Mergers and Acquisitions

Reform des GmbH-Rechts ("MoMig")


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

42 Seiten, Note: voll befriedigend


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel: Einleitung

2. Kapitel: Bekämpfung des Missbrauchs der GmbH
A. Möglichkeiten des Missbrauchs de lege lata
B. Bekämpfung des Missbrauchs de lege ferenda
I. Zustellungserleichterungen
II. Erweiterung der Ausschlusstatbestände
III. Erweiterte Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO-E
1. Kollisionsrechtliche Anknüpfung
2. Tatbestand des § 15a III InsO-E
3. Rechtsfolgen
IV. Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S.3 GmbHG-E
1. „Zahlungen“ i.S.d. § 64 GmbHG
2. Objektive Kausalität
3. Sorgfaltsanforderungen und Entlastungsbeweis
4. Rechtsfolgen
C. Würdigung der vorgesehenen Missbrauchsbekämpfung

3. Kapitel: Behandlung von Gesellschafterdarlehen
A. Reformstrategien
B. Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Momig-RegE
C. Analyse der einzelnen Tatbestände
I. Insolvenzrechtliche Subordination gem. § 39 I Nr.5 InsO-E
1. Gesellschaft
2. Gesellschafter
3. Darlehen oder gleichgestellte Forderungen
a) Verzicht auf das Merkmal „kapitalersetzend“
b) Reichweite der Rangrückstufung
aa) Rangrücktritt sämtlicher Gesellschafterforderungen
bb) Begrenzung des Rangrücktritts auf Darlehensforderungen
cc) Stellungnahme
c) Zwischenergebnis
4. Fortbestehen priviligierter Darlehen
5. Zwischenergebnis
II. Abschaffung der Rechtsprechungsregeln gem § 30 I S. 3 GmbHG-E
1. Historischer Hintergrund
2. Auswirkungen des § 30 I S.3 GmbHG-E auf den Rechtsverkehr
a) Beseitigung bestehender Rechtsunsicherheiten
b) Entstehende Rechtslücken im Gläubigerschutzkonzept
aa) Insolvenzvermeidung durch Rechtsfortbildung
bb) Ineffiziens der bestehenden Rechtsprechungsregeln
cc) Stellungnahme
III. Modifikation der Anfechtungstatbestände
1. Wesentliche Neuerungen
2. Problematik der Anfechtungsfrist
a) Erfordernis einer verlängerten Anfechtungsfrist
b) Ausreichender Gläubigerschutz durch die Jahresfrist
c) Stellungnahme
D. Würdigung des Insolvenzrechtlichen Konzepts

4. Kapitel: Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen
A. Institut des gutgläubigen Erwerbs im deutschen Recht
B. Gutglaubensschutz im Recht der GmbH
I. Anteilserwerb vom Nichtberechtigten de lege lata
II. Bedürfnis aus Praxisgesichtspunkten
III. Anteilserwerb vom Nichtberechtigten de lege ferenda
1. Rechtsscheinsbasis
a) Anknüpfunf an den Besitz („Wertpapierrechtlicher Ansatz“)
b) Anknüpfung an den Registereintrag
c) Anknüpfung an aufgewertete Gesellschafterliste
aa) Behandlung der Gesellschafterliste nach aktuellem Recht
bb) Erhöhte Seriösität der Geselschafterliste nach künftigem Recht
d) Zwischenergebnis
2. Tatbestand des § 16 III GmbHG-E
a) Einigung
b) Verkehrsgeschäft
c) Rechtsscheintatbestand
aa) Dreijähriger Listeneintrag gem. § 16 III 1, 2 GmbHG-E
(1) Generelle Problematik der Dreijahresfrist
(2) Fristbeginn
bb) Kein Wiederspruch gem. § 16 III 4, 5 GmbHG-E
d) Guter Glaube gem. § 16 III 3 GmbHG-E
e) Ausschluss eines gutgläubig lastenfreien Erwerbs
IV. Würdigung des vorgesehenen Gutglaubensschuztzes

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungsverzeichnis

Wegen der Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner/ Butz,

Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin, New York 2003.

