Eine Analyse der Bild- und Klangfiguren in Ingeborg Bachmanns Gedicht "Die gestundete Zeit"

Der notwendige Aufbruch des Menschen im Angesicht der sichtbargewordenen Zeit


Trabajo Escrito, 2021

15 Páginas, Calificación: 1,0

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. „Die gestundete Zeit“ als Gedicht – Das Fehlen von Metrum und Reim

2. Die äußere Form des Gedichtes

3. Strophe 1: Die Zeit als Bedrohung

4. Strophe 2: Das Zurücklassen des Vertrauten

5. Strophe 3: Der Zeitpunkt des Aufbruchs

6. Strophe 4: Es kommen härtere Tage

Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Das im Jahre 1953 im gleichnamigen Lyrikband veröffentlichte Gedicht „Die gestundete Zeit“ von Ingeborg Bachmann ist ein nicht selten interpretiertes Gedicht der früheren Schaffensjahre Bachmanns. Die Autorin wurde durch diese erste Veröffentlichung und nicht zuletzt durch ihr Auftreten auf der Tagung der Gruppe 47 im Mai 1952 berühmt.1
Gerade weil „Die gestundete Zeit“ das Titelgedicht ihres ersten Lyrikbandes ist, kommt diesem große Aufmerksamkeit zu und kann im Einzelnen sowie im kontextualen Gefüge aller Gedichte desselben Bandes analysiert werden.

Hermann Dorowin fasst treffend zusammen:

Kein Gedicht ist mit dem Namen Ingeborg Bachmanns verbunden wie dieses, keines hat wie dieses zum Entstehen ihres frühen Ruhms beigetragen, keines hat wohl auch so viele Missverständnisse ausgelöst und […] so viel Kritik über sich ergehen lassen müssen. Als Titelgedicht ihrer ersten Buchpublikation gilt die gestundete Zeit noch heute als emblematisch für eine Generationserfahrung […].2

Die große Bildlichkeit des Gedichtes führt zu einer Vielfalt möglicher Deutungen und Assoziationen und bietet die Chance, sich nicht nur auf eine mögliche Interpretationsrichtung festlegen zu müssen. Einig scheinen sich die meisten Literaturwissenschaftler:innen jedoch in dem Punkt zu sein, dass Bachmann mit ihrem Gedichtband das Thema der frühen 50er Jahre passend traf. Es ist davon die Rede, dass das literarische Werk zu einer Zeit entstand, die noch stark von den „Kräften und Konflikten der historischen Entwicklung nach 1945“3 beeinflusst wurde, in der eine „Bewegung des Aufbruches, aber auch schon des erzwungenen Zurückweichens vor den restaurativen Mächten […]“4 stattfand. Allgemein klingt in den Interpretationen immer wieder an, dass es um Flucht, Angst und das Zurücklassen vertrauter Umgebungen geht.5

Für die nachfolgende Interpretation des Gedichtes „Die gestundete Zeit“ soll derselbe Tonus angeschlagen werden. Richtungsvorgebend ist demnach die Thematik der Flucht des Menschen vor dem Hintergrund drängender Zeit oder der „Sichtbarwerdung der Zeit“, die dem Menschen seine eigene Endlichkeit aufzeigt.

Wie eingangs bereits benannt, fällt das Gedicht besonders durch dessen große Bildlichkeit auf. Aus diesem Grund erfolgt die Interpretation vorwiegend anhand der Bildfiguren und der damit evozierten Stimmung beim Leser. Da Ingeborg Bachmann hierbei nicht mit Endreimen und einem festen Metrum arbeitet, wie es beispielsweise bei der barocken Gedichtform des Sonetts der Fall war, werden diesen Bereichen der Gedichtanalyse kaum Beachtung geschenkt. Ziel der Arbeit ist es also, unter Berücksichtigung der Deutungsthese „Der notwendige Aufbruch des Menschen im Angesicht der sichtbar gewordenen Zeit“, die Bild- und Klangfiguren des Gedichtes „Die gestundete Zeit“ zu analysieren und zu interpretieren.

Eine Einordnung des Werkes innerhalb literarischer Strömungen und Ideen wäre sicherlich interessant, vor allem vor dem Hintergrund der bereits genannten Tendenzen der 50er Jahre, doch würde dies den Rahmen dieser Arbeit übersteigen. An anderen Stellen wurde dies bereits in Analysen berücksichtigt, indem „die gestundete Zeit“ mit Brechts Gedichten im „Lesebuch für Städtebewohner“6 oder Celans Lyrikband „Mohn und Gedächtnis“ (1953)7 verglichen wurde.

