Experimentelle Untersuchung zur Wahrnehmung von Gewalt in Computerspielen


Diploma Thesis, 2002

170 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Danksagung

Theoretischer Teil
1 Was überhaupt ist ein Computerspiel
2 Die Faszination der Computerspiele
2.1 Was macht heute ein Computerspiel aus?
2.1.1 Grafik
2.1.2 Sound
2.1.3 Spielinhalte
2.1.4 Spielziele und Regeln
2.1.5 Dynamik
2.1.6 Struktur von Computerspielen
2.2 Gewalt in Spielen
2.2.1 Die Beurteilung von virtueller Gewalt
2.2.2 Jugendschutz in Deutschland
2.3 Fähigkeitsanforderungen an den Spieler
2.4 Einbeziehung und Motivation des Spielers
2.4.1 Der virtuelle Stellvertreter
2.4.2 Sensumotorische Synchronisation
2.4.3 Bedeutungsübertragung
2.4.4 Regelkompetenz
2.4.5 Selbstbezug
2.4.6 Strukturelle Koppelung
2.5 Die Faszinationskraft der Computerspiele – Ein Funktionsmodell
2.5.1 Primäre Motivationsquellen
2.5.2 Primäre Aufforderungsreize
2.5.3 Primäre Spielhandlungen
2.5.4 Sekundärer Aufforderungsreiz
2.5.5 Sekundäre Spielhandlungen
2.5.6 Primärer Spielreiz
2.5.7 Negativ–emotionale Spielreize
2.5.8 Positiv-emotionale Spielfolgen
2.5.9 Sozial-emotionale Spielreize
2.6 Motivation beim Computerspiel – Flow und Frust
2.6.1 Flow-Spirale
2.6.2 Frust-Spirale
3 Wirkungen von Computerspielen
3.1 Empirische Ergebnisse der Wirkungsforschung
3.1.1 Aggressivität
3.1.2 Verringertes empathisches Mitfühlen bzw. verringertes prosoziales Verhalten
3.1.3 Computerspiele und physiologische Veränderungen
3.1.4 Vielspieler
3.1.5 Positive Wirkungen von Computerspielen
3.2 Modelle der Wirkungsforschung
3.3 Monokausale Modelle
3.3.1 Aggressionsvermindernde Wirkung
3.3.1.1 Katharsisthese
3.3.1.2 Inhibitionsthese
3.3.1.3 Aggressionserhöhende Wirkung
3.3.1.4 Erregungsthese
3.3.1.5 Habituationsthese
3.3.1.6 Imitationsthese
3.4 Interaktionsbasierte Modelle
3.4.1 Nutzen-Ansatz (Uses-and-Gratifications-Approach)
3.4.2 General Affective Aggression Model (GAAM)
3.4.2.1 Kurzzeiteffekte
3.4.2.2 Langzeiteffekte
3.4.2.3 Kritik
3.4.3 Das Transfermodell
3.4.3.1 Transfers
3.4.3.2 Grundlagen für den Transfer
3.4.3.3 Abstraktionsebenen von Schemata
3.4.3.3.1 Fact-Ebene
3.4.3.3.2 Skript-Ebene
3.4.3.3.3 Print-Ebene
3.4.3.3.4 Metaphorische Ebene
3.4.3.3.5 Dynamische Ebene
3.4.4 Formen des Transfers
3.4.5 Bedingungen für Transfers
3.4.6 Rahmungskompetenz
4 Gewalt und Blut in Computerspielen – Ziele bei der Darstellung vs. Wahrnehmungen bei den Spielern
4.1 Warum Gewalt in Spielen dargestellt wird
4.1.1 Blut, Gewalt und Indizierung als Verkaufsargument
4.1.2 Die Faszinationskraft der Gewalt
4.1.3 Blut als Information
4.1.4 Blut und Gewalt als Aspekt einer realistischen Darstellung
4.2 Wahrnehmung und Interpretation von virtueller Gewalt
4.2.1 Der „semantische Shift“
4.2.1.1 Von der Primären Motivationsquelle zum Primären Aufforderungsreiz
4.2.1.2 Von der Primären zur Sekundären Spielhandlung
4.2.1.3 Der Primäre Spielreiz, die Flow- und die Frust-Spirale
4.2.1.4 Der „Semantischen Shift“

Methode
1 Hypothesen
1.1 Reproduzierbarkeit der Gewaltdetails
1.2 Stimmungsveränderungen während der Spielphase
1.3 Einschätzung der Gewalt des Spieles
1.4 Persönlichkeitsunterschiede zwischen den Gruppen
2 Spielauswahl
2.1 Primäre Kriterien zur Auswahl des Spieles
2.2 Das Spiel „Unreal Tournament“
3 Unreal Tournament (UT) als Virtuelle Realität (VR)
3.1 Vividness
3.2 Interactivity
3.3 Immersion
3.4 Telepräsenz
4 Bewertung und Charakterisierung von „Unreal Tournament“
4.1 Allgemeine Angaben zum Spiel
4.2 Äußere Merkmale des Spiels
5 Fragebogen
5.1 Entwicklung des Fragebogens
5.1.1 Coverstory
5.1.2 Demographische Daten
5.1.3 Computer-/Hardwarebesitz
5.1.4 Computernutzung/ Spielverhalten/ Spielkenntnis/ Spielgenres
5.1.5 Persönlichkeitsfragebogen
5.1.6 Stimmungsinventar
5.1.7 Allgemeine Fragen zum Spiel
5.1.8 Gewalteinschätzung
5.1.9 Gewaltdetails
5.1.9.1 Kategorien der Codierung von Entschärfungsmaßnahmen
5.1.9.2 Ergebnisse
5.1.9.2.1 Häufigkeit der unterschiedlichen Kategorien
5.1.9.2.2 Veränderung der Darstellung von Blut
5.1.9.2.3 Ausblick
5.1.9.3 Fragebogenitems
6 Versuchsablauf
6.1 Aufbau des Fragebogens
6.2 Ablauf des Experimentes
6.3 Auswertung

Ergebnisse
1 Beschreibung der Stichprobe
1.1 Computerzugang
1.2 Kenntnis der benutzten Hardware
1.3 Nutzung von Anwendungsprogrammen
1.4 Spiel am Computer
1.5 Bekanntheit verschiedener Egoshooter
1.6 Genrevorlieben der Probanden
1.7 Die Persönlichkeit der Spieler
1.8 Stimmungsveränderungen durch das Spiel
1.8.1 Veränderung der Stimmung während der Spielphase
1.8.2 Gruppenunterschiede bezüglich der Stimmungsänderung
1.8.3 Einfluss der Gewaltdarstellung auf die stimmungsändernde Wirkung des Spieles
1.9 Einschätzung des Spieles
1.10 Gewalteinschätzung des Spieles
1.10.1 Einschätzung der Gewalttätigkeit insgesamt
1.10.2 Einschätzung der Gewalttätigkeit der grafischen Darstellung
1.10.3 Einschätzung der Gewalttätigkeit der Geräuschkulisse
1.11 Reproduzierbarkeit der Gewaltdetails
1.11.1 Auswahl der Items
1.11.2 Erinnerung an dargebotene Gewaltdetails

Diskussion
1 Die Stichprobe
2 Spiel und seriöser Umgang mit dem Computer
3 Persönlichkeitsmerkmale der Probandengruppen
4 Wahrnehmung der Gewaltdetails
5 Einschätzung der Gewalt
5.1 Einschätzung der Nicht-Egoshooter-Spieler
5.2 Einschätzung der Egoshooter-Spieler
5.3 Vergleich der Angaben der Probandengruppen
6 Stimmungsveränderungen
6.1 Erregung
6.2 Angenehm-unangenehm
7 Schlussfolgerungen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang
A Geschichte des Computers und des Computerspieles
B Unreal Tournament
1 Spielerischen Qualität
2 Wirkungsbeurteilung und Spielanalyse
3 Pädagogische Einschätzung
4 Erfahrungen mit dem Spiel
C Fragebogen „Ghost“
D Bildschirmbilder zu den Gewaltdetails
E Instruktionen zur Spielphase
F Werbung für den Versuch
G Grafiken zu den Ergebnissen

Einleitung

Ziel dieser Diplomarbeit soll es sein, als Ergebnis einer experimentellen Untersuchung Prozesse bei der Wahrnehmung von Gewalt in Computerspielen genauer zu beschreiben. Besonderes Augenmerk richtet sich hierbei auf Unterschiede zwischen Personen, die intensiv am Computer spielen und solchen, die sich nicht oder kaum mit dem Computerspiel beschäftigen. In der Methodik sollen Unterschiede in den Darstellungen der Gewalt innerhalb eines Spieles berücksichtigt werden. Deshalb werden mögliche Auswirkungen unterschiedlich intensiver Gewaltdarstellungen näher beleuchtet. Es sollen hierzu eine Vielzahl von Variablen erhoben werden, z.B. Erinnerung an spezielle Spielinhalte, Stimmung, Persönlichkeitseigenschaften und Einschätzungen des Spieles. Das geplante Experiment soll eine Spielphase enthalten, um es den Probanden zu ermöglichen, über eine gerade erlebte Spielsituation zu reflektieren.

Die Auswirkungen von Computerspielen sind in den letzten Jahren ein oft diskutiertes Thema. Es gibt jedoch hierzu nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird der bisherige Kenntnisstand der Spielewirkungsforschung aufgearbeitet und ausführlich dargestellt, da dies ein recht junges und der Fachwelt relativ unbekanntes Forschungsgebiet ist Im Kontext dieser Erörterungen soll ein eigenes theoretisches Modell vorgestellt werden. Dieses baut auf das theoretische Konzept zur Faszinationskraft von Bildschirmspielen von Fritz und Misek-Schneider (1995) auf.

