Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
B. Bestandsaufnahme: Mitbestimmung in Europa
I. Nationale Systemunterschiede
II. Europäische Vorgaben zur Mitbestimmung
1. Mitbestimmung in der SE.
a) Verhandlung und Vereinbarung
b) Auffangregel und „Vorher-Nachher-Prinzip“
2. Mitbestimmung in der SCE.
3. Mitbestimmung nach der Verschmelzungsrichtlinie
a) Regel-Ausnahme-Verhältnis und Verweisnorm.
b) Ausnahmetatbestände des Art. 16 II VerschmelzungsRL.
c) Modifikationen der Verhandlungslösung und Auffangregel
d) Zwischenergebnis
4. Mitbestimmung nach der Mobilitätsrichtlinie
a) Entstehungsgeschichte und Systematik
b) Vorschriften zum Schutz der Mitbestimmung
aa) Grenzüberschreitende Verschmelzungen
bb) Grenzüberschreitende Formwechsel
cc) Grenzüberschreitende Spaltungen
III. Ergebnis
C. Das Projekt einer EU-Rahmenrichtlinie zur Mitbestimmung
I. Motivation und Zielsetzung
1. Ökonomische Performanz und nachhaltige Unternehmenspolitik
2. Mitbestimmungsvermeidung und Reformbedarf
a) „Einfrierproblematik“
b) Paradoxe Folgen der „4/5-Lösung“
3. Zwischenergebnis
II. Vorschlag
1. Anwendungsbereich
2. Festhalten an der Verhandlungslösung
3. Europaweit einheitliche Auffangregelung
4. Nachverhandlungspflicht bei Schwellenwertüberschreitung
5. Sonstige allgemeine Grundsätze
a) Geschlechterquotierung
b) Einheitliche Rechte und Pflichten
III. Ergebnis
D. Das vorgeschlagene Mehr an Mitbestimmung
I. Gleichbleibende Aspekte
1. Anwendungsbereich
2. Verhandlungsverfahren
3. Berücksichtigung aller Belegschaften
4. Mitbestimmungsmöglichkeiten
II. Mitbestimmungserweiternde Aspekte
1. Dynamische, einheitliche und ehrgeizige Auffangregeln
a) Nicht hinnehmbare „eingefrorene“ Zustände
b) Beträchtlicher Einfluss der Arbeitnehmer
c) Weniger Vermeidungsfälle
d) Stärkung der Verhandlungsposition des BVG.
2. Geschlechterquotierung und gleichlaufende Rechte
3. Weniger Mitbestimmungsignorierung
III. Ergebnis
E. Kritische Würdigung des Vorschlags
I. Anerkennenswerte Aspekte
1. Zugrundeliegende Motivation und Zielsetzung
2. Anwendungsbereich
3. Festhalten am Verhandlungsvorrang
II. Problematische Aspekte und Konsequenzen
1. Einheitliche Auffangregeln
2. Zu strenge Auffangregeln
3. Zu weitgehende allgemeine Grundsätze
4. Mögliche negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt
5. Zweite Kapitalgesellschaftsform.
III. Alternative Ansätze
1. Partielle Modifikationen statt Rahmenrichtlinie
a) Festhalten an den Regelungen der SE-RL und der GesRRL.
b) Dynamisierung durch Nachverhandlungspflicht
c) Überdenken der 4/5-Schwelle
d) Kohärenz zwischen allen Umwandlungsarten
2. Effektives Sanktionsregime
3. Einwirken auf nationale Gesetzgeber
F. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Verwendete Internetquellen werden in den Fußnoten angegeben.
Abkürzungsverzeichnis
Die Bedeutungen der verwendeten Abkürzungen können den Abkürzungen in „ Kirchner, Hildebert/Böttcher, Eike – Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Aufl., Berlin 2018“ entnommen werden.
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
Die grenzüberschreitende Mobilität von Unternehmen wurde im Laufe der letzten drei Jahrzehnte durch die EuGH-Rechtsprechung stetig weiterentwickelt.1 Mit der Mobilitätsrichtlinie2 sind seit Anfang dieses Jahres auch umfassende sekundärrechtliche Vorschriften für grenzüberschreitende Strukturmaßnahmen in Kraft. Hierbei wurde auch der Schutz der Stakeholder-Interessen berücksichtigt, insbesondere wurden neue mitbestimmungsrechtliche Vorschriften geschaffen. Die Mitbestimmungsvorgaben des Unionsrechts werden allerdings – insbesondere aus Gewerkschaftskreisen und nicht erst seit den jüngsten Neuerungen im europäischen Gesellschaftsrecht – kritisiert; sie würden keinen effektiven Mitbestimmungsschutz ermöglichen und müssten daher überarbeitet werden.3 Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schlägt zu diesem Zweck eine „Europäische Rahmenrichtlinie zur Unterrichtung, Anhörung und Unternehmensmitbestimmung“4 vor. Durch die Richtlinie soll die weitreichende Unternehmensmobilität mit einem wirksamen Schutz der Arbeitnehmerinteressen verbunden und hierbei speziell der Mitbestimmungsvermeidung entgegengewirkt werden.5 Ziel dieser Untersuchung ist es, den Vorschlag des DGB ausführlich darzustellen, diesen mit dem aktuellen unionsrechtlichen Regelungsstand zu vergleichen und ihn einer kritischen Würdigung zu unterziehen.
