Die Nutzung von Instagram. Der Zusammenhang zwischen Selbstwert, sozialem Vergleich und Fear of missing out


Masterarbeit, 2021

104 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Fachlicher Hintergrund
2.1 Soziale Medien
2.2 Selbst und Selbstkonzept
2.3 Selbstwert
2.4 Sozialer Vergleich
2.5 Fear of Missing out
2.6 Zusammenführung der Ansätze

3 Methodik
3.1 Forschungsfrage, Hypothesen und Untersuchungsdesign
3.2 Stichprobe
3.3 Erhebungsinstrumente
3.4 Datenerhebung
3.5 Datenaufbereitung und Datenauswertung

4 Ergebnisse
4.1 Deskriptivstatistik
4.2 Ergebnisse der Hypothesenprüfung

5 Diskussion
5.1 Diskussion der Studienergebnisse
5.2 Limitationen und Methodendiskussion der Arbeit
5.3 Ansätze für zukünftige Forschung
5.4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abstract

Die vorliegende Masterthesis beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Selbstwert, sozialem Vergleich und der Angst, etwas zu verpassen, von Nutzern der Plattformen Facebook als auch Instagram. Es konnte eine quantitative Querschnittsstudie anhand der vom 30.04.2021 - 31.05.2021 erhobenen Daten mit insgesamt 221 Teilnehmern durchgeführt werden. Die Stichprobe setzt sich aus weiblichen, männlichen und Nutzern zusammen, welche sich als divers klassifizieren. Die Probanden dieser Forschungsarbeit sind zwischen 13 und 63 Jahre alt. Der Online-Fragebogen umfasst 31 Items, die der Erfassung von soziodemographischen Daten, der Nutzungsintensität, des Selbstwertes, des sozialen Vergleiches sowie Fear of Missing out (FoMo) dienen. Die Konstrukte wurden durch die Zuhilfenahme der deutschen Variante der Rosenberg Self-Esteem Scale (Selbstwert), Social Comparision Scale (soziale Vergleichsorientierung) und Fear Of Missing Out Scale erfasst. Zur Überprüfung der Forschungsfrage „Welcher Zusammenhang besteht zwischen Selbstwert, sozialem Vergleich und FoMo?“ wurden acht Zusammenhangshypothesen aufgestellt. Im Rahmen der durchgeführten Datenanalyse konnten alle aufgestellten Zusammenhänge als signifikant klassifiziert werden. Die vorliegende Arbeit kann statistisch belegen, dass signifikante Zusammenhänge zwischen Selbstwert und sozialer Vergleichsorientierung (tau = -0.25, p < 0.001), FoMo und sozialer Vergleichsorientierung (tau = 0.45, p < 0.005) sowie FoMo und Selbstwert bestehen (tau = -0.21, p < 0.001). Leichte Verbindungen konnten zwischen der Nutzungsintensität und dem Selbstwert (tau = -0.13, p < 0.005) sowie der Nutzung und FoMo (tau = 0.22, p < 0.001) identifiziert werden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass zwischen der Variable Alter und den drei Konstrukten jeweils eine leichte bis mittlere Beziehung (p < 0.001), innerhalb der Stichprobe vorliegt.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Instagram Profilansicht am Beispiel der FOM Hochschule

Abbildung 2. Facebook Profilansicht am Beispiel der FOM Hochschule

Abbildung 3. Lineare Regression für die Variable FoMo und soziale Vergleichsorientierung (eigene Darstellung RStudio)

Abbildung 4. Lineare Regression für die Variable Nutzungsintensität und soziale Vergleichsorientierung (eigene Darstellung RStudio)

Tabellenverzeichnis

Tabelle1 Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Soziale Medien sind der gegenwärtige Stand der digitalen Gesellschaft, Taktgeber der Öffentlichkeit, der Politik, des Privatlebens weltweit“ (Lobo, 2018, S. 1).

Dieses Zitat aus Spiegel-Online hebt hervor, welche Bedeutung und allumfassende Reichweite die sozialen Medien im Rahmen der Digitalisierung für jeden einzelnen von uns haben. Die Anzahl der aktiven weltweiten Nutzer von sozialen Medien ist laut Statista (2021) seit dem Jahr 2015, mit 2,08 Milliarden Verwendern, auf 4,2 Milliarden Nutzer im Jahr 2021 angestiegen. Insbesondere die Altersgruppe 14 - 29 Jahre hat ein ausgeprägtes Nutzerverhalten, von der 45 % permanent online ist (Anderson & Jiang, 2018). Damit stellen die sozialen Netzwerke ein gängiges Kommunikationsmittel im 21. Jahrhundert dar. Mittlerweile ist die Nutzung sozialer Medien als Selbstverständlichkeit in Alltagsroutinen nicht mehr wegzudenken. Die digitale Ebene kann laut Clayton, Leshner & Almond (2015) als eine Erweiterung des eigenen Selbst angesehen werden.

Bereits Gordon Allport, ein Mitbegründer1 der humanistischen Psychologie, erkannte 1954, dass wir Menschen keine Einzelgänger sind. Jedes menschliche Wesen ist im Rahmen seiner individuellen Eigenschaften sowie seiner Charakterzüge einzigartig. Dennoch streben alle Menschen nach sozialer Anerkennung und haben ein psychologisches Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit (Baumeister & Leary, 1995). Um sich innerhalb einer Gesellschaft zurechtzufinden, Selbstwissen zu generieren und das eigene Selbst einordnen zu können, ist es unumgänglich, mit der Umwelt zu interagieren. Unsere Gedanken, unser Verhalten sowie unsere Gefühle stehen laut Allport (1954) permanent in Abhängigkeit zu unseren Mitmenschen. Das bedeutet, sie betreffen unser Gegenüber und werden gleichzeitig von diesem beeinflusst (Allport, 1954). In der Theorie des sozialen Vergleiches gewinnt der Mensch Informationen über sein eigenes Wesen durch den Vergleich mit anderen (Festinger, 1954). Bewusst oder unbewusst werden die sozialen Netzwerke täglich neben der Selbstdarstellung zum sozialen Vergleich herangezogen (Mussweiler, 2006). Durch den Zugang zu sozialen Medien besteht die Möglichkeit, dem Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit auch in virtueller Form nachzugehen. Die digitale Ebene kann Informationen liefern, was unsere Freunde tun oder welche Events anstehen (Przybylski, Murayama, DeHaan & Gladwell, 2013). Mit der Verwendung der sozialen Netzwerke können gleichzeitig negative Empfindungen und die Angst, etwas zu verpassen, einhergehen (Fear of Missing out/FoMo), weil über u.a. Instagram oder Facebook gezielt Beiträge geteilt werden, die besonders erstrebenswerte Momente aufzeigen, bspw. erreichte Ziele, Urlaubsbilder oder einen von außen als erfüllend wahrgenommenen Lebensstil (Franchina, Abeele, Rooij, Coco & Marez, 2018). In welchem Ausmaß sich dies auf den Nutzer auswirkt, kann davon abhängig sein, wie sich eine Person selber bewertet (Cramer, Song & Drent, 2016). Auf Basis der aktuellen pandemiebedingten Situation und der steigenden Nutzeranzahl stellt sich die Frage, inwieweit der Selbstwert, die soziale Vergleichsorientierung und die Angst, etwas zu verpassen, in einem Zusammenhang stehen. Da insbesondere Instagram und Facebook zu den am häufigsten genutzten sozialen Medien zählen, richtet sich der Fokus dieser Arbeit auf diese Plattformen. Folgende Forschungsfrage wurde entwickelt:

Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Konstrukten Selbstwert, sozialer Vergleich und Fear of Missing out (FoMo) bei den Nutzern sozialer Medien?

In dem nachfolgenden wird der Aufbau und Inhalt dieser Masterthesis nähergehend beschrieben. Die gebildeten Hypothesen umfassen, wie bereits in der Fragestellung genannt, den Zusammenhang der Konstrukte untereinander. Des Weiteren sind die Variablen Nutzungsintensität und Alter der Probanden als unabhängigen Variablen in die gebildeten Hypothesen miteingeflossen. Diese stehen jeweils in Kombination mit einigen Konstrukten (siehe Kapitel 3). Die Arbeit startet mit dem Kapitel 2, welches die theoretische Grundlage bildet und alle relevanten Konstrukte sowie eine Zusammenführung der Ansätze umfasst. In Kapitel 2.1 wird das Forschungsumfeld, d.h. die sozialen Medien im Allgemeinen, betrachtet. Das Selbst eines Menschen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven und das Selbstkonzept werden unter dem Punkt 2.2 erläutert. Dem angeschlossen liegt der Fokus in Kapitel 2.3 auf dem Selbstwert einer Person. Der soziale Vergleich im Allgemeinen und im Rahmen von Instagram sowie Facebook ist unter 2.4 vorgestellt. Bevor im Kapitel 2.6 die Konstrukte zusammengeführt werden, erfolgt in Kapitel 2.5 die Präsentation des Phänomens FoMo. Auf deren Basis sind der methodische Teil mit den aufgestellten Hypothesen, der Methodik, den Erhebungsinstrumenten und dem Vorgehen der Datenerhebung in Kapitel 3 eingebettet. Anhand von statistischen Kennzahlen werden in Kapitel 4 die Ergebnisse dargelegt, welche anschließend in Kapitel 5 diskutiert werden. Zum Ende dieses Abschnittes werden die Limitationen und Methoden der Arbeit reflektiert und Ansätze für die zukünftige Forschung herausgestellt. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Masterthesis wird darauf verzichtet, auf kulturelle Unterschiede sowie den Zusammenhang mit der Persönlichkeit (Big 5) einzugehen.