Im folgenden methodischen Teil wird die Planung einer empirischen Untersuchung beschrieben, welche eine Überprüfung unserer hypothetischen Annahmen ermöglichen soll. Nach einer Darstellung der Hypothesen wird die Entwicklung eines Fragebogens und die Planung des experimentellen Vorgehens genauer beleuchtet.

Im Ergebnissteil werden die erhobenen Daten vorgestellt und ihre statistische Auswertung beschrieben. In der abschließenden Diskussion sollen die Ergebnisse besprochen und im Kontext mit dem aktuellen Forschungsstand interpretiert werden.

Danksagung

Für die Anregungen und die Unterstützung beim Anfertigen dieser Arbeit möchte ich herzlich danken:

Herrn Prof. Dr. Manfred Bornewasser

Inhaber des Lehrstuhls für Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie derErnst-Moritz-Arndt Universität Greifswald

Herrn Dipl.-Psych. Stephan Buchester

wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Universität Greifswald, Abteilung für Sozialpsychologie/Arbeits- und Organisationspsychologie

Frau Christine Schulz

Mitarbeiterin bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) in Berlin

Frau Dipl. soz. Päd. Heike Esser

Doktorandin an der Universität Bielefeld im Bereich Transferprozesse beim Computerspiel

Frau Ina Sanders

Mitarbeiterin in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin

Frau Ute Kortländer

Mitarbeiterin bei der Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Schriften (BPjS)

Herrn Frank Holz

Marketing Director der Firma „Infogrames Deutschland GmbH“

den Lehrkräften der „Beruflichen Schule Metall- und Elektrotechnik Schwerin“

meiner Familie, die mir immer zur Seite stand, wenn ich Unterstützung brauchte.

Theoretischer Teil

Der vorangestellte Überblick über die Entwicklung des noch jungen und sich schnell verändernden Mediums der Computer- und Videospiele soll die Einordnung der wissenschaftlichen Beiträge erleichtern. Anschließend werden einige Theorien der Spiele-Wirkungsforschung dargestellt.

1 Was überhaupt ist ein Computerspiel

Die Verwendung des Begriffes „Computerspiel“ erfordert einen Konsens über dessen Begriffsinhalt. Dieser wird mit einer Definition erreicht, mit deren Hilfe sich Computerspiele beschreiben lassen.

Der Computer hat das Potenzial, in einem spielerischen Ablauf sowohl einen Spielpartner als auch einen Gegner zu ersetzen, ganz, wie es das Spiel verlangt. Er kann aber auch von mehreren Benutzern verwendet werden, für die er nur als „Plattform“ dient, da die Konkurrenten und/oder Mitspieler menschlich sind.

Was kennzeichnet ein Computerspiel so, dass man es von anderen Computerprogrammen abgrenzen kann?

Es sind die Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die den Spielablauf und somit die Interaktion zwischen dem Rechner und dem Spieler bestimmen. Dittler (1997) formuliert es folgendermaßen:

Die Regeln und Gesetzmäßigkeiten, nach denen der Handlungsablauf eines Spiels erfolgt, sind in Form eines Computerprogramms festgelegt und wahlweise in Modulen oder auf anderen Datenträgem wie CD-ROM, Disketten oder Magnetplatten gespeichert. Die Handlung eines Spieles wird auf einem Bildschirm (Computermonitor, LCD-Anzeige oder Fernseher) dargestellt. Der Spieler kann auf die Handlungen des Spieles mit Hilfe eines Dateneingabegerätes (meist Joystick, Maus oder Tastatur) Einfluss nehmen und somit den Verlauf des Spielgeschehens bestimmen. (S.17)

Aufgrund der schnellen Entwicklung des Untersuchungsgegenstandes ist es wünschenswert, Studien und Arbeiten einem entsprechenden technischen Entwicklungsstand zuordnen zu können. Eine detaillierte Geschichte des Computers und der Computerspiele findet sich im Anhang.

2 Die Faszination der Computerspiele

Computerspiele faszinieren viele Menschen sehr stark. Im Anschluss soll zuerst beschrieben werden, welche Komponenten solch ein Spiel ausmachen. Danach wird ein Modell vorgestellt, das die Abläufe und motivierenden Aspekte des „Eintauchens“ in ein Spiel näher beleuchtet.

2.1 Was macht heute ein Computerspiel aus?

Neben einer sichtbaren Oberflächenstruktur weisen Computerspiele auch „Tiefenstrukturen“ auf, die erst beim Spielen erkennbar werden. Es handelt sich hierbei um die Symbolstruktur, die Regelstruktur und die Dynamik des Spieles.

2.1.1 Grafik

Computerspiele haben sich seit ihrer Entstehung stark verändert. (siehe Anhang A) Die grafischen Darstellungen bestehen heute meist aus bewegten Bildern, welche auf hochauflösenden Monitoren dargestellt werden. Es ist das Ziel der Spieldesigner, in ihren Spielen Bilder zu zeigen, die das Niveau von Zeichentrickfilmen oder Spielfilmen erreichen. Der Spieler kann über seine Eingabegeräte mit dieser virtuellen Umgebung interagieren. Dadurch wird es ihm möglich, Zusammenhänge und Regeln zu erkennen, die innerhalb der „Spielwelt“ Gültigkeit besitzen. In einigen Spielen werden auch Elemente aus klassischen Anwendungsprogrammen verwendet. Es finden sich Menüleisten, Texte, Diagramme, Schaubilder und Ähnliches. Hierdurch sollen die mitunter sehr komplexen Abläufe innerhalb des Spieles transparent gemacht werden. Das bildliche Geschehen auf dem Monitor soll es dem Spieler ermöglichen, Ursachen, Verknüpfungen und Zusammenhänge zu erkennen. (Fritz 1997a)

2.1.2 Sound

Neben den Bildern gewinnt die Geräuschkulisse, auch Sound genannt, zunehmend an Bedeutung. Sie besteht meistens aus einer musikalischen Untermalung, die das Geschehen und die Atmosphäre des Spiels unterstützen bzw. verstärken soll. Die Musik wird zum Teil überlagert und verwoben mit den begleitenden Geräuschen und der Sprache zu den Handlungen auf dem Bildschirm. (Fritz 1997a)

Im Zusammenhang mit den heute immer häufiger eingesetzten dreidimensionalen Darstellungen gewinnt die Präsentation einer entsprechenden dreidimensionalen Soundkulisse an Bedeutung. Der räumliche Eindruck kann dadurch beim Spieler noch verstärkt werden, weil die „akustische Umgebung“ ihn nun vollkommen umschließt. Das Gefühl, sich mitten in der Handlung zu befinden, wird massiv gefördert.

Durch die oben genannten unterschiedlichen Wahrnehmungen des Spielers, seine Spielerfahrung und durch Lernprozesse erreicht der Spieler seine „Computerspiel-Sozialisation“ (Fritz 1997a, S. 82). Hierdurch wird er in die Lage versetzt, alle Spielabläufe angemessen einzuordnen, zu bewerten und gegebenenfalls zu reagieren.

2.1.3 Spielinhalte

Eine der einfachsten Einteilungen von Computerspielen nach inhaltlichen Kriterien beschreibt Fritz (1988a). Er unterscheidet „Köpfchenspiele“ und „Knöpfchenspiele“ (Fritz 1988a, S.82ff). Diese Definition bezieht sich zwar vor allem auf Spiele der damaligen Zeit, ist aber auch heute noch gut für eine erste grobe Zuordnung verwendbar.

Knöpfchenspiele erfordern Geschicklichkeit, Konzentration, Reaktionsschnelligkeit und Ausdauer im Sinne von Vigilanz. Bei Köpfchenspielen steht dagegen strategisches Überlegen und logisches Denkvermögen im Vordergrund. (Fritz 1988a) Die Sprachfähigkeit, die Fritz ebenfalls als eine Anforderung nennt, hat mit den Veränderungen der Spiele, wie Sprachausgabe, Sprachsteuerung oder interaktive Mauszeiger an Bedeutung verloren. Gerade die Textadventures, bei denen man diese Fähigkeit noch voll benötigte, sind mit den verbesserten technischen Möglichkeiten heute vollständig vom Markt verschwunden.

Diese einfache Einteilung war aber bald nicht mehr ausreichend. Die Spiele entwickelten sich zusammen mit der Hardware weiter und es erschienen immer mehr Spiele, die man „Mischgenres“ zuordnen konnte. Aufgrund der immer besseren Möglichkeiten nahm der Stellenwert der Spielgeschichte immer mehr zu. Mertens & Meißner (2002) beschreiben den Beginn dieser revolutionären Entwicklung am Beispiel des Spiels „Donkey Kong“ (1981) von Nintendo folgendermaßen: „Es erzählte eine Geschichte, und zwar nicht mit Hilfe der obligatorischen Hintergrundstory auf der Packung, sondern während man spielte.“ Fritz erstellte daraufhin eine „Landkarte der Bildschirmspiele“ (Fritz 1995). Diese stellt ein Kontinuum dar, in dem ein Spiel positioniert ist. Die Eckpunkte bilden „Geschichte“, „Denken“ und „Action“. Auch die alte Einteilung findet sich in diesem Modell wieder, wenn man die Spiele bipolar zu den Denk- oder Actionspielen zuordnet (siehe Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Landkarte der Computerspiele (Fritz 1995, S.23, Abb.2)

2.1.4 Spielziele und Regeln

Das primäre Ziel des Spielers besteht darin, Erfolg zu haben. Erfolg ist jedoch nur möglich, wenn man innerhalb der virtuellen Welt des Spieles Kontrolle ausübt. Dies ist das gemeinsame Element aller Computerspiele.