1. Kapitel: Einleitung

Mit dem am 23 Mai 2007 vorgelegten Regierungsentwurf (RegE) des „Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“ („Momig“), will die Bundesregierung das Recht der GmbH umfassend reformieren[1]. Die zahlreichen Stellungnahmen zum vorangegangenen Referentenentwurf (RefE) wurden hierbei weitgehend berücksichtigt[2]. Wie schon aus der Bezeichnung des Reformgesetzes hervorgeht, verfolgt der Gesetzgeber mit dieser Reform zwei Ziele: Zum einen soll auf die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art 43 EGV reagiert werden[3]. Wie zuletzt aus dem Urteil in Sachen „Inspire Art“ hervorging, können Auslandsgesellschaften der „Europäischen Gemeinschaft“ ihren Verwaltungssitz in einem anderen Staat als dem Gründungsstaat haben, ohne dass dadurch deren Gesellschaftsstatut betroffen wird. Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen EG-Staates wirksam gegründet wurden, bleiben Gesellschaften ausländischen Rechts, für deren gesellschaftsrechtliche Verhältnisse das ausländische Recht weiterhin maßgeblich ist, auch wenn sich der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland befindet[4]. Vor diesem Hintergrund soll ein dereguliertes GmbH-Recht die GmbH im Vergleich zu anderen europäischen Rechtsformen, insb. zur englischen private limited company, stärken[5]. Zum Anderen soll der Missbrauch einer GmbH in der Krise durch zusätzliche gläubigerschützende Regelungen bekämpft werden[6].

Die folgende Bearbeitung ist im Kontext dieser zum Teil gegenläufigen Teilaufgaben zu sehen. Im Fokus der anstehenden Erörterung steht die Frage, wie sich Gesellschafter einer liquiditätsschwachen GmbH zu verhalten haben. Hierzu soll ein Überblick über die Bekämpfung von Missbräuchen einer liquiditätsschwachen GmbH, sowie über die Behandlung von Gesellschafterdarlehen gegeben werden. In dem Zusammenhang soll der Blick auch auf die Tendenz des Gesetzgebers gerichtet werden, eine ganze Reihe gläubigerschützender Normen in die InsO zu verlagern. Zuletzt wird auf die Reformbestrebung eingegangen, erstmals einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen zu ermöglichen.

2. Kapitel: Bekämpfung des Missbrauchs der GmbH

Gegenstand des folgenden Kapitels ist das Liquidationsverhalten von Gesellschaftern einer liquiditätsschwachen GmbH. Die hierbei auftretenden Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit der Rechtsform der GmbH sollen durch das Momig eingedämmt werden[7]. Hintergrund ist die Tatsache, dass sich seit den neunziger Jahren eine ganze Dienstleistungsbranche entwickelt hat, die Gesellschaftern dabei hilft, eine ordnungsgemäße Liquidation oder Insolvenz wirtschaftlich angeschlagener Gesellschaften mbH zum Nachteil der Gläubiger zu verhindern ( sog. „organisierte Firmenbestattung“)[8].

A. Möglichkeiten des Missbrauchs de lege lata

Bei diesen Bestattungsfällen wird i.d.R. wie folgt verfahren: Im Auftrag der Gesellschafter organisieren sog. Firmenbestatter die Veräußerung sämtlicher GmbH-Anteile und die Übertragung der Geschäftsführerstellung auf eine vermögenslose Person[9]. Vor der Anteilsübertragung wird die Firmierung der GmbH meist leicht geändert, so dass die Gesellschafter den Betrieb in einer neuen GmbH, aber unter gleicher Firma und mit gleichem Kundenstamm wieder aufnehmen können. Ebenso wird das verbliebene Betriebsvermögen rechtzeitig auf die neue GmbH übertragen. Sodann wird der Sitz der alten GmbH an einen anderen Ort verlegt, was auch die Zustellung von Mahnungen und Klagen erschwert[10]. Dort wird dann beim zuständigen Gericht Insolvenzantrag gestellt, der i.d.R. mangels Masse gem. § 26 InsO abgewiesen wird mit der Folge, dass die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG gelöscht wird[11]. Oder der Geschäftsführer legt einfach sein Amt nieder und schließt das Geschäft. Zu einem Insolvenzantrag kommt es dann gar nicht erst. Dies alles macht den Gläubigern die Verfolgung ihrer Ansprüche nahezu unmöglich.