2 Fachlicher Hintergrund

2.1 Soziale Medien

Die empirische Studie dieser Forschungsarbeit basiert auf den Sozialen Medien Facebook und Instagram. Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition des Begriffes “Soziale Medien“ und geht detailliert auf die beiden genannten Plattformen sowie die Nutzungsmotive ein. Im Folgenden wird das Glossar d.h., der social Media Kompass, des Bundesverbandes Digitaler Wirtschaft (BVDW) als Basis der Definition verwendet.

Global betrachtet verbringen wir im Durchschnitt 2 h 24 min täglich mit den sozialen Medien (Global Web Index, 2020). Nach Statista (2021) belegen die Philippinen mit einer Verwendungsdauer von 3,75 h weltweit den ersten Platz. Im Vergleich dazu befindet sich Deutschland mit 1,4 h pro Tag auf dem 43. Platz (Statista, 2021). In den Jahren 2015 – 2021 hat sich die weltweite Nutzung der sozialen Medien konstant gesteigert (Statista, 2021). Nach dem Global Web Index (2020) sind Beweggründe für die Nutzung u.a. die Suche nach Entertainment, das Ausfüllen von Freizeit, das Bedürfnis mit Freunden in Kontakt zu bleiben oder auf dem aktuellen Stand von Events bzw. Informationen zu sein. Auch das Teilen von eigenen Beiträgen, die Erweiterung des eigenen Netzwerkes oder die Kaufintention von Produkten und die Tatsache, dass Bekannte oder Freunde auf diesen Plattformen sind, kann dazu motivieren, selber ein Online-Profil zu unterhalten. Soziale Medien sind ein Megatrend, welcher die Interaktion und den Austausch von Erlebnissen, Informationen, Meinungen sowie das Erstellen von Beiträgen ermöglicht (BVDW, 2017). Die Medieninhalte eines Beitrags können in Form von Text, Video, Audio oder Bild gestaltet sein (BVDW, 2017). Diese Medien lassen sich in folgende Gattungen unterteilen: Plattformen (bspw. Xing), Personal Publishing (Blogs), Instant Messenger/Chat (bspw. Yahoo Messenger) oder Wikis (bspw. Wikipedia) (Schmidt & Taddicken, 2017). Im Unterschied zu den klassischen Medien, besteht die Möglichkeit durch Kommentare, Bewertungen oder Empfehlungen auf einzelne Beiträge einzugehen und dadurch zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen oder aufzubauen (BVDW, 2017). Daraus resultiert, dass eine klare Abgrenzung von Produzenten und Konsumenten in diesem Bereich nur sehr schwer möglich ist (BVDW, 2017). Diese Darlegung findet Unterstützung durch den Nutzen- und Belohnungsansatz der Medienforschung. Deren Ansatz sieht Medien als Quellen der Bedürfnisbefriedigung, welche aktiv und bewusst vom Verbraucher ausgewählt werden (Katz, Blumler & Gurevitch, 1973). Nach Ozimek und Förster (2017) tendieren auch Medienempfänger, die passiv solche Plattformen nutzen, dazu, verstärkt an sozialen Vergleichsprozessen teilzunehmen. Passives Nutzungsverhalten von Verbrauchern ist u.a. das Lesen von Beiträgen oder das Begutachten von anderen Profilen (Ozimek, 2019). Aufgrund bisheriger Darlegungen sind alle Teilnehmer dieser empirischen Studie als aktive Medienempfänger zu betrachten, unabhängig vom individuellen Agieren als Konsumenten oder Produzenten.

Zentrale menschliche Bedürfnisse steuern sowohl die aktive, als auch die passive Nutzung der sozialen Medien (Krämer, Eimler & Neubaum, 2017). Folgende interne Anreize sind in der Literatur zu finden: 1. Bedürfnis nach Zugehörigkeit (need to belong) (Baumeister & Leary, 1995), 2. Bedürfnis positiv wahrgenommen zu werden (impression management) (vgl. Krämer & Winter, 2008), 3. Bedürfnis nach einem sozialen Vergleich (need to compare) (Ozimek & Bierhoff, 2016; Lee, 2014). Im Verlauf dieser Ausarbeitung wird auf die einzelnen Bedürfnisse näher eingegangen. Im Januar 2021 hat Statista ein Ranking der größten sozialen Netzwerke und Messenger nach Anzahl der Nutzer aufgestellt. Den ersten Platz mit 2.740 Millionen Usern belegt Facebook, gefolgt von YouTube und WhatsApp mit jeweils 2.291 und 2.000 Millionen Nutzern (Statista, 2021). Der Facebook Messenger ist mit 1.300 Millionen Usern auf Platz vier, gefolgt von Instagram mit 1.221 Millionen Anwendern (Statista, 2021). Weitere Netzwerke mit weniger Usern sind u.a. Telegram, TikTok, Snapshat oder Twitter (Statista, 2021). Diese Forschungsarbeit richtet ihren Fokus auf die Plattformen Facebook und Instagram, weil diese aufgrund ihrer Nutzerzahlen zu den weltweit größten gehören. Instagram und Facebook zählen zur Gattung Plattform sowie Messenger-App (Schmidt & Taddicken, 2017). An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass Facebook im Jahr 2010 Instagram für eine viertel Milliarde US-Dollar aufgekauft hat (Kobilke, 2019). Instagram wird von der Communitiy genutzt, um Foto- und Videomaterial zu teilen. Das ist auch bei Facebook möglich, jedoch wurde dieses Netzwerk lange Zeit als textlastiger eingestuft (Kobilke, 2019). In den letzten Jahren gab es mehrere Neuerungen wie Facebook live (Videos) oder 360° Fotos, wodurch die visuelle Kommunikation bei Facebook ausgebaut wurde (Koblike, 2019). Die Mission von Facebook lautet: „Give people the power to share and make the world more open and connected” (Koblike, 2014, S. 21). Im Mittelpunkt der Mission steht das Bedürfnis sich selber mitzuteilen und in Verbindung zu treten mit Gleichgesinnten bzw. anderen Menschen auf der ganzen Welt. Was für Einblicke die Nutzer über Instagram oder Facebook in Teile ihrer Identität und/oder ihr Privatleben geben, ist sehr individuell; es können Beiträge des Alltags sein, Urlaubsvideos/-fotos oder inszenierte bzw. bearbeitete Bilder, bei denen es besonders um ein anmutiges Erscheinungsbild geht (Koblike, 2014). Die Nutzer der Plattformen legen sich ein individuelles Profil an, das sie mit ausgewählten biografischen Daten, Interessen, Fotos oder Videos bestücken können und deren Inhalte, je nach Einstellung, für alle oder ausgewählte Nutzer freigegeben werden (Schmidt & Taddicken, 2017). Gleichgesinnte, je nach persönlichen Interessen, sind bei Instagram leicht über die sogenannten Hashtags zu finden bspw. #kitesurfing, wohingegen Facebook über Gruppen agiert wie z.B. eine Facebook-Gruppe für Wohnungen in Hamburg. Die digitale Sozialität dieses Mediums besteht in Form von „Likes“/„Followern“ (Instagram) bzw. des „Gefällt mir“/„Freunde“ (Facebook) oder durch Kommentare, die auf erstellte Beiträge folgen (Koblike, 2019). Durch das Abonnieren (Instagram) bzw. eine angenommene Freundschaftsanfrage (Facebook) sieht der Nutzer gleich die neuen Beiträge der anderen Person und ist somit auf dem aktuellen Stand. Des Weiteren ist die Anzahl der Follower bei beiden Netzwerken ein soziales Statussymbol und zeugt von einem hohen oder niedrigen sozialen Einfluss (Koblike, 2014). Dieser kann u.a. über ein regelmäßiges Erstellen von Beiträgen und deren Inhalt beeinflusst werden. Die aufgeführten Tools vermitteln somit eine Akzeptanz der visuellen Identität und beim Nutzer werden freudige Erwartungen auf ein positives Feedback zu einem Beitrag geschürt, welche wiederum die Nutzungsintensität erhöhen kann (Koblike, 2019). Die Hirnforschung unterstützt diese Aussage mit ihren Forschungsergebnissen. Durch positive Kommentare bzw. viele „Likes“ zu einem selber veröffentlichten Beitrag kommt es bei Instagram-Usern zu einer erhöhten Aktivität im Bereich des ventralen Striatums (Montag, 2018). Dieser Bereich ist auch bekannt als das Belohnungssystem des Gehirns und aktiv, wenn wir Freude empfinden oder ein erwartetes Ereignis eintritt (Montag, 2018). Montag (2018) greift eine weitere Studie an Facebook-Nutzern auf, die mithilfe von Hirnscans das Volumen des Nucleus Accumbens, einem Teil des Hirnbereiches des ventralen Striatums, genauer begutachtet. Es ist darauf hingewiesen, dass keiner der Probanden nach Auswertung eines Fragebogens als „Facebook süchtig“ einzustufen ist und im Schnitt pro Tag acht Minuten auf der Facebook-App verbringt. Die Hirnscans zeigten ein sehr geringes Volumen des Nucleus Accumbens bei einer erhöhten Verwendung der App, was auch bei einem übermäßigen Konsum von Zigaretten oder Alkohol vorzufinden ist. Diese beiden unbewusst ablaufenden biopsychologischen Prozesse heben hervor, dass die Nutzung dieser Netzwerke vom User in dem Moment als belohnend wahrgenommen wird und den Verwender dadurch immer wieder motiviert, zu den entsprechenden sozialen Medien zurückzukehren.

