Die Öffentlichkeitskonzeption nach Jürgen Habermas


Dossier / Travail de Séminaire, 2007

49 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorieeinordnung Habermas
2.1 Habermas und die Frankfurter Schule
2.2 politisches Selbstverständnis

3. Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit
3. 1 bürgerliche Öffentlichkeit
3.1.1 private und öffentliche Ebenen:
3.1.2 Elemente bürgerlicher Öffentlichkeit
3.1.2.1 politisch fungierende Öffentlichkeit und öffentliches Räsonnement
3.1.2.2 die innere Dialektik der bürgerlichen Gesellschaft
3.1.2.3 Symbolisierung politisch fungierender Öffentlichkeit
3.2 moderne Öffentlichkeit
3.2.1 Lebenswelt und System in Bezug auf den „Strukturwandel der Öffentlichkeit“
3.2.2 Arenen moderner Öffentlichkeit
3.2.2.1 zweckorientiertes und kommunikatives Handeln (1)
3.2.2.2 Ausdifferenzierungen der Lebenswelt (2)
3.2.2.3 Grad der Kolonialisierung der Lebenswelt vs. Rationalisierung der Lebenswelt (3)
3.2.3 Symbol des Bürgerlichen in der Moderne

4. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Habermas’ Öffentlichkeitskonzeption ist vielschichtig und komplex. In seiner 1962 erschienenen Habilitationsschrift „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ legt Habermas erstmals die Grundlage für seinen Öffentlichkeitsbegriff. Dieser Begriff von Öffentlichkeit und seine Konnotationen werden im Laufe seiner wissenschaftlichen Tätigkeit durch Beiträge in der „Theorie des kommunikativen Handelns“, die mit Niklas Luhmann zusammen veröffentlichte „Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie“, sowie Beiträgen zu „Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln“, „soziale Interaktion und soziales Verstehen“, „der philosophische Diskurs der Moderne“, „Erläuterungen zur Diskursethik“ und schließlich „Faktizität und Geltung“ weiter geführt und als Komponente in seine Gesellschaftstheorie integriert.

Habermas’ Öffentlichkeitsbegriff ist auf den Begriff der bürgerlichen Öffentlichkeit fokussiert. Aus ihr heraus entsteht eine politisch fungierende Öffentlichkeit, die Habermas als sein » Idealmodell « von Öffentlichkeit schlechthin ansieht. Daher zielt seine Analyse im „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ auf die Entstehung, Entwicklung, Ausprägung und den Zerfall bürgerlicher Öffentlichkeit. Habermas begreift bürgerliche Öffentlichkeit als „epochaltypische Kategorie, [die] sich nicht aus der unverwechselbaren Entwicklung, jener im europäischen Mittelalter entspringenden »bürgerlichen Gesellschaft« herauslösen und, idealtypisch verallgemeinert, auf formal gleiche Konstellationen beliebiger geschichtlicher Lagen übertragen [lässt]“ (Habermas 1990: 51).[1] Sein methodischer Zugriff auf die Analyse ist daher zugleich soziologisch und historisch. Er will die Kategorie »Öffentlichkeit« in einem breiten Feld unter ökonomischen, staatsrechtlichen, politologischen, soziologischen, sozial- und ideengeschichtlichen Aspekten untersuchen, um Öffentlichkeit in eine „Strukturanalyse gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge“ einzubeziehen (Habermas 1990: 52).

Ziel dieser Hausarbeit ist es daher Habermas’ Öffentlichkeitskonzeption in ihren fundamentalen Annahmen darzustellen. Aufgrund der Komplexität der von Habermas dargestellten Dimensionen und Implikationen von Öffentlichkeit, ist es schon eine Herausforderung diese systematisch und analytisch in Bezug zueinander zu bringen und abweichend von Habermas chronologischer Betrachtungsweise das Thema Öffentlichkeit strukturell zu behandeln.[2]

Die Hausarbeit gliedert sich daher folgendermaßen:

Die Vorbetrachtung zur theoretischen Einordnung von Habermas ist entscheidend, da ohne die Explikation seines normativen Theorieverständnisses innerhalb der kritischen Theorie, seine theoretischen Annahmen falsch gedeutet werden müssen. Die Zugehörigkeit zur Frankfurter Schule stellt Habermas theoretische Konzipierungen wiederum unter einen ganz bestimmten normativen Telos, ohne den das Gesamtziel seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht zu deuten ist. Detlef Horster stellt zudem fest, dass Habermas „moralphilosophische Ausführungen nicht verständlich sind, ohne das Wissen um seine politische Auffassung.“ (Horster 1999: 11) Daher spielen in der Vorbetrachtung die theoretische Einordnung von Habermas, seine Verbindung zur Frankfurter Schule und sein politisches Selbstverständnis für die nachfolgenden Analysen eine entscheidende Rolle.

Durch die Fokussierung von Habermas’ Öffentlichkeitskonzeption auf den Typus » bürgerlicher Öffentlichkeit « erhält dieser auch in der Hausarbeit als theoretischer Bezugspunkt der Analyse einen besonderen Stellenwert. Als erstes werde ich kurz darstellen aus welchen ökonomischen und politischen Veränderungen sich bürgerliche Öffentlichkeit entwickelt hat. Des Weiteren werde ich systematisch die Ebenen unterscheiden, die bürgerliche Öffentlichkeit ausmachen.

Dabei werde ich zeigen, dass jede dieser Ebenen konzeptionell entscheidend für Habermas Begriff bürgerlicher Öffentlichkeit ist.

Anhand der Ebenenunterscheidung werde ich dann die Elemente bürgerlicher Öffentlichkeit in ihrem zeitgeschichtlichen Rahmen darstellen, um die ihr innewohnende Dialektik deutlich machen. Entscheidend ist dabei dass ich Habermas’ Konzeption bürgerlicher Öffentlichkeit nicht als Realkonzeption erarbeiten werde, sondern vielmehr darzustellen versuche, weshalb Habermas die, der bürgerlichen Gesellschaft innewohnende Idee als seine Idealkonzeptionierung von Öffentlichkeit aufbaut.

Habermas’ Konzept moderner Öffentlichkeit ist charakterisiert als » Zerfallsprodukt bürgerlicher Öffentlichkeit« einerseits und als » Tradierung bürgerlicher Ideale« im Rahmen des Rechts- und Sozialstaats andererseits (Habermas 1962: 337-338). Moderne Öffentlichkeit ist eine Zwittergestalt, in der die bürgerliche Öffentlichkeit einerseits überwunden, anderseits als Symbol vorhanden ist. Um der Komplexität der modernen Gesellschaft Rechnung zu tragen genügt es nicht auf Habermas „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zurück zu greifen. Um diese annähernd darstellen zu können muss man mindestens seine „Theorie des kommunikativen Handelns“ mit in die Analyse einbeziehen. Anhand dieser beiden Referenzwerke werde ich die spezifische Gesellschaftskonzeption in Bezug auf Habermas’ Konzepte von System und Lebenswelt erläutern. Dabei werde ich die Parallelen und die Unterschiede zwischen den Diagnosen, die Habermas 1962 und 1981 zu moderner Öffentlichkeit konstatiert deutlich machen. Dies geschieht, indem ich die 1962iger Konzeption der » Refeudalisierung der Öffentlichkeit« und die 1981iger Konzeption der » Kolonialisierung der Lebenswelt « analytisch in ihren Prognosen gegenüberstelle und gleichzeitig zusammenziehe, um das komplexe Geflecht moderner Öffentlichkeiten anhand der Ausdifferenzierung der Lebenswelt, deren Kolonialisierungs- und Rationalisierungsgrad und deren Öffentlichkeitsformen darzustellen. Dabei werde ich zeigen, wie Habermas die politisch fungierende Öffentlichkeit als Symbol in die Moderne wieder einführt.

Im abschließenden Analyseteil werde ich Habermas’ Konzept von Öffentlichkeit kritisch bilanzieren. Dabei konzentriere ich mich wiederum auf seine Darstellung der bürgerlichen und der modernen Öffentlichkeit. Es geht in diesem Abschnitt darum deutlich zu machen, welche Potenziale aber auch welche Schwierigkeiten Habermas’ Konzept von Öffentlichkeit hinsichtlich der soziologischen Forschung, der Anwendbarkeit seiner Theorie und den daraus erschließbaren Prognosen haben.

2. Theorieeinordnung Habermas

Habermas’ Werke stehen frühzeitlich im Zeichen der kritischen Theorie und somit auch seine Konzeption von Öffentlichkeit. Als kritische Theorie wird die von der Frankfurter Schule um 1930 entwickelte und vertretene Sozialphilosophie bezeichnet, die sich gegen die damalig vorherrschende traditionelle Theorie abzugrenzen versucht. Die kritische Theorie will, anders als ihr traditioneller Vorgänger, die vorgefundene gesellschaftliche Totalität hinterfragen und ihre Rahmenbedingungen überprüfen. Sie widmet sich dabei nahezu allen gesellschaftlichen Themen, um diese auf ihr emanzipatorisches Potenzial hin überprüfen zu können.[3] Kritische Theorie fasst Theoriekonzeption nicht als wertfreies Arbeiten auf, sondern will den impliziten, normativen Telos einer jeden Theorie explizit darstellen, um damit die Spannung zwischen dem »Ist« einer Gesellschaft und dem »Soll« ihrer Möglichkeiten herauszustellen. Ziel der kritischen Theorie ist es ganz allgemein eine Gestaltung und Veränderung der Wirklichkeit zu schaffen. Die Kritik der Frankfurter Schule richtet sich in ihrer frühen Zeit auf die Grundlagen einer Gesellschaftsordnung, die nicht nur ökonomisch extrem ungerecht sind, sondern auch immer wieder zur Unterdrückung von Menschen, Krieg und zum unverhüllten Genozid führt. Sie ist daher kritische Theorie im wahrsten Sinne des Wortes und kritische Theorie im Zeichen ihrer Zeit.

Die theoretischen Bezugspunkte der kritischen Theorie sind zum einen, ein mit Motiven des deutschen Idealismus verknüpfter Marxismus. „Die Marxsche’ Kritik der politischen Ökonomie wird hierbei als richtig vorausgesetzt, aber nicht konkret weiterentwickelt oder kritisiert“ (Gmünder 1985: 9). Sie wird als Schlüssel zum Verständnis gesellschaftlicher Wirklichkeit von der Frankfurter Schule angesehen. Das zweite wichtige Fundament der kritischen Theorie besteht in Anlehnung an die Psychoanalyse Sigmund Freuds, mittels derer die soziopsychologischen Auswirkungen sozioökonomischer Bedingungen erklärt werden sollen, um mit der Verbindung aus Freudscher Psychoanalyse und Marxistischer Gesellschaftskritik eine ganzheitliche Gesellschaftstheorie zu entwickeln.

Entscheidend für den Öffentlichkeitsbegriff ist hierbei, dass Habermas Öffentlichkeit als normatives Konzept konstituiert. Es soll gezeigt werden, was Öffentlichkeit ist und sein soll. Um die Ist-Dimension abzubilden zeichnet er epochenweise die geschichtlichen Formen von hellenischer, repräsentativer und moderner Öffentlichkeit nach und stellt diese in historischen Bezug auf die »Idealform« der bürgerlichen Öffentlichkeit. Zudem trägt die bürgerliche Öffentlichkeit ein emanzipatorisches Potenzial in sich, das zu Rationalisierung und öffentlichen Vernunftgebrauch nach Habermas führt. Damit steht Habermas genuin in der Tradition der kritischen Theorie.

2.1 Habermas und die Frankfurter Schule

Die Frankfurter Schule lässt sich augrund ihrer Themenschwerpunkte und Methoden in zwei Generationen einteilen. Zur ersten Generation zählen unter anderem Horkheimer, Adorno, Marcuse, Fromm und Benjamin. Die zweite Generation besetzen Namen wie Offe, Schmidt, Wellmer, Negt und Habermas.

Habermas ist oberflächlich gesehen ein klassischer Vertreter der kritischen Theorie. Theorie nach Habermas ist gesellschaftskritisch, sie soll emanzipatorische Potenziale freisetzen und sie ist genuin Gesellschaftstheorie. Die inhaltliche Differenz zwischen Habermas und der klassischen kritischen Theorie zeigt sich aber schon in der Form der Arbeiten.

[...]


[1] Der Ausdruck »öffentlich« ist selbst eine soziale und politische Kategorie, die dementsprechend eine eigene Geschichte hat und auf mehreren Ebenen angesiedelt ist. Daher entwickelt er eigene Begriffsbestimmungen, die das diffuse und ineinander fließende des Vokabulars deutlich machen sollen.

[2] In diesem Sinne werde ich versuchen, die entscheidenden Elemente bürgerlicher und moderner Öffentlichkeit herauszuarbeiten und die impliziten Verbindungen zwischen dem “Strukturwandel der Öffentlichkeit“ und der „Theorie des kommunikativen Handels“, explizit zu machen. Habermas verweist den Leser zwar in seinem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zur Konzeption moderner Öffentlichkeit auf die „Theorie des kommunikativen Handelns“, diese angeblichen Parallelen werden aber stets nur indirekt deutlich.

[3] Emanzipatorisches Potenzial wird im Sinne einer Entwicklung einer emanzipatorischen Gesellschaftstheorie verstanden, die die verschütteten Emanzipationspotenziale freilegen soll, welche in der Entwicklung des liberalen Rechtsstaates angelegt sind, um daraus Spielräume einer radikaldemokratischen Re-Politisierung der Öffentlichkeit zu erkunden, in denen sich das durch Systemzwänge korrumpierte öffentliche Leben aus sich selbst heraus erneuern kann (Gmünder 1992: 14).

Fin de l'extrait de 49 pages

Résumé des informations

Titre
Die Öffentlichkeitskonzeption nach Jürgen Habermas
Université
Nürtingen University; Geislingen  (Institut für deutsche Philologie)
Cours
Konzepte und Theorien der Öffentlichkeit
Note
1,0
Auteur
Année
2007
Pages
49
N° de catalogue
V116095
ISBN (ebook)
9783640176489
ISBN (Livre)
9783640176441
Taille d'un fichier
616 KB
Langue
allemand
Mots clés
Jürgen, Habermas, Konzepte, Theorien
Citation du texte
Silke Lachnit (Auteur), 2007, Die Öffentlichkeitskonzeption nach Jürgen Habermas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116095

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