Zunächst erfolgt daher eine Bestandsaufnahme zur Mitbestimmung in Europa (B.). Der Untersuchung liegt das Verständnis vom Begriff der (unternehmerischen) Mitbestimmung gemäß Art. 2 k) SE-Ergänzungsrichtlinie6 zugrunde. Mitbestimmung bezeichnet also die Einflussnahme der Arbeitnehmer(-vertreter) auf die Angelegenheiten einer Gesellschaft durch die Wahrnehmung des Rechts, einen Teil der Mitglieder des Aufsichts- oder des Verwaltungsorgans der Gesellschaft zu wählen oder zu bestellen bzw. deren Bestellung zu empfehlen und/oder abzulehnen. Die betriebliche Mitwirkung, die als arbeitsrechtliches Konzept am Arbeitsort bzw. an der Betriebsstätte anknüpft und eben nicht dem Gesellschaftsstatut zugeordnet wird7, ist nicht Teil dieser Abhandlung; dementsprechend beschränkt sich die Bestandsaufnahme auf die Unternehmensmitbestimmung.
Im Anschluss wird der Vorschlag des DGB, also die Idee einer EU-RahmenRL zur Mitbestimmung, dargestellt (C.). Entsprechend der im vorigen Absatz vorgenommenen Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands beschränkt sich auch die Darstellung des DGB-Vorschlags auf die Unternehmensmitbestimmung und lässt die Unterrichtung und Anhörung außer Betracht.
Sodann soll erläutert werden, inwiefern die Richtlinie ein Mehr an Mitbestimmung bedeuten würde (D.).
Auf dieser Grundlage soll eine Bewertung aus Sicht des Verfassers erfolgen und alternative Ansätze skizziert werden (E.).
Abschließend werden die erlangten Erkenntnisse zusammengefasst und ein Ausblick zur weiteren Entwicklung der Unternehmensmitbestimmung in Europa gegeben (F.).
B. Bestandsaufnahme: Mitbestimmung in Europa
Die unternehmerische Mitbestimmung ist seit jeher – sowohl in der Rechtswissenschaft als auch in der Politik und Wirtschaft – ein hoch umstrittenes Thema in Europa. Dies liegt (unter anderem) daran, dass die einzelnen Mitgliedstaaten zur Beantwortung der zahlreichen Fragen, die sich zur Mitbestimmung stellen, unterschiedlichste Konzepte vorsehen.8 Europäische Vorgaben zur Mitbestimmung haben sich im rechtspolitischen Diskurs über viele Jahre hinweg anlässlich mehrerer gesellschaftsrechtlicher Projekte entwickelt und bilden heute im Zusammenspiel mit den nationalen Mitbestimmungskonzepten einen komplexen Themenbereich.9
Um diesen überblicken zu können, sollen im Folgenden zunächst die nationalen Systemunterschiede zur unternehmerischen Mitbestimmung beleuchtet und anschließend die aktuell geltenden europarechtlichen Regelungen dargestellt werden.
I. Nationale Systemunterschiede
Während in der Mehrzahl der europäischen Staaten die unternehmerische Mitbestimmung – wenn auch in unterschiedlichsten Konzeptionen – integraler Bestandteil der nationalen Rechtsordnung ist, spielt die Mitbestimmung in neun Mitgliedstaaten nur für diejenigen Unternehmen eine Rolle, die aufgrund supranationaler Rechtsform oder grenzüberschreitender Strukturmaßnahme die europarechtlichen Vorgaben zur Mitbestimmung zu beachten haben.10
Eine Gemeinsamkeit in den mitbestimmungsfreundlichen Staaten ist per definitionem 11, dass die Mitbestimmung durch die Besetzung der Leitungsorgane (Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat/Board) stattfindet. Ansonsten unterscheiden sich die nationalen Regelungen sowohl in ihren Geltungsbereichen als auch in den konkreten verfahrens- und materiell-rechtlichen Ausgestaltungen (teilweise erheblich).12 Auf eine genaue Analyse der Unterschiede darf und muss an dieser Stelle verzichtet werden, da dies weder aussagekräftig noch für das Ziel dieser Abhandlung hilfreich wäre.13 Aus der europäischen Perspektive erwähnenswert und daher für den weiteren Gang der Untersuchung von Bedeutung ist allerdings, dass die unterschiedlichen Regelungskonzepte in den jeweiligen kulturellen und sozial-politischen Traditionen der Mitgliedstaaten wurzeln.14
Da der Vorschlag, eine EU-Rahmenrichtlinie zur Mitbestimmung zu erlassen, insbesondere von den deutschen Gewerkschaften vorangetrieben wird, sollen an dieser Stelle in gebotener Kürze die Besonderheiten des deutschen Mitbestimmungsrechts, welches Arbeitnehmern ein besonders hohes Maß an Mitbestimmungsrechten einräumt, beschrieben werden. Während in den sonstigen Mitgliedstaaten allenfalls ein Drittel des Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats/Boards mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen ist15, sieht § 7 des deutschen MitbestG, welcher gemäß § 1 MitbestG für Unternehmen mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern gilt, eine paritätische Mitbestimmung – also die hälftige Besetzung des Aufsichtsrats durch Arbeitnehmervertreter – vor. Hierbei gilt der Grundsatz der gleichberechtigten und gleichgewichtigen Entscheidungsteilhabe.16 Mit diesen strengen gesetzlichen Mitbestimmungsregeln herrscht in Deutschland das im internationalen Vergleich höchste Mitbestimmungsniveau, welches „in weiten Teilen der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft als kulturelle Errungenschaft und wichtiger Baustein der sozialen Marktwirtschaft gesehen“17 wird.