2.2 Selbst und Selbstkonzept

Für die nachfolgenden Themen wie das Selbstkonzept oder der Selbstwert ist es relevant, einen ersten Eindruck zu bekommen, was das Selbst einer Person ist. Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition des Selbst und geht im Anschluss auf das Selbstkonzept ein. Bei der näheren Auseinandersetzung mit den Arbeiten von William James und George Herbert Mead sticht heraus, dass für den englischen Begriff „Self“ in der deutschen Übersetzung von Meads Werk (Mind, Self & Society from the Standpoint of a Social Behaviorist), das Wort “Identität“ verwendet worden ist. Aus der Herleitung des Wortes wird ersichtlich, warum diese beiden Begriffe in der Literatur häufig synonym verwendet werden. Der Terminus „Selbst“ stammt aus dem Germanischen und ist eine Reflexionsform des Begriffes „Selb“, was in etwa „in sich verharrend“ bedeutet (dwds, 2020). Nach Milch (2019) kann dies als Hinweis gedeutet werden, dass unser Leben durch das Selbst zu Kontinuität gelangt. In Verwendung des Wortes „Selb“ mit Artikel verändert sich die Bedeutung des Begriffes zur Identität (Milch, 2019). Daraus wird ersichtlich, wie eng das Selbst mit der Persönlichkeit verknüpft ist. In der Literatur wird häufig diskutiert, ob das Selbst ein Teil der Persönlichkeit ist oder umgekehrt (Rauthmann, 2017). Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit wird im Folgenden ausschließlich auf das Selbst Bezug genommen und nicht auf die Identität im Allgemeinen oder eine Abgrenzung der beiden Begriffe.

George Herbert Mead (1934) hat u.a. die Entwicklung des Selbst in seinem Werk „Mind, Self & Society from the Standpoint of a Social Behaviorist“ thematisiert. Mit seiner Theorie des sozialen Selbst war er seiner Zeit voraus, weil seine Kollegen den Ursprung des Selbst zumeist in biologischen Aspekten verorteten (Göymen-Steck, 2016). Er definiert das Selbst als einen sozial auszubildenden Faktor und differenziert es von angeborenen bzw. biologischen Elementen wie den eigenen Körper (Mead, 1934, vgl. S. 175ff). Laut des Soziologen und Psychologen entwickelt sich das Selbst mit der Zeit durch einen komplexen Prozess der zwischenmenschlichen Interaktion und ist nicht von der Geburt an vorhanden (Mead, 1934). Mead stellt drei Faktoren heraus, die für die Ausbildung des Selbst relevant sind: Sprache, Spiel (play) und Wettkampf (games). Das Selbst entwickelt sich durch Sprache, da sie es ermöglicht, Standpunkte und Gefühle gegenüber Mitmenschen oder Themen zu vermitteln. Ein entsendeter Reiz kann in Form von Wörtern, Symbolen, Gesten oder Tönen hervorgebracht werden und hat sowohl Auswirkungen auf den Sender als auch auf den Empfänger (Mead, 1934). Bei einem kindlichen Spiel können die Rollen der beobachteten Personen eingenommen werden wie z.B. die Rolle der Eltern (Göymen-Steck, 2016; Mead, 1934). Durch gespielte Rollen kann die Fähigkeit ausgebaut werden eine andere Perspektive einzunehmen und die Handlungen der anderen in verschiedenen Situationen kann nachvollzogen werden, was zur Selbsterkenntnis beiträgt (Göymen-Steck, 2016). Im Vergleich zum Spiel geht es beim Wettkampf darum, dass das Selbst die Haltungen aller anderen Beteiligten internalisiert und dementsprechend die vorhandenen Regeln des Spiels versteht und diese einhalten kann, um ein bestimmtes Ziel oder Ergebnis zu erreichen (Göymen-Steck, 2016). Mead untergliedert das Selbst in die zwei Phasen “I” und “Me”: „The "I" is the response of the organism to the attitudes of the others; the "me" is the organized set of attitudes of others which one himself assumes. The attitudes of the others constitute the organized "me," and then one reacts toward that as an "I."” (Mead, 1934, S. 175). Dieses Zitat stellt heraus, dass die Bestandteile des Selbst im Austausch miteinander stehen, genauso wie Individuen. Das „I“ kann als ein spontaner bzw. subjektiver Impuls des Bewusstseins betrachtet werden, das das Selbst einer Person in Abhängigkeit der Reaktion des „Me“ repräsentiert (Göymen-Steck, 2016). Dieses „Me“ stellt die persönliche Wahrnehmung aus der Perspektive von Anderen dar, die ein Individuum von sich selber haben kann (Mead, 1934). Mead nennt in diesem Kontext das „generalisierte Andere“, womit er die Richtung der eigenen Erwartungen beschreibt, die sich auf die Erwartungen des Gegenübers beziehen (Göymen-Steck, 2016; Mead, 1934). Dies können Erwartungen der Gesellschaft im Allgemeinen, d.h. soziale Normen, erlernte Verhaltensweisen oder interne Einstellungen sein, die mit der Sozialisation verinnerlicht werden (Göymen-Steck, 2016). Daraus ist ersichtlich, dass sich das „Me“ durch den Sozialisationsprozess und das gesammelte Wissen der jeweilige Bezugsgruppe geprägt ist. Miebach (2010) veranschaulicht am Beispiel eines Studenten in einem Seminar das Zusammenspiel der beiden Komponenten. Ein Student hat eine Idee für einen Wortbeitrag und es entsteht ein schnell ablaufender innerer Reflexionsprozess. Dieser kann u.a. die Reaktionen der Kommilitonen und des Dozenten beinhalten, genauso wie mögliche Folgen, die dieser Wortbeitrag nach sich ziehen könnte. Die Rollenübernahme zur Festlegung der Handlungsalternativen stellt das „Me“ dar. Hat sich der Student für eine Handlungsalternative entschieden und ist an der Reihe, kommt es durch die Reaktion der Anderen zu einer Reflexion des „I“ auf die vom „Me“ definierte Handlungsalternative. Sollte es bspw. zu einer erstaunten Reaktion des Gegenübers kommen, könnte das „Me“ neu ausgerichtet werden. Das „I“ reagiert dementsprechend spontan mit einer Korrektur während des Wortbeitrages (Miebach, 2010). Vom Selbst kann laut Mead gesprochen werden, wenn das „Me“ und „I“ eine Einheit bilden (Mead, 1934). Wie soeben dargelegt bezieht sich Mead bei seiner Konzeption des Selbst auf einen sozialen Interaktionsprozess, der erlernt werden muss und nicht angeboren ist. Des Weiteren sieht er den Körper als solches nicht als einen Bestandteil des Selbst. Aspekte von Meads Ansicht lassen sich in der Erläuterung des Selbst von dem Psychologen und Philosophen William James (1993) wiederfinden. Dieser bezieht in seine Definition des Selbst auch ein soziales Selbst mit ein, für das die Interaktion mit der Umwelt notwendig ist und das dynamisch agiert. Im Unterschied zu Mead setzt er sich auch mit den biologischen und mentalen Komponenten des Selbst auseinander. Nachfolgend ist die Sichtweise von James (1993) auf das Selbst beschrieben. Aufgrund der Anschaulichkeit seiner Definition des Selbst ist diese häufig von anderen Autoren aufgegriffen worden (Sader & Weber, 1996). Hier ist anzumerken, dass James (1993) in „The Principles of Psychology“ die männliche Person zur Analyse des Selbst nutzt. Er differenziert zwischen dem „Pure Ego“ oder „I“ und dem „empirischen Selbst“ oder „Me“. Nach Sader & Weber (1996) kann der erste Aspekt als das „reine Selbst“ aufgefasst werden, welches sich mit der Reflexion selbstbezogener Informationen auseinandersetzt (Self as knower), wobei die Herkunft des reflektiven Bewusstseins für James eine philosophische Vermutung darstellt (Sader & Weber, 1996). Das „empirische Selbst“ oder „Me“ beinhaltet das Wissen über die eigene Person (Self as known) und ist relevanter Bestandteil von psychologischen Analysen (Sader & Weber, 1996; Rauthmann, 2017). James (1980) fast das Selbst wie folgt zusammen: „… a man's Self is the sum total of all that he CAN call his…” (James, 1993, S.279). Demnach ist das Selbst ein Resultat aus individuellen Merkmalen, Vorstellungen oder Objekten, die sich im direkten Besitz des Selbst befinden oder einen internalisierten Teil des Individuums darstellen. Zum Selbst gehören für ihn: „… not only his body and his psychic powers, but his clothes and his house, his wife and children, his ancestors and friends, his reputation and works, his lands and horses, and yacht and bank-account.” (James,1993, S. 279). Diese Aussage hebt sowohl biologische und psychische Faktoren, Besitztümer, Ahnen und den persönlichen Status innerhalb der Gesellschaft als Bestandteil des Selbst hervor. All diese Faktoren rufen Emotionen hervor, die zum empirischen Selbst zählen und wiederum zu Handlungen auffordern können (Sader & Weber, 1996). Im Vergleich zu Mead ist klar herausgestellt, dass James den Körper des Menschen als einen Teil des Selbst betrachtet.

