Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsdefinition des digitalen Wandels
2.2 Politische digitale Rahmenbedingungen auf Bundestagsebene
2.2.1 Strukturelle Veränderung der Bundestagsmandate
2.2.2 Gesetzlicher Rahmen des Wahlkampfes sowie der Wahlwerbung
2.3 Einordnung der sozialen Medien
2.4 Grundkonzept der Stärken-Schwächen-Analyse
3 Systematische Digitalisierung des Wahlkampfes
3.1 Politisches Bewusstsein neuer Zielgruppen
3.2 Funktionen und Arten der sozialen Medien in Deutschland
3.3 Analyse der Stärken und Schwächen des Wahlkampfes in der digitalen Demokratie
3.4 Wahlmanipulation in der digitalen Grauzone
3.5 Rechtliche Einordnung von Manipulationswerkzeugen
4 Politischer Online-Wahlkampf in den USA im Vergleich mit Deutschland
5 Prognose des strukturellen, digitalen Wandels der politischen Kommunikation in Deutschland
6 Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: mindestens wöchentliche Nutzung der sozialen Medien in Deutschland 2020 der Gesamtbevölkerung in Prozent (eigene Darstellung)
Tab. 1: Merkmale der Stärken-Schwächen-Analyse der Digitalisierung im politischen Wahlkampf (eigene Darstellung)
Abb. 2: Vergleich des politischen digitalen Wahlkampfes zwischen der Prognose der Bundestagswahl 2021 in Deutschland und der Präsidentschaftswahl 2020 in den USA (eigene Darstellung)
1 Einleitung
In den Gebäuden des Deutschen Bundestages stehen in Erinnerung an alte Zeiten noch immer Telefonzellen und digitale Bildschirme, welche den Ablaufplan im Plenarsaal anzeigen, als Andenken an vergangene Zeiten.
Durch die weltweite Sars-CoV-2 Pandemie mussten viele Unternehmen zügig die Digitalisierung ihrer Strukturen aktualisieren. Das ist jedoch nicht der Durchbruch der Digitalisierung[1], sondern das Aufholen verpasster Chancen. Analog dieser Umstände verhält sich die politische Aufholjagd der Digitalisierung konform.
In der folgenden Praxistransferarbeit wird zunächst einführend die Rolle der Politik auf Bundestagsebende und dessen gesetzlichen Richtlinien zum Thema Wahlkampf und auch Wahlkampfwerbung erklärt. Anschließend wird im Zusammenhang der Verschiebung der Informationskanäle, die Präsenz der Politik in den sozialen Medien und dessen systematische Digitalisierung im Wahlkampf aufgezeigt. Hier werden die zentralen Fragen, welche Schwächen in den Werkzeugen des digitalen Wahlkampfes liegen und welche Potentiale bei erfolgreicher digitaler Wahlwerbung ausgebaut oder aktualisiert werden müssen, beantwortet. Insbesondere die Manipulationswerkzeuge in sozialen Medien stellen eine zu analysierende Schwäche dar. Im Anschluss der Stärken-Schwächen- Analyse mit den entsprechenden Wettbewerbsfaktoren des digitalen Wandels im deutschen Wahlkampf wird ein Wettbewerbsvergleich mit den USA in Hinblick auf dessen Präsidentschaftswahl 2020 durchgeführt. Es folgen Handlungsprognosen, um die digitalen Werkzeuge gewinnbringend in sozialen Netzwerken zu benutzen und den Ausbau der festgestellten Stärken sowie die Dekomposition der Schwächen für die digitale politische Kommunikation für die Bundestagswahl 2021 zu nutzen.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Bundestagsebene mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl 2021 und dessen Besonderheiten sowie Neuheiten.
Die Pandemie beeinflusst mögliche Forschungsergebnisse ab dem Jahr 2020, da durch den Lockdown, welcher in vielen Ländern der Welt Einzug hält, viele Lebensbedingungen verändert hat. Als Begleitphänomen und Verstärkungsfaktor der Nutzung der sozialen Medien sowie der universalen gesteigerten Affinität der Zivilgesellschaft zu Online-Plattformen wirkt der Lockdown im Zuge der Pandemie als wirtschaftlicher Katalysator.