Im Kontrast hierzu seien exemplarisch Italien und Spanien zu nennen, die keinerlei Formen der Unternehmensmitbestimmung kennen.
II. Europäische Vorgaben zur Mitbestimmung
Eben diese, in den kulturellen und sozial-politischen Traditionen wurzelnden, unterschiedlichen Vorstellungen zur unternehmerischen Mitbestimmung ließen in den letzten Jahrzehnten mehrfach europäische Harmonisierungs- bzw. Angleichungsmaßnahmen scheitern und bleiben auch weiterhin ein umstrittenes und sensibles Thema im europäischen Gesellschaftsrecht.18
Dennoch gelang es im Laufe der Jahre – anlässlich mehrerer gesellschaftsrechtlicher Gesetzgebungsvorhaben – die Disparitäten (zumindest teilweise) zu überwinden und Kompromisse zur Mitbestimmung zu finden: für die supranationalen Rechtsformen SE und SCE wurden in den Jahren 2001 und 2003 zur Regelung der Mitbestimmung entsprechende Richtlinien19 erlassen und auch die Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen20 und weiteren Umwandlungen21 regelte der europäische Gesetzgeber.
Hieran soll sich im Folgenden die Darstellung der europäischen Vorgaben zur Mitbestimmung orientieren. Diese erfolgt zunächst sachlich neutral, also ohne, dass auf etwaige Schwachpunkte näher eingegangen oder ein möglicher Optimierungsbedarf analysiert wird.22
1. Mitbestimmung in der SE
Nachdem die Schaffung einer Europäischen Aktiengesellschaft über mehrere Dekaden hinweg mehrfach an der unternehmerischen Mitbestimmung gescheitert war,23 gelang es dann auf dem Gipfel von Nizza im Jahr 2000 eine Lösung zu finden.24 Die dort getroffene Einigung auf Grundlage des sog. „Davignon-Berichts“25 geht von folgenden Grundsätzen aus: Verhandlungsverfahren, Auffanglösung und Vorher-Nachher-Prinzip.26
Diese Ideen wurden sodann in der die SE-Verordnung27 flankierenden SE-RL festgeschrieben und bilden im Zusammenspiel mit den jeweiligen nationalen Umsetzungsgesetzen das Mitbestimmungskonzept der Europäischen Aktiengesellschaft. Außerdem stellt der für die SE gefundene Kompromiss die Grundlage für die sonstigen europarechtlichen Vorgaben zur Unternehmensmitbestimmung dar,28 weshalb es ihn genauer zu betrachten gilt.
a) Verhandlung und Vereinbarung
Statt eines europaweit einheitlichen Modells der unternehmerischen Mitbestimmung (materielle Lösung), ist die genaue Ausgestaltung der Mitbestimmung den Verhandlungen zwischen der jeweiligen Unternehmensleitung und einem Verhandlungsgremium der Arbeitnehmerseite vorbehalten (Vorrang der Verhandlungslösung).
Die Einsetzung des besonderen Verhandlungsgremiums (BVG), das konkrete Verhandlungsverfahren und der Mindestinhalt der Mitbestimmungsvereinbarung sind in den Art. 3-6 SE-RL vorgegeben und (wie auch andere Regelungsbereiche) teilweise der Konkretisierung in den mitgliedstaatlichen Umsetzungsgesetzen29 überlassen.30 Ansonsten besteht weitreichende Mitbestimmungsautonomie.31 Falls also eine wirksame Einigung erzielt werden kann, so ist ausschließlich der Inhalt der Vereinbarung maßgeblich für die in der SE geltende Mitbestimmung.32
b) Auffangregel und „Vorher-Nachher-Prinzip“
Kann keine Einigung erzielt werden, so findet gemäß Art. 7 SE-RL und Teil 3 des Anhangs der SE-RL eine, in nationales Recht umzusetzende, Auffangregel Anwendung. Gleichzeitig gilt der in den Erwägungsgründen 3 und 18 verankerte Grundsatz der mitbestimmungsrechtlichen Besitzstandswahrung („Vorher-Nachher-Prinzip“), wonach die Sicherung erworbener Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der Richtlinie ist.33 Dies führt dazu, dass als gesetzliche Auffanglösung das höchste Mitbestimmungsniveau der an der SE beteiligten Gesellschaften fort gilt.34 Das sich hieraus allerdings auch ergebende bzw. damit zusammenhängende Problem der Perpetuierung des Mitbestimmungsniveaus soll erst an späterer Stelle erläutert werden.35
2. Mitbestimmung in der SCE
Der für die Arbeitnehmermitwirkung in der SE gefundene Kompromiss ermöglichte auch die Schaffung der Europäischen Genossenschaft (SCE). Die SCE-RL hält an der europäischen Verhandlungslösung fest und entspricht – bis auf geringe, aus der spezifischen Rechtsform resultierende Abweichungen36 – der SE-RL.37
3. Mitbestimmung nach der Verschmelzungsrichtlinie
Mitbestimmungsrechtliche Fragen stellen sich nicht nur bei supranationalen Rechtsformen, sondern auch bei Fällen grenzüberschreitender Verschmelzungen (und anderen Umwandlungen38 ) nationaler Gesellschaften. Die aus der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) resultierende Zulässigkeit grenzüberschreitender Verschmelzungen stellte der EuGH in seiner Sevic -Entscheidung39 2005 klar und im selben Jahr schuf der EU-Gesetzgeber mit der VerschmelzungsRL den entsprechenden sekundärrechtlichen Rahmen.40 Nicht nur erleichterte die Richtlinie internationale Unternehmenszusammenschlüsse dadurch, dass sie einen einheitlichen Ablauf etablierte, sondern sie regelte gleichzeitig auch den Schutz von Gläubigern, Anteilseignern und Arbeitnehmern und hierbei insbesondere die unternehmerische Mitbestimmung.41
Ihre Regelungen waren bis zuletzt Teil der 2017 erlassenen Gesellschaftsrechtsrichtlinie.42
a) Regel-Ausnahme-Verhältnis und Verweisnorm