Warum ist Kontrolle so wichtig? Fritz (1997b) sieht die Antwort dazu in der Lebenssituation der Spieler. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erleben in ihrem eigenen Leben bei vielen Lebenssituationen einen Kontrollverlust. Die Nutzung von Computerspielen ist eine Art der Auseinandersetzung mit Macht und Kontrolle. Es ist eine Form, Macht auszuüben, wenn es auch nur in einer virtuellen Welt geschieht. In dieser virtuellen Welt haben sie aber die Möglichkeit zu kontrollieren, zu bestimmen, ja sogar allmächtig zu sein. „Im Spiel wird illusionär ein Zustand erreicht, der real nicht existiert: Durch Macht bzw. Allmacht können persönliche Ziele beliebiger Art sofort und ohne Aufschub erreicht werden.“ (Oerter 1997) Fritz sieht die Spiele sogar als eine Art „...„Selbstmedikation“ gegen Misserfolgsängste, mangelnde Lebenszuversicht und das Gefühl, ihr eigenes Leben nicht beherrschen und kontrollieren zu können.“ (Fritz 1997a, S. 82). Dieser Ansatz ähnelt sehr stark der „mood-management-Theorie“ von Zillmann (1988). Diese besagt, dass Rezipienten von Unterhaltung das Ziel haben, ihre Stimmung zu regulieren.

Um das Spiel zu kontrollieren, muss der Spieler aktiv sein, sich gegen seine Kontrahenten durchsetzen und spezifische Aufgaben erfüllen. Dies ist nur zu erreichen, wenn man sich auf das Spiel und seine Regeln einlässt und seine „Aufgaben“ in dem Spiel erfüllt, sich konzentriert und aus Fehlern lernt. Konzentration ist über einen Großteil der Spielzeit notwendig, da immer unklar ist, ob die gerade gewählte Strategie zum Erfolg führt. Aus dieser dauernden Unsicherheit entsteht Spannung im Spiel.

2.1.5 Dynamik

Die Dynamik beschreibt die Struktur der Antriebskräfte des Spieles. Dies ist besonders wichtig, da sich das Computerspiel nicht, wie z.B. ein Spielfilm, ohne den Rezipienten entfalten kann. Es muss vielmehr durch seine Präsentation, seine Spielinhalte und durch seine Regeln den Spieler anregen, sich in der virtuellen Welt aufzuhalten, dort zu verweilen und sich mit ihr spielerisch auseinander zu setzen. (Fritz 1999)

Das „Gameplay“ ist hierbei eine sehr wichtige Komponente. Es beinhaltet Spannungsmomente im Spiel, Abwechslungsreichtum, Handlungsmöglichkeiten, Wechsel im Spielablauf, Spaß im Spiel (z.B. Witzigkeit der Figuren), Schwierigkeitsgrad, (beabsichtigte) Lerneffekte, Zufälle im Spiel und Flexibilität (im Sinne von an/für den Spieler adaptierbar). (Fritz & Fehr 1997b)

Die Psychodynamik und die Soziodynamik haben ebenfalls einen großen Einfluss als Antriebskräfte innerhalb eines Spieles. Es werden hierbei Aspekte der Sozialisation des Spielers mit einbezogen, und zwar einerseits Aspekte der Lebenssituation des Spielers und andererseits grundlegende Schemata gesellschaftlichen Handelns. (genauere Erläuterungen in Kapitel 2.4.5)

2.1.6 Struktur von Computerspielen

Aus der oben genannten Darstellung der Verknüpfung des Spielers mit dem Spiel mit Hilfe verschiedener Funktionskreise hat Fritz (1999) ein Modell zu den Strukturen der Computerspiele und ihren vielfältigen Interaktionen abgeleitet. Unter Verwendung dieser Aspekte lässt sich ein Spiel sehr präzise beschreiben. (siehe Abbildung 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2

Strukturen der Computerspiele (Fritz 1999, S.6-7)

2.2 Gewalt in Spielen

Das Wort „Gewalt“ ist eine Bildung aus dem gemeingermanischen Verb „walten“. Dieses stammt aus dem Indogermanischen und bedeutet ursprünglich „stark sein, beherrschen“. „Aggression“ stammt aus dem lateinischen und lässt sich mit „kriegerischer Angriff“ übersetzen.

Trotz dieser eindeutigen Herkunft gibt es bei einer genaueren Bestimmung, was denn nun „Gewalt“ sei, häufig Probleme.

Im Prinzip kann jeder unter Gewalt verstehen, was er will: Der eine nur offensichtliche Phänomene wie Töten und Schlagen, der andere verbale Phänomene wie Beleidigen, der dritte subtile Phänomene wie Missachtung und Manipulation, der vierte schließlich gesellschaftliche Phänomene wie ungleiche Bildungschancen. Die Konsequenz: man redet aneinander vorbei, da der Begriff Gewalt so vielfältige Phänomene bezeichnen kann, dass ohne weitere Konkretisierung eine gemeinsame Ausgangslage nicht zu erreichen ist. (Theunert 1996, S.43)

Der Begriff „Gewalt“ ist im normalen Sprachgebrauch negativ besetzt. In bestimmten Situationen und Formen wird sie aber geduldet, z.B. Polizeigewalt gegen „Gewaltverbrecher“. Die gesellschaftliche Einschätzung von Gewalt ist jedoch abhängig von der Zeit und der gesellschaftlichen Struktur. Zu Beginn der Neuzeit kam es zu einer gravierenden Veränderung der gesellschaftlichen Organisation der Gewaltausübung. (siehe Rathmayr 1996) Was früher in der realen Welt üblich war, wird nun nur noch in der Phantasie oder in medialen Welten geduldet (z.B. in Bildern und Texten).

Fritz und Fehr verbinden mit der „Gewalt“ neben dem Anspruch auf Herrschaft und Stärke auch die Tendenz, diese zu zeigen, und dabei auf andere Menschen bzw. Gruppen negativ einzuwirken. Dies kann schädigend oder auch „nur“ beeinträchtigend geschehen. Dadurch wird Gewalt definiert als: „...die Ausübung von Macht und Herrschaft mit negativen Wirkungen auf andere Menschen.“ (Fritz & Fehr 1997, S.277)

Da sich Computerspiele in einer virtuellen Welt abspielen, ist es schwierig, den Begriff der Gewalt auf ein Spiel zu übertragen. Insbesondere die Art und Weise einer Schädigung und Beeinträchtigung von Personen lässt sich hier schwer definieren. Es soll daher hier von „virtueller Gewalt“ gesprochen werden. Die Ähnlichkeit der dargestellten Sachverhalte mit Szenen und Sachverhalten des realen Lebens, lässt uns die Szenen eines Computerspieles so „realistisch“ erscheinen. Dies ist aber nur eine Konstruktionsleistung unseres Gehirnes, welches Reizkonstellationen aufgrund von Ähnlichkeiten zu früher Erlebtem interpretiert. Wenn wir also Szenen in einem Spiel sehen, die wir im realen Leben als gewalttätig beschreiben würden, so handelt es sich hier um eine Darstellung von „virtueller Gewalt“ (siehe auch Fritz 1997).

2.2.1 Die Beurteilung von virtueller Gewalt

Fritz und Fehr (1997) beschreiben verschiedene Aspekte zur Beurteilung von Gewalt. Vor allem spannende und fesselnde Computerspiele schaffen durch ein mittleres Erregungsniveau ein gutes Gefühl. Da aufgrund immer wiederkehrender Muster in den Computerspielen die Spannung und damit das Erregungsniveau absinken könnte, wird dieser Tendenz gegengesteuert. Das lässt sich gut durch eine virtuelle Bedrohung erreichen, indem der Spieler gezwungen wird, um seine „virtuelle Existenz“ zu kämpfen. Die Gefahr, dass das Erregungsniveau zu stark ansteigt, ist sehr gering, da diese Bedrohung nur virtuell ist. Welches Ausmaß an virtueller Gewalt als „angenehm“ empfunden wird, hängt stark von der Spielerfahrung des betreffenden Spielers ab. Durch Gewöhnungseffekte oder auch eine veränderte Wahrnehmung reicht eine „einfache Gewaltdarstellung“ bei Vielspielern möglicherweise nicht mehr aus, um ein mittleres Erregungsniveau zu erreichen. In diesem Falle werden die Gewalthandlungen grafisch und/oder spieldynamisch besonders effektvoll präsentiert. (Fritz & Fehr 1997)

Dies zeigt sich deutlich in dem inzwischen weit verbreiteten Genre der Ego-Shooter. Hierbei sieht der Spieler die virtuelle Welt aus dem Blickwinkel der Spielfigur. Dadurch wird die dargestellte Gewalt sehr direkt erlebt.

Die Möglichkeit Macht, Herrschaft und Kontrolle auszuüben, ist besonders für Kinder und Jugendliche sehr reizvoll, da sie dies in ihrer Lebenswelt selten ausleben können. Das Mittel zur Erreichung dieser Ziele ist meist virtuelle Gewalt. Es sind auch andere Möglichkeiten von Kontrolle im Spiel denkbar[1], aber es wird meist die „drastischste“ Form der Ausübung von Herrschaft und Kontrolle umgesetzt.

Im gesellschaftlichen Kontext wird Gewalt sehr widersprüchlich behandelt. Einerseits wird streng auf ein offizielles Gewaltverbot geachtet, andererseits werden Appelle zum Einhalten von Vorschriften, hartes Durchsetzungsvermögen in der „Ellenbogengesellschaft“, rücksichtslose Konkurrenz und eiserne Konsequenz in bestimmten Situationen beinahe zu „Tugenden“ hochstilisiert.