Das Selbst besteht laut James aus verschiedenen Facetten, deren Quelle zum einen direkt im Selbst an sich zu finden ist und zum anderen in der Interaktion mit der Umgebung besteht. Nach James (1993) kann das empirische Selbst in einen materiellen, einen sozialen und einen geistigen Aspekt unterteilt werden. Zum materiellen Selbst zählen u.a. Körper, Kleidung, Familie, Wohnung und selbst Kreiertes. James’ (1993) folgender Passus „ Our father and mother, our wife and babes, are bone of our bone and flesh of our flesh. When they die, a part of our very selves is gone.“ (S. 280) deutet an, dass eine emotionale Zuneigung bzw. eine persönliche Identifizierung und Akzeptanz der biologischen Verwandten erforderlich ist, damit diese das angeborene Selbst sind und nicht nur als ein Teil des angeborenen Selbst gesehen werden. Beim sozialen Selbst handelt es sich um viele unterschiedliche soziale Selbst, je nachdem wie viele Individuen die jeweilige Person kennt (James, 1993). Insbesondere stellt James (1993) die externe Anerkennung und den Ruf der eigenen Person in den Mittelpunkt des sozialen Selbst. Unabdingbar zur Ausbildung des Selbst ist, dass man wahrgenommen und beachtet wird (Sader & Weber, 1996). Sollte es statt Anerkennung zur vollständigen Missachtung kommen, wird diese als psychische Qual wahrgenommen (James, 1993). Das geistige Selbst wird von James als der intimste Teilaspekt des Selbst betitelt, welches psychische Faktoren wie persönliche Einstellungen, Fähigkeiten oder Eigenschaften beinhaltet (Sader & Weber, 1996). Zusammenfassend besteht das Selbst einer Person nach James (1993) aus drei zentralen Teilaspekten: materiellen, sozialen und geistigen. Genau wie Mead nutzt James I und Me, um das Selbst zu beschreiben. Jedoch besteht bei Mead eine stärkere Interaktion der zwei Bestandteile. James betrachtet im Vergleich zu Mead den Körper nicht nur als eine Hülle für das Selbst, sondern sieht den Körper als ein Teil des Selbst, der aufgrund des biologischen Gesichtspunktes angeboren ist. Diese beiden unterschiedlichen Sichtweisen auf das Selbst verdeutlichen, dass es von der Perspektive abhängig ist, ob sich das Selbst erst entwickeln muss oder teilweise schon mit der Geburt vorhanden ist. Des Weiteren ist von der jeweiligen Definition abhängig, was zu den Bestandteilen des Selbst zählt.

In der Fachliteratur wird das Selbst im Allgemeinen in einen expliziten und impliziten Aspekt aufgeteilten, wobei es sich um zwei miteinander vernetzte psychologische Systeme handelt, die unterbewusst sowie parallel agieren (Epstein, 2006). Die Grundsteine für das implizite Selbstsystem sind unterbewusste affektive Assoziationen mit Erfahrungen, wohingegen das explizite System auf einer rationalen, bewussten Logik basiert (Kernis, Lakey & Heppner, 2008). Daraus resultiert, dass mit zunehmender Lebenserfahrung die implizite Komponente stabiler wird, wohingegen das explizite System situationsabhängig variieren kann (Rosenberg, Schooler & Schoenbach, 1989). Damit erfasst das explizite Selbst den aktuellen Stand der Selbstbeurteilung und ist für uns aktiv zugänglich, wohingegen der implizite Faktor Gefühlserfassungen ohne bewusste Verzerrung ermöglicht. Zur Messung der expliziten Komponente werden Selbstbeurteilungen, Fragebögen oder Interviews genutzt (Jordan, Whitfield & Zeigler-Hill, 2007). Die Erhebung des impliziten Elements erfolgt indirekt, d. h. ohne Wissen über die gemessene Komponente, um eine willentliche Beeinflussung zu verhindern (De Houwer, 2006). Eine häufig genutzte Methode zur Messung des impliziten Selbstwertes ist der Name Letter Test (Kernis et al., 2008). Dabei werden die Initialen bzw. Buchstaben des eigenen Namens bewertet, die meistens mit einer positiveren Assoziation einhergehen als andere Buchstaben (Kernis et al., 2008). Die Validität und der Erkenntniszuwachs des impliziten Tests ist in der aktuellen Literatur kontrovers debattiert (Gawronski & De Houwer, 2014). Für diese quantitative empirische Studie ist demnach der explizite Aspekt im Rahmen der Selbstwertschätzung relevant.

Nach der detaillierten Betrachtung des Selbst wird im nachfolgenden Abschnitt näher auf das Selbstkonzept eingegangen. Wie bereits am Anfang des Kapitels angesprochen ist das Selbst eine Basis für folgende Selbstbegriffe wie das Selbstkonzept. Nach Rauthmann (2017) setzt sich das Selbst aus Selbsttheorien, Selbstschemata und Selbstkonzept zusammen, wobei er darauf hinweist, dass diese drei Faktoren häufig unter dem Begriff der Selbstkonzepte zusammengefasst werden. Spätere Selbsttheorien, die nach James entstanden sind, haben den materiellen Faktor des empirischen Selbst häufig vernachlässigt und beziehen sich ausschließlich auf subjektive Vorstellungen der eigenen Person (Sader & Weber, 1996). Laut Rosenberg beinhaltet das Selbstkonzept: „the totality of the individual’s thoughts and feelings with reference to [the] self as an object” (Rosenberg, 1989, S. 34). Das Selbstkonzept ist damit eine abstrakte Größe, die aus dem Wissen über sich selbst besteht und dessen zentrale Fragen lauten: „Wer bin ich?“ und „Was kann ich?“ (Bierhoff & Frey, 2011). In der Literatur sind drei Informationsquellen für das Selbstkonzept und das Selbstwertgefühl zu finden, wobei auf den Selbstwert im nächsten Kapitel näher eingegangen wird. Bei den Quellen handelt es sich um: 1.) Selbstwahrnehmung, 2.) soziale Rückmeldung bzw. soziale Interaktion mit anderen und 3.) sozialer Vergleich (Bierhoff & Frey, 2011). Schwalbe & Staples (1991) operationalisieren diese Faktoren im Arbeitskontext folgendermaßen:

1.) Selbstwahrnehmung = Anerkennen, dass man persönlich eine Aufgabe gut absolviert hat, auch wenn andere es nicht bemerken.
2.) soziale Rückmeldung = Die Anerkennung von einem Arbeitskollegen, weil etwas bzw. ein Job gut ausgeführt worden ist.
3.) sozialer Vergleich = Weil einem persönlich eine Aufgabe liegt, führt man diese besser aus als jemand anderes.

Diese Beispiele dienen dazu einen ersten Eindruck zu bekommen, was sich hinter den Informationsquellen verbergen kann. Diese drei Aspekte und das Selbstkonzept sowie der Selbstwert hängen stark zusammen und werden im Verlauf dieser Arbeit alle angesprochen. Aufgrund des Schwerpunkts dieser Thesis wird unter Punkt 2.4 besonders ausführlich auf den sozialen Vergleich eingegangen.

