Gewiß seid Ihr alle voll Unruhe, daß ich so lange – lange nicht geschrieben. Mutter zürnt wohl, und Klara mag glauben, ich lebe hier in Saus und Braus und vergesse mein holdes Engelsbild, so tief mir in Herz und Sinn eingeprägt, ganz und gar. – Dem ist aber nicht
so; täglich und stündlich gedenke ich Eurer aller, und in süßen Träumen geht meines holden Klärchens freundliche Gestalt vorüber und lächelt mich mit ihren hellen Augen so anmutig an, wie sie wohl pflegte, wenn ich zu Euch hineintrat. – Ach, wie vermochte ich
denn Euch zu schreiben in der zerrissenen Stimmung des Geistes, die mir bisher alle Gedanken verstörte! – Etwas Entsetzliches ist in mein Leben getreten! – Dunkle Ahnungen eines gräßlichen, mir drohenden Geschicks breiten sich wie schwarze Wolkenschatten über
mich aus, undurchdringlich jedem freundlichen Sonnenstrahl. – Nun soll ich Dir sagen, was mir widerfuhr. Ich muß es, das sehe ich ein, aber nur es denkend, lacht es wie toll aus mir heraus. – Ach mein herzlieber Lothar! wie fange ich es denn an, Dich nur einigermaßen empfinden zu lassen, daß das, was mir vor einigen Tagen geschah, denn wirklich mein Leben so feindlich zerstören konnte! Wärst Du nur hier, so könntest Du selbst schauen; aber jetzt hältst Du mich gewiß für einen aberwitzigen Geisterseher. – Kurz und gut, das Entsetzliche, was mir geschah, dessen tödlichen Eindruck zu vermeiden ich mich vergebens bemühe, besteht in nichts anderm, als daß vor einigen Tagen, nämlich am 30. Oktober, mittags um zwölf Uhr, ein Wetterglashändler in meine Stube trat
und mir seine Ware anbot.
Inhaltsverzeichnis
- Nathanael an Lothar
- Der Sandmann
- Die Kindheit
- Der Sandmann in der Stube
- Die Begegnung mit Coppelius
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Novelle „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann erzählt die Geschichte des jungen Nathanael, der von einer unheimlichen Gestalt verfolgt wird. Die Geschichte beleuchtet die Grenzen zwischen Realität und Fantasie, die Macht der Angst und das Wesen des Wahnsinns.
- Die Bedeutung von Kindheitserfahrungen
- Die Konfrontation mit dem Geheimnisvollen
- Die Verwirrung von Realität und Fantasie
- Die Macht des Übernatürlichen
- Die Grenzen des menschlichen Geistes
Zusammenfassung der Kapitel
Nathanael an Lothar
In einem Brief an seinen Freund Lothar schildert Nathanael seine unheimlichen Erlebnisse mit dem Sandmann. Er beschreibt seine Angst und Verwirrung und kündigt an, die Ereignisse seiner Kindheit zu erzählen, die für ihn entscheidend waren.
Der Sandmann
Die Kindheit
Nathanael erzählt von seiner Kindheit, in der er und seine Geschwister vom Sandmann verfolgt wurden. Die Mutter beschwichtigt ihn, indem sie erklärt, dass der Sandmann nur ein Synonym für die Müdigkeit sei. Die alte Frau, die seine jüngere Schwester pflegt, erzählt ihm eine grausame Geschichte vom Sandmann, der Kindern die Augen aussteche und sie seinen Kindern im Halbmond füttert. Diese Geschichte prägt Nathanaels Kindheitserinnerungen und lässt ihn vor dem Sandmann fürchten.
Der Sandmann in der Stube
Im Laufe seiner Kindheit wird Nathanael immer neugieriger auf den Sandmann. Er beobachtet, wie der Sandmann, der immer zur gleichen Zeit in die Stube des Vaters kommt, die Mutter traurig macht. Als Nathanael zehn Jahre alt ist, wird er in ein eigenes Zimmer verlegt, doch er kann den Sandmann immer noch hören, wie er in die Stube des Vaters kommt.
Die Begegnung mit Coppelius
Nathanael beschließt, sich im Zimmer seines Vaters zu verstecken und den Sandmann zu beobachten. Er wartet auf ihn, als der Sandmann kommt und die Tür aufstößt. Zu seinem Entsetzen stellt er fest, dass der Sandmann niemand anderes ist als der alte Advokat Coppelius, der manchmal zu Mittag bei ihnen isst.
Schlüsselwörter
Die Novelle „Der Sandmann“ beschäftigt sich mit Themen wie Angst, Fantasie, Realität, Wahnsinn, Kindheitserfahrungen, Übernatürliches, Geheimnisvolles, die Grenze des menschlichen Geistes und der Einfluss von Kindheitstraumata.
- Citation du texte
- E.T.A. Hoffmann (Auteur), 2008, Der Sandmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116117