2 Theoretische Grundlagen
Für ein umfassendes Verständnis werden in dem theoretischen Grundlagenteil nachfolgend die Rahmenbedingungen der jeweiligen Themenfelder der Digitalisierung, politische Gegebenheiten, soziale Medien sowie die Wahl der Analyse zu Grunde gelegt.
2.1 Begriffsdefinition des digitalen Wandels
Aufgrund unterschiedlicher Perspektiven und Bereiche kann eine allgemeingültige Definition für die Digitalisierung kaum ganzheitlich aufgezeigt werden. Je nach Branche, Bereich oder Orientierung sind andere Bestimmungsfaktoren sowie Schwerpunkte für den digitalen Wandel maßgeblich bestimmend. Grundsätzlich jedoch bezeichnet die Digitalisierung oder auch der digitale Wandel die Begebenheit, analoge Leistungserbringung, Prozesse oder Daten in digitale, computerhandhabbare Vorgänge ganzheitlich oder teilweise umzuwandeln.[2] Diese Definition ist auf sämtlichen betroffenen Perspektiven pauschal übertragbar, wie zum Beispiel Geschäftsprozesse, Produkte, Unternehmen beziehungsweise weitere Organisationen wie die Politik. Jene Perspektiven und Bereiche betreffen jeden Lebensbereich und dessen tiefgreifenden Wandel, an denen sich das breite Spektrum der Digitalisierung erkennen lässt. Die Zielsetzung für die gesamte Gesellschaft ist bei ordnungsgemäßer Umsetzung des digitalen Wandels immer eine Erleichterung oder auch Verbesserung von Umständen, da diese Veränderungen sonst obsolet sind.
Der digitale Wandel kann auch als digitale Transformation umschrieben werden. Die digitale Transformation beschreibt den Prozess, sich von einem niedrigen Digitalisierungsgrad zu einem höheren Grad weiterzuentwickeln, dementsprechend die fortlaufende Weiterentwicklung sowie Einbindung von digitalisierten Prozessen.
Aus diesem Grund ist die Digitalisierung in der gesamtheitlichen Betrachtung ein alltäglicher Begleiter und Bedarf politscher Reglementierung, um für faire Bedingungen und Sicherheit zu sorgen.
2.2 Politische digitale Rahmenbedingungen auf Bundestagsebene
Der vielschichtige Begriff Politik umfasst die Gesamtheit der Verfahren und Handlungen von Einzelnen und Kollektiven, die auf verbindliche Regelungen öffentlicher Belange gerichtet sind.3 In Deutschland gilt die Demokratie oder auch Volksherrschaft genannt, welche eine indirekte, repräsentative Herrschaftsform darstellt. Die Repräsentanten Deutschlands werden durch Wahlen legitimiert und sind somit die Volksvertreter.
Die Gefahrenpotentiale der Digitalisierungsprozesse sind ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und somit auch Thema für die Bundesregierung und der politischen Steuerung. Mit der „Digitalen Agenda“ und der „Digitalen Strategie 2025“ werden zwischen 2014 und 2017 durch die Bundesregierung gesetzliche Rahmenbedingungen erarbeitet, um die Chancen und Risiken der Digitalisierung effektiv sowie gesamtgesellschaftlich profitierend zu nutzen. Da der digitale Wandel in vielseitige Bereiche eindringt, umfassen diese auch viele verschiedene Politikfelder. Die Schnittmenge der Politikfelder werden als Digitalpolitik oder auch Netzpolitik bezeichnet. Neben gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist auch die digitale Transformation des Staates gemeint. Ein Schritt der digitalen Transformation der deutschen Politik ist beispielsweise das öffentliche Profil auf sozialen Netzwerken von Parteien oder sonstigen Regierungsbeauftragten, sowie politikverbundene öffentliche Personen.
Insbesondere der Wahlkampf der Bundestagswahl 2021 unterliegt neuen politischen, digitalen Rahmenbedingungen. Die Kosten der Wahlkämpfe der letzten Jahre sind alle 4 Jahre stetig angestiegen. 2009 betragen die Kosten des Wahlkampfes 67 Millionen Euro, 2012 waren es 70 Millionen Euro und 2017, in der vorherigen Bundestagswahl, stiegen die Kosten auf 84 Millionen Euro.4 Als Erklärung der stetig ansteigenden Kosten werden die Erhöhung der Portokosten für das Versenden der Briefwahl sowie die höheren Zuwendungen an die Wahlhelfer genannt. Als Approximation werden für die Bundestagswahl 2021 Kosten von circa 100 Millionen Euro prognostiziert. Diese gilt damit als teuerste Bundestagwahl jeher.