Sie [die virtuelle Gewalt] schafft „gute Gefühle“ und beeinträchtigt zugleich die Potentiale, die sich zum Abbau dieser Widersprüche [gesellschaftliche Widersprüche im Umgang mit realer Gewalt] entwickeln könnten. Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden durch die virtuelle Gewalt nicht gewalttätiger als sie es bereits waren, sondern sie werden daran gehindert, Fähigkeiten im Umgang mit ihren aggressiven Impulsen zu erlernen und sozial angemessene Formen in Bezug auf individuelle und gesellschaftliche Gewalt zu entwickeln. Denn: Die virtuelle Gewalt ist allenfalls die Kehrseite, nicht jedoch das Modell für den sozialen Umgang mit Gewalt, und sie erlangt ihre Faszinationskraft gerade aus diesem Umstand. (Fritz & Fehr 1997, S.283)

Gewalt in der Realität ist hingegen absolut unerträglich. Sie muss, dem Geschmack des Publikums entsprechend, verändert werden. Die Gewaltdarstellung wird dazu in eine „akzeptable Warenform“ (Fritz & Fehr 1997, S.283) gebracht, in der sie für das entsprechende Publikum möglichst nichts Anrüchiges mehr haben sollte. Ziel ist: „Total immersion without total involvement.” (Fritz & Fehr 1997, S.283) Es soll eine sehr hohe Erlebnisdichte erreicht werden, ohne mit problematischen Aspekten des eigenen Handelns oder der realen Welt zu intensiv in Berührung zu kommen. Dadurch werden die virtuellen Gewaltdarstellungen folgenlos, was zur Verringerung der Empathie führen könnte. Empathisches Mitfühlen wird von Computerspielen meist weder unterstützt noch gewünscht. Es wäre oft sogar störend: „Erst kommt das „Überleben“ und dann die „Moral“. (Fritz & Fehr 1997, S.284)

2.2.2 Jugendschutz in Deutschland

Die oben genannten Überlegungen machen deutlich, dass Kinder und Jugendliche vor medialen Gewaltdarstellungen geschützt werden müssen. Im Bereich der Computerspiele ist dafür die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) zuständig. Sie wird auf Antrag der Jugendämter tätig, prüft z.B. die Computerspiele und sorgt gegebenenfalls mit einer „Indizierung“ für eine „Nicht-Zugänglichkeit“ für Jugendliche. Nach einer Indizierung darf das Spiel nicht mehr beworben oder an für Minderjährige zugänglichen Orten ausgestellt werden. Weiterhin ist ein Verkauf an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht gestattet. Dies ist vom Verkäufer anhand eines amtlichen Altersnachweises zu überprüfen. Es steht ebenfalls unter Strafe, Minderjährigen jugendgefährdende Schriften zugänglich zu machen. (Monssen-Engberding 1999)

Für Hersteller von Computerspielen sind solche staatlichen Maßnahmen mit finanziellen Verlusten verbunden. Um dies zu verhindern, werden die Spiele so modifiziert, dass Gewalt

in weniger drastischer Form dargestellt wird. Da werden Menschen zu Robotern oder Außerirdischen, rotes Blut wird „umgefärbt“ oder komplett entfernt. (z.B. Voregger 2000, Fehr & Fritz 1993b) Die Phantasie der Hersteller kennt hierbei keine Grenzen.

Der Aspekt, dass das Ausblenden der negativen Auswirkungen der virtuellen Gewalt (wie z.B. spritzendes Blut oder schreiende Opfer) eine „Gewaltverharmlosung“[2] darstellt, wird heute in der Literatur kaum noch diskutiert, obwohl auch hierbei die evtl. schädlichen Folgen in ihren Ausmaßen bislang nicht abschätzbar sind. Besonders nach den Befunden zur Herabsetzung des empathischen Mitfühlens (z.B. Steckel 1998) sollte diesem Aspekt mehr Beachtung geschenkt werden.[M1]

Wenn eine Gesellschaft in beinahe allen ihren Medien über die Zunahme von Gewalt im täglichen Umgang ihrer Individuen miteinander klagt, Sorge vor negativen Auswirkungen von Gewaltdarstellung äußert und den Verlust empathischen Mitfühlens befürchtet, muss sie nach Ursachen für diese beobachteten Phänomene suchen. Gewalt in bildlichen Darstellungen, Berichten, Kino, Fernsehen, Video- und Computerspielen werden unter anderem angeschuldigt, dazu beizutragen. Dieses Thema ist von gesellschaftlicher Relevanz, doch die Wissenschaft kann bisher keine schlüssigen Antworten geben. Daher ist es notwendig, die Grundlagenforschung voranzutreiben, insbesondere über die Interaktionen zwischen Spieler und Spiel.[M2]

2.3 Fähigkeitsanforderungen an den Spieler

Welche Fähigkeiten und Anstrengungen der Spieler im Spiel erbringen muss, ist stark vom gewählten Spiel abhängig. In Action-Spielen sind vor allem schnelle Reflexe gefordert. Diese lassen sich nur umsetzen, wenn der Spieler über eine gute Hand-Auge-Koordination verfügt. Dies bedeutet, dass auf visuelle Reize des Bildes schnell durch eine entsprechende Bedienung des Steuerungsgerätes, z.B. Maus oder Tastatur, mechanisch reagiert wird. Dadurch ist es dem Spieler möglich, seine Spielfigur erfolgreich in der virtuellen Welt zu steuern. Um sich in dieser Welt zurechtzufinden, spielen auch Gedächtnisleistungen und räumliches Orientierungsvermögen eine Rolle. In Adventure-Spielen wird eher die Fähigkeit des Lösens von Rätseln beansprucht. Es müssen immer neue Handlungssequenzen erdacht und getestet werden. Das erfordert vonseiten des Spielers oft erhebliche Geduld.

In Strategie-Spielen muss sich der Spieler in ein meist komplexes Regelsystem einarbeiten. Dadurch stehen Denk- und Problemlöseprozesse im Vordergrund. In (meist militärischen) Simulations-Spielen muss sich der Spieler mit den technischen Gegebenheiten der simulierten Technologie auseinandersetzen. Nur so kann er die entsprechenden Aufträge erfüllen und effizient in der virtuellen Realität agieren.

Dies sind einige der Fähigkeiten, die dem Spieler durch das Spiel abverlangt werden. Sollte der Spieler sie nicht schon im Rahmen seiner „Medien-Sozialisation“ erworben haben, muss er sie innerhalb des Spieles erlernen.

Um in Spielen handeln zu können, stehen verschiedene Steuerungsgeräte bereit. Die Tastatur stellt das einfachste Steuergerät dar, da sie zur „Standard-Ausrüstung“ aller Computer gehört. Bei einer Tastatursteuerung sind bestimmten Tasten der Tastatur bestimmte Funktionen in der virtuellen Welt zugeordnet. Auch mit der Computer-Maus lassen sich viele Spiele steuern, indem man sie als „elekronische Hand“ verwendet oder bestimmte „sensible Felder“ „anklickt“. Es gibt eine Vielzahl weiterer Steuergeräte, wie Joystick, Lenkräder oder Trackballs. Der Spieler muss die von ihm verwendeten Geräte beherrschen, um mit ihnen Kontrolle auszuüben.

2.4 Einbeziehung und Motivation des Spielers

Wie oben dargestellt, hat der Spieler vielfältige Möglichkeiten, in das Spielgeschehen einzugreifen. Diese Möglichkeiten sind jedoch von Spiel zu Spiel unterschiedlich. Im Folgenden soll ein Modell vorgestellt werden, indem beschrieben wird, welche Aspekte bei der Auswahl eines Computerspiels zum Tragen kommen. Es wird erläutert, an welchen Punkten bestimmte Eigenschaften des Spielers auf bestimmte Eigenschaften des Spieles treffen müssen, damit es letztendlich zur „Strukturellen Koppelung“ kommt.

2.4.1 Der virtuelle Stellvertreter

In den meisten Computerspielen beeinflusst man mit Hilfe einer „Spielfigur“ das spielerische Geschehen. Diese Spielfigur kann sehr unterschiedlich aussehen. Sie kann als Mensch oder menschenähnliches Wesen, Tier oder Maschine, wie z.B. verschiedenste Fahrzeuge, dargestellt werden. Die eingesetzten Figuren werden über verschiedene Eingabegeräte gesteuert. Meist finden Tastatur, Maus und Joystick Verwendung, es gibt für spezielle Spiele aber auch besondere Steuergeräte wie Lenkräder oder Fußpedale. Über diese Steuergeräte kann der Spieler Kontrolle über die Spielfigur ausüben. Die Figur wird dann zum „elektronischen Stellvertreter“ (Fritz 1995, S.28) innerhalb der genutzten Spielwelt. Fritz (1995) beschreibt verschiedene, miteinander eng verbundene Funktionskreise, die es dem Spieler ermöglichen, eine so enge Verbindung zu dem virtuellen Stellvertreter herzustellen, wie sie innerhalb von so genannten „Flow-Phasen“ auftreten. Es handelt sich dabei um die „sensumotorische [sic] Synchronisation“, die „Bedeutungsübertragung“, die „Regelkompetenz“ und den „Selbstbezug“.

2.4.2 Sensumotorische Synchronisation

Die sensumotorische Synchronisation wird auch als „pragmatischer Funktionskreis“ bezeichnet.

Der Spieler steht in diesem Funktionskreis vor der Aufgabe, eigene Bewegungsmuster und Wahrnehmungsformen auf die programmgesteuerten Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten der Figur abzustimmen. Dazu muß er erreichen, daß seine Körperbewegungen (mit Joystick und Maus [oder anderen Steuergeräten] {Anmerkung des Verfassers}) zu angemessenen Bewegungen der Spielfigur werden. (Fritz 1995, S.29)

Der Spieler muss die präsentierten visuellen (und evtl. auch auditiven) Reize angemessen und zielorientiert wahrnehmen, da die Abläufe auf dem Monitor - einschließlich des zugeordneten Sounds - meist als direkte Rückmeldung dienen. Der virtuelle Stellvertreter wird zu einer Art Marionette, die über die Bewegungen des Spielers am Steuergerät gelenkt wird. Wird dies über einen längeren Zeitraum geübt, automatisieren sich diese Bewegungen, ähnlich wie beim Fahrradfahren. Es ist dem Spieler dann möglich, sich den Bildern des Monitors entsprechend zu bewegen und so situationskonform die Spielfigur zu steuern.