In der Selbstkonzeptforschung geht Markus (1977) davon aus, dass das Selbst kognitiv verallgemeinert wird, um Informationen über das eigene Wesen zu sortieren bzw. zu dirigieren. Diese Verallgemeinerungen fasst die Autorin als Selbstschemata zusammen, welche vergangenen und gegenwärtigen persönlichen Erfahrungen entspringen können, z.B. „Ich habe in einer bestimmten Situation gezögert“. Eine weitere Quelle der Selbstschemata können Selbst- sowie Fremdbeurteilungen sein bzw. Kategorisierungen, in die sich eine Person selbstständig einordnet, z.B. „Ich bin sportlich“ oder „großzügig“ (Markus, 1977). Nicht jeder Mensch besitzt die gleichen oder ähnliche Schemata, sondern nur solche, die als persönlich relevant eingestuft werden. Markus (1977) bezeichnet diese als „aschematisch“ im Hinblick auf deren Inhalte, weil das Individuum keinen Bezug zum Beispiel „Ich als Sportler“ hat oder dies als irrelevant für sich einschätzt. In anderen Bereichen wie z.B. beim Geschlecht, der körperlichen Erscheinung, auf der Verwandtschaftsebene (ich als Mutter; ich als Bruder) oder in allgemeinen Beziehungen (ich als Freund; ich als Vorgesetzter) ist es unvermeidlich, ein entsprechendes Schema zu entwickeln (Markus & Sentis, 1983). Das Selbstkonzept und damit auch die Selbstschemata können nach Markus als relativ beständig bezeichnet werden, auch wenn Schwarz et al. (1991) in ihrem Experiment eine Variation über die jeweilige Situation festgestellt haben. In ihrem Experiment haben die Teilnehmer ihre individuelle Durchsetzungsfähigkeit eingeschätzt, wobei sie zu Beginn jeweils sechs oder zwölf Beispiele für ein solches Verhalten aufzählen sollten. Eine geringere Selbsteinschätzung der persönlichen Durchsetzungsfähigkeit ergab sich bei den Teilnehmern, die zwölf Beispiele aufzählen sollten (Schwarz et al., 1991). Wir sind des Weiteren geprägt durch die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bzw. Kategorien, mit denen wir uns entweder identifizieren (ingroup) oder von denen wir uns abgrenzen möchten (outgroup) bspw. die Gruppe der Studenten oder Arbeitnehmer (Kessler & Fritsche, 2018). Im Rahmen der Selbstkategorisierungstheorie wird davon ausgegangen, dass das Selbstkonzept u.a. durch die Zugehörigkeit zu einzelnen Gruppen definiert ist (Kessler & Fritsche, 2018). Die Forscher Choi & Hogg (2020) bezeichnen die Validierung der eigenen Person als unabdingbar für den Aufbau einer positiven individuellen Identität und als Fundament einer starken Gruppenidentifikation. Das Selbstkonzept entspringt demnach dem Selbst und trägt zum individuellen Verständnis durch Annahmen über die eigenen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften bei. Ein wichtiger Faktor ist des Weiteren die Definition des Selbst durch Gruppenzugehörigkeiten.

2.3 Selbstwert

Das Wort Selbstwertgefühl kommt aus dem Griechischen und bedeutet frei übersetzt „die Ehrfurcht vor dem eigenen Wesen“ (Srivastava & Joshi, 2014). Daraus ist eine grundlegende Einstellung gegenüber dem Selbst, der Selbstrespekt, zu erkennen. Die Psychologie setzt sich sehr unterschiedlich mit dem Konstrukt Selbstwert auseinander. Die Entwicklungspsychologie konzentriert sich auf die Entwicklung des Selbstwertes im Rahmen der Evolution, wohingegen die Persönlichkeitspsychologie u.a. auf individuelle Unterschiede des Konstruktes eingeht (Fenske, Joachims & Zintarra, 2018). In der Sozialpsychologie werden vor allem Verhaltensweisen beforscht, die zu einer Stärkung bzw. zum Schutz des Selbstwertes beitragen (Leary, 1999). Aufgrund der vielfältigen Verwendung in den einzelnen Dimensionen gibt es keine einheitliche Definition und der Begriff Selbstwert wird häufig als Synonym zu Selbstwertgefühl, Selbstbewertung, Selbstachtung oder Selbstwertschätzung verwendet (Fenske, Joachims & Zintarra, 2018). Dieses Kapitel grenzt zu Beginn den Selbstwert vom zuvor definierten Selbstkonzept in Kapitel 2.2 ab und geht auf das Konstrukt im Rahmen der Persönlichkeitspsychologie ein, d.h., es werden die unterschiedlichen Arten des Selbstwertes erläutert: globaler, spezifischer, Trait- und State-Selbstwert. Anschließend folgen die Quellen des Selbstwertes inklusive der entwicklungspsychologischen Sichtweise, wobei der soziale Vergleich unter Punkt 2.4 aufgrund des Themenschwerpunkts dieser Arbeit intensiver betrachtet wird, als die anderen Quellen. Zum Ende dieses Kapitels sind selbstwertdienliche Prozesse dargelegt.

Im Vergleich zum Selbstkonzept, das aus einer Reihe von Selbstaspekten besteht und damit ein deskriptives Segment darstellt, handelt es sich beim Selbstwert um eine evaluierende Komponente, die sich mit der Frage auseinandersetzt „Was bin ich wert?“ (Bierhoff & Frey, 2011). Die individuelle Interpretation des Selbstwertes eines Menschen entsteht in Abhängigkeit vom jeweiligen Selbstkonzept. Aus individuellen Einschätzungen von Eigenschaften oder Fähigkeiten wie „Ich bin sportlich“/“Ich bin unpünktlich“ resultieren positive bzw. negative Beurteilungen, welche wie folgt ausfallen können: „Es ist gut, dass ich sportlich bin“/ „Es ist nicht gut, dass ich unpünktlich bin“ (Bierhoff & Frey, 2011; Schachinger, 2005). Schachinger (2005) geht bei ihrem Definitionsversuch auf die Auswirkung des Selbstwertgefühls ein. Für die Autorin ist der Selbstwert – wie einleitend erwähnt – als Selbstachtung bzw. Selbstliebe zu verstehen, genauso wie als Basis für Nächstenliebe und als Ausdruck der Selbstzufriedenheit. Empirisch konnte belegt werden, dass Personen mit einem geringeren Selbstwert dazu tendieren, Situationen als belastender wahrzunehmen und diese ineffektiver bewältigen können als Personen mit einem höheren Selbstwert (Petersen, Stahlberg & Frey, 2006). Des Weiteren besteht eine höhere Tendenz zu Depressionen bei einem geringeren Selbstwert (Sowislo & Orth, 2013). Ein hoher Selbstwert konnte mit besseren Strategien zur Selbstregulierung und gesteigerter Zufriedenheit sowie einem starken persönlichen Wohlbefinden in Verbindung gebracht werden (Swann, Chang-Schneider & McClarty, 2007). In der wissenschaftlichen Literatur ist im Kontext des Selbstwertes häufig der globale Selbstwert thematisiert. Nach Rosenbergs Definition sind unter dem globalen Selbstwert die Gesamtheit aller subjektiven Selbstbewertungen eines Individuums zu verstehen, welche in Richtung Anerkennung oder Verachtung des Selbst tendieren kann (Brown, Dutton & Cook, 2001). Diese Variante der Definition ist häufig in der Fachliteratur zu finden, womit der Selbstwert als eine selbstbezogene Konstruktion der Realität aufgefasst werden kann (Bierhoff & Frey, 2011; Kanning, 2000).

Nach Tafarodi und Swann (1995) setzt sich der globale Selbstwert aus den Dimensionen self-competence und self-liking zusammen. Self-liking entspringt dabei dem Grundgedanken von Mead (1934), d.h., es stellt die Anerkennung oder Ablehnung der eigenen Person auf dem Fundament der angenommenen gesellschaftlichen Normen dar (Tafarodi & Swann, 1995). Wie bereits in Kapitel 2.2 dargelegt, lässt sich hier als Informationsquelle des Selbstwertes die soziale Rückmeldung erkennen. Laut den eben genannten Autoren bezieht sich die zweite Dimension auf Erfahrungen des Selbst, d.h., es besteht eine hohe Selbstkompetenz, wenn unsere Intentionen mit dem erreichten Resultat übereinstimmen. Sollte eine Differenz entstehen, ist die Selbstkompetenz niedrig und das Individuum empfindet geringe Motivation oder Depression (Tafarodi & Swann, 1995). Der Gegensatz zum globalen Selbstwert ist durch den spezifischen Selbstwert beschrieben. Der spezifische Selbstwert impliziert, wie eine Person bspw. ihre eigene Fahrweise beim Autofahren bewertet; dieser befasst sich mit der persönlichen Bewertung von definierten Eigenschaften oder Fähigkeiten (Brown & Marshall, 2006). Dutton & Brown (1997) beschäftigen sich mit der Frage, in welcher Beziehung der globale zum spezifischen Selbstwert steht. Die Autoren gehen davon aus, dass der globale Wert die Selbstbewertung bestimmt und dadurch die selbstbezogenen Emotionen beeinflusst (Jünemann, 2016). Dutton und Brown (1997) verdeutlichen dies anhand des Umgangs mit Erfolgen und Rückschlägen: Kommt es zu einer Niederlage in einer akademischen Leistung, wird jemand mit einem geringen Selbstwert dieses als eine persönliche Erniedrigung empfinden. Selbst bei einem Erfolg ist die Wahrnehmung gegenüber dem Selbst negativ, obwohl die Person sich darüber im Klaren ist, dass sie vieles meistern kann und sehr intelligent ist: „Yes, I know I am smart and can do many things well, but I just don´t feel good about myself“ (Dutton & Brown, 1997, S.146). Im Gegensatz dazu wird eine Niederlage bei einem hohen Selbstwert einer zu geringen Anstrengung zugeschrieben und nicht dem Mangel persönlicher Fähigkeiten (Jünemann, 2016). Durch diese Art der Interpretation kann das Selbst in seiner ursprünglichen Form geschützt werden. Daraus ist zu entnehmen, dass der Glaube an die eigenen Fähigkeiten stark vom Selbstwert abhängig sein kann und dieser den Umgang mit Erfolgen oder Rückschlägen beeinflusst (Ryeng, Kroger & Martinussen, 2013). Als Basis für diese Annahme dient der entwicklungspsychologische Ansatz sowie unterschiedliche Strategien zum Stützen bzw. Erhöhen des Selbstwertes, auf die im weiteren Verlauf unter 2.3.2 noch näher eingegangen wird (Jünemann, 2016). Kanning (2000) differenziert neben den bereits dargelegten globalen und spezifischen Selbstwertvarianten auch zwischen dem Trait-Selbstwert (trait self-esteem) und einem State-Selbstwert (state self-esteem).