B. Bekämpfung des Missbrauchs de lege ferenda

Diesem Verfahren der ordnungswidrigen Liquidation begegnet das Momig durch Zustellungserleichterungen, einen erweiterten Ausschlusstatbestand für Geschäftsführer, einer erweiterten Insolvenzantragspflicht sowie einer verschärften Geschäftsführerhaftung.

I. Zustellungserleichterungen

Um die Rechtsverfolgung gegenüber der GmbH zu erleichtern, muss gem. § 8 IV GmbHG-E künftig eine inländische Geschäftsanschrift ins Handelsregister eingetragen werden[12]. Dies gilt auch für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften i.R.d. § 13e II S.3 HGB-E. Mehr Bürokratie dürfte hiermit nicht verbunden sein, da schon jetzt die Pflicht zur Mitteilung einer Geschäftsanschrift gem. § 24 HRV besteht, wobei diese Anschrift derzeit jedoch nicht ohne weiteres einsehbar ist[13]. Ferner soll gem. § 10 II GmbHG-E die Eintragung eines zusätzlichen Empfangsbevollmächtigten ermöglicht werden, der solange als berechtigt gilt, bis er ausgetragen wird. Scheitert der Zustellungsversuch dennoch, soll künftig die öffentliche Zustellung von prozessualen Schriftstücken gem. § 185 Nr.2 ZPO-E möglich sein. Entsprechendes gilt gem. § 15a HGB-E für die Zustellung von Willenserklärungen (z.B. Mahnungen). Auch die Zustellung an Vertreter der GmbH soll verbessert werden. Gem. § 35 II 3 GmbHG-E wird unwiderlegbar vermutet, dass die Geschäftsführer unter der im Handelsregister eingetragenen Adresse erreichbar sind. Ist die GmbH führungslos, z.B. wegen Abberufung des Geschäftsführers, so sind der Aufsichtsrat und, falls ein solcher nicht besteht, die Gesellschafter ersatzweise empfangsberechtigt[14]. Zustellungen sollen so nicht weiter verhindert werden können.

II. Erweiterung der Ausschlusstatbestände

Die bisherigen Ausschlussgründe für Geschäftsführer sollen iRd § 6 II GmbHG-E auf eine ganze Reihe zusätzlicher Straftaten nach dem StGB, HGB, AktG, PubG und der InsO erweitert werden. Insbesondere die strafrechtliche Verurteilung wegen Insolvenzverschleppungshaftung auf der Grundlage des neuen § 15a IV InsO-E soll zu einem Ausschluss führen[15].

III. Erweiterte Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO-E

In Zukunft soll es auch nicht mehr möglich sein, die Insolvenzantragspflicht durch Abberufung oder Amtsniederlegung der Geschäftsführer zu umgehen. Aus dem Grund soll die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers bei rechtlicher Führungslosigkeit auf die Gesellschafter ausgeweitet werden.