Hinsichtlich der Mitbestimmung sieht Art. 16 I VerschmelzungsRL vor, dass grundsätzlich das innerstaatliche Recht des Mitgliedstaates Anwendung findet, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Im Gegensatz zur SE- bzw. SCE-RL bildet also das sog. „Sitzstaatsprinzip“ den Ausgangspunkt. Dies liegt daran, dass bei grenzüberschreitender Verschmelzung eine Gesellschaft nationalen Rechts und eben keine europäische Rechtsform entsteht.43 Von diesem Grundsatz macht Art. 16 II VerschmelzungsRL allerdings bedeutsame Ausnahmen, bei denen gemäß Art. 16 III VerschmelzungsRL – bis auf manche Änderungen – das für die SE/SCE geltende Regelungskonzept anzuwenden ist.44 Im Folgenden sollen die Ausnahmefälle des Art. 16 II VerschmelzungsRL und anschließend die an der Verhandlungslösung bzw. Auffangregel vorgenommenen Modifikationen erklärt werden.
b) Ausnahmetatbestände des Art. 16 II VerschmelzungsRL
Art. 16 II VerschmelzungsRL enthält drei Ausnahmetatbestände, die sich teilweise überschneiden und in einem Alternativverhältnis zu einander stehen.45
Die erste Fallgruppe, bei der anstatt des Sitzstaatsprinzips vorrangig die Verhandlungslösung Anwendung findet, stellt die Situation dar, dass in den sechs Monaten vor Veröffentlichung des Verschmelzungsplans mindestens eine der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften durchschnittlich mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt und in dieser Gesellschaft ein System der Mitbestimmung46 besteht („500-Arbeitnehmerschwelle“47 ).
Die Ausnahme in Abs. 2 a) beschreibt den Fall, dass das Recht des Zuzugsstaates nicht mindestens den gleichen Umfang an Mitbestimmung vorsieht, wie er in den jeweiligen an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften vor der Verschmelzung bestand („Mitbestimmungsminderung“48 ).
Die Mitbestimmung soll gemäß Abs. 2 b) letztlich auch dann verhandelt werden, wenn die Anwendung des Rechts des Zuzugsstaates dazu führen würde, dass Arbeitnehmern in Betrieben, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, nicht derselbe Anspruch auf Mitbestimmung gewährt wird („Diskriminierungstatbestand“49 ).
c) Modifikationen der Verhandlungslösung und Auffangregel
Das für die europäischen Rechtsformen geltende Regelungskonzept wurde also für zahlreiche Fälle grenzüberschreitender Verschmelzungen übernommen. Hierbei hat es allerdings vier nicht unbedeutende Modifikationen erfahren.
Für das Eingreifen der Auffangregel und damit maßgeblich für das höchste Mitbestimmungsniveau setzt Art. 7 SE-RL voraus, dass die mitbestimmungsfreundliche Gesellschaft mindestens 25 % der Arbeitnehmer aller beteiligten Gesellschaften repräsentiert. Dieser Prozentsatz wurde in Art. 16 III e) VerschmelzungsRL auf 33 1/3 % angehoben. Das Mitbestimmungsstatut der Gesellschaft mit dem höchsten Mitbestimmungsniveau setzt sich bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung also nur durch, wenn mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer von dieser Gesellschaft beschäftigt ist.50
Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Verhandlungs- und Auffangregelung sieht Art. 16 IV VerschmelzungsRL weitere Änderungen vor. So haben die Mitgliedstaaten den betreffenden Organen der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften zu gestatten, ohne vorhergehende Verhandlungen unmittelbar die Auffangregeln anzuwenden. Hierdurch kann ermöglicht werden, auf das in der SE-RL noch zwingend durchzuführende, zeit- und kostenintensive Verhandlungsverfahren zu verzichten.51 Außerdem hat ein Beschluss des BVG, keine Verhandlungen aufzunehmen oder laufende Verhandlungen zu beenden, nicht wie bei der SE-Gründung den Verzicht auf unternehmerische Mitbestimmung, sondern das Eingreifen der Mitbestimmungsregeln des Sitzlandes der durch die Verschmelzung entstehenden Gesellschaft zur Folge.52
Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 16 IV c) VerschmelzungsRL im Falle des Eingreifens der Auffangregel den Anteil an Arbeitnehmervertretern im Verwaltungsorgan53 der aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft begrenzen. Falls das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan einer an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaft allerdings drittelparitätisch mitbestimmt war, so sichert die Vorschrift auch im neuen Verwaltungsorgan zumindest die Drittelparität. Einer nach deutschem MitbestG quasi-paritätisch mitbestimmten Gesellschaft, die beispielsweise auf eine monistisch verfasste, nach italienischem Recht mitbestimmungsfreie Gesellschaft verschmolzen wird, sichert dies also eine Drittelbeteiligung, allerdings keine paritätische Mitbestimmung zu. In den Mitgliedstaaten, in denen von der Möglichkeit des Art. 16 IV c) VerschmelzungsRL Gebrauch gemacht wurde, wirkt das „Vorher-Nachher-Prinzip“ anders als in der SE-RL also nicht in jedem Fall paritätssichernd.54
d) Zwischenergebnis
Die für grenzüberschreitende Verschmelzungen aufgestellten Regeln fallen im Ergebnis also durch zwei Besonderheiten auf. Sie stellen ein zur SE-RL gegensätzliches Regel-Ausnahme-Verhältnis auf und modifizieren und liberalisieren das in der SE-RL festgelegte Konzept (Verhandlungslösung und Auffangregel) durch weitere, der Erleichterung grenzüberschreitender Verschmelzungen dienende, Regeln.