Der State-Selbstwert variiert situationsabhängig und ist anfällig für Gefühlsschwankungen (Kanning, 2000). Dieser State-Selbstwert kann unabhängig vom Selbstkonzept auftreten, z.B. empfindet ein Mensch ein Hochgefühl nach einer abgeschlossenen Prüfung oder ist niedergeschlagen aufgrund eines Misserfolges (Brown & Marshall, 2006). Der Trait-Wert ist häufig mit dem globalen Selbstwert gleichgesetzt (Brown & Marshall, 2006). Wie auch beim globalen Selbstwert handelt es sich beim Trait-Wert um die allumfassende Bewertung, die sich ein Individuum zuschreibt (Leary, 1999). Der (Trait-) Selbstwert einer Person ist ab dem Erwachsenenalter als ein vergleichsweise solides Persönlichkeitsmerkmal zu betrachten (Orth & Robins, 2014; Asendorpf, 2009). In der Literatur unterteilt sich der Selbstwert damit in die Dimensionen global, spezifisch, state und trait. Im Rahmen dieser empirischen Studie steht der globale Selbstwert im Fokus, welcher mithilfe der Rosenberg Self-Esteem Scale erhoben werden kann (siehe 4.1) (Fenske, Joachims & Zintarra, 2018). Wie unter 2.2 angedeutet, handelt es sich bei einer Selbstwerteinschätzung zugleich um einen aktiv zugänglichen Aspekt und damit um das explizite Selbst.

2.3.1 Quellen des Selbstwertes

Nach Betrachtung des Selbstwertes im Allgemeinen wird im Folgenden auf die Perspektive der Entwicklungspsychologie eingegangen. Dem angeschlossen folgen Abschnitte zur Selbstwahrnehmung und sozialen Rückmeldung, bei denen es sich um die Quellen des Selbstwertes sowie des Selbstkonzeptes handelt. Die Klinische- und Entwicklungspsychologie betrachtet als Quelle des Selbstwertes zentral die Akzeptanz des Kindes durch das direkte Umfeld (Jacoby, 1991; Rogers, 1961). Die Startbasis für die Selbstbeurteilung wird laut Jacoby (1991) bereits in früher Kindheit gelegt:

„Diese Bewertung entspringt aber tiefen, im Unbewußten liegenden Wurzeln und ist willentlich nur bedingt modifizierbar. […] Wie bereits erwähnt, hängt unsere innerpsychische Bewertungsinstanz in hohem Maße mit den Bewertungen und Urteilen zusammen, die uns von Seiten der wichtigen Bezugspersonen von früh an entgegengebracht wurden.“ (Jacoby, 1991, S. 68).

Das Zitat hebt Prägung durch unsere Eltern hervor, die in unserem Unterbewusstsein tief verankert ist. Die aktuelle Studie von Krauss, Orth & Robins (2020) hat 674 Familien in den USA begleitet und die Selbstwertentwicklung von dem zehnten bis 16. Lebensjahr analysiert. Die Autoren heben als entscheidende Faktoren innerhalb der Familie elterliche Wärme, finanzielle Sicherheit, eine angemessene Kontrolle des Kindes, Anwesenheit und eine gute psychische Verfassung der Eltern zur Ausbildung eines gesunden Gefühls gegenüber dem Selbst hervor. Als weitere wichtige Domänen zur Ausbildung der Selbstwertschätzung klassifizieren Von Soest, Wichstrøm und Kvalem (2016) geschlossene Freundschaften, soziale Anerkennung, romantische Beziehungen und individuell zufriedenstellende Leistungen in der Schule. Leary (1999) deutet an, dass dieser Faktor genetisch verwurzelt sein könnte. Die Studie von Neiss, Sedikides und Stevenson (2006) unterstützt dies, indem sie den Selbstwert von ein- und zweieiigen Zwillingen betrachtet und festgestellt, dass Höhe sowie Stabilität bei eineiigen Zwillingen wesentlich mehr übereinstimmen. Demnach kann festgehalten werden, dass der Selbstwert genetisch bedingt sein kann. Das Level des Selbstwertes ist jedoch nicht durch die Umgebung in der Kindheit oder genetische Faktoren auf einen bestimmten Wert festgeschrieben. Wissenschaftliche Forschung konnte in den letzten Jahren belegen, dass die Höhe des globalen Selbstwertes vom Jugend- bis zum Erwachsenenalter von 50 Jahren zunimmt (Orth & Robins 2014). Besonderen Einfluss auf den Zuwachs des Wertes haben u.a. prägende Lebensereignisse oder Übergänge in einen neuen Lebensabschnitt (vgl. Chung et al. 2014; Jacoby, 1991). Nach der Betrachtung des entwicklungspsychologischen Ansatzes folgt im Anschluss eine Betrachtung der Quellen Selbstwahrnehmung und soziale Rückmeldung, aus denen sowohl der Selbstwert als auch das Selbstkonzept ihre Informationen ziehen.

In diesem Kontext ist es hilfreich, vorab die Theorie der Selbstaufmerksamkeit von Duval und Wicklund (1972) kurz anzureißen. Die Autoren gehen davon aus, dass die Selbstaufmerksamkeit in subjektive oder objektive Richtungen tendieren kann. Im Detail ist damit gemeint, dass einige Menschen eher dazu neigen, das eigene Selbst zu betrachten, um dem Ziel der Selbsterkenntnis näher zu kommen, und andere aus externen Quellen ihr Selbstwissen generieren, z.B. aus der Anerkennung anderer (Duval & Wicklund, 1972). Im Folgenden wird näher auf die interne Quelle, die Selbstwahrnehmung, eingegangen. Der Sozialpsychologe Bem (1972) beschäftigt sich mit der Frage, woher wir wissen, dass uns ein anderer Mensch sympathisch findet oder woher jemand weiß, dass er ein Romantiker ist (Reinhard, Stahlberg & Petersen, 2006). Die Selbstwahrnehmungstheorie von Bem (1972) besagt, dass Individuen ihre Emotionen und internen Einstellungen erst durch die Eigenbeobachtung von Verhaltensweisen und den vorliegenden situationellen Umständen erschließen. Damit kann diese Theorie als ein selbstbezogener Attributionsprozess bezeichnet werden (Aronson, Wilson & Akert, 2014). Rückschlüsse durch einen selbstbezogenen Attributionsprozess geschehen häufig, wenn wir uns über einige Aspekte nicht im Klaren sind oder wir Informationen im Bezug auf das Selbst schwer interpretieren können (Mummendey, 2006). Dann agieren wir wie ein außenstehender Beobachter, der seine eigenen Handlungen bzw. Gefühle analysiert (Bem, 1972). Wenn wir uns z.B. nicht sicher sind, ob wir in die Kategorie der Langschläfer gehören, dann können wir an mehreren freien Tagen unser Aufstehverhalten genau beobachten und daraus erschließen, ob wir uns als Frühaufsteher oder Langschläfer einstufen (Reinhard, Stahlberg & Petersen, 2006). Die äußeren Umstände werden mitbegutachtet, um mögliche Verzerrungen auszuschließen. Wenn wir jedoch termingebunden agieren und pünktlich auf der Arbeit sein wollen, würden viele sich einen Wecker stellen und könnten dadurch keine Rückschlüsse auf ihren natürlichen Schlafrhythmus vornehmen (Reinhard, Stahlberg & Petersen, 2006). Auf gleiche Art und Weise können Emotionen erschlossen werden. Anhänger des symbolischen Interaktionismus wie Mead (1934) oder Cooley (1967) vertreten einen anderen Standpunkt, bei dem die soziale Rückmeldung als externe Quelle zur Selbsterkenntnis im Fokus steht (Mummendey, 2006). Dieser Standpunkt hat eine starke Ähnlichkeit mit dem sozialen Selbst von James (vgl. 2.2). Er geht davon aus, dass das Feedback Außenstehender in Bezug auf die eigene Person internalisiert ist. Der Soziologe Charles Cooley (1967) ist bekannt für den Begriff bzw. das Sinnbild des „looking-glass self“ (Spiegelbild-Effekt), unter dem er die Gesamtheit des Selbst, hier das Selbstkonzept, als ein intersubjektives Phänomen versteht (Nungesser, 2013). Cooley (1967) formuliert es wie folgt:

„Each to each a looking-glass; reflects the other that doth pass” (Cooley, 1967, S. 184).” … „In the presence of one whom we feel to be of importance, there is a tendency to enter into and adopt, by sympathy, his judgement of ourself, to put a new value on ideas and purposes, to recast life in his image (Cooley, 1967, S. 206).”