1. Kollisionsrechtliche Anknüpfung

Die bisher in § 64 I GmbHG kodifizierte Pflicht des Geschäftsführers, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, den Insolvenzantrag zustellen, soll jedoch rechtsformneutral in § 15a I InsO-E geregelt werden. Dies ist insbesondere für europäische Auslandsgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz von Bedeutung. Denn gem. Art 4 I EuInsVO gilt für das Insolvenzverfahren innerhalb der EG grds. das Insolvenzrecht des Mitgliedstaates, indem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Nach Art 3 EuInsVO sind hierbei die Insolvenzgerichte des Staates zuständig, in denen der Schuldner den Schwerpunkt seiner Interessen hat. Jedoch ist oft unklar, welche Normen insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind. Umstritten ist insbesondere die kollisionsrechtliche Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung[16]. Der Gesetzgeber folgt nun der Auffassung, wonach die Insolvenzantragspflicht vom Sinn und Zweck her insolvenzrechtlicher Natur sei[17]. Bezweckt wird mit der Antragspflicht die rechtzeitige Einleitung eines Insolvenzverfahrens, um eine weitere Verringerung der Haftungsmasse zu Lasten der Gläubiger zu verhindern.[18] Dieser Gläubigerschutzgedanke müsse nach Ansicht des Gesetzgebers ebenso für eine Auslandsgesellschaft mit inländischem Verwaltungsschwerpunkt gelten[19]. Ein rechtsvergleichender Gedanke kommt hinzu. Denn die der Insolvenzverschleppungshaftung vergleichbare englische „wrongful-trading-rule“ werde ebenfalls insolvenzrechtlich eingeordnet[20]. Es ist allerdings höchst fraglich, ob der EuGH hierin nicht eine europarechtswidrige Umgehung der, eingangs erläuterten, Niederlassungsfreiheitsdogmatik sieht, da dieser unabhängig von einer bestimmten Rechtsmaterie über die Niederlassungsfreiheit als eine alle Rechtsgebiete überlagernde Rechtsmaterie entscheidet[21]. Weder ändert die Verlagerung einer Materie in ein anderes Rechtsgebiet automatisch etwas an der Qualifikation nach dem IPR, noch wird die Anwendung dadurch zwingend gemeinschaftsrechtskonform i.S.d. Inspire-Art Rechtsprechung[22]. Insofern bleibt die Rechtsprechung des EuGH abzuwarten.

2. Tatbestand des § 15a III InsO-E

Ist die Gesellschaft „führungslos“ i.S.d. § 35 I 2 GmbHG-E, also bei Abberufung oder Amtsniederlegung des Geschäftsführers, so trifft in Zukunft ersatzweise die Gesellschafter eine Insolvenzantragspflicht gem. § 15a III InsO-E[23]. Die bloße Unauffindbarkeit des Geschäftsführers soll jedoch nicht ausreichen. Eine solche Anknüpfung, wie es der RefE noch vorsah, wäre schon insofern zweifelhaft, als dass i.d.R. nicht alle Gesellschafter über den Aufenthaltsort der Geschäftsführer in gleichem Umfang informiert sind[24]. In dem Zusammenhang wird in einer Vielzahl von Stellungnahmen die Einführung eines Kleinbeteiligtenprivileg iSd § 39 V InsO-E vorgeschlagen, wonach Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von bis zu 10 % wegen ihrer schlechteren Informationslage von der Antragspflicht befreit sein sollen[25]. Gesmann-Nuissl hält dem entgegen, dass die Minderheitsgesellschafter allein wegen ihrer Beteiligung bei Führungslosigkeit für die Organstruktur und die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft verantwortlich seien[26]. Da die Insolvenzantragspflicht für Gesellschafter nur bei rechtlicher Führungslosigkeit, aber nicht bei bloßer Unauffindbarkeit des Geschäftsführers bestehen soll, kann ein Kleinbeteiligtenprivileg zumindest nicht damit begründet werden, dass Minderheitsgesellschafter im Zweifel schlechter über den Aufenthaltsort der Geschäftsführer informiert sind. Für eine Privilegierung spricht jedoch die Tatsache, dass die ersatzweise Insolvenzantragspflicht den Gesellschaftern einen besonderen Anreiz dafür bieten soll, für ein handlungsfähiges Vertretungsorgan zusorgen[27]. Denn dazu sind Kleingesellschafter mit ihrem Stimmgewicht alleine gar nicht in der Lage[28]. Hinzu kommt die unzureichende Informationslage der Minderheitsgesellschafter, dessen einzige Informationsquelle, insbesondere für den Finanzbereich, die Gesellschafterversammlung ist, bei denen Kleingesellschafter i.d.R. nur in geringem Umfang präsent sind[29]. Dies gilt besonders für die AG, auf die § 15a III InsO-E ebenso anwendbar ist. Gerade in der AG wird aber der Aufsichtsrat anstelle der Aktionäre ersatzweise verpflichtet. Bei der GmbH scheint der Gesetzgeber weiterhin von einer personalistischen Unternehmenskultur auszugehen, bei der die einzelnen Gesellschafter eher in die Geschäfte einbezogen werden. Im Übrigen sollen Gesellschafter auch nur bei Kenntnis der Führungslosigkeit und des Insolvenzgrundes zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet sein. Vor diesem Hintergrund stellt die Verpflichtung aller Gesellschafter eine sachgerechte Lösung dar, deren moderate Ausgestaltung keine allzu abschreckende Wirkung auf Investoren haben dürfte. Es bedarf daher keiner Kleinbeteiligtenklausel.