Bei ungeübten Spielern kann es zu „mimetischen Reaktionen“ (Fritz 1995, S.29) kommen. Dabei versucht ein Spieler beispielsweise durch Ducken des eigenen Körpers, ein Anstoßen der Spielfigur an tiefhängende (virtuelle) Deckenbalken zu vermeiden. Mit steigender Spielerfahrung lässt dieses Phänomen wieder nach. Die „überzogene“ Synchronisation des ganzen Körpers wird wieder vermindert.

Der pragmatische Funktionskreis zeigt Parallelen zum sensumotorischen Spiel (früher auch „Funktionsspiel“). (Oerter 1995) Hier entsteht das positive Gefühl dadurch, dass der virtuelle Stellvertreter so sicher beherrscht wird, dass er beinahe als Teil des eigenen Körpers empfunden wird.

Es gibt aber auch Spiele, in denen kein virtueller Stellvertreter gesteuert werden muss, z.B in Strategiespielen. Für sie muss der pragmatische Funktionskreis angepasst werden. Es geht weniger um das Führen einer Art Marionette als um das Gefühl der Teilnahme an der Spielwelt. Fritz (1995) beschreibt das sehr treffend: „...ich „bin“ ein Teil der „Welt am Draht“, weil wesentliche Elemente dieser Welt Teile von mir werden, auf die ich unmittelbar und mittelbar Einfluss habe...“ (S.30)

2.4.3 Bedeutungsübertragung

In diesem „semantischen Funktionskreis“ (Fritz 1995, S.30) werden die dargestellten Bilder gedeutet, interpretiert und bewertet. Dies geschieht auf Basis der Sozialisation des Spielers. Dadurch wird die Einstellung eines Spielers zu einem bestimmten Spiel individuell sehr unterschiedlich ausfallen. Dieser Funktionskreis beginnt schon vor dem eigentlichen Erproben des Spieles. Bereits der Vorspann oder Bilder auf der Verpackung können ihn anschieben.

Das von Fritz beschriebene „Deuten“ von Spielelementen hat heute stark an Bedeutung verloren. Durch die Tendenz der Spieldesigner, immer realistischere Darstellungen zu erreichen und durch die hohe Grafikqualität ist heute in fast allen Spielen gut und eindeutig zu erkennen, worum es sich bei der Darstellung auf dem Bildschirm handelt. Der Vergleich mit dem Symbolspiel ist daher auch nicht mehr bei allen Spielen haltbar. In einigen Genres, so z.B. bei Autorennspielen, ist man schon sehr nah an der „Fotorealität“. In Onlinespielen finden komplexe Interaktionen mit anderen (menschlichen) Spielern statt. Es treten dadurch deutliche Parallelen zum Rollenspiel auf.

In diesem Funktionskreis entfalten sehr viele Sozialisationsagenden ihre Wirkung. Fritz, Esser, Witting & Ibrahim (2002) fanden in ihrer Untersuchung Bezüge zur Spielwelt, zur medialen Welt und zur realen Welt. Weiterhin äußerten die Probanden, dass spezifische Elemente des Spieles sowohl positive als auch negative gefühlsmäßige Reaktionen bewirkt hätten.

2.4.4 Regelkompetenz

Innerhalb eines Computerspieles ist der Spieler nicht völlig frei in seinen Entscheidungen. Die dargestellten Objekte stehen in Beziehungen zueinander, welche sich mit Regeln beschreiben lassen. Wenn man mit seinem elektronischen Stellvertreter handelt, werden diese Regeln sichtbar. Bestimmte Regeln erfordern ein bestimmtes Verhalten des Spielers/elektronischen Stellvertreters. Mit steigender Spielerfahrung wird dies zunehmend bewusst. Durch das schrittweise Erlernen neuer Regeln baut sich Spannung auf, da der Spieler nie ganz sicher sein kann, schon alle Regeln zu kennen und die nächste Situation mit den bereits bekannten Regeln zu bewältigen. Als Folge dessen steigt die Anspannung des Spielers. Diese Art des Erlernens von Regelkompetenz mit seinen Folgen (Spannungsaufbau, Steigerung der Leistungsanforderung) nennt Fritz (1995) den „syntaktischen Funktionskreis“ (S.31). Die Leistungsanforderungen und der Grad ihrer Bewältigung sowie die Spannung lösen beim Spieler verschiedene emotionale Reaktionen wie Freude, Stolz, Enttäuschung, Frustration, Überraschung oder Ärger aus.

Fritz (1995) beschreibt weiterhin die Art der zunehmenden Komplexität des syntaktischen Funktionskreises. Er nennt neun Stufen (S.32 f):

1) Aus den Mustern wahrgenommener Reize (visuell und auditiv) ergeben sich unspezifische Sinneseindrücke.
2) Aus diesen Sinneseindrücken konstruiert der Spieler Spielobjekte. Anmerkung des Verf.: Diese Konstruktion ist bei den meisten Spielen nicht mehr nennenswert, da durch die hohe Grafikqualität die meisten Objekte sehr gut erkennbar sind.
3) Den Objekten werden verschiedene Eigenschaften aufgrund ihrer relativen Veränderung im Rahmen des Spielablaufes zugewiesen. (z.B. nützlich)
4) Aus den relativen Veränderungen ergeben sich Ereignisse und Geschehensabläufe.
5) Danach lernt der Spieler, Beziehungen zwischen den Spielobjekten und den Spielereignissen herzustellen. Der Spieler kann dann bestimmte Ereignisse antizipieren.
6) Aufgrund der Fähigkeit, Ereignisse zu antizipieren, kann der Spieler beginnen, sich bestimmte (Spiel-)Strategien zu überlegen und zu testen.
7) Als Nächstes wird die Komplexität der möglichen Verhaltensweisen durch die sinnvolle Verknüpfung und das Kombinieren verschiedener Strategien erhöht.
8) Durch eine hohe Spielerfahrung kann der Spieler diese Strategien ganz spezifischen Situationen zuordnen. Dadurch entwickeln sich „Situationsklassen (Prinzipien)“ (Fritz 1995, S.32), die den Spieler dazu befähigen, verschiedene Spielsituationen zu meistern.
9) Diese Prinzipien lassen sich letztendlich auf das gesamte Spielgenre übertragen, so dass der Einstieg in ein neues/anderes Spiel des gleichen Genres weit weniger schwer fällt und der Spieler schneller Erfolg hat.

Innerhalb des syntaktischen Regelkreises ist es immer nur möglich, auf die nächsthöhere Stufe aufzusteigen. Während des Spieles lernt der Spieler mehr Regeln und die Zusammenhänge genauer kennen, sodass er irgendwann die nächsthöhere Stufe erreicht. Die einzelnen Ebenen unterscheiden sich hierbei im Umfang ihrer Vernetzung untereinander.

Dieser Funktionskreis zeigt starke Parallelen zum Regelspiel. Durch den elektronischen Stellvertreter kann der Spieler erfolgreich sein, wenn er sich auf das Regelsystem einlässt, das ihm vom Spiel vorgegeben wird, und er lernt, es zu verstehen. Nur dadurch kann er die Vorgänge in der virtuellen Welt kontrollieren.

2.4.5 Selbstbezug

Die Abläufe im pragmatischen, im semantischen und im syntaktischen Funktionskreis sind die Vorraussetzung, dass der Spieler überhaupt am Spiel teilnehmen kann. Welche Anstrengungen und Energien er investiert, beschreibt der „dynamische Funktionskreis“ (Fritz 1995, S.33). Die Art und Weise und die Intensität, mit der der Spieler Thematiken, Szenen und Angebote des Spieles mit kulturellen Hintergründen, Rollen und Lebensthematiken in Beziehung setzt, bestimmt sehr stark seine Motivation. Die volle Motivationskraft kann ein Spiel erst dann haben, wenn der Spieler Aspekte erkennt, die für sein eigenes Leben wichtig sind. „Damit wird das Bildschirmspiel zu einer „Metapher“ des eigenen Lebens.“ (Fritz 1995, S. 34)

Computerspiele lassen sich auf einfache „Grundmuster“ zurückführen (nach Fritz 1995):

a) Kampf
b) Erledigung
c) Bereicherung und Verstärkung (persönliche Ausdehnung)
d) Verbreitung (räumliche Ausdehnung)
e) Ziellauf
f) Prüfung und Bewährung
g) Ordnung

Diese einfachen Muster geben den Spielen ihr Erscheinungsbild und schaffen Anknüpfungspunkte für den Spieler. Es wird auf kulturell geprägte gesellschaftliche Verhaltensmuster verwiesen, z.B. Auseinandersetzungen führen, mit anderen Menschen Konflikte austragen (Kampf) oder als Erster ans Ziel gelangen/eine Aufgabe erfüllen (Ziellauf).

Fritz (1995) nennt eine gemeinsame Ausrichtung der Grundmuster aller Computerspiele (Bildschirmspiele) in einem Kampf um das „Bleiberecht“ (S.34) im Spiel. Der Spieler muss sich konzentrieren, um nicht die Kontrolle über das Spiel zu verlieren. „Das Drama auf dem Bildschirm wird (meist unbewußt) als Metapher für das reale Leben verstanden. Aus diesem Grund können sich die Spieler zu dem Spiel in Beziehung setzen, es mit Leben füllen: ihrem Leben.“ (Fritz 1995, S.35) Der Spieler findet dadurch sowohl persönliche Wünsche wie Macht, Kontrolle, Reichtum oder Kraft als auch gesellschaftliche und kulturelle Wertvorstellungen in dem von ihm gewählten Spiel wieder.

