Die Bachelorarbeit analysiert, mit welchem Frauenbild die Generation Z aufgewachsen ist beziehungsweise aufwächst und welches Frauenbild sich in ihr geprägt hat. Des Weiteren wird analysiert, in welcher Form sich Sexismus heutzutage darstellt und ob er überhaupt vorhanden ist. Welche aufgezeigten Missstände von Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir sind immer noch aktuell? Welche Grenzen und Möglichkeiten sind den Frauen der heutigen Generation gesetzt? Wie viele von ihnen setzten sich noch für die Realisierung der Frauenrechte ein?
Die Arbeit befasst sich mit den Biografien der beiden bekannten Feministinnen Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer sowie deren bekanntesten Werke und deren kritischen Betrachtung. Eine Gegenüberstellung soll daraufhin deutlich machen, welche Ziele die beiden Frauen hatten und welche Themen die beiden Frauen verband.
Schließlich richtet die Arbeit den Fokus auf die Generation Z und deren moralischen Werte und die Umstände, in denen diese Generation aufwächst. Darauffolgend befasst sich ein Kapitel exemplarisch mit den Feministinnen Laurie Penny und Margarete Stokowski, da diese mit ihren Arbeiten und Aussagen die Generation Z beeinflussen. Die Begriffe TikTok und Metoo stellen die Widersprüche der heutigen Zeit dar, in denen sich junge Menschen, aber vor allem Mädchen, befinden.
1. Einleitung
2. Sexismus, Frauenbild und Feminismus
3. Simone de Beauvoir
3.1 Biographie
3.2 Das andere Geschlecht - "Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es"
3.3 Kritische Betrachtung zu Simone de Beauvoir und ihrem Lebenswerk..
4. Alice Schwarzer - "Das Gesicht des deutschen Feminismus"
4.1 Biographie
4.2 ,Der kleine Unterschied' und seine großen Folgen
4.3 ,Emma'
4.4 Kritischer Diskurs zum Lebenswerk von Alice Schwarzer
5. Welche Kritik an der Gesellschaft und welche damit verbundenen Hoffnungen und Visionen auf Veränderung hatten die beiden Frauen?
5.1 Macht und Unterwerfung
5.2 Mutterschaft und Abtreibung
5.3 Erwerbstätigkeit
5.4 Diätwahn und Erscheinungsbild
5.5 Prostitution
6. Wer ist die Generation Z - welche moralischen Werte hat sie?
7. Margarete Stokowski und Laurie Penny - Die neuen Feministinnen
8. Metoo Bewegung
9. Was wurde aus den Visionen von Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer? Wieviel Sexismus herrscht noch zu Zeiten der Generation Z und wie geht diese hiermit um?
9.1 Macht und Unterwerfung / sexuelle Straftaten
9.2 Geschlechterhierarchie
9.3 Mutterschaft und Abtreibung
9.4 Erwerbstätigkeit
9.5 Der Körper der Frau
9.6 Geschlechtererziehung
9.7 Sexismus im Spitzensport
9.8 Prostitution
10. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In Artikel 3 unseres deutschen Grundgesetzes steht, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich und Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Der Staat, so unser Grundgesetz, fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Niemand darf wegen seines Geschlechts benachteiligt werden (vgl. Bundestag.de, 2021). Dieses Gesetz musste von unseren Vorfahrinnen erkämpft werden und wir haben es starken Frauen zu verdanken, dass wir in der Selbstverständlichkeit unserer Rechte leben dürfen. Oft wird diese Tatsache vergessen, wenn wir uns über die Stellung der Frauen in anderen Kulturkreisen echauffieren. Wie fortgeschritten ein Land in seiner Emanzipation ist, korreliert meist auch mit dem grundsätzlichen Entwicklungsstand des Landes. Doch ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau wirklich gelebter Alltag im hochentwickelten Deutschland? Welche Indizien gibt es hierfür, was spricht dafür und was spricht dagegen?
Die vorliegende Bachelorarbeit soll analysieren, mit welchem Frauenbild die Generation Z aufgewachsen ist beziehungsweise aufwächst und welches Frauenbild sich in ihr geprägt hat. Des Weiteren soll sie ebenso analysieren in welcher Form sich Sexismus heutzutage darstellt und ob er überhaupt vorhanden ist.
Zum besseren Verständnis werden zu Beginn der Arbeit wichtige grundlegende Begriffserklärungen dargelegt, um einen Einstieg in die Thematik zu schaffen. Danach befasst sie sich mit den Biografien der beiden bekannten Feministinnen Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer sowie deren bekanntesten Werke und deren kritischen Betrachtung. Eine Gegenüberstellung soll daraufhin deutlich machen, welche Ziele die beiden Frauen hatten und welche Themen die beiden Frauen verband.
In ihrem Buch „Das andere Geschlecht“ schrieb Simone de Beauvoirs den legendären Satz „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Beauvoir, 2020: 334) und wies auf den Unterschied der Geschlechter hin in ihren Lebensbedingungen. Damals sah sie sich noch als Antifeministin und glaubte an die automatische Lösung für die Frauenfrage. Als sie 20 Jahre später Alice Schwarzer kennenlernte, für die Simone de Beauvoir ein Vorbild darstellte, hatte sich die Situation geändert und beide Frauen waren aktive Feministinnen. Alice Schwarzer setzt ihren feministischen Fokus dabei damals wie heute mehr auf die Sexualität als Unterdrückung der Frau, im Gegensatz zu Simone de Beauvoir, der es mehr um die Rolle der Frau und um ihre Freiheit und Selbstbestimmung ging.
Nachdem sich Kapitel sechs dann mit der Generation Z und deren Werten befasst und erklärt wird, was die Metoo Bewegung darstellt, wird aufgezeigt, was in der heutigen Zeit von den Zielen und Visionen von Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir übriggeblieben ist, ob ihre Ziele bis heute umgesetzt werden konnten und wie die heutige Generation Z zu diesen steht. Ist den Teenagern von heute bewusst, wofür diese Frauen kämpften und welche Wege sie in Sachen Feminismus für uns geebnet haben?
Ein Kapitel der Arbeit richtet den Fokus dann anschließend auf die Generation Z und deren moralischen Werte und die Umstände, in denen diese Generation aufwächst. Darauffolgend befasst sich ein Kapitel exemplarisch mit den Feministinnen Laurie Penny und Margarete Stokowski, da diese mit ihren Arbeiten und Aussagen die Generation Z beeinflussen.
Die Begriffe TikTok und Metoo fungieren vor allem als Schlagworte im Titel meiner Arbeit und sollen die Widersprüche der heutigen Zeit darstellen, in denen sich junge Menschen, aber vor allem Mädchen befinden. Die Begriffe TikTok und Me- too sind also kein Hauptbestandteil der vorliegenden Recherche, sondern sollen vielmehr die konträren Seiten aufzeigen, zwischen denen sich junge Frauen bewegen. Die Plattform TikTok bietet derzeit vor allem jungen Mädchen viel Raum zur Selbstdarstellung, oft eben leider auch der Darstellung von sich selbst als Sexobjekt. Fraglich ist dabei, ob sie sich dessen überhaupt bewusst sind oder nicht. Werden damit, also durch eine eventuelle nicht Wertschätzung, die von Schwarzer und Beauvoir hart erkämpften Sichtweisen auf das Frauenbild getreten? Die Bewegung Metoo hingegen hatte einen Aufschrei gegen sexuelle Gewalt und eine Solidarisierung aller Frauen weltweit zum Ziel. Um diese Bewegung, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Frauen der Generation Z hat, zu erläutern, wird ihr ein separates Kapitel gewidmet.
Abschließend widmet sich die Arbeit mit der Analyse der Ist-Situation im Hinblick auf die Gleichberechtigung heutzutage. Welche aufgezeigten Missstände von Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir sind immer noch aktuell? Welche Grenzen und Möglichkeiten sind den Frauen der heutigen Generation gesetzt? Wie viele von ihnen setzten sich noch für die Realisierung der Frauenrechte ein?
2. Sexismus, Frauenbild und Feminismus
Laut Duden ist Sexismus die Vorstellung, nach der ein Geschlecht dem anderen von Natur aus überlegen ist, und die daher für gerechtfertigt gehaltene Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Erstmals 1980 stand dieses Wort im Rechtschreibwörterbuch der deutschen Sprache (vgl. Duden.de, 2021). Was Sexismus bedeutet und wie dieser funktioniert, lässt sich gut am Beispiel von Produktwerbung erklären. Dort wird häufig mit sexuellen Anzüglichkeiten auf Kosten des Bildes der Frau gearbeitet, und diese fördert so ein sexistisches Frauenbild. Der weibliche Körper und damit weiblicher Sex werden zur Anpreisung von Waren verwendet und die Frau wird somit zum Objekt degradiert. So stellt eine amerikanische Studie in Bezug auf Werbung beispielsweise eine Unterrepräsentierung von Frauen in beruflichen Kontexten fest. Frauen werden vor allem als Mütter oder Sexsymbol dargestellt und sind dabei einem gesellschaftlichen Schönheits- und Schlankheitsideal unterworfen. Werbung repräsentiert den Menschen an sich heutzutage auffallend schön, attraktiv, körperbetont, sexy. Es werden Vorstellungen darüber, wie Männer, aber vor allem Frauen sein sollen, beeinflusst. Damit wird ein richtungweisendes Frauenbild produziert. Frauenkörper werden für jegliche Produkte eingesetzt, auch wenn diese gar nichts mit der Frau an sich zu tun haben. So werden Frauenkörper wie Konsumartikel dargestellt, als dauerhaft jung, schön und unverbraucht. Oft sind auch nur einzelne Körperteile, wie der weibliche Busen, das Dekolleté, die Beine oder lasziv geöffnete Lippen zu sehen. So werden unrealistische Vorbilder vor allem für junge Frauen produziert. Sexismus ist respektlos, da es den Menschen auf ein biologisches Geschlecht und den Körper reduziert. In erster Linie sind Frauen von Sexismus betroffen (vgl. Bogensperger, Brunnauer, 2018: 21 ff.).
Der Begriff Frauenbild stellt das Bild dar, das ein Mensch von Frauen hat. Dieses Bild kann beispielsweise von den Medien transportiert worden sein (vgl. Du- den.de, 2021).
Zum Wort Feminismus steht im Duden: „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt“ (Duden.de, 2021).
Zu lange war die Frau dem Mann untergeordnet, hatte ihren Platz in der Küche und bei den Kindern. Erst in den letzten 150 Jahren wurden Gesetzesbestimmungen, die Frauen weniger Rechte zusprachen als Männern, in der westlichen Welt geändert. Zuvor hatten Frauen nur begrenzten Zugang zu Bildung, waren von den meisten Berufen ausgeschlossen und durften nicht wählen oder sich für Ämter zur Wahl stellen. Verheiratete Frauen benötigten eine Erlaubnis ihres Ehemannes, um arbeiten gehen zu dürfen. Frauenbewegungen, welche in den vergangenen zwei Jahrhunderten für die Rechte der Frau gekämpft haben, haben erreicht, was wir heute für selbstverständlich erachten (vgl. Dupré, 2013: 88). Wie beispielsweise eine eigene Wohnung zu mieten, ein eigenes Konto zu führen, wählen zu dürfen, uneingeschränkten Zugang zu Bildung zu haben.
Bisher gab es drei Wellen des Feminismus in der westlichen Welt. Die erste Welle, welche im 18. Jahrhundert begann und sich bis in die 1920er Jahre zog, hatte das Ziel ein Wahlrecht für Frauen zu erkämpfen (vgl. Dupré, 2013: 88).
In Deutschland dürfen Frauen erst seit November 1918 wählen (vgl. Wolff, 2018). Auch wenn der Sieg für das Frauenwahlrecht ein großer Triumph war, gab es noch viel zu viele Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und Ungerechtigkeiten für Frauen in der westlichen Welt. Deshalb begann eine zweite Welle in den 1960er Jahren. Hier ging es darum neue Initiativen zu bilden und sie hatte das Ziel, jegliche Diskriminierung aus der Welt zu schaffen (vgl. Dupré, 2013: 90 f.). Die dritte Welle startete Ende des 20. Jahrhunderts. Ihre Protagonistinnen waren unangepasster, ironischer und ungestümer als zuvor, das Ziel war eine weltweite Verschwisterung und legte Wert auf Empathie gegenüber schwarzen Frauen und Frauen in der Dritten Welt (vgl. Dupré, 2013: 91).
3. Simone de Beauvoir
3.1 Biographie
Simone de Beauvoir war die bedeutendste feministische Theoretikerin des 20. Jahrhunderts (vgl. Schwarzer, 2008: 16).
Die folgenden Schilderungen des Lebens der französischen Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir, die von 1908 bis 1986 lebte und mit ihren Werken maßgeblich zur Entwicklung der weltweiten Frauenbewegung beitrug, und die für viele Frauen zum Vorbild und zur Wegbereiterin wurde, stammen zum Großteil aus der Dokumentation von Christine Zehl Romero. Zehl Romero wurde 29 Jahre nach der Frauenrechtlerin, Sozialistin und Philosophin geboren und war somit selbst Zeitgenossin. Sie selbst studierte wie Simone de Beauvoirs auch an der Sorbonne in Paris (vgl. Rowohlt.de, 2021).
Simone de Beauvoir wurde am 9. Januar 1908 in Paris geboren und wuchs in einer gesellschaftlich gut situierten großen Familie auf. Ihr Vater Georges, der das Adelsprädikat ,de' trug, war Jurist, die Familie lebte aber vor allem von einer Erbschaft, da der Vater harter Arbeit eher aus dem Wege ging. Die Mutter Franpoise will unbedingt eine vorzeigbare katholische Ehefrau sein. Auch wenn Georges die Gläubigkeit seiner Frau belächelt, unterstützt er die katholische Erziehung der Kinder, da er die Religion den Frauen und Kindern zuordnet (vgl. bpb.de, 2021). Simone bewunderte ihren Vater wegen seiner Brillanz, Belesenheit und seiner weltlichen Interessen. Sie trennte als Kind zwischen den gläubigen und ungläubigen Werten der Eltern, wollte aber zu beiden Welten gehören. Dieser Gegensatz trieb sie allerdings später zur Auflehnung. Mit vierzehn Jahren wurde ihr klar, dass sie nicht mehr an Gott glaubte und nicht bereit war, für den Glauben auf irdische Freuden zu verzichten. Nach diesem Wendepunkt bezeichnete sie sich selbst als Intellektuelle (vgl. Zehl Romero, 1978: 14 ff.).
Simone erzählte später jedoch, dass sie von ihrer Familie ein Gefühl von Sicherheit und Wärme bekam und von welch persönlicher Wichtigkeit dies für sie als Kind war. Ihre Familie hatte stets Nachsicht mit ihren Launen, was ihren Anspruch anderen gegenüber förderte. Die Beauvoirs zählten zur französischen Bourgeoisie, die Klasse, die Simone, als intellektuelle Erwachsene, später bekämpfte. Nach dem ersten Weltkrieg verloren die Beauvoirs den Großteil ihres in russischen Aktien angelegten Vermögens und wurden so zu neuen Armen. Auch wenn es keine wirkliche Armut war, lebte Simone ab ihrem elften Lebensjahr in einfacheren gesellschaftlichen Umständen, da überall gespart werden musste. Die Familie legte ab dieser Zeit größeren Wert auf kulturelle Werte, und so wurde die Lektüre zur Hauptunterhaltung für Simone. Sie lernte, äußerem Ansehen in der Gesellschaft wenig Wichtigkeit beizumessen und entwickelte eine Ablehnung gegen das wohlhabende Bürgertum. Simone wohnte die ersten zwanzig Jahre in, wie von ihr formuliert, einem großen Dorf und sah sich als Ureinwohnerin der Pariser Viertel Montparnasse und St. German-des-Prés. Diese Viertel wurden später berühmt als Künstler- und Intellektuellenviertel. Simone liebte das Stadtleben, samt seinen Pflichten und Unterhaltungen. Die Familie Beauvoir verbrachten jeden Sommer auf dem Land, wie es in ihren Gesellschaftskreisen üblich war. Hier war sie gerne in der Natur (vgl. Zehl Romero, 1978: 7 ff.).
Ein besonderer Mensch für Simone war Elisabeth Nabille, Zaza genannt. Die Freundschaft zwischen den beiden entstand in der Schulzeit und hinterließ in ihr einen so tiefen Eindruck, dass sie ihr später mit ,Memoiren einer Tochter aus gutem Hause‘ ein Denkmal setzt. Sie empfand eine fanatische Zuneigung für Zaza, welche sie mit dem Vergnügen des geistigen Austausches und des täglichen einander Verstehens begründete. Die Form ihrer späteren Verhältnisse, vor allem das zu Sartre, wurden dadurch bestimmt. Durch diese Freundschaft wurde sie sich ihrer Individualität bewusst und verdankte Zaza ihre Jugend nicht in trostloser Einsamkeit verbracht zu haben (vgl. Zehl Romero, 1978: 19 f.).
Bereits mit zwölf Jahren begann sie, Kritik gegen ihre Eltern zu hegen, und das Verhältnis wurde immer schwieriger, denn sie ertrug Autorität nur mit Ungeduld. Vor allem das Verhältnis zu ihrer Mutter wurde immer schwieriger, obwohl sie den Verlust ihres Glaubens an Gott zunächst verbarg. Diese Situation war schwer für sie, da sie von Natur aus sehr ehrlich und mitteilsam war. Erst nach dem Abitur gestand sie ihre Abwendung von Gott. Dies und die Ablehnung des Wunsches nach Kindern und einem Dasein als Hausfrau führte zur totalen Entfremdung der beiden Frauen, da für die Mutter das Höchste im Leben die Mutterschaft war (vgl. Zehl Romero, 1978: 21 f.).
Aber Simone wollte nicht wie die anderen Frauen sein, sie wollte einen Platz in der Welt der Dichter, Schriftsteller und Gelehrten, in die ihr Vater sie einführte. Ihre Eltern entschieden, dass Simone erst Philologie, dann Philosophie studieren sollte. Doch als sie dann später mit Hingabe studierte und dabei ihre gesellschaftlichen Pflichten vernachlässigte, wurde ihr Vater feindselig, da er in ihr die Verkörperung seines Versagens sah. Sie fühlte sich falsch behandelt und begann gegen ihren Vater zu rebellieren. Bei sexuellen Themen gab es strenge Tabus in der Familie. Lange durfte sie abends nicht ausgehen und schon gar nicht in Begleitung eines Mannes. Also ging sie heimlich in Nachtlokale, vor allem um zu beobachten. Dennoch wohnte sie bis zum Schluss ihrer Studien bei den Eltern, von denen sie finanziell abhängig war (vgl. Zehl Romero, 1978: 21 ff.).
Während ihres Studiums lernte sie den Philosophen Jean-Paul Sartre kennen, mit dem sie eine lebenslange offene Liebesbeziehung hatte, ihn aber nie heiratete. Simone war bisexuell, doch gab sie anderen leidenschaftlichen Affären nie eine Chance, aus Liebe zu Sartre, mit dem sie eine Osmose verband und der vermutlich eine Art Medium für Simone war (vgl. Schwarzer, 2008: 21).
Der Pakt zwischen den beiden war deshalb so freizügig, da Sexualität zwischen den beiden keine große Rolle spielte (vgl. Schwarzer, 2011: 221). Simone hatte ein großes Anlehnungsbedürfnis und Sartre gab ihr das Gefühl von absoluter Sicherheit (vgl. Zehl Romero, 1978: 35). Die Basis ihrer Beziehung bestand in der vollständigen Gleichheit, die zwischen ihnen herrschte. Simone wollte eigene Leistungen hervorbringen, unabhängig sein. Deshalb wollte sie Schriftstellerin werden. Sartre half ihr, wie sie auch ihm. Eine Dreierbeziehung mit Sartre und einer Schülerin, von der sie sich irgendwann bedroht fühlte, veranlasste Simone den Roman ,L'invitée‘ (Sie kam und blieb) zu schreiben, den sie 1941 fertig stellte und der diese Beziehung widerspiegelt. Mit diesem Roman gelang ihr der Durchbruch zur Schriftstellerin (vgl. Zehl Romero, 1978: 49 f.).
Der zweite Weltkrieg machte aus der unpolitischen Simone eine geistig, gesellschaftlich und politisch zutiefst engagierte Frau, die Verantwortung und Solidarität für andere zum obersten Prinzip ihres Lebens ernannte. Nicht nur in Frankreich, sondern für die ganze Welt. Als Sartre an die Front musste und in Gefangenschaft geriet, löste dieses Angst Verbundenheit mit anderen Frauen in ihr aus (vgl. Zehl Romero, 1978: 55). Sartre gründete nach der Gefangenschaft 1941 eine Widerstandsbewegung. Beauvoir unterstütze ihn hierbei, nahm aber nicht aktiv teil, für sie war das Schreiben die einzige Form des Widerstandes. 1943 war sie inzwischen als Lehrerin tätig, wurde jedoch aus ihrer damaligen Schule entlassen, da sie eine Schülerin unterstützte, die mit einem jüdischen Dichter zusammen sein wollte. Sie bedauerte die Entlassung nicht, war aber zutiefst betroffen von der Hinrichtung des jungen Juden durch die Nazis (vgl. Zehl Romero, 1978: 57 f.).
Beauvoirs Werke zwischen 1941 und 1946 waren ihre Antwort auf die Kriegsjahre und leisteten einen wichtigen Beitrag zum frühen Existentialismus, für den Sartre einer der bekanntesten Vertreter war (vgl. Zehl Romero, 1978: 66). Sie selbst sah sich nicht als originelle Denkerin, sondern in erster Linie als Schülerin Sartres (vgl. Zehl Romero, 1978: 66 f.).
Als das Reisen nach dem Krieg wieder möglich war, wollte Beauvoir so viel wie möglich reisen, um die Welt kennenzulernen und über sie zu berichten. Sie quittierte den Schuldienst, in den sie zwischenzeitlich wieder aufgenommen worden war und lebte vom Schreiben und Sartres Unterstützung, da die beiden alle Einkünfte teilten (vgl. Zehl Romero, 1978: 85).
Sie übte Kritik an der Politik des Westens und reiste im Dienst der linksintellektuellen Internationale' auf der Suche nach dem wirklichen Sozialismus. Doch in ihrem Memoirenband ,Alles in allem' gestand sie später, dass all ihre Hoffnungen enttäuscht wurden (vgl. Zehl Romero, 1978: 89).
1948 bis 1951 hatte sie eine sehr emotionale Affäre mit Nelson Algren, den sie in den USA kennenlernte. Da er aber keine Nebenrolle spielen wollte, kam es zum Bruch. Sie wollte eine herzliche Freundschaft bewahren, doch er kritisierte sie später und machte sich über ihre Emotionalität lustig. Ihr selbst waren ihre Gefühlsausbrüche schon zuvor stets unangenehm, doch dadurch nun noch mehr (vgl. Zehl Romero, 1978: 92 ff.).
1952 begann sie eine Affäre mit dem 19 Jahre jüngeren Juden Claude Lanz- mann, der maßgebend zu ihrer Wendung zum Marxismus beitrug. Sie zogen zusammen und reisten viel. Sartre hatte in dieser Zeit ebenfalls eine Liaison, die Paare verbrachten viel Zeit zusammen (vgl. Zehl Romero, 1978: 103). 1946 schrieb sie ihr Hauptwerk ,Le Deuxième Sexe' (Das andere Geschlecht). Sie wurde von ihrer bevorzugten Stellung hierzu ermutigt, denn sie hatte nie unter der Herrschaft der Männer gelitten und hatte deshalb nach eigener Einschätzung einen unvoreingenommenen Blick auf die Frauen (vgl. Zehl Romero, 1978:120). Damals sah sie sich aber noch nicht als Feministin und das Schreiben als höchste Form der Rebellion gegen die Ungerechtigkeit. Erst 1970 änderte sich diese Einstellung, sie erkannte, dass sie mit ihrem Buch nichts verändert hatte und dass eine weltweite Frauenbewegung nötig war. So unterschrieb sie 1971 zusammen mit vielen anderen prominenten Frauen im Kampf um ein neues Abtreibungsgesetz in Frankreich eine öffentliche Erklärung: ,J'ai avortée‘ (Ich habe abgetrieben) (vgl. Zehl Romero, 1978: 125).
In ihren letzten Lebensjahren führte sie ein ruhigeres Leben. Sie war bis zu Sartres Tod 1980 seine Lebensgefährtin. Ihr Leben danach verbrachte sie mit der viel jüngeren Freundin Sylvie Le Bon und nahm sie nach Sartres Tod zur Adoptivtochter. Simone de Beauvoir starb am 14. April 1986 in Paris, ihrem Begräbnis folgte eine große Feier, um sie als Intellektuelle zu ehren. (vgl. Zehl Romero, 1978: 136).
3.2 Das andere Geschlecht "Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es"
Mit ihrem Buch „Das andere Geschlecht“ aus dem Jahr 1949 analysiert Simone de Beauvoir auf radikale Weise die Situation der Frau und inspiriert die neuen Frauenbewegungen (vgl. Schwarzer, 2008: 31). Allerdings distanzierte sich Beauvoir zu dieser Zeit noch von der Notwendigkeit der Existenz einer Frauenbewegung. Sie glaubt an eine automatische Lösung der Frauenfrage innerhalb des Sozialismus (vgl. Schwarzer, 2008: 17). Sie fühlt sich zum Zeitpunkt des Schreibens noch eins mit ihrer Zeit und beurteilte die Zukunft der Frau optimistischer als sie es später tat (vgl. Zehl Romero, 1978: 100).
Im Klappentext ihres Buches wird es folgendermaßen beschrieben: „Simone de Beauvoir überprüft die subjektiven und objektiven Einschränkungen und Belastungen, denen Frauen ausgesetzt waren und sind. Aus souveränem Verständnis, profundem Wissen und umsichtig angeordnetem überreichem Quellenmaterial formt sie die Diagnose von Ängsten, Frustrationen, Unterlegenheitsgefühlen, Kompensationen und ausweichenden Reaktionen, die der weiblichen Emanzipation noch immer entgegenstehen“ (Beauvoir, 2020: 2).
Das Werk ist wiederum in zwei Bücher unterteilt. Das erste Buch hat drei Teile und widmet sich ,Fakten und Mythen'. Sie analysiert hierbei bekannte Erklärungen aus der Biologie und Psychoanalyse sowie aus historischem Materialismus. Sie lehnt dabei bekannte Erklärungen ab und legt dar, wie die Rolle der Frau im Laufe der Zeit definiert wurde. Dabei ist ihr Freuds sexueller Monismus sowie Engels wirtschaftlicher Monismus zuwider. Sie sieht eine Hierarchie der Geschlechter und eine Welt die immer den Männern gehört hat. Der Mann hat eine Möglichkeit, sich seine Zukunft zu erschaffen wie er es sich wünscht, was der Frau durch ihre Reproduktionsfunktion als Mutter verwehrt bleibt (vgl. Zehl Romero, 1978: 121). Im zweiten Buch geht es um ,Gelebte Erfahrung', beginnend mit der berühmten Aussage „Man kommt nicht zur Frau zur Welt, man wird es“.
Hier schrieb Simone über konkrete Erfahrungen als Frau beziehungsweise der Frauen. Sie beschrieb die Entwicklung ab der Kindheit und über Sexualität. Es geht ihr auch um Homosexualität oder den heutigen Überbegriff ,Gender Diversity', sie ergreift die Stimme für Menschen, die verurteilt werden aufgrund ihrer Sexualität. Ebenso schreibt sie über die spätere Stellung der Frau in der Gesellschaft und ihre eingeschränkten Wahlmöglichkeiten für ihren Lebenswege. In den Kapiteln des zweiten Buches werden die einzelnen Beispiele, die sie erzählt, konkreter. Dabei zitiert sie hier viel aus Literatur, Briefen und Tagebüchern. Im vierten Teil des zweiten Buches wagt de Beauvoir einen Ausblick, wie „die unabhängige Frau“ aussehen könnte, welche gesellschaftlichen Änderungen es geben müsste, um ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Männern und Frauen zu ermöglichen. Nach de Beauvoir gibt es in der menschlichen Gesellschaft überhaupt nichts, was natürlich wäre, alles sei vom Menschen gemacht, so auch jede Hierarchie und jeder daraus entwachsene Konflikt. Als einzigen Ausbruch aus der Situation sieht sie das Anerkennen und Annehmen der eigenen Freiheit, die aber immer Risiken und wenig Bequemlichkeit mit sich bringt. Damit nimmt Beauvoir auch die Frauen in die Pflicht, die sich nicht auf ihrem Unterdrücktsein ausruhen dürfen. Sie ruft auf, nicht stillzusitzen und anderen das Ruder zu überlassen, sondern einzustehen für die eigenen Rechte. Denen, die bedauern, dass die wahre Weiblichkeit in diesem Prozess verloren ginge, hält sie entgegen, dass man das Schöne ja durchaus bewundern dürfe, man aber bereit sein müsse es zu opfern, wenn es Leid für andere bedeute. Insgesamt hat das Buch 900 eng bedruckte Seiten auf dünnem Papier (vgl. Beauvoir 1949).
Sie kritisiert die damalige Gesellschaft und die Rolle der Frauen, die über weite Teile der Geschichte keine juristisch eigenständigen Personen waren und die keine selbstständigen wirtschaftlichen Entscheidungen treffen konnten. Frauen hatten ständig einen Vormund, waren es die Eltern oder später der Ehemann, und sie waren somit zu lebenslanger Unmündigkeit verurteilt. Auch wenn sie vereinzelt Zugang zu Bildung hatten und ein hohes Niveau erreichen konnten, so waren Gesetze im Weg, die ihnen vollständige Selbständigkeit verwehrten. Sie sieht die Erziehung von Mädchen, die diese zu guten Ehefrauen und Müttern macht aber es verhindert, selbständig denkend zu werden.
3.3 Kritische Betrachtung zu Simone de Beauvoir und ihrem Lebenswerk
Beauvoir war ein sehr absoluter Mensch. Ihr war Verärgerung über Situationen oder Menschen, die ihr missfielen, deutlich anzumerken und sie war bekannt für ihren ,téte de chameau' (wörtlich übersetzt: Kamelkopf), ihre abweisende Miene. Doch hatte sie jemanden ins Herz geschlossen, so war dies von Dauer und echt (vgl. Schwarzer, 2008:1). Ihr wurde oft vorgeworfen, ob ihr nichts Entscheidendes fehle ohne eigene Kinder. Da ihr Lebensgefährte Sartre jedoch nie gefragt wurde, ob er sich als unvollständiger Mensch fühle, da er kein Vater war, ist dieser als Frage formulierte Vorwurf ungerecht. Beauvoirs war der Meinung, dass Mutterschaft keine Lebensaufgabe für die Frau darstelle und Mutterschaft im 20. Jahrhundert die Frauen zu Sklavinnen mache, die sie ans Haus band (vgl. Schwarzer, 2008: 19). Sie litt nicht unter ihrer Weiblichkeit, da sie respektiert wurde in ihren Entscheidungen und so die Vorteile beider Geschlechter genießen konnte. Sie dachte, die Frauen mit unvoreingenommenem Blick betrachten zu können, doch genau dies wurde ihr von anderen Frauen als Misogynismus (Frauenfeindlichkeit) vorgeworfen (vgl. Zehl Romero, 1978: 120).
Als Simone de Beauvoir ,Das andere Geschlecht' schrieb und veröffentlichte, war die Zweite Welle des Feminismus zwar noch nicht im Gange und ihre Thesen waren aufsehenerregend, doch sie sah sich noch nicht als Feministin. Erst in den 1970er Jahren sah sie sich dann selbst als Feministin und arbeitete mit anderen Feministinnen zusammen (vgl. Schwarzer, 2008: 15). Nach Erscheinen des Buches ,Das andere Geschlecht' wurde Simone de Beauvoir vorgeworfen, sie sei bei der Analyse stehen geblieben und habe keine Taktik für die Befreiung der Frauen entwickelt. Sie selbst gestand später, dass das Buch mit einem vagen Vertrauen in die Zukunft endet (vgl. Schwarzer, 2008: 44).
Manchmal verrannte sich Simone de Beauvoir im Vergleich der Ungerechtigkeiten und rutschte dabei in einen rassistischen Blick auf die Welt und eine hiervon geprägte Sprache ab. So verglich sie im zweiten Teil zum Beispiel die Stellung der Frau auf dem Arbeitsmarkt mit der Stellung schwarzer Ex-Kolonialbevölkerung in Frankreich. Obwohl sie selbst Liebesbeziehungen zu anderen Frauen hatte (vgl. Schwarzer, 2008: 22), versuchte sie Erklärungen über die Ursachen von Homosexualität zu ziehen.
Sie sah in der Frau ein soziales Konstrukt und nicht ein biologisches Geschlecht. Dennoch schloss sie mit ihrer Schilderung und Sichtweise auf ,die Frau' viele biologische Frauen aus. Besonders in ihrer Beschreibung der Ehefrau berücksichtigte sie vor allem Frauen, die eine relativ privilegierte Stellung hatten, sich auf den Erwerb des Mannes verlassen konnten und gut situiert aufgewachsen waren, dabei vernachlässigte sie den Blick auf Frauen, die unverheiratet waren und weniger Mittel zur Verfügung hatten, in anderen Verhältnissen aufgewachsen waren. Doch dies ist vermutlich auch alles der Zeit geschuldet, in der die Autorin aufgewachsen war.
Die bedeutendste feministische Theoretikerin des 20. Jahrhunderts ist Anfang des 21. Jahrhunderts fast vergessen, und es ist höchste Zeit, sie wieder zu entdecken, denn Simone de Beauvoir gibt uns Antworten auf Fragen, die vor allem wir Frauen uns auch heute noch immer wieder stellen (vgl. Schwarzer, 2008: 13). „Das existentialistische Credo von Beauvoirs Werk lautet: Der Mensch ist frei geboren. Ein Satz, der heute, in Zeiten der entmündigenden Psychologisierung und verschleiernden Mystifizierung der "Differenz" - zwischen den Geschlechtern, Rassen oder Kulturen - brennend aktuell ist.“ (Schwarzer, 1999)
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