3. Rechtsfolgen

In Zukunft unterliegen auch die Gesellschafter einer zivil- und strafrechtlichen Insolvenzverschleppungshaftung[30]. Der Straftatbestand des § 84 GmbHG wird in § 15a IV InsO-E verlagert. Gläubigern gegenüber wird eine Haftung nach § 823 II BGB iVm § 15 I, III InsO-E zu bejahen sein[31]. Die Ansicht, wonach es sich bei den §§ 64 I, II GmbHG um eine Gesamtregelung handelt und sich daher keine deliktische Insolvenzverschleppungshaftung begründen lasse[32], dürfte sich angesichts der systematischen Aufspaltung beider Tatbestände nicht mehr halten lassen. Auch der individualschützende Charakter der Insolvenzantragspflicht bleibt erhalten, so dass § 15 a I, III als Schutzgesetz anzusehen ist[33].

IV. Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S.3 GmbHG-E

Auch sog. „Ausplünderungsfälle“ sollen zukünftig vermieden werden. Hierbei zieht der Geschäftsführer Vermögenswerte zugunsten der Gesellschafter ab, was zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt und taucht dann noch vor Stellung des Insolvenzantrags ab[34]. § 64 II GmbHG hilft dann nicht weiter. Hiernach haften Geschäftsführer den Gesellschaftern nur für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt werden. Eine den Geschäftsführer treffende schadensunabhängige Einstandspflicht für insolvenzverursachende Zahlungen besteht bislang nicht[35]. Die Haftungstatbeststände der §§ 826, 823 II BGB i.V.m. § 43 II GmbHG, § 266 StGB setzen jeweils einen Schaden voraus[36]. Ansonsten unterliegt bislang nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen einem Auszahlungsverbot gem. § 30 I GmbHG. Dieser Gläubigerschutz, dessen Anwendungsbereich durch die beabsichtigte Herabsetzung des Mindeststammkapitals auf nur noch 10.000 € weiter reduziert wird, wird durch Ergänzung des § 64 II GmbHG erweitert[37]. Nach § 64 II S.3 GmbHG-E sollen die Geschäftsführer in Zukunft auch schon für Zahlungen an die Gesellschafter haften, die überhaupt erst die Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO der Gesellschaft verursachen, unabhängig davon, ob das Stammkapital von der Auszahlung betroffen ist[38].

1. „Zahlungen“ i.S.d. § 64 GmbHG

Der Tatbestand des § 64 II S.3 GmbHG-E ist auf Zahlungen an die Gesellschafter beschränkt. In Anlehnung an § 64 II S.1 GmbHG sollen von dem Begriff „Zahlungen“ indessen nicht nur reine Geldleistungen erfasst werden, sondern auch sonstige vergleichbare Leistungen zugunsten der Gesellschafter und zulasten des Gesellschaftsvermögens, wie Miet- oder Pachtzahlungen[39]. Hierbei bleibt die Frage offen, ob die Erstattungspflicht nach § 64 II GmbHG um etwaige Gegenleistungen zu reduzieren ist, die für Zahlungen in die Masse gelangt sind[40], oder ob die Zahlungen stets ungekürzt zu erstatten sind[41]. Letztere Ansicht will den Zufluss von Gegenleistungen ggf. bei der Sorgfaltsprüfung i.R.d. § 64 II S. 2 GmbHG berücksichtigen. Diese Ansicht scheint indessen für den Fall des § 64 II S. 3 GmbHG-E nicht vertretbar zu sein, da sich die Sorgfaltsprüfung hierbei nur auf die Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit bezieht[42]. Somit ist die Erstattungspflicht um etwaige Gegenleistungen zu reduzieren[43].

2. Objektive Kausalität

Erstattungspflichtig sind nur Zahlungen, die zur Zahlungsunfähigkeit führen „mussten“. Fraglich ist, was darunter zu verstehen ist. Der RefE ließ es genügen, wenn die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt „wird“. Nach der Äquivalenzlehre wäre somit jede Zahlung an die Gesellschafter conditio sine qua non für den Eintritt der späteren Illiquidität[44]. Dies ließe jedoch den oft multikausalen Charakters eines Unternehmenszusammbruchs außer Betracht[45]. Um die Haftung nach § 64 II S.3 GmbHG nicht ausufern zu lassen, stellen Greulich/Bunnemann auf ein kumulatives Zusammentreffen mehrerer Merkmale ab[46]. Alle in engem zeitlichem Zusammenhang stehenden Zahlungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Zahlungsunfähigkeit entfällt, seien kausal. Diese Auslegungsschwierigkeiten versucht der RegE zu umgehen, indem nur Zahlungen erfasst werden, die zur Zahlungsunfähigkeit führen „mussten“, die also auch ohne Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zur Zahlungsunfähigkeit geführt hätten[47]. Zahlungen, die erst durch Hinzutreten weiterer, im Zeitpunkt der Leistung unbekannter Umstände zur Illiquidität führen, sind nicht kausal i.S.d. § 64 S.3 RegE.

3. Sorgfaltsanforderungen und Entlastungsbeweis

Der Geschäftsführer unterliegt gem. § 64 II S.3, HS 2 GmbHG-E i.V.m. § 64 I GmbHG keiner Haftung, wenn der Ursachenzusammenhang auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar war. Hierbei trifft den Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast. Um den Entlastungsbeweis zu erbringen, wird man Zahlungspläne aufstellen müssen, aus denen sich ergibt, ob die Auszahlung wirtschaftlich vertretbar war[48]. Die hier zugrunde liegende Prognoseentscheidung des Geschäftsführers weist Parallelen zum sog. „solvency test“ nach angloamerikanischem Muster auf. Grundgedanke eines Solvenztests ist es, eine Ausschüttung nur dann zuzulassen, wenn die Gesellschaft auch danach noch in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen[49]. Trotz diverser Forderungen wird jedoch nicht auf die bilanzorientierte Ausschüttungssperre i.S.d. § 30 I GmbHG zugunsten eines Solvenzsystems verzichtet, sondern wird sich in Zukunft das Recht der GmbH durch ein Nebeneinander von bilanzorientierter und solvenzorientierter Ausschüttungssperre auszeichnen[50].

4. Rechtsfolgen

Wie schon bei dem Anspruch aus § 64 II S.1 GmbHG handelt es sich auch bei dem ergänzenden Anspruch aus § 64 II S.3 GmbHG-E nicht um einen Schadensersatzanspruch, dessen Rechtsfolgen sich nach §§ 249 ff. BGB bestimmen, sondern um einen Ersatzanspruch eigener Art, dessen Umfang über den reinen Schadensersatz hinaus gehen kann[51].