2.4.6 Strukturelle Koppelung

Neben der Spannung, die Computerspiele bieten, gibt es noch einen anderen wichtigen Ansatz zur Erklärung der Faszinationskraft von Computerspielen. Hierbei fließen Merkmale des Spielers mit ein, die dieser durch die Auswahl der von ihm bevorzugten Spiele ausdrückt. „Die Spieler finden sich in den Spielen wieder, die sie bevorzugt wählen. Elemente dieser Spiele berühren Lebensinteressen, Hobbys, konkrete Lebenssituationen und persönliche Eigenschaften der Spieler.“ (Fritz & Fehr 1997a, S.67) Es werden die „parallele Koppelung“ (ebd., S.67), bei der an wichtige Lebenskontexte angeknüpft wird, und die „kompensatorische Koppelung“ (ebd., S.67), bei der in der realen Welt nicht umsetzbare aber gewünschte Tätigkeiten virtuell ermöglicht werden, unterschieden.

Mit der „Strukturellen Koppelung“ nach Fritz wird eine Gleichzeitigkeit von Angeboten des Spieles und Wünschen und Interessen des Spielers postuliert. Es sollen zwar keine kausalen Zusammenhänge beschrieben werden, jedoch werden diese nicht ausgeschlossen.

In einer Untersuchung an Kölner Schulen konnten von Fritz und Misek-Schneider (1995) wesentliche Verbindungen zwischen Spieler und Spiel aufgezeigt werden. Hiernach scheint „Kontrolle“ an sich das Hauptmotiv für die meisten Kinder und Jugendlichen zu sein (ebd. S.119) während bei Erwachsenen der Erfolg ein entscheidendes Kriterium beim Spielen zu sein scheint, wie Hoffmann & Wagner (1995) aufzeigen konnten.

Strukturelle Koppelungen zeigen sich in unterschiedlichen Bereichen. Assoziationen zwischen dem Spiel und der realen Welt stellen sich zuerst ein. Diese beinhalten aber nicht nur die Erinnerung selbst, sondern oftmals auch mit ihr verbundene Gefühle, Vorlieben, Abneigungen et cetera. In Vorlieben, Interessen und Abneigungen zeigt sich eine emotionale Bewertung bestimmter Sachverhalte. Dies wirkt sich auch auf die Einschätzung von Computerspielen aus. Als weitere Einflussfaktoren gelten Persönlichkeitsmerkmale, konkrete aktuelle Bezüge zum Leben des Spielers (z.B. Hobbys oder Freizeitaktivitäten) und Merkmale der Lebenssituation. (Fritz & Fehr 1997a) Aggressive Kontexte werden ebenfalls angeführt. So beobachteten Fritz und Misek-Schneider (1995) eine häufige Auswahl von Spielen mit aggressivem Hintergrund durch Kinder und Jugendliche, bei denen es Gewalterfahrungen in Schule und Wohnumfeld gab.

Der Spieler hat die Möglichkeit, Einfluss auf die geforderten Fähigkeiten zu nehmen. Er wählt vor allem Spiele, die seinen Interessen und Fähigkeiten entsprechen. Mit dem Ausspruch „Computerspieler wählen lebenstypisch“ beschrieben Fritz und Fehr (1997a, S.67) das Phänomen sehr treffend. In der später folgenden „Wirkungsdiskussion“ wird dieser Gedanke erneut aufgegriffen.

Es ergeben sich komplexe Zusammenhänge zwischen den Erwartungen des Spielers und den verschiedenen Angeboten des Spieles, welche in Abbildung 3, S. 25 grafisch dargestellt sind.

Zahlreiche Beispiele und Interviewausschnitte für strukturelle Koppelungen stellen Fritz und Misek-Schneider (1995), Hoffmann und Wagner (1995) und Fritz, Witting, Esser und Ibrahim (2002) dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3

Strukturelle Koppelung bei Computerspielen (aus Fritz 1999, S. 6-7)

2.5 Die Faszinationskraft der Computerspiele – Ein Funktionsmodell

Auf Basis des „mood-management-Ansatzes“ stellen Fritz und Misek-Schneider (1995) ein Modell funktionaler Abläufe vor, das von negativen Gefühlszuständen, wie Frust und Langeweile, zu positiven Gefühlen bis hin zum „Flow-Erleben“ (Csikszentmihalyi & Csikszentmihalyi 1995) führen kann. (siehe Abbildung 4, S. 29)

2.5.1 Primäre Motivationsquellen

Dieser Ausdruck bezeichnet das WARUM?, den Ausgangspunkt, den „Spielanlass“ des Spielens. Nach Angaben der befragten Kinder und Jugendlichen stehen Langeweile, Ablenkung und Wutabbau hierbei im Vordergrund. (Fritz & Misek-Schneider 1995, S. 120) Erwachsene nennen ebenfalls vor allem Langeweile, aber auch Stimmungen oder den Wunsch nach „Erlebnissen“. (Hoffmann & Wagner 1995, S.149) Die Spielanlässe unterschieden sich kaum zwischen den Altersgruppen.

2.5.2 Primäre Aufforderungsreize

Besteht eine ausreichend hohe Motivation, wird zu den verfügbaren Computerspielen gegriffen. Welche jedoch ausgewählt werden, hängt stark von den primären Aufforderungsreizen des Spieles ab. Insbesondere attraktive Spieltätigkeiten sind bei der Auswahl wichtig. Bei Kindern sind dies „klettern, hüpfen, sammeln, Feinde besiegen“ (Fritz & Misek-Schneider 1995, S. 120), bei Erwachsenen überwiegt der Wunsch nach Realismus (65% der Befragten), der Wunsch in eine Spielgeschichte einzutauchen (40%) und strategische Elemente und Denkaufgaben zu bewältigen (25%). (Hoffmann & Wagner 1995, S.150) Die ästhetischen Elemente Grafik, Sound und Animationen stehen bei Kindern weniger als bei erwachsenen Spielern im Vordergrund. Motive, Themen und Inhalte, die auch den Medien entstammen können, erhöhen den Aufforderungsreiz noch weiter, den das Spiel ausübt.

Eine neue Studie von Fritz, Witting, Esser und Ibrahim (2002) zeigt, dass Realismus bei einigen Spielen gewünscht und bei anderen abgelehnt wird. Ein geringerer Realismus kann dazu führen, dass der Spieler seinen Aggressionen eher freien Lauf lassen kann. (S.376)

2.5.3 Primäre Spielhandlungen

Ist der Aufforderungsreiz hoch genug, kommt es zu einer primären Spielhandlung. Hierbei wird geprüft, ob das Spiel die Erwartungen des Spielers erfüllt. Dies geschieht, bevor sich der Spieler in das Spiel „einarbeitet“ als Test, ob das Spiel mehr als die primären Aufforderungsreize bietet. (Fritz & Misek-Schneider 1995)

2.5.4 Sekundärer Aufforderungsreiz

Vom Spielbeginn an wird der Spieler mit einem sekundären Aufforderungsreiz konfrontiert. Dieser zeigt sich darin, ob der Spieler die Spielfigur lenken kann, ob er das Spiel versteht und ob er innerhalb des Spieles vorankommt. Hierbei kommt dem Selbsterklärungsvermögen[D3] des Spieles ein großes Gewicht zu. Dieses sollte es ermöglichen, ohne das zum Spiel gehörende Handbuch, das Spiel zu meistern. Wenn das Handbuch dennoch benötigt wird, sollte dieses eindeutig, hilfreich und anschaulich sein. (Fritz & Misek-Schneider 1995) Hierbei spielt die bisher erreichte Computerspiel-Sozialisation des Spielers eine wichtige Rolle. Durch die Kenntnis ähnlicher Spiele oder der im Spiel behandelten Thematiken, wird es zunehmend leichter, sich neue Spiele zu erschließen. (Esser, Ibrahim & Witting 2002)

Die Spieldesigner gehen auf diesen Wunsch nach einer hohen Selbsterklärung immer häufiger ein. In speziellen Spielabschnitten, so genannten „Tutorials“, werden dem Spieler die wichtigsten Funktionen vorgestellt.

2.5.5 Sekundäre Spielhandlungen

Liegt der sekundäre Aufforderungsreiz hoch genug, ist also der Spieler in der Lage, das Spiel zu verstehen und zu lenken und hat sich die primäre Motivation nicht schon zu stark verringert, beginnt der Spieler konzentriert zu spielen. Er strengt sich dabei an, erträgt Stress, entwickelt eine Misserfolgsresistenz und eine Frustrationstoleranz. (Fritz & Misek-Schneider 1995)

2.5.6 Primärer Spielreiz

Durch die Aufforderungsreize und die Spielhandlung rückt das Ziel all der Handlungen in den Vordergrund. Es ist der Wunsch nach Erfolg und Spielkontrolle. Aus den sekundären Spielhandlungen im Zusammenhang mit den Motivstrukturen des Spielers entwickelt sich der primäre Spielreiz. Dieser beinhaltet Spielerfolg und das Gefühl von Kompetenz. Da dazu allerdings Kontrolle des Spieles notwendig ist, baut sich eine Dynamik aus dem Bestreben auf, die Spielhandlung unter Kontrolle zu bringen bzw. unter Kontrolle zu halten. (Fritz & Misek-Schneider 1995)

2.5.7 Negativ–emotionale Spielreize

Wenn der Spieler es nicht schafft, das Spiel zu kontrollieren, kommt es zu negativ-emotionalen Spielreizen. Diese führen zu einem Disstress, der zu Gefühlen des Versagens, der Frustration, zu Wut und zu aggressiven Impulsen führen kann. Es gibt zwei Verhaltensweisen, die der Spieler in dieser Situation zeigen kann: a) Er bricht das Spiel ab oder b) er erhöht seine Bereitschaft zu sekundären Spielhandlungen. Es wäre möglich, dass dadurch Frustrationstoleranz aufgebaut werden kann. (Fritz & Misek-Schneider 1995) Hierzu fehlen jedoch noch empirische Daten.