Insgesamt wird allerdings, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die drei Ausnahmetatbestände des Art. 16 III VerschmelzungsRL einen Großteil der Fälle abdecken55, an der für die supranationalen Rechtsformen entwickelten europäischen Verhandlungslösung festgehalten.
4. Mitbestimmung nach der Mobilitätsrichtlinie
Ihre jüngste Neuerung bzw. Ergänzung haben die europäischen Vorgaben zur Mitbestimmung in der am 27. November 2019 erlassenen MobilitätsRL erfahren. Im Folgenden sollen zunächst die Entstehungsgeschichte und Systematik nachvollzogen und anschließend die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften der Richtlinie erläutert werden.
a) Entstehungsgeschichte und Systematik
Während mit der VerschmelzungsRL bereits 2005 ein sekundärrechtlicher Rahmen für grenzüberschreitende Verschmelzungen geschaffen wurde, bestand hinsichtlich anderer Umwandlungen Jahre lang Rechtsunsicherheit. Die rechtliche Zulässigkeit grenzüberschreitender Formwechsel und Spaltungen war ein umstrittenes Thema und deren Durchführung erfolgte durch Analogien zur VerschmelzungsRL und die Anwendung nationaler Vorschriften auf wackliger Rechtsgrundlage.56
In seinen Grundsatzentscheidungen Cartesio 57 und Vale 58 stellte der EuGH fest, dass solche grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen von der Niederlassungsfreiheit geschützt und daher zulässig sind. Mit seinem (dogmatisch und rechtspolitisch umstrittenen59 ) Urteil im Fall Polbud 60 ging der EuGH noch weiter und sah auch die isolierte Satzungssitzverlegung – also die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes, nicht aber des Verwaltungssitzes ins Ausland – als von der Niederlassungsfreiheit geschützt an. Diese Entscheidungstrias etablierte innerhalb der EU eine nahezu vollständige Rechtsformwahlfreiheit.61
Die entsprechenden sekundärrechtlichen Vorgaben wurden im vergangenen Jahr als Teil des sog. „Company Law Packages“ geschaffen. Neben der Digitalisierungsrichtlinie62 wurde die noch in nationales Recht umzusetzende MobilitätsRL erlassen, welche die zuvor beschriebene Rechtsunsicherheit beseitigen soll. Ebenso wie die VerschmelzungsRL63 enthält die MobilitätsRL nicht nur Vorgaben zum Ablauf der jeweiligen Umwandlungsmaßnahmen, sondern auch dem Minderheitenschutz dienende Vorschriften, mithin Vorgaben zur unternehmerischen Mitbestimmung. Die Art. 118 ff. GesRRL regeln die grenzüberschreitende Verschmelzung und ersetzen hierbei die diesbezüglichen Vorschriften der VerschmelzungsRL.64 In ihren Art. 86a ff. wird die GesRRL um Vorschriften zu grenzüberschreitenden Umwandlungen65 ergänzt und grenzüberschreitende Spaltungen66 sind in den Art. 160a ff. GesRRL geregelt.
b) Vorschriften zum Schutz der Mitbestimmung
Dementsprechend sind auch die Vorschriften zur Mitbestimmung in den jeweiligen Kapiteln verortet. Ihre Darstellung soll zwecks Übersichtlichkeit getrennt erfolgen.