C. Würdigung der vorgesehenen Missbrauchsbekämpfung

Das System ist in sich geschlossen und überzeugt. Zwar sind die Zustellungserleichterungen sachgerecht, doch alleine nützen sie wenig. Ein Vollstreckungstitel etwa bringt wenig, wenn die GmbH über keinerlei Betriebsvermögen mehr verfügt. Vor diesem Hintergrund ist eine Modifikation des Kapitalerhaltungsrechts angebracht. Denn in den vegangenen Jahren wurde zunehmend deutlich, dass die Gefahren vor Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen für die Gläubiger nicht nur an deren bilanziellen Auswirkungen gemessen werden können, sondern, dass Schutz auch dann erforderlich ist, wenn die insolvenzverursachende Maßnahme den Stammkapitalschutz nach §§ 30, 31 GmbHG unberührt lässt[52]. Der BGH reagierte auf diese Erkenntnis mit der Schaffung des richterrechtlichen Instituts der Existenzvernichtungshaftung, wonach die Gesellschafter den Gläubigern nunmehr nach § 826 BGB haften, wenn diese der Gesellschaft jene Haftungssubstanz entziehen, die zur Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten nötig sind.[53] Dieses Institut wird nun durch die Geschäftsführerhaftung nach § 64 S.3 GmbGH-E flankiert[54]. Dies gilt insbesondere für den Missbrauch bei Unternehmenskäufen, bei denen die Investoren die GmbH durch überzogenen Abzug von Liquidität zur Begleichung der Kaufpreisfinanzierung in die Insolvenz treiben („leverage finance“).[55] Aus Sicht der Missbrauchsbekämpfung ist dies zu begrüßen . Ebenso scheint es angemessen zu sein, die Insolvenzantragspflicht bei ausreichender Informationslage auf die Gesellschafter auszuweiten. Die damit verbundene Insolvenzverschleppungshaftung stellt zwar eine Durchbrechung des Trennungsprinzips nach § 13 II GmbHG dar[56], doch dürften die strengen subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 15a III InsO-E den Anwendungsbereich gering halten. Bezweckt wird vielmehr, die Gesellschafter dazu anzuhalten, für eine funktionsfähige Geschäftsführung zu sorgen, anstatt durch Abberufung derselben das Insolvenzverfahren zu umgehen. Im Übrigen sind Haftungsdurchbrechungen auch an anderer Stelle anerkannt[57]. Inwieweit Missbrauchsfälle in der GmbH durch das vorgestellte Gesamtkonzept künftig vermieden werden, wird die Praxis zeigen.

[...]


[1] Abrufbar unter www.gmbhr.de/volltext.htm”;DAV-RegE, S.3

[2] DAV-RegE , S.1; Noack, DB 2006, 1475

[3] EuGH v. 30.09.2003 – Rs. C – 167/01 ,GmbHR 2003, S. 1260

[4] Zöllner, GmbHR 2006, 1 (2); Otte, Diss., S. 149 f.

[5] Schmidt, GmbHR, 1 (2); Otte, Diss., S. 1 ff.

[6] Schmidt, GmbHR, 1 (2); Seibert, ZIP 2006, 1157

[7] Heckschen, NotBZ 2006, 381 (388); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1158)

[8] Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1461); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1164);

[9] Karsten, Neue Justiz 2006, 385 (390)

[10] Karsten, Neue Justiz 2006, 385 (389)

[11] Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S.394, Rn. 7.50; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S.1209

[12] Seibert, ZIP 2006, 1157 (1165); Heckschen, NotBZ 2006, 381 (388)

[13] Heckschen, NotBZ 2006, 381 (388); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1165)

[14] Seibert, ZIP 2006, 1157 (1165)

[15] RegE-Begr. S. 73; Näheres hierzu unten auf Seite 4, III.

[16] Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); Müller, NZG 2003, 414

[17] RegE-Begr.S.127; auch vertreten ist z.B. die Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut

[18] Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rn. 1

[19] RegE-Begr., S. 127

[20] BDI/Hengeler Müller, S. 27, Rn. 68 ff..; Nach der „wrongful trading rule“ haftet der Geschäftsführer den Gläubigern gegenüber, wenn er erkenen musste, dass die Insolvenz unvermeidbar war und er nicht alles getan hat, um den Gläubigerschaden zu verhindern

[21] DAV-RegE, S. 26

[22] Krolop, ZIP 2007, 1738

[23] Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756 (1762); RegE-Beg., S. 127; Diese Antragspflicht gem. § 15a III InsO-E korrespondiert mit einem Antragsrechts nach § 15 I S.1 InsO-E.