Nach Cooley sind alle sozialen Rückmeldungen, die wir in unserer Sozialisation durch die Interaktion mit unserem Umfeld erhalten haben, besonders mit Personen, die wir als bedeutsam einstufen, z.B. Eltern, Freunde oder Verwandte, gleichzusetzen mit unterschiedlichen Spiegelbildern (Fremdwahrnehmung - Wahrnehmung anderer zum Selbst) (Mummendey, 2006; Nungesser, 2013). Dabei kann die Fremdwahrnehmung je nach Betrachter, z.B. Freundin oder Vater, unterschiedlich ausfallen. Demzufolge sieht Cooley (1967) das Selbstkonzept als eine Zusammensetzung vieler unterschiedlicher Spiegelbilder des eigenen Wesens an. Durch diese Art der Rückmeldung, wenn bspw. eine Person von einem Freund als „spontan“ bezeichnet wird, entsteht nach Cooley (1967) eine akkurate Selbsteinschätzung, verstanden als Blick in den Spiegel (vgl. Kessler & Fritsche, 2018). In diesem Beispiel handelte es sich um eine verbale Rückmeldung zum eigenen Verhalten, welches sich auf den Selbstwert auswirken könnte (Mummendey, 2006). Neben dieser Variante kann gleichzeitig das Verhalten der Mitmenschen interpretiert werden, um auf neue Erkenntnisse zu stoßen. Dieses Phänomen konnten die Forscher Meyer & Plöger (1979) in ihrem Experiment zur scheinbar paradoxen Wirkung von Lob und Tadel darlegen. Dabei haben Schüler leichte Aufgaben bekommen und wurden für das Lösen dieser verstärkt gelobt. Daraus haben sie geschlussfolgert, dass ihre Fähigkeiten als sehr gering eingeschätzt worden sind. Andere Schüler interpretierten eine hohe Zuversicht in ihr Können, nachdem sie für eine unverrichtete Aufgabe bzw. falsche Lösung kritisiert worden sind. Das verdeutlicht den Einfluss des Verhaltens von anderen auf die Interpretation im Zusammenhang mit dem Selbst. Hier ist anzumerken, dass nicht alle von extern kommenden Informationen in das Selbstkonzept integriert werden. Wenn einer Person bereits bewusst ist, dass sie spontan agiert, dann ist die Rückmeldung zu dieser Dimension mit der sie schon Erfahrung gesammelt hat, eher als eine Bestärkung des eigenen Selbstbildes zu interpretieren (vgl. 2.2) (Petersen & Stahlberg, 1995). Sollte es jedoch zu einer starken positiven Abweichung vom persönlichen Selbstbild bzw. Selbstschemata kommen oder es besteht die Möglichkeit neue Erkenntnisse bezüglich des Selbst zu generieren, ist der Einfluss auf das Selbstkonzept umso größer (Petersen & Stahlberg, 1995). Aus diesen Darlegungen ist die Komplexität der Informationsverarbeitung ersichtlich. Alle Informationen, die wir in unserer Kindheit von unserem direkten Umfeld erhalten haben, aber auch soziale Rückmeldungen aus täglichen sozialen Interaktionen sowie Inhalte der Selbstwahrnehmung dienen uns als Quellen, um auf den eigenen Wert des Selbst zu schließen. Nicht jede erhaltene Information fließt dabei in die Interpretation mit ein, sondern allein jene, die wir als relevant einstufen. Es ist festzuhalten, dass sich der globale Selbstwert mit zunehmendem Alter entwickelt und an Stabilität zunimmt. Die Basis des Selbstwertes kann durch die Umgebung in der Kindheit sowie genetische Veranlagung geprägt sein.

2.3.2 Selbstwertdienliche Prozesse

Jeder Mensch hat das Bedürfnis positiv wahrgenommen zu werden. Nach Schütz (2000) kann die Intensität des Gefühls tiefsitzende, grundlegende Einstellungen und Verhaltensweisen beeinflussen. Das heißt, Personen mit einem geringen Selbstwert sind darauf bedacht, nicht unangenehm aufzufallen, wohingegen bei einem starken Selbstwert die Personen aktiv positiv aufzutreten. Kanning (2000) hebt eine starke gegenseitige Interaktion zwischen Verhalten und Selbstwert hervor. Der Autor geht davon aus, dass die Höhe der Selbstbeurteilung einen Einfluss auf das Verhalten ausübt und sich gleichzeitig die externen Reaktionen auf ein Verhalten sowie auf das Ausmaß des eigenen Wertes auswirken. Nicht nur die Höhe des Selbstwertgefühls wie im Beispiel von Dutton & Brown (1997) (vgl. 2.3) kann sich auf das Verhalten auswirken, auch die Art und Weise der Informationsverarbeitung der Selbstwahrnehmung ist entscheidend, ob es zu einer Selbstwerterhöhung oder einem Selbstwertschutz kommt (Bierhoff & Frey, 2006). Baumeister, Heatherton und Tice (1993) heben das Ziel des Selbstwertschutzes als fundamentales Element unseres Verhaltens hervor. Im folgenden Abschnitt sind selbstwertdienliche Prozesse dargelegt, die es dem Individuum ermöglichen, den eigenen Wert zu erhöhen oder zu schützen.

Eine bedeutende Strategie, die bewusst oder unbewusst ablaufen kann, ist die selbstwertdienliche Verzerrung (self-serving bias Effekt). Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, der eine selbstwertdienliche Attribution unterstützt (Fenske, Joachims & Zintarra, 2018). Unabhängig von dem aktuellen Selbstwert werden dabei gewünschte Ergebnisse den internen Faktoren zugeschrieben, wie z.B. Anstrengung, wohingegen persönliche Misserfolge, externen Komponenten, wie z.B. unglücklichen Gegebenheiten, zugeschrieben werden (Mezulis, Abramson, Hyde & Hankin, 2004). Dadurch wird das Selbst geschützt. Die selbstwertdienliche Verzerrung findet Unterstützung durch die Methoden „self-handicapping“ und „sandbagging“, welche genutzt werden können, um eine solche Attribution einzuleiten. Nach Deppe & Harackiewicz (1996) kann ein Handicap (self-handicapping) eine schlechte Leistung entschuldigen bzw. die Verantwortlichkeit für ein Resultat abnehmen. Ein Beispiel für ein solches ist das lange wachbleiben vor einer Prüfung, was als Rechtfertigung genutzt werden kann. Eine andere Variation, von jedem Outcome zu profitieren, ist das „Sandbagging“. Diese Strategie kann sowohl Einfluss auf die Selbstwahrnehmung als auch auf die soziale Rückmeldung haben. Dabei prognostiziert ein Individuum ein geringes persönliches Leistungsniveau, z.B. bei einer Klausur, wodurch die eigene und die Erwartungshaltung des sozialen Umfeldes bewusst niedrig gehalten wird (Gibson & Sachau, 2000). So kommt es zu einem Schutz des Selbstwertes und bei einem höheren Ergebnis als erwartet, erfährt der Selbstwert eine Steigerung (Gibson & Sachau, 2000). Die dargelegten Strategien self-serving bias Effekt, self-handicapping und sandbagging verdeutlichen, dass unser Handeln von den Motiven des Schutzes sowie der Aufwertung des individuellen Selbstwertgefühls gesteuert wird.

Im Rahmen eines sozialen Vergleiches ist ein ähnlicher Effekt festgestellt worden. Je nachdem, welches Individuum für einen sozialen Vergleich mit dem Ziel der Selbsterkenntnis herangezogen wird, kann es zu einer Überschätzung von persönlichen Merkmalen kommen. Wir tendieren dazu, unsere eigene Person als etwas Besonderes bzw. Überdurchschnittliches wahrzunehmen. Die Forscher Kruger & Dunning (1999) nennen diesen Umstand den „above average effekt“, bei dem es sich um eine Verzerrung durch eine begrenzte mentale Informationsverarbeitung und das Streben nach einem höheren Selbstwert handelt. Collins (1996) gibt zu bedenken, dass wir Menschen danach streben besser zu sein als andere. Nach ihm stufen 94% der befragten Professoren ihre Leistung als überdurchschnittlich ein, und er stellt fest, dass ein positives Selbstwertgefühl mit der Emotion der Überlegenheit in Verbindung gebracht werden kann. Unsere Schwächen klassifizieren wir im Vergleich zu anderen als irrelevant bzw. als sehr gering, und die individuellen Stärken nehmen wir intensiv und häufig als einmalig wahr (Kruger & Dunning, 1999).