1. „Die gestundete Zeit“ als Gedicht – Das Fehlen von Metrum und Reim

Das Gedicht „Die gestundete Zeit“8 zählt zu der modernen Lyrik und zeichnet sich in dessen formalen Aufbau nicht durch eine besondere metrische Gestaltung oder die Verwendung von Reimen aus. Stattdessen setzt Bachmann starke Bild- und Klangfiguren ein, um eine besondere Stimmung beim Leser zu erzeugen. Reim und Metrum sind bei diesem Gedicht auch gar nicht notwendig, da die gestalteten Bilder und der dringliche Appell zum Aufbruch des Menschen auch ohne diese eindrucksvoll vermittelt werden. Würde man sich auf eine metrische Analyse einlassen, so stellt man schnell fest, dass die Verse eine auffällig unterschiedliche Silben- und somit Hebungsanzahl haben und die Betonungen innerhalb eines Verses sehr unregelmäßig gesetzt werden. Es lassen sich keine Regelmäßigkeiten der Hebungen, wie es etwa bei einem alternierendem Metrum der Fall ist, feststellen. Der Rhythmus nähert sich dem der gesprochenen Sprache an, unterliegt also keiner „artifiziellen“ Betonung beim Vortrag. Ein Beispiel dafür wäre der Vers „Bald musst du den Schuh schnüren“ (Vers 4), bei dem der Satzakzent auf „Schuh“ liegt und die Nebenakzente auf den Wörtern „Bald“ und „schnüren“. Diese natürliche Betonung des Satzes wird innerhalb des Gedichtes nicht durch ein vorherrschendes Metrum verändert.

Bachmann arbeitet in ihrem Gedicht ebenso wenig mit Endreimen. Auffällig sind nur einige sich wiederholende Wörter am Versende, wie etwa „Zeit“ am Ende des zweiten und zehnten Verses sowie „Horizont“ am Ende des dritten und elften Verses. Man könnte sich hier darauf einlassen, diese am Versende stehenden Wörter als identischen Reim zu identifizieren, doch ergibt das wenig Sinn, da das Gedicht ohnehin schon in auffälliger Weise mit Repetitionen arbeitet und diese ganz einfach dazugezählt werden können.

Die Verwendung „freier Verse“, wie es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in der modernen Lyrik typisch ist, ist also auch in Bachmanns Gedicht wiederzufinden. Dadurch ist das Gedicht jedoch nicht weniger ein Gedicht. Burdorf schreibt zum freien Vers und der Verwendung dessen in der Literatur Folgendes:

[...]


1 Vgl. HÖLLER, Hans: Ingeborg Bachmann. Dargestellt von Hans Höller. 3. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 1999. S. 73 f.

2 DOROWIN, Hermann: Die schwarzen Bilder der Ingeborg Bachmann. Ein Deutungsvorschlag zu Die gestundete Zeit. In: „In die Mulde meiner Stummheit leg ein Wort…“. Interpretationen zur Lyrik Ingeborg Bachmanns. Hrsg. von: Primus Heinz-Kucher und Luigi Reitani. Wien. Köln, Weimar: Böhlau Verlag Ges.m.b.H und Co. KG 2000. S. 97.

3 HÖLLER, Hans: Ingeborg Bachmann. Das Werk. Von den frühesten Gedichten bis zum „Todesarten“-Zyklus. Frankfurt a. Main: Verlag Anton Hain GmbH 1993. S. 26.

4 Ebd. S. 15

5 Vgl. HÖLLER, Hans: Ingeborg Bachmann. Das Werk. S. 22. oder DOROWIN, Hermann: Die schwarzen Bilder der Ingeborg Bachmann. S. 102.

6 Vgl. HÖLLER, Hans: Ingeborg Bachmann. Das Werk. S. 22.

7 Vgl. BOYKEN, Thomas; IMMER, Nikolas: Nachkriegslyrik. Poesie und Poetik zwischen 1945 und 1965. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag 2020. S. 48.

8 Vgl. BACHMANN, Ingeborg: Die gestundete Zeit. München: R. Piper & Co. Verlag 1957. S. 16. Bei weiterer Besprechung des Gedichtinhaltes wird sich auf diese Quelle bezogen

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Detalles

Título
Eine Analyse der Bild- und Klangfiguren in Ingeborg Bachmanns Gedicht "Die gestundete Zeit"
Subtítulo
Der notwendige Aufbruch des Menschen im Angesicht der sichtbargewordenen Zeit
Universidad
http://www.uni-jena.de/
Calificación
1,0
Año
2021
Páginas
15
No. de catálogo
V1159917
ISBN (Ebook)
9783346559531
ISBN (Libro)
9783346559548
Idioma
Alemán
Palabras clave
Ingeborg Bachmann Die gestundete Zeit Textanalyse Bildfiguren Klangfiguren
Citar trabajo
Anónimo, 2021, Eine Analyse der Bild- und Klangfiguren in Ingeborg Bachmanns Gedicht "Die gestundete Zeit", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1159917

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