Horrorfilm und Lebensphase Jugend


Hausarbeit, 2007

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Gewaltbegriff
1.1 Personale Gewalt
1.1.1 Physische vs. psychische Gewalt
1.2 Strukturelle Gewalt

2. Ausgewählte Theorien zur Gewaltentwicklung
2.1 Katharsisthese
2.2 Inhibitionsthese
2.3 Stimulationsthese
2.4 Habitualisierungsthese
2.5 These der kognitiven Unterstützung
2.6 Theorie der Wirkungslosigkeit
2.7 Sozial-kognitive Lerntheorie (Lerntheorie I)
2.8 Lerntheorie II

3. Zur Einschätzung des Forschungsstandes

4. Entwicklungsphase Jugend
4.1 Kognitive, emotionale und soziale Entwicklungsfaktoren
4.2 Die Rolle der körperlichen Entwicklungsfaktoren bei Jungen
4.3 Die jugendliche Identitätsfrage und neue Ideale

5. Die Faszination Jugendlicher an medialen Gewaltdarstellungen

6. Horrorfilmkonsum und der Einfluss des sozialen Status‘

Schlusswort

Literatur

Einleitung

Die Diskussion um Gewalt in den Medien ist etwa so alt wie die Medien selbst. Diskussionsansätze findet man bereits in der Antike bei Platon und Aristoteles, die sich mit der Frage beschäftigten, welche Reaktionen dargestellte Gewalt beim Betrachter auslösen. Mit dem Einzug der neuen Medien wie Fernseher, Videorecorder, DVD-Player und PC in Privathaushalte entflammte die Diskussion erneut. Spätestens seit dem 26. April 2002, als der 19-jährige Robert Steinhäuser in seiner Schule in Erfurt erst 16 Menschen und dann sich selbst erschoss[1], erreichte die Debatte um Gewalt in den Medien einen neuen Höhepunkt. Während die einen von Kriminalisierung unserer Jugend durch Fernsehen und PC sprechen, negieren die anderen einen direkten Zusammenhang zwischen Aggressivität und medialer Gewalt.

Es ist anzunehmen, dass das Fernsehen und der Computer für viele Jugendliche eine immer größere Rolle spielen, und dass sie sich aufgrund ihrer entwicklungsbedingten hohen Aufnahmefähigkeit schnell verleiten lassen. Gestützt wird diese Annahme durch den Fakt, dass gewaltreiche Medienangebote besonders von Jugendlichen konsumiert werden. Betrachtet man auch den Aspekt der Kriminalität, so lässt sich unschwer erkennen, dass besonders Jugendliche in dieser sensiblen Lebensphase ein hohes Maß an Straffälligkeit aufweisen.

In der folgenden Arbeit möchte ich mich mit den verschiedenen Theorien zur Gewaltwirkung befassen. Dabei werde ich auf die Besonderheiten der jugendlichen Lebensphase aus entwicklungspsychologischer Sicht eingehen und auf die verschiedenen Motive selbst, die Jugendliche dazu bringen sich Gewaltfilme anzuschauen. Auf die einzelnen Bedeutungsebenen der verschiedenen Horrorfilmgenres möchte ich in diesem Rahmen jedoch nicht eingehen. Vielmehr soll neben den möglichen Wirkungsthesen die Faszination der Filmgewalt aus der Sicht der Jugendlichen erklärt und sowohl in den Rahmen ihres besonderen Entwicklungsprozesses als auch in die Frage nach dem sozialen Status eingeordnet werden.

1. Der Gewaltbegriff

Gewalt ist heutzutage ein weitreichender und viel diskutierter Begriff. Der allgemeingültige Brockhaus definiert Gewalt als eine „Anwendung von physischem oder psychischem Zwang gegenüber Menschen.“[2] Dabei umfasst sie „die rohe, gegen Sitte und Recht verstoßende Einwirkung auf Personen“[3] und „das Durchsetzungsvermögen in Macht- und Herrschaftsbeziehungen.“[4] Entgegen dem Englischen und Französischen vereint der deutsche Begriff ‚Gewalt’ jedoch verschiedene Bedeutungsträger. Einerseits bezeichnet er die staatliche Machtbefugnis, andererseits bezeichnet er die darüber hinausgehende Gewaltherrschaft und die individuelle Gewalttätigkeit.[5] Im Rahmen des thematischen Kontexts meiner Arbeit möchte ich mich jedoch auf Letzteres beschränken. Eine im Rahmen meiner Arbeit passende Definition von Gewalt findet man u.a. bei Schorb und Theunert: „Gewalt ist die Manifestation von Macht und/oder Herrschaft, mit der Folge und/oder dem Ziel der Schädigung von einzelnen oder Gruppen von Menschen.“[6]

1.1 Personale Gewalt

Differenziert man den Gewaltbegriff weiter, so muss zwischen personaler und struktureller Gewalt unterschieden werden. Kunczik definiert personale Gewalt als eine „beabsichtigte physische und/oder psychische Schädigung einer Person, von Lebewesen und Sachen durch eine andere Person“.[7] Bei der personalen Gewalt gibt es also eine klare Täter-Opfer-Beziehung mit einer deutlich sichtbaren Handlung. Dabei übt eine Person direkte Gewalt aus, während eine andere diese Gewalt direkt erfährt.[8]

1.1.1 Physische vs. psychische Gewalt

Psychische Gewalt ist nicht immer eine sichtbare Aktion und richtet sich gegen die Psyche. Dahingegen hat die physische Gewalt eine Verminderung der körperlichen Unversehrtheit zum Ziel und ist meistens sichtbar. „Physische Gewalt äußert sich als direkte Aggression gegen eine Person (z.B. schlagen), während sich psychische Gewalt in indirekte Weise z.B. durch Verhaltensweisen wie Nichthören, absichtliches Missverstehen, Vergessen wichtiger Angelegenheiten u.a. manifestieren kann.“[9] Unter physischer Gewalt lassen sich also alle Formen der körperlichen Zerstörung, Schädigung oder Verletzung zusammenfassen. Sowohl in den Medien als auch in der Realität kann sich dies u.a. durch Schlagen, Kämpfen, Treten oder Schädigung des Körpers mittels Gegenständen äußern. Psychische Schäden durch Gewalteinwirkung können auf vielen vielschichtigen Ebenen zum Tragen kommen. Beispielsweise können sich auf geistig-kognitiver Ebene Konzentrationsstörungen und Unfähigkeit zur Meinungsäußerung ergeben, während Angst, Verzweiflung und Misstrauen Schäden auf emotional-affektiver Ebene bedeuten können. Auch Kontaktschwierigkeiten und Redehemmungen sind ein Beispiel psychischer Schädigung, die sich auf kommunikativer Ebene auswirken. Die Beispiele der Schäden durch psychische Gewalteinwirkung reichen weit.[10]

Nicht zuletzt muss auch erwähnt werden, dass der Aspekt der physischen Gewalt mit der psychischen verbunden sein kann. Wer körperliche Gewalt erfährt, trägt neben den körperlichen Schäden nicht selten auch psychische Beeinträchtigungen mit davon.

1.2 Strukturelle Gewalt

Während sich die personale Gewalt mit den Beziehungen mindestens zweier Personen direkt zueinander beschäftigt, konzentriert sich die strukturelle Gewalt eher auf das Problem der sozialen Ungerechtigkeit. Galtung beschreibt die strukturelle Gewalt als eine „strukturelle [...] Gewalt, bei der es kein handelndes Subjekt gibt; es tritt niemand in Erscheinung, der direkt Schaden zufügt: [...] Die Gewalt ist in das System eingebaut und äußert sich in ungleichen Machtverhältnissen und folglich in ungleichen Lebenschancen“[11]. Ergänzend fügt Wierth-Heining hinzu, dass strukturelle Gewalt sich hauptsächlich in dauerhaften (gesellschaftlichen) Zuständen zeigt, und dass sie nur in ihren Folgen, nicht aber direkt, sichtbar ist. Außerdem richtet sich strukturelle Gewalt in der Regel nicht direkt gegen andere Personen. Sie führt zwar zur Schädigung einzelner Individuen, ist aber in ihrer Intention nicht absichtlich gegen diese gerichtet, da sie mehr auf ein Kollektiv bzw. eine bestimmte Gruppe abzielt.[12]

2. Ausgewählte Theorien zur Gewaltentwicklung

Bevor ich die einzelnen Theorien zur Gewaltwirkung näher vorstelle, muss erwähnt werden, dass die Auswirkungen einer bestimmten Sendung mit violenten Darstellungen abhängig vom Inhalt selbst, von der Persönlichkeit des Zuschauers, sowie von der Situation, in der sie gesehen wird, abhängt.[13]

2.1 Katharsistheorie

Eine der ältesten Theorien, die sich mit den Wirkungen von Gewaltdarstellungen auf den Zuschauer beschäftigt, ist die Katharsistheorie. Sie lässt sich bis zu Aristoteles zurückführen. Der Begriff „Katharsis“ ist griechisch und bedeutet Reinigung. Die Anhänger dieser Theorie, die zumeist von einem angeborenen Aggressionstrieb ausgehen, behaupten, dass fiktive Gewalt im Fernsehen den Zuschauer von seinen Aggressionen und Angstgefühlen reinigt. Der Zuschauer sieht und erlebt Gewalt im Fernsehen. Er schießt und kämpft mit, wenn im Fernsehen gekämpft wird. Laut dieser Theorie reagiert er seine inneren Ängste und Aggressionen dadurch ab und erlebt am Ende eine positive Reinigung. Demzufolge ist der Konsum von Gewaltsequenzen nach dieser Theorie nicht nur nicht schädlich, sondern aufgrund der reinigenden Wirkung sogar förderlich.[14] Im Laufe der Zeit wurde die Katharsisthese mehrmals überarbeitet. Merten unterscheidet dabei drei nennenswerte Formen. Zum Einen erzeuge jede Fantasieaggression kathartische Effekte. Des Weiteren wird die Wirkungstheorie insoweit eingeschränkt, dass die Rezeption von Gewalt in den Medien nur dann aggressionsreduzierend wirken kann, wenn der Zuschauer auch emotional erregt und zur Aggression geneigt ist. In der dritten Variante wird aufgeführt, dass aggressionsmindernde Effekte nur dann auftreten können, wenn Verletzungen und Schmerzen in ausdrucksstarker Form gezeigt werden.[15]

Alle drei Formen der Katharsistheorie gelten heute als weitestgehend widerlegt.

2.2 Inhibitionsthese

Anlehnend an die Katharsistheorie beschäftigt sich die Inhibitionsthese ebenfalls mit dem Modell, dass rezipierte Gewalt in den Medien die eigene Aggressionsbereitschaft in der Realität hemmt. Die Inhibitionsthese geht jedoch nicht von einem inneren Abbau aggressiver Neigungen, sondern von einem Aufbau von persönlichen Angstzuständen aus. Demnach sinkt die Gewaltbereitschaft beim Betrachter durch den inneren Aufbau von Angst, die sich proportional zur Intensität der Gewaltdarstellungen und den damit verbundenen Konsequenzen entwickelt.[16]

2.3 Stimulationsthese

Anders als bei der Katharsistheorie und der Inhibitionsthese geht die Stimulationsthese nicht von einer Minderung der Gewaltbereitschaft durch Rezeption gewaltreicher Mediendarstellungen, sondern von einer Erhöhung des Gewaltpotenzials aus. Jedoch wird bei dieser Wirkungsthese vorausgesetzt, dass der Rezipient sich bereits im Vorfeld in einem frustrierten, verärgerten und gewaltbereiten Zustand befindet und es sich bei den rezipierten Gewaltdarstellungen um nach Ansicht des Rezipienten gerechtfertigte Gewalt handelt.[17]

2.4 Habitualisierungsthese

Ausgehend von dem lateinischen Wort habituere = sich an etwas gewöhnen führt ständiger medialer Gewaltkonsum nach der Habitualisierungsthese zu einer Art Gewöhnung und Desensibilität gegenüber Gewalt. Durch stetigen Gewaltkonsum in den Medien stumpft der Zuschauer allmählich ab, erlebt Gewalt zunehmend als Bestandteil realer Alltagssituationen und empfindet dieser gegenüber eine gewisse Gleichgültigkeit. Es muss jedoch angemerkt werden, dass zu dieser These bisher keine stützenden Untersuchungsergebnisse vorliegen, obwohl der Versuch dazu bereits unternommen wurde.[18]

2.5 These der kognitiven Unterstützung

Kunczik geht davon aus, dass es für „Individuen mit relativ begrenzten kognitiven Fähigkeiten (niedriger Intelligenz) und einer damit verbundenen relativ schwach ausgebildeten Einbildungskraft (Phantasie) notwendig sei, sich auf externe Quellen (z.B. Fernsehen) zu verlassen, die sie mit phantasieanregendem Material versorgen. Dadurch erfahre die Fähigkeit, aggressive Impulse kontrollieren zu können, eine kognitive Unterstützung.“[19] In einer Studie von Feshbach und Singer (1971) bestätigte sich jedoch die Frage nach dem Einfluss auf das aggressive Verhalten der Probanden trotz der gegenteiligen Dateninterpretation nicht.[20]

2.6 Theorie der Wirkungslosigkeit

Diese Theorie vertritt, wie ihr Name schon sagt, die Ansicht, dass gewaltreiche Darstellungen in den Medien keine Auswirkungen auf den Rezipienten haben, da dieser im Normalfall zwischen realer und fiktiver Gewalt zu unterscheiden weiß. Die Vertreter dieser Theorie begründen ihre Meinung damit, dass „in der Gesellschaft relativ klar gefügte normative Vorstellungen bezüglich der Angemessenheit gewalttätigen Verhaltens herrschen“.[21] Merten fügt jedoch hinzu, dass sich die These der Wirkungslosigkeit nur auf das Fehlen langfristig angelegter Studien und Ergebnisse bezüglich der anderen Vergleichstheorien stützen würde. Jedoch stimmen die Vertreter einer möglichen kurzfristigen emotionalen Erregung durch den Konsum von Fernsehgewalt zu.[22]

[...]


[1] Müller (2004) S.7

[2] Brockhaus multimedial 2005

[3] Brockhaus multimedial 2005

[4] Brockhaus multimedial 2005

[5] Brockhaus multimedial 2005

[6] Schorb/Theunert in: Wierth-Heining (2000) S.15

[7] Kunczik in: Merten (1999) S.22

[8] Wierth-Heining (2000) S.15

[9] Neubauer et al.in: Merten (1999) S.25

[10] Wierth-Heining (2000) S.16f.

[11] Galtung in: Merten (1999) S.23

[12] Wierth-Heining (2000) S.18

[13] Bundesministerium des Inneren (1996) S.16

[14] Merten (1999) S.130f.

[15] Merten (1999) S.131

[16] Bundesministerium des Inneren (1996) S.17

[17] Kunczik (1987) in: Merten (1999) S.132

[18] Bundesministerium des Inneren (1996) S.18f

[19] Kunczik (1996) S.67

[20] Bundesministerium des Inneren (1996) S.17f

[21] Bundesministerium des Inneren (1996) S.19

[22] Merten (1999) S.134

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Horrorfilm und Lebensphase Jugend
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Filmseminar - Horror, Klassik, Kult und Trash
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V116211
ISBN (eBook)
9783640182237
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Horrorfilm, Lebensphase, Jugend, Filmseminar, Horror, Klassik, Kult, Trash
Arbeit zitieren
Anja Kleint (Autor:in), 2007, Horrorfilm und Lebensphase Jugend, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116211

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