2.5.8 Positiv-emotionale Spielfolgen

Gelingt es dem Spieler, die Spielhandlung unter seine Kontrolle zu bringen, kommt es zu Erfolgsgefühlen, Spaß und dem Erlebnis von Kompetenz als positiv-emotionale Spielfolgen. Steigt der primäre Spielreiz weiter an, führt das zu einer Intensivierung der sekundären Spielhandlung. Es kann dadurch zu einem Flow-Erleben kommen. (Csikszentmihalyi & Csikszentmihalyi 1995) Die Spieler gehen dabei voll in der Spieltätigkeit auf, haben Schwierigkeiten das Spiel zu beenden und vergessen die Zeit. Eine Ausnahme bildet der Fall, dass das Spiel keine Herausforderung mehr darstellt. Dann kommt es bald zum Spielabbruch, da der primäre Spielreiz sehr schnell nachlässt. (Fritz & Misek-Schneider 1995)

2.5.9 Sozial-emotionale Spielreize

Für viele Spieler haben sozial-emotionale Spielreize eine hohe Bedeutung. In Gesellschaft anderer zu spielen bzw. mit anderen zu spielen, Spaß zu haben, lachen zu können, Gefühle zu spüren und diese auch zeigen zu dürfen, gehört für viele (besonders jüngere) Spieler zum Spielerleben. Die sozial-emotionalen Spielreize ordnen sich dem primären Spielreiz unter, denn auch die spielende Gruppe wünscht sich Spielerfolg. Es können dadurch dem Spielerlebnis Aspekte hinzugefügt werden, die das Spiel selbst nicht beinhaltet. (Fritz & Misek-Schneider 1995)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4

Funktionsabläufe bei der Faszinationskraft von Bildschirmspielen, modifiziert nach Fritz und Misek- Schneider (1995, S.119, Abb. 2)

2.6 Motivation beim Computerspiel – Flow und Frust

In Abbildung 4 (S. 29) sind alle Funktionsabläufe dargestellt. Hat der Spieler erst einmal mit dem Spiel richtig begonnen, gerät er über die positiv- oder negativ-emotionalen Spielfolgen in einen der beiden Funktionskreisläufe - entweder in die „Flow-Spirale“ oder in die sogenannte „Frustrations-Spirale“. (Fritz & Misek-Schneider 1995, S.121)

2.6.1 Flow-Spirale

Kennzeichnend für die Flow-Spirale ist, dass es beim Spieler zu einer Art Rückkopplung kommt. Durch den Erfolg erhöht sich der primäre Spielreiz, der zu einer Verstärkung der sekundären Spielhandlung führt und dann oftmals noch weitere Erfolgserlebnisse zur Folge hat. Wichtig ist, dass ein gewisser Schwierigkeitsgrad nicht unterschritten wird, da der Spieler dann seine Erfolge wegen der geringeren Anstrengung, die zum Erreichen nötig war, weniger positiv bewertet. Es stellt sich dann schnell Langeweile ein, welche dann zum Spielabbruch führt. Steigt jedoch der Schwierigkeitsgrad an und bleibt das Spiel durch erhöhte Anstrengung und Konzentration trotzdem beherrschbar, so stellt sich ein sogenanntes „Flow-Erleben“ ein. (Fritz & Misek-Schneider 1995) Dieses ist durch charakteristische Merkmale gekennzeichnet. Der Spieler verliert sich hierbei völlig in dem Spiel. Es kommt zu einer Verschmelzung der Spielhandlung mit dem Bewusstsein des Spielers. Alle Reize der „äußeren Umwelt“ werden ausgeblendet oder als störend empfunden. Auch Hunger, Durst und Müdigkeit werden ignoriert. (z.B. Fritz & Misek-Schneider 1995) Das Zeitgefühl geht verloren und evtl. vorhandene Verpflichtungen in der realen Welt werden vergessen. (Fritz 1997c)

Zu einem Flow-Erleben kann ein Spieler nur gelangen, wenn er die Spiel-Aufgabe bewältigen kann, da sich sonst schnell Gefühle wie Angst, Ärger und Wut einstellen würden. Wingrove & Bond (1998) nutzten diesen Sachverhalt erfolgreich, um mit einem Computerspiel Ärger zu induzieren. Kommt es zu einem Gleichgewicht aus eigenen Fähigkeiten und den Anforderungen des Spieles, ist der Spieler optimal gefordert. Die Spannung des Spielgeschehens lässt nicht nach und der Spieler kann in ein Flow-Erleben gelangen. (Fritz 1997c)

Beim Spieler muss immer das Gefühl erhalten bleiben, die Spielsituation unter Kontrolle zu haben. Da schwierigere Passagen des Spieles eine Erhöhung der Anstrengung und Konzentration erfordern, wird dies am besten durch einen langsamen Anstieg des Schwierigkeitsgrades erreicht. (Fritz 1997c)

Weiterhin muss eine hohe Konzentrationsleistung für ein Flow-Erlebnis aufgebracht werden. Nur so ist es möglich, die Aufmerksamkeit auf ein begrenztes Stimulusfeld zu beschränken. Bei Computerspielen sind dies beispielsweise das Monitorbild, die Geräuschkulisse aus den Lautsprechern und evtl. spezielle „rückmeldende“ Eingabegeräte[3]. Der Spieler wird versuchen, jeden anderen Stimulus von außerhalb des Aufmerksamkeitsbereiches zu ignorieren. Die Verschmelzung wird durch eine aktive Konzentrationsleistung des Spielers erreicht. Fritz (1997e) beschreibt dies auch als einen „selbstverstärkenden Aktivierungszirkel“ (S.212). In diesem lernt der Spieler, das Spiel durch die eigene Konzentration zu beherrschen und damit Erfolg zu erleben. Mit der Beherrschung des Spieles steigert sich auch die Selbstkontrolle und der Spieler schafft es, unabhängig von inhaltlichen Aspekten des Spieles, ruhig und gelassen zu sein. (Fritz 1997) Die Gefühlsintensität nimmt ab, insbesondere bei älteren Spielern (ab ca. 14 Jahre). Der Spieler wird „cool“. (Fritz 1988, Fritz & Misek-Schneider 1995) Spielphasen mit einer Dauer unter 90 Minuten scheinen sogar die Konzentrationsfähigkeit im Bereich der Wahrnehmung und Diskriminierung verschiedener visueller Zeichen und Signale zu verbessern. (Fritz & Misek-Schneider 1995)

Eindeutige Handlungsanforderungen und eindeutige Rückmeldungen sind eine weitere wichtige Bedingung für das Auftreten des Flow-Erlebens. In einer Flow-Situation weiß der Spieler immer, welche Aktionen angemessen sind. Fehler werden sofort klar und direkt zurückgemeldet, Alternativen oder widersprüchliche Erwartungen werden nicht erwogen. Der Spieler verschmilzt mit dem Medium und nimmt die Trennung zwischen der Realität und der virtuellen Umwelt des Spieles nicht mehr wahr. Computerspiele haben durch ihre sehr eindeutigen, von den Regeln des Spiels bestimmten Handlungsanforderungen hier ein besonders großes Potential. (Fritz 1997c) Gerade Computerspiel-Anfänger nehmen die ersten massiven Flow-Erfahrungen negativ wahr, insbesondere den Verlust des Zeitgefühles. Es wird diesbezüglich sogar von Angst-Gefühlen gesprochen, die beim Erstkontakt mit den Spielen entstehen. Spielerfahrene Computerspieler schaffen sich Möglichkeiten, diesem Phänomen entgegenzuwirken, z.B. durch häufigeres auf die Uhr schauen. (Fritz & Misek-Schneider 1995)

Fritz und Misek-Schneider (1995) fanden bei ihrer Befragung von Kindern nur bei 12% Hinweise auf Flow-Erlebnisse. Hoffmann und Wagner (1995) stellten bei ihren Interviews mit Erwachsenen fest, dass 75% aller befragten Computerspieler Hinweise auf Flow-Erlebnisse nannten.

2.6.2 Frust-Spirale

Wenn es dem Spieler nicht gelingt, das Spiel zu kontrollieren und sich deshalb auch kein Erfolg einstellt, kommt es zu negativ-emotionalen Spielfolgen. Es entstehen Versagensgefühle, Frustration, Wut, Disstress und aggressive Impulse. Dies führt dazu, dass der Spieler das Spiel abbricht oder dass er die Spielreize als motivierend wahrnimmt, dass er seine sekundären Spielhandlungen verstärkt und sich mehr anstrengt und konzentriert. Aufgrund der Erwartung, dass sich das Spielziel und die damit verbundenen positiven Gefühle erreichen lassen, bleibt der Spieler auch innerhalb der Frustrations-Spirale aktiv. Nur wenn deutlich wird, dass das Spielziel nicht erreichbar ist, wird das Spiel abgebrochen. (Fritz & Misek-Schneider 1995) In Interviews mit Kindern und Jugendlichen wurde wiederholt von gewalttätigen Ausbrüchen nach dem Scheitern in einem Spiel berichtet. (Fritz & Misek-Schneider 1995; Fritz 1997b)

Dieser Wechsel zwischen der Frust-Spirale und der Flow-Spirale lassen den Spieler Höchstleistungen im Spiel erbringen. Der ständige Versuch, die Flow-Spirale zu erreichen und das ständige Risiko, in die Frust-Spirale zu gelangen, motivieren den Spieler sehr stark. Fritz und Misek-Schneider (1995) nennen das auch den „...„Zwei-Wege-Generator“...“ der die „...motivationale „Energie“...“ liefert. (S.122)

3 Wirkungen von Computerspielen

Die Befürchtung, dass Medien, insbesondere Computerspiele, negative Wirkungen auf Kinder und Jugendliche haben könnten, taucht immer wieder in Medienberichten auf. Seit dem Amoklauf von Erfurt am 26.04.2002 wird die Diskussion wieder sehr intensiv geführt. (z.B. Lischka 2002, Rössner & Sagatz 2002, Schindler 2002 & Schirrmacher 2002)[4]

In den letzten Jahren wurde versucht, spezifische Wirkungen von Computerspielen zu isolieren. Das ist jedoch aufgrund der vielen beteiligten Variablen sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Es wurden zahlreiche relativ isolierte Versuche unternommen, bestimmte Wirkungen nachzuweisen. Dabei wurden häufig die Fragestellungen sehr eng gefasst, Forschungsmethoden sehr uneinheitlich angewandt und oftmals auch Begriffe uneinheitlich benutzt. Zusammen mit der rasend schnellen Entwicklung des Untersuchungsgegenstandes, den Computerspielen, zeigen die Ergebnisse daher ein sehr inkonsistentes Bild. (Fritz 1997d)

Zuerst möchte ich Ergebnisse empirischer Studien vorstellen. Diese sind den von den Spielen beeinflussten Variablen zugeordnet. Anschließend werden zwei wichtige theoretische Modelle der Wirkungsforschung näher erläutert.