aa) Grenzüberschreitende Verschmelzungen
Art. 133 GesRRL, welcher bis zuletzt Art. 16 VerschmelzungsRL entsprach, wurde größtenteils beibehalten. Es gelten also nach wie vor das von der VerschmelzungsRL bekannte Regel-Ausnahme-Verhältnis und die gegenüber der SE-RL vorgenommenen Modifikationen.67
In einem wesentlichen Punkt wurde Art. 133 GesRRL allerdings abgeändert: anstelle des ersten Ausnahmetatbestandes in seiner ursprünglichen Form („500-Arbeitnehmerschwelle“68 ) sieht die aktuelle Fassung des Art. 133 II GesRRL vor, dass die Mitbestimmung bereits dann verhandelt werden soll, wenn mindestens eine der sich verschmelzenden Gesellschaften in den sechs Monaten vor Veröffentlichung des Verschmelzungsplans eine durchschnittliche Zahl an Arbeitnehmern beschäftigt, die vier Fünfteln des in ihrem nationalen Recht vorgesehenen Schwellenwerts für die Mitbestimmung entspricht („Schwellenwertlösung“69 ). Deutsche Unternehmen sind demnach also bereits bei mehr als 400 (DrittelbG) bzw. 1600 (MitbestG) Arbeitnehmern verhandlungspflichtig. Ziel dieser Modifikation war es, dem „Einfrieren“ mitbestimmungsfreier Zustände entgegenzuwirken. Es soll verhindert werden, dass sich Gesellschaften, kurz bevor sie den nationalen Schwellenwert erreichen oder nachdem sie die Beschäftigtenzahl kurzzeitig unter den Schwellenwert verringert haben, grenzüberschreitend verschmelzen und dadurch einer (stärkeren) Mitbestimmung entgehen.70 Außerdem soll der veränderte Ausnahmetatbestand den Mitgliedstaaten entgegenkommen, deren Mitbestimmungsrecht im Vergleich zur „500-Arbeitnehmerschwelle“ einen (deutlich) niedrigeren Schwellenwert vorsieht (beispielsweise Dänemark oder Schweden).71 Welche paradoxen Folgen diese Neuerung allerdings mit sich bringen kann, soll erst an späterer Stelle erläutert werden.72
Ferner wurde Art. 133 VII GesRRL neu gefasst, nach welchem die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer nun innerhalb der ersten vier Jahre nach der Verschmelzung auch bei sämtlichen nachfolgenden innerstaatlichen oder grenzüberschreitenden Umwandlungen sicherzustellen sind.73 Darüber hinaus statuiert der neu geschaffene Art. 133 VIII GesRRL die Verpflichtung der Gesellschaft, die Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter unverzüglich darüber zu informieren, ob direkt die Auffangregelung angewendet oder ob verhandelt werden soll; im Falle von Verhandlungen ist über deren Ergebnis zu informieren.74
bb) Grenzüberschreitende Formwechsel
Art. 86l GesRRL, welcher die Mitbestimmung bei grenzüberschreitenden Formwechseln regelt, entspricht größtenteils Art. 133 GesRRL in seiner soeben erläuterten neuen Fassung.75
In Art. 86l GesRRL fehlt allerdings eine Art. 133 IV a) GesRRL entsprechende Regelung, die den betreffenden Organen einer zuvor mitbestimmten Gesellschaft ermöglicht, die Auffangregel auch ohne vorhergehende Verhandlungen anzuwenden.76 Die diesbezügliche Informationspflicht, wie sie Art. 133 VIII GesRRL statuiert, entfällt entsprechend auch.
[...]
1 Für einen Überblick über die relevanten EuGH-Entscheidungen vgl. Wolf, MittBayNot 2018, 510 (511 ff.); siehe hierzu außerdem unter B. II. 3. und B. II. 4. a).
2 Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, im Folgenden: MobilitätsRL.
3 Vgl. exemplarisch Hans Böckler Stiftung: Pressemitteilung vom 20.4.2016, https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-mehr-als-800000-beschaeftigten-werden-durch-gesetzesluecken-mitbestimmungsrechte-3483.htm (zuletzt aufgerufen am 28.08.2020); Thannisch, AuR 2020, 310 (313).
4 Im Folgenden: EU-RahmenRL.
5 Vgl. Eckpunkte des Deutschen Gewerkschaftsbundes für eine Europäische Rahmenrichtlinie zur Unterrichtung, Anhörung und Unternehmensmitbestimmung, 2020, https://www.dgb.de/downloadcenter/++co++fbe3d63c-7281-11ea-8667-52540088cada (zuletzt aufgerufen am 26.08.2020). Im Folgenden: Eckpunkte des DGB, 2020.
6 Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, im Folgenden: SE-RL.
7 Vgl. Rehberg in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 6 Rn. 184; Richter in MHdbA, Band 1, § 26 Rn. 72; Teichmann, NZG 2019, 241 (246).
8 Vgl. Hommelhoff, ZEuP 2011, 7 (8); Kisker, RdA 2006, 206 (206); Oetker, RdA 2005, 377 (377); Weiss, NZA 2003, 177 (177).
9 Vgl. Bayer, NJW 2016, 1930 (1931); Kisker, RdA 2006, 206 (206); Weiss, NZA 2003, 177 (177 ff.).
10 Vgl. Thannisch, AuR 2020, 310 (311).
11 Vgl. Art. 2 k) SE-RL und siehe hierzu unter A.
12 Vgl. Kisker, RdA 2006, 206 (206); Thannisch, AuR 2020, 310 (311). Rechtsvergleichender Überblick über die unterschiedlichen Mitbestimmungsmodelle: Niedenhoff, IW-Trends 2005, Heft 2, 3 (3 ff.).
