation und Repräsentation mehrerer Sprachen im Gehirn.
Welche Schlüsselbegriffe werden in der Arbeit verwendet?
Schlüsselbegriffe sind Aphasie, Mehrsprachigkeit, Sprachrepräsentation, Gehirn, Lokalisation, Holismus, Hirnhemisphären, Restitution, Spracherwerb, Neurolinguistik, Psycholinguistik und bildgebende Verfahren.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist strukturiert in eine Einleitung, eine Begriffsklärung (Aphasie und Mehrsprachigkeit), einen historischen Überblick über die Aphasieforschung, ein Kapitel zu Aphasie und Mehrsprachigkeit (inkl. Restitutionsverläufe), ein Kapitel zu möglichen Formen der Organisation und Repräsentation mehrerer Sprachen im Gehirn (inkl. Rolle der rechten Hemisphäre und verschiedener Theorien), ein Fazit und eine Zusammenfassung. Jedes Kapitel wird durch eine eigene Zusammenfassung ergänzt.
Welche historischen Persönlichkeiten werden erwähnt?
Die Arbeit erwähnt wichtige Persönlichkeiten der Aphasieforschung, darunter Paul Broca, John Hughlings Jackson, William Ogle und Carl Wernicke. Sie beleuchtet deren Beiträge zur Entwicklung des Lokalisationsgedankens und des Verständnisses von Aphasie.
Welche Theorien zur Aphasie und Mehrsprachigkeit werden diskutiert?
Die Arbeit diskutiert verschiedene Theorien, darunter das Gesetz von Ribot und die Regel von Pitres bezüglich des Wiederherstellungsprozesses nach Aphasie. Sie untersucht verschiedene Restitutionsverläufe (synergistisch, sukzessiv, selektiv, antagonistisch, gemischt) und anatomieunabhängige Hypothesen wie die Energietheorie von Green (inkl. subsystem hypothesis und activation threshold hypothesis).
Welche Rolle spielt die rechte Hirnhemisphäre?
Die Arbeit untersucht die mögliche Rolle der rechten Hirnhemisphäre sowohl bei einsprachigen als auch bei mehrsprachigen Personen. Methoden wie der Wada-Test, Untersuchungen an Patienten nach Kommissurotomie und der dichotische Hörtest werden in diesem Zusammenhang erwähnt.
Welche bildgebenden Verfahren werden erwähnt?
Die Arbeit erwähnt allgemein bildgebende Verfahren in der Hirnforschung, geht aber nicht auf spezifische Verfahren detailliert ein.
Welche konkurrierenden Modelle werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht den Lokalisationsansatz mit holistischen Ansätzen in der Aphasieforschung.
Wo finde ich eine detaillierte Übersicht der Kapitel?
Ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit Kapiteln und Unterkapiteln ist im HTML-Code enthalten.
- Citar trabajo
- Stefan Schäfer (Autor), 2006, Grundkonzepte der Aphasieforschung und ihre Bedeutung für das Krankheitsbild mehrsprachiger Patienten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115720