Aufgrund der erläuterten selbstwertdienlichen Prozesse, kann die Selbsteinschätzung gar nicht objektiv sein und die Eigenwahrnehmung fällt in einigen Situationen positiver aus, als es das Umfeld erwartet. Im Zusammenhang mit den selbstwertdienlichen Prozessen könnte noch detaillierter auf die Unterschiede zwischen offensiven- vs. defensiven-, individuellen- vs. kollektiven- oder auch prozess- und erlebnisorientierten Strategien (siehe Kanning, 2000, S.133f) eingegangen werden. Aufgrund der Begrenztheit dieser Arbeit wird in diesem Kontext darauf verzichtet, den Abwehrmechanismus der Verdrängung (Freud, 1936) und soziokulturelle Unterschiede im Bezug auf den Selbstwert detailliert zu betrachten (vgl. Helwig & Ruprecht, 2017). Ein weiterer relevanter Bereich ist das Impression Management (Shepperd, Malone & Sweeny, 2008), auf welches im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird.

2.4 Sozialer Vergleich

Aufkommende Informationen jeglicher Art werden täglich von uns in Beziehung zu der eigenen Person gesetzt, egal ob es bei dieser Information darum geht, wie andere sind, welche Ziele diese erreicht haben, welche Fähigkeiten sie besitzen oder auch nicht (Dunning & Hayes, 1996). Laut Mussweiler (2006) vergleichen wir unser Selbst, ob bewusst oder unbewusst, mit unseren Mitmenschen, was wiederum unser Empfinden, Urteilen sowie Agieren steuert. Daraus ist zu entnehmen, dass der komplexe soziale Vergleichsprozess eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Selbstkonzeptes und Selbstwertes einnimmt und das Wohlbefinden beeinflusst. Der thematische Ursprung geht auf den Sozialpsychologen Leon Festinger (1954) zurück und wurde inzwischen zu der Theorie des sozialen Vergleiches (social comparison theory) weiterentwickelt (Mussweiler, 2003). Für Festinger ist das Ziel eines sozialen Vergleiches, dass Menschen sich selber akkurat einschätzen und damit subjektive Unsicherheiten aus der Welt schaffen können, um ein zutreffendes Selbstbild der eigenen Person zu generieren (Festinger, 1954). Sozialer Vergleich kann definiert werden als: „…process of thinking about information about one or more other people in relation to the self” (Wood, 1996, S. 520). Diese Aussage hebt die Relation zum Selbst hervor. Bierhoff (2006) verdeutlicht dies beispielhaft anhand der Eigenschaft Pünktlichkeit: Ist jemand immer rechtzeitig in der Vorlesung und beobachtet eine andere Person, die sieben Mal pünktlich und einmal unpünktlich ist, dann würde er diese als unpünktlich klassifizieren. Sollte er jedoch selber häufiger zu spät kommen, würde er die andere Person als sehr pünktlich einschätzen (Bierhoff, 2006). Nach Mussweiler (2006) vergleichen wir uns im Hinblick auf unsere Fähigkeiten und Meinungen. Im Folgenden wird kurz auf die beiden Vergleichsvarianten „Meinungen“ und „Fähigkeiten“ eingegangen. Bei dem Vergleich von Meinungen nach Festinger (1954) kann es dazu kommen, dass die sich vergleichende Person (Zielperson) in ihrem Selbstbewusstsein verunsichert wird, wenn die anderen Gruppenmitglieder einer anderen Meinung sind. Ist die Bezugsgruppe für das Individuum sehr relevant, kann es vorkommen, dass die eigene Meinung in Bezug auf den zugrunde gelegten Standard angeglichen wird (Festinger, 1954). Bei dem Vergleich von Fähigkeiten liegt häufig ein Ansporn zur persönlichen Verbesserung vor, den es bei den Meinungen nicht gibt (Festinger, 1954). Viele Fähigkeiten können objektiv und messbar sein bspw. Hochsprung, wohingegen Meinungen subjektiv sind z.B. Sympathie. Festinger (1954) stellt drei Hypothesen eines sozialen Vergleiches auf, die im nachfolgend näher beleuchtet werden (vgl. S. 117ff): Daraus ist zu entnehmen, dass der Wert einer Meinung als subjektiv zu betrachten ist.

1. Es handelt sich um ein inneres Bedürfnis des Menschen seine Fähigkeiten und Meinungen zu bewerten.
2. Sollten keine objektiven Maßstäbe (zum Vergleich) vorhanden sein, dann wird zur Bewertung von persönlichen Ansichten oder Fähigkeiten der Vergleich mit Mitmenschen gesucht.
3. Die Tendenz zu einem Vergleich ist wahrscheinlicher, je ähnlicher sich zwei Personen sind.

Nach seiner ersten Hypothese ist es somit ein Grundbedürfnis des Menschen sich zu vergleichen, um ein reales, sowie präzises Wissen über die eignen Fähigkeiten und Eigenschaften anzueignen. In Japan wurde 2015 die erste „Miss mixed-race Japan“ gekürt, ihre Mutter ist Japanerin und ihr Vater Afro-Amerikaner. Die Gewinnerin Ariana Miyamoto ist mit Kommentaren konfrontiert worden, dass sie „nicht japanisch genug“ sei, was wiederum von anderen dementiert wurde (Choi & Hogg, 2020). Dieses Beispiel zeigt das Grundbedürfnis des Menschen nach einem Vergleich, hier unter dem Standard der ethischen Herkunft und äußeren Erscheinung. Ariana bestätigt durch den Sieg ihre Selbsteinschätzung, dass sie die erforderlichen Eigenschaften besitzt, um die Miss mixed-race Japan zu sein. Einzelne Aspekte, wie unter anderem das äußere Erscheinungsbild oder die berufliche Leistungsfähigkeit, können bei einem sozialen Vergleich im Mittelpunkt stehen und dadurch das Verlangen nach Selbsterkenntnis stillen (Döring, 2013; Festinger 1954). Um eine genaue Rückmeldung zum Selbst zu erhalten, suchen wir laut Festingers zweiter Hypothese, als erstes nach objektiven Standards, die für einen solchen Vergleich geeignet erscheinen, das könnten z.B. das monatliche Einkommen, die Pünktlichkeit oder wie in dem Beispiel die Tatsache, dass eine Person unterschiedliche Nationalitäten hat, sein (Mussweiler, 2006). Wenn keine objektiven Maßstäbe vorliegen oder wir verunsichert sind, weil wir z.B. nicht wissen, welche Spendensumme bei einem Geschenk der Kollegin angemessen ist, kommt es zu einem sozialen Vergleich (Aronson, Wilson & Akert, 2014). Bei der dritten Hypothese handelt es sich um eine Ähnlichkeitshypothese, welche als der zentrale Aspekt von Festingers Theorie zu betrachten ist. Bei dieser kann kein zusätzliches Wissen zur Selbsteinschätzung aus einem Vergleich generiert werden, wenn das Gegenüber wenig Parallelen an Ähnlichkeiten aufweist (Mussweiler, 2006). Wenn jemand durch einen sozialen Vergleich einschätzen möchte, wie gut er singen kann, dann würde er sich nicht mit einer Person vergleichen, die gar keinen beständigen Ton singt (vgl. Mussweiler, 2006). In diesem Prozess wäre die Selbsterkenntnis relativ gering. Festinger stellte fest, dass Vergleiche mit einer Person oder Gruppe, die eine hohe Diskrepanz aufweisen, häufig genau aus diesem Grund vermieden werden (Festinger, 1954). Des Weiteren können für eine akkurate Selbsteinschätzung, neben dem Hauptmerkmal, weitere Faktoren relevant sein, die in der Literatur als „Standards“ betitelt werden. Nach Suls, Gastorf & Lawhon (1978) sind Geschlecht oder Alter häufig herangezogene Standards. Der Kompetenz- bzw. Leistungsunterschied, den ein Kind in der Dimension Singen bei einem Vergleich mit einem wesentlich älteren Sänger feststellt, könnte auf den Altersunterschied zurückgeführt werden und damit möglicherweise keine Rückschlüsse auf die Kompetenz des Selbst in dieser Dimension zulassen (vgl. Mussweiler, 2006).

[...]


1 Zur Aufrechterhaltung eines guten Leseflusses nutzt die Autorin dieser Seminararbeit häufig die maskuline Form. Dies stellt keine Diskriminierung der Geschlechter dar.

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Die Nutzung von Instagram. Der Zusammenhang zwischen Selbstwert, sozialem Vergleich und Fear of missing out
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinnützige GmbH, Hochschulstudienzentrum Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
104
Katalognummer
V1161261
ISBN (eBook)
9783346585035
ISBN (eBook)
9783346585035
ISBN (eBook)
9783346585035
ISBN (Buch)
9783346585042
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
FoMo, social media, Selbstwert, sozialer Vergleich, Masterthesis, Instagram, Facebook, soziale medien
Arbeit zitieren
Lena Vogel (Autor:in), 2021, Die Nutzung von Instagram. Der Zusammenhang zwischen Selbstwert, sozialem Vergleich und Fear of missing out, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1161261

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