13 Vgl. Weiss, NZA 2003, 177 (177).
14 Kisker, RdA 2006, 206 (206); Weiss, NZA 2003, 177 (177).
15 In Deutschland gilt dies gem. §§ 1, 4 DrittelbG für Unternehmen mit 501-2.000 Arbeitnehmern.
16 Boucourechliev/Hommelhoff, Europäische Privatgesellschaft, S. 150.
17 Bayer, NJW 2016, 1930 (1930); so auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede anlässlich der Jubiläumsveranstaltung „30 Jahre Mitbestimmungsgesetz“ der Hans-Böckler-Stiftung, https://web.archive.org/web/20070529084930/http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2006/08/2006-08-30-bkin-jubilaeumsveranstaltung-30-jahre-mitbestimmungsgesetz.html (zuletzt aufgerufen am 06.08.2020).
18 Die Mitbestimmungsproblematik zögerte die Schaffung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) mehrere Jahrzehnte hinaus und ließ die Projekte „5. Strukturrichtlinie“ und „SPE“ bzw. „SUP“ scheitern. Vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 4 Rn. 11; Hommelhoff, ZEuP 2011, 7 (8); Kisker, RdA 2006, 206 (206); Kolvenbach, NZA 1998, 1323 (1323 ff.).
19 SE-RL und Richtlinie 2003/72/EG des Rates vom 22. Juli 2003 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, im Folgenden: SCE-RL.
20 Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, im Folgenden: VerschmelzungsRL.
21 MobilitätsRL.
22 Dies soll erst später in den dafür geeigneten Abschnitten geschehen, siehe etwa unter C. I. 2., E. I. 1. und E. III.
23 Vgl. Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, I. Rn. 2 f.; Kiel/Lunk/Oetker in MHdbA, Band 4, § 354 Rn. 31-35.
24 Vgl. Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, I. Rn. 6 ff.; Kiel/Lunk/Oetker in MHdbA, Band 4, § 354 Rn. 38.
25 Abschlussbericht der Sachverständigengruppe „European Systems of Workers Involvement” (Davignon-Bericht), BR-Drucksache 572/97 vom 06.08.97; vgl. hierzu etwa Kiel/Lunk/Oetker in MHdbA, Band 4, § 354 Rn. 36 f.
26 Vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 4 Rn. 11 und § 13 Rn. 36; Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, I. Rn. 6 ff.; Kiel/Lunk/Oetker in MHdbA, Band 4, § 354 Rn. 38.
27 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE).
28 Vgl. Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, II. Rn. 47; Oetker in L/H/T, SE-Kommentar, B., Vorbemerkung Rn. 33 ff.
29 In Deutschland erfolgte die Umsetzung der SE-RL durch das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft, im Folgenden: SEBG. Im Rahmen dem ihm hierbei überlassenen Gestaltungsspielraum ließ der deutsche Gesetzgeber die Prinzipien des deutschen Mitbestimmungsrechts einfließen; so ist beispielsweise in § 38 I SEBG der Grundsatz der gleichberechtigten Entscheidungsteilhabe wiederzufinden, siehe hierzu unter B. I. und vgl. Kleinsorge/Freis, SEBG, Einleitung Rn. 18.
30 Vgl. Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, II. Rn. 19.
31 Begrenzt wird die Mitbestimmungsautonomie allerdings durch die mitbestimmungsrechtlichen Besitzstandswahrung („Vorher-Nachher-Prinzip“, siehe unter B. II. 1. b)) und die Satzungsautonomie, vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 13 Rn. 37 u. 39.
32 Vgl. Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, II. Rn. 21 f.
33 Vgl. Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, II. Rn. 23 f.
34 Vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 13 Rn. 36; Kienast in HdbSE, 13. Kapitel, II. Rn. 36; Kisker, RdA 2006, 206 (207); Naber/Sittard in MHdbA, Band 4, § 383 Rn. 12.
35 Siehe hierzu unter C. I. 2. a).
36 Vgl. Oetker in L/H/T, SE-Kommentar, B., Vorbemerkung Rn. 33.
37 Aus diesem Grund und angesichts der geringeren wirtschaftlichen Bedeutung der SCE erübrigt sich hier eine intensivere Erörterung, vgl. Kisker, RdA 2006, 206 (208).
38 Um hier der Chronologie der EU-Gesetzgebung zu folgen und die Besonderheiten der jeweiligen Regelungen zu verdeutlichen, erfolgt die Darstellung der die VerschmelzungsRL ablösenden MobilitätsRL separat unter B. II. 4.
39 EuGH, Urteil vom 13.12.2005 - Rs. C-411/03, EuZW-Sonderausgabe 2017, 57.
40 Vgl. Habersack /Henssler, Mitbestimmungsrecht, I., Einleitung Rn. 80; Kisker, RdA 2006, 206 (209); Naber/Sittard in MHdbA, Band 4, § 383 Rn. 21 f.
41 Vgl. etwa Nagel, NZG 2006, 97 (97 ff.).
42 Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, im Folgenden: GesRRL. Die am 27. November 2019 erlassene MobilitätsRL ersetzt die VerschmelzungsRL. Die seit dem 01. Januar 2020 geltende Fassung der GesRRL enthält nicht mehr die der VerschmelzungsRL entstammenden Regelungen, sondern die der MobilitätsRL. Um bei Normtextverweisen nicht zwischen den jeweiligen Fassungen der GesRRL unterscheiden zu müssen, wird zwecks Übersichtlichkeit unter B. II. 3. auf die VerschmelzungsRL (Fassung vom 02. Juli 2014) verwiesen. Bei der Erörterung der MobilitätsRL unter B. II. 4. wird dann die aktuell gültige Fassung der GesRRL herangezogen.