[24] Noack, DB 2006, 1475 (1476)

[25] DAV-RefE, S. 19; BRAK-Stellungnahme-Nr.29/2006, S.7;Noack, DB 2006, 1175 (1477)

[26] Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756 (1762)

[27] Begr.-RegE, S.127; Seibert, ZIP 2006, 1157 (1166)

[28] Heckschen, NotBZ 2006, 381 (388); Gem. § 46 Nr. 5 i.V.m. § 47 I GmbHG werden Geschäftsführer mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen bestellt.

[29] Steinmeyer/Häger, WpÜG-Kommentar, § 29, Rn. 334

[30] Karsten, Neue Justiz, 2006, S. 390// Heckschen, NotBZ 2006, S. 388

[31] Böcker/Poertzgen, WM 2007, S. 1204

[32] Poertzgen, NZI 2007, S. 16// Scholz, GmbHG, § 64, Rn. 46

[33] BGHZ 29, S.100, 103// BGHZ 75, S. 96, 106// BGHZ 126, S. 181, 190

[34] Seibert, ZIP 2006, S. 1167// Heckschen , NotBZ 2006, S. 388

[35] DAV_Insolv-RegE, S. 4// Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rn. 78

[36] Michalski, GmbHG, § 64, Rn. 55 ff. // Greulich/Bunnemann, NZG 2006, S. 682

[37] RegE-Begr, S. 106

[38] Greulich/Bunnemann, NZG 2006, S. 681// Noack, DB 2006, S. 1479

[39] RegE-Begr., S.106

[40] BGHZ 146, 278// Roth/Alpmeppen, KommGmbHG, § 64, Rn. 81

[41] Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64, Rn. 84

[42] Noack, DB 2006, S. 1480

[43] So auch Begr.-RegE, S. 107

[44] BGH NJW 2005, S.1420 f.// Palandt/Heinrichs, BGB, 2007, Vorb. § 249 Rn. 57

[45] Böcker, Poertzgen, WM 2007, S. 1207// Greulich/Bunnemann, NZG 2006, S. 685

[46] Greulich/Bunnemann, NZG 2006, S. 685//so auch: DAV-Insolvenzausschuß, S.5

[47] DAV-RegE, S. 24, Rn. 70// Böcker/Poertzgen,WM 2007, S. 1207

[48] Noack, DB 2006, S. 1479// Greulich/Bunnemann, NZG 2006, S. 685

[49] Greulich/Bunnemann, NZG 06 S. 685// RegE-Begr. S.106//Triebel-Otto, ZIP 06, S.313

[50] Greulich/Bunnemann, NZG 2006, S.685//Triebel/Otto, ZIP 2006,S. 313// Für die AG erwägt die EU-Kommision i.R.d. gesellschaftsrechtlichen Aktionsplans, die bilanzorientierte Ausschüttungssperre durch Solvenzanforderungen nach U.S. Vorbild zu ersetzen.

[51] BGH, NZG 2001, S. 361//Böcker/Peortzgen, WM 2007, S. 1208

[52] Greulich/Bunnemann, NZG 2006, S. 682

[53] Urteil des BGH v. 16.7.2007// Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 300, Rn. 5.172 ff.

[54] RegE-Begr. S. 106// Greulich/ Bunnemann, NZG 2006, S. 682

[55] Seibert, ZIP 2006, S. 1167//Böcker/Poertzgen, WM 2007, S. 1203

[56] Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13, Rn. 8// Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S.3, Rn. 1.7

[57] Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13,Rn. 10

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Details

Titel
Mergers and Acquisitions
Untertitel
Reform des GmbH-Rechts ("MoMig")
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Internationales Wirtschaftsrecht)
Veranstaltung
Seminar zum Kapitalgesellschaftsrecht
Note
voll befriedigend
Autor
Jahr
2007
Seiten
42
Katalognummer
V115980
ISBN (eBook)
9783640178629
ISBN (Buch)
9783640178674
Dateigröße
595 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mergers, Acquisitions, Seminar, Kapitalgesellschaftsrecht
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stud. jur. Patrick Müller (Autor:in), 2007, Mergers and Acquisitions, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115980

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Titel: Mergers and Acquisitions



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