3.1 Empirische Ergebnisse der Wirkungsforschung

An dieser Stelle werden die Ergebnisse einzelner empirischer Arbeiten vorgestellt. Sie sind ihren Ergebnissen entsprechend verschiedenen Themenbereichen zugeordnet. Das Ziel ist, bekannte Fakten über die Auswirkungen von Computerspielen und die Eigenschaften von Spielern darzulegen, bevor Modelle zur Wirkung von Computerspielen kritisch diskutiert werden.

3.1.1 Aggressivität

Die empirischen Versuche, einen Zusammenhang zwischen dem Inhalt von Computerspielen und Aggressivität nachzuweisen, sind zahlreich. Die Ergebnisse sind jedoch widersprüchlich. Es gibt viele Beispiele, in denen eine Steigerung der Aggressivität gefunden wurde. (Anderson & Dill 2000; Anderson & Ford 1986; Ballard & Wiest 1996; Calvert & Tan 1994; Fling et al. 1992; Griffiths & Hunt 1995; Irwin & Gross 1995; Rushbrook 1986; Schutte et al. 1988; Silvern & Williamson 1987) Häufig ließ sich dieser Zusammenhag aber auch nicht nachweisen. (Austin 1987; Brusa 1987; Flemming & Rickwood 2001; Gibb et al. 1983; Graybill et al. 1987; Kirsh 1998; Nelson & Carlson 1985; Scott 1995; Wiegman & van Schie 1998; Winkel et al. 1987) In einigen Untersuchungen wurde sogar eine Verringerung der Aggressivität gefunden. (Egli & Meyers 1984; Kestenbaum & Weinstein 1984) Cooper und Mackie (1986) fanden eine Erhöhung der Aggressivität nur bei Mädchen. Lin und Lepper (1987) und Dominik (1984) berichten nur über Zusammenhänge mit dem Spiel in Spielhallen. Nelson & Carlson (1985) wiesen eine allgemein erhöhte aggressive und feindselige Stimmung nach dem Computerspiel nach. Es gab hierbei jedoch keine Unterschiede zwischen dem Spiel eines gewalttätigen und eines nicht gewalttätigen Spieles, obwohl dieser Nachweis das eigentliche Ziel der Untersuchung war.

Aufgrund der widersprüchlichen Ergebnisse kann man den Forschungsstand zu diesem Thema als „unzureichend“ beschreiben.

Als gesichert gilt derzeit, dass es einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Computerspielen und Aggressivität gibt. Zwei Metaanalysen (Anderson & Bushman 2001; Sherry 2001) zeigten eine positive Korrelationen zwischen dem Spielen aggressiver Computer- und Videospiele und der Aggressivität. Es handelt sich jedoch bei beiden Studien um einen kleinen Effekt[5]. Die für die Metaanalysen verwendeten Studien unterschieden sich deutlich in ihrer Methodik. Bei den experimentellen Studien wurde die Aggressivität durch Beobachtungen der Versuchsleiter[6] oder durch Aggressionen der Probanden[7] erfasst. In nicht experimentellen Studien wurde die Aggression über Selbsteinschätzungen der Probanden, durch Befragungen Dritter oder durch die Erfassung von aggressiven Handlungen der Probanden erfasst. Anderson und Bushman (2001) konnten einen eventuellen Einfluss dieser Faktoren ausschließen.

Bei einer Metaanalyse zu Fernsehwirkungsstudien (Paink & Comstock 1994) wurde ein mittlerer Effekt von d=.65 gefunden, woraufhin Sherry (2001) die von ihm berechnete Effektstärke in das Effektstärkenmaß „d“ umrechnete (d=.30). Aufgrund dieses großen Unterschiedes suchte er nach weiteren Erklärungen. Als den wichtigsten Faktor zur Vorhersage des Effektes in den verwendeten Studien identifizierte Sherry (2001) das Erscheinungsjahr der Studie. In Hinblick auf die starke Veränderung des Untersuchungsgegenstandes „Computerspiel“ (realistische Grafik und mehr dargestellte Gewalt) ist dieses Ergebnis nicht verwunderlich. Auch die Spieldauer variierte bei den Studien sehr stark. Sherry bemerkte weiterhin, dass Effekte bei einer schriftlichen Erfassung der Aggressivität (also vor allem aggressive Einstellungen, aggressive Affekte) höher ausfielen als bei Verhaltensmessungen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Spiel aggressiver Computerspiele und der Aggressivität der Spieler zu geben scheint. Wie dieser Effekt allerdings zustande kommt, ist weiterhin unklar. Zu viele methodische Mängel und Unterschiede in den Studien machen Aussagen über eindeutige Kausalzusammenhänge unmöglich.

3.1.2 Verringertes empathisches Mitfühlen bzw. verringertes prosoziales Verhalten

Es gibt Hinweise, dass Computerspiele einen direkten Einfluss auf das prosoziale Verhalten (Silvern & Williamson 1987; Wiegman & van Schie 1998) und das empathische Mitfühlen (Steckel 1998) haben.

Insbesondere die Arbeit von Steckel (1998) ist bemerkenswert, da sie von der Aggressionssteigerung durch (Computer-)Spiele ausging, sich dann aber den Hemmmechanismen zuwandte. Steckel (1998) beschreibt dies folgendermaßen: „Die häufige Konfrontation mit Gewalt und Aggression im Spiel kann die Einstellung gegenüber Gewalt verändern und ihre Akzeptanz stärken. Die primären Hemmmechanismen können eine Abschwächung erfahren, und im realen Leben werden immer stärker aggressive Mittel zur Konfliktlösung eingesetzt.“ (S.190) Dadurch kann es zu einer ablehnenden Haltung unter weniger aggressiven Altersgenossen kommen, was wiederum zu einem verstärkten Ausweichen auf andere Freizeitaktivitäten, wie das Computerspiel, führen könnte. Hierdurch entsteht ein Kreislauf. Die Verringerung prosozialen Verhaltens kann in diesem Kontext ebenfalls als eine Folge des beschriebenen Kreislaufes gesehen werden.

[...]


[1] Beispielsweise das Lösen von Rätseln in Adventure-Spielen oder das geschickte Stapeln von Steinen beim Spiel „Tetris“.

[2] In Anlehnung an den Begriff „Kriegsverharmlosung“ der von Stefen und Adams (1988) als Gegensatz zu „Kriegsverherrlichung“ beschrieben wird: „Eine Kriegsverharmlosung liegt nach ständiger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften – bestätigt durch höchstrichterliche Rechtsprechung – dann vor, wenn die Schrecken und die Leiden des Krieges nicht oder nur kaum erwähnt oder heruntergespielt, die zerstörenden und destruktiven Ereignisse verschwiegen oder negiert werden. Die Herabminderung der negativen Resultate eines Krieges lässt ihn als akzeptables Mittel zur Lösung von Konflikten erscheinen.“ (Stefen & Adams 1988, S.117)

[3] Hier wären beispielsweise sogenannte Force-Feedback-Joysticks zu nennen. Diese melden dem Spieler bestimmte „Ereignisse“, wie z.B. den Rückstoß der Waffe oder Treffer, mit Hilfe taktiler Informationen zurück.

[4] Aus Gründen der hohen Aktualität wurde dieser Aspekt nachträglich in den theoretischen Teil der Arbeit eingefügt.

[5] Nach den Konventionen von Cohen (1988) werden kleine Effekte (r=.10), mittlere Effekte (r=.30) und große Effekte (r=.50) unterschieden. Anderson und Bushman errechneten einen Effekt von r=.19, Sherry einen von r=. 16.

[6] Es handelte sich dabei meist um Freispielsituationen, in denen die Versuchspersonen aggressives Verhalten zeigen konnten oder mehr oder weniger aggressives Spielzeug auswählen konnten.

[7] Hierbei konnte der Proband eine andere Person mit aversiven Stimuli (z.B. Elekroschocks; Lärm etc.) bestrafen. Dabei wurden Intensität und/oder Länge dieser applizierten Reize gemessen.

Excerpt out of 170 pages

Details

Title
Experimentelle Untersuchung zur Wahrnehmung von Gewalt in Computerspielen
College
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald  (Institut für Psychologie)
Grade
1,3
Author
Year
2002
Pages
170
Catalog Number
V11617
ISBN (eBook)
9783638177306
ISBN (Book)
9783638641968
File size
1296 KB
Language
German
Keywords
Experimentelle, Untersuchung, Wahrnehmung, Gewalt, Computerspielen
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Alexander Groppler (Author), 2002, Experimentelle Untersuchung zur Wahrnehmung von Gewalt in Computerspielen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11617

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Title: Experimentelle Untersuchung zur Wahrnehmung von Gewalt in Computerspielen



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