43 Naber/Sittard in MHdbA, Band 4, § 383 Rn. 23.
44 Obwohl die inhaltlichen Abweichungen zur SE-RL bei der VerschmelzungsRL größer sind als bei der SCE-RL, entschied sich der EU-Gesetzgeber mit Art. 16 III VerschmelzungsRL für eine Verweislösung, wodurch die Norm etwas verkompliziert wird, vgl. Kisker, RdA 2006, 206 (209).
45 Vgl. EuGH, Urteil vom 20.06.2013 - Rs. C-635/11, EuZW 2013, 662; Habersack/Verse, EuropGesR, § 8 Rn. 67.
46 Zur Begriffsbestimmung anhand Art. 2 k) SE-RL siehe unter A.
47 Vgl. Selent, NZG 2018, 1171 (1173).
48 Vgl. Selent, NZG 2018, 1171 (1173).
49 Vgl. Selent, NZG 2018, 1171 (1174).
50 Vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 8 Rn. 69; Kisker, RdA 2006, 206 (210); Nagel, NZG 2006, 97 (98).
51 Vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 8 Rn. 70; Kisker, RdA 2006, 206 (211); Nagel, NZG 2006, 97 (98).
52 Vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 8 Rn. 70.
53 Verwaltungsorgan meint Verwaltungsrat/Board. Die Vorschrift betrifft also die Situation, dass eine zuvor mitbestimmte Gesellschaft (monistisch oder dualistisch strukturiert) auf eine Gesellschaft monistischer Verfassung verschmolzen wird, vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 8 Rn. 71; Kisker, RdA 2006, 206 (210); Nagel, NZG 2006, 97 (98).
54 Vgl. Habersack/Verse, EuropGesR, § 8 Rn. 71; Nagel, NZG 2006, 97 (98).
55 Vgl. etwa Nagel, NZG 2006, 97 (98).
56 Vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 4a Rn. 16 ff.; Brandi, BB 2018, 2626 (2627 f.); Teichmann, NZG 2019, 241 (243).
57 EuGH, Urteil vom 16.12.2008 - Rs. C-210/06, NZG 2009, 61.
58 EuGH, Urteil vom 12.07.2012 - Rs. C-378/10, NJW 2012, 2715.
59 Vgl. exemplarisch die Anmerkungen von Heuschmid/Hlava, NZA 2018, 418 (428) und Hushahn, RNotZ 2018, 23 (25).
60 EuGH, Urteil vom 25.10.2017 - Rs. C-106/16, NZG 2017, 1308.
61 Vgl. Kindler, NZG 2018, 1 (2 f.); Stelmaszczyk, EuZW 2017, 890 (890 ff.).
62 Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht.
63 Siehe hierzu unter B. II. 3.
64 Siehe hierzu und zu den in dieser Abhandlung daher verwendeten Normverweisen unter B. II. 3. (Fn. 42).
65 Umwandlung meint gem. Art. 86b Nr. 2 GesRRL einen Vorgang, durch den eine Gesellschaft ohne Auflösung, Abwicklung oder Liquidation die Rechtsform, in der sie im Wegzugsmitgliedstaat eingetragen ist, in eine Rechtsform des Zuzugsmitgliedstaats umwandelt und mindestens ihren satzungsmäßigen Sitz unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit in den Zuzugsmitgliedstaat verlegt. Gemeint ist (nach deutschem Verständnis) also der Vorgang des „Formwechsels“. In Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des deutschen UmwG sollen im Folgenden Verschmelzung, Formwechsel und Spaltung unter den Oberbegriff der „Umwandlungen“ fallen und „Formwechsel“ den in Art. 86b Nr. 2 GesRRL genannten Vorgang meinen, vgl. Bayer/Schmidt, BB 2018, 2562 (2569); Knaier, GmbHR 2018, 607 (617); Wicke, DStR 2018, 2642 (2642 f.).
66 Geregelt sind allerdings nur Spaltungen zur Neugründung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung); Spaltungen zur Aufnahme sind nicht Teil des neuen Rechtsrahmens, vgl. Bayer/Schmidt, BB 2019, 1922 (1926 f.).
67 Siehe hierzu unter B. II. 3.
68 Siehe hierzu unter B. II. 3. b).
69 Vgl. Selent, NZG 2018, 1171 (1173).
70 Vgl. Bayer/Schmidt, BB 2019, 1922 (1934); Selent, NZG 2018, 1171 (1173); Teichmann, NZG 2019, 241 (246 f.).
71 Vgl. Selent, NZG 2018, 1171 (1173).
72 Siehe hierzu unter C. I. 2. b) und E. III. 1. c).
73 Die ursprüngliche Fassung dieser Perpetuierungsklausel umfasste nur innerstaatliche Umwandlung. Im Kommissionsentwurf waren nur drei Jahre vorgesehen, vgl. Bayer/Schmidt, BB 2019, 1922 (1934); dies. in BB 2018, 2562 (2568); Selent, NZG 2018, 1171 (1175).
74 Vgl. Bayer/Schmidt, BB 2019, 1922 (1934).
75 Vgl. Bayer/Schmidt, BB 2018, 2562 (2569).
76 Vgl. Bayer/Schmidt, BB 2019, 1922 (1934); Selent, NZG 2018, 1171 (1174).