2.2.1 Strukturelle Veränderung der Bundestagsmandate
Die gesetzliche Anzahl der Volksvertreter beschränkt sich auf 598 Mitglieder des Deutschen Bundestages, jedoch kann aufgrund von Überhangs- und Ausgleichsmandate die tatsächliche Mitgliederzahl höher sein. Die Bundestagswahl am 24.September 2017 brachte den größten Bundestag aller Zeiten hervor.5 Das deutsche Parlament umfasst in der 19. Legislaturperiode die höchste Anzahl an Mandaten seit 1949, zum Zeitpunkt 04/2021 gehören 709 Abgeordnete zum Deutschen Bundestag.
Durch das exponentielle Wachstum der Parlamentssitze und der zunehmenden Kritik am stetig wachsenden Bundestag, wurde eine Wahlrechtsreform auf den Weg gebracht, um den Bundestag zu verkleinern.6 In zwei Schritten, zu den Bundestagswahl 2021 und 2025, sollen verschiedene Änderungen in Kraft treten, um die Wahlkreise zu vereinheitlichen und teilweise zu verändern sowie den Einzug in den Bundestag durch Listenplätze beziehungsweise Überhang- und Ausgleichsmandate eher zu vermeiden.
Die Bedeutung dieser Reform für die Bundestagswahl 2021 wird maßgeblich den Wahlkampf verändern, da weniger Bundestagsmandate existieren und diese somit auch härter umkämpft sind.
2.2.2 Gesetzlicher Rahmen des Wahlkampfes sowie der Wahlwerbung
Politische Akteure, die im Bundestagswahlkampf partizipieren, sind zum einen einzelne Abgeordnete, die in den jeweiligen Wahlkreisen zur Wahl zum Mitglied des Deutschen Bundestages antreten, aber auch Parteien, die in den Bundestag einziehen wollen.
Warum Parteien Wahlkampf, vor allem im Zeitraum vor den Bundestagswahlen, betreiben und intensivieren, hat vor allem zwei Funktionen beziehungsweise Ursachen. Zum einen das Informieren, zum andern das Mobilisieren.7 Ersteres, um potenzielle Wähler8 über Parteiinhalte aufzuklären und um diese inhaltlich zu überzeugen, aber auch, um auf Missstände hinzuweisen und Lösungsansätze anzubieten. Darüber hinaus sollen Wähler mobilisiert und die Außendarstellung der Partei damit verstärkt werden.
Jedoch sind meist nicht nur die gegebenen Informationen beziehungsweise die Positionierung der Partei der größte Auslöser der Wahlentscheidung, sondern auch die langfristigen Wirkungen der Massenmedien. Gleichwohl sagt dies nichts über die Entscheidungsfindung der Wähler aus, da die Wirkung nur den Informationsgehalt beeinflusst, nicht der Meinungsbildung direkt.
In diesem Zusammenhang ist der Begriff Wahlwerbung zu klären. Dieser bezeichnet die Maßnahmen, welche Parteien ergreifen, um sich selbst und das Parteiprogramm vorzustellen und zu verbreiten.9 Für Wahlwerbung existiert keine übergeordnete gesetzliche Regelung. Das Grundgesetz, das Parteienprivileg sowie das Presse- und Kunstfreiheitsgesetz schützen diese jedoch. Das Bundeswahlgesetz enthält lediglich Informationen, wo Wahlwerbung verboten ist, beispielsweise in direkter Umgebung des Wahlgebäudes. Für Wahlplakate, Infostände, Veranstaltungen und ähnliches müssen Genehmigungen der jeweiligen Gemeinde eingeholt werden. Bezüglich Fernseh- und Radiowerbung haben Parteien das Anrecht, Sendezeit zur Wahlwerbung zu bekommen. In öffentlich-rechtlichen Sendern ist dieses Werben für Parteien kostenlos.
Für Bundestagsabgeordnete, welche aus dem Amt wiedergewählt werden wollen, gilt das Gebot der Neutralität und äußerste Zurückhaltung im Vorfeld der Wahl. Gesetzlich festgelegt durch das Bundesverfassungsgericht müssen Mitglieder des Bundestages ihre Amtshandlungen und Werbemaßnahmen differenzieren. Als Privatpersonen dürfen sie allerdings Wahlkampf betreiben; die jeweiligen Mitarbeiter der Abgeordnetenbüros dürfen hingegen nicht für Tätigkeiten außerhalb der parlamentarischen Arbeit eingesetzt werden.
Das Thema Wahlwerbung im Internet wurde für bestehende Regeln und Gesetze nicht betrachtet und wie die zuvor beschriebenen Gesetze zeigen, eher für die Offline-Welt entwickelt. Die Wahlwerbung auf sozialen Medien wird daher nicht durch Kontrollmechanismen laut Gesetz, sondern durch die Plattformen selbst bestimmt, wie es Wahlwerbung handelt.10
2.3 Einordnung der sozialen Medien
Der Begriff soziale Medien setzt sich zum einen aus sozial, dem kollaborativen Aspekt und Medien zusammen. Massenmedien ist eine Sammelbezeichnung für Presse, Rundfunk und Fernsehen. Im weiteren Sinne und vor allem auch im voranschreitenden Zeitalter der Digitalisierung auch das Internet. Die Gemeinsamkeit der Medien ist der Schwerpunkt als Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Informationen für die Öffentlichkeit. Der Begriff klassische oder traditionelle Massenmedien bezieht sich allerdings nur auf die etablierten Medien Presse, Rundfunk und Fernsehen.
Als weiteren Schwerpunkt setzen die sozialen Medien die Interaktion im Netzwerk. Die Funktionsweise der sozialen Medien Plattformen ist vor allem die Außendarstellung eines jeden Nutzers. Dabei handelt es sich nicht nur um Privatpersonen, sondern auch um Unternehmen, Institutionen, Bewegungen und weitern Organisationen.11 Durch den kollaborativen Aspekt entsteht, insbesondere in der politischen Nutzung, ein neuer demokratischer Gedanke. Als allgegenwärtiger Begriff, der das aktive digitale Mitgestalten von Bürgern in der Zivilgesellschaft beschreibt, lassen sich diese Umstände als Folge der fortschreitenden Digitalisierung der Politik als digitale Demokratie oder auch EDemokratie zusammenfassen.12
Um die sozialen Medien verstehen und primär bedienen zu können, sind Medienkompetenzen ein essenzieller Bestandteil. Die Vermittlung medienbezogener Kompetenzen ist Teil der politischen Bildung und besitzt trotz raschen Wandels, einige andauernde Aspekte.13 Verschiedene Fähigkeiten setzen sich zur Bildung von Medienkompetenzen zusammen.
Das Verständnis wird als Voraussetzung gesetzt, Massenmedien als sogenannte „Vierte Gewalt“ sowie auch als intermediäres System wahrzunehmen, wodurch eine politische Kontrollfunktion entsteht. Folglich braucht es die Fähigkeit, eigene kritische Analysen bezüglich der Verhältnisse von Politik und Medien durchzuführen. Medienkompetenzen wachsen an ihrer Bedeutung stetig mit der digitalen Transformation Deutschlands. Durch die enorm gesteigerten Zugänglichkeiten sowie Umfänge von Informationen erfordert die Einschätzung dieser neue beziehungsweise angepasste Recherche-, Selektions-, Einordnungsund Verifikationsfähigkeiten. Eigene politische Meinungsbildung, Informationsgewinnung, quellenkritische Reflexion, aktive politische Partizipation, Interaktion und Beeinflussung sind nur einige Beispiele für diese Fähigkeiten.
Das Wissen um Manipulationswerkzeuge14 in sozialen Medien ist auch Teil der Medienkompetenz, welche nachfolgend noch vermittelt werden. Jedes Netzwerk nutzt Algorithmen, sodass die Inhalte der angezeigten Beiträge für den individuellen Nutzer möglichst dessen Interessen entsprechen. Ziel ist es, den Nutzer für eine längere Zeit auf der Plattform zu beschäftigen, allerdings werden organische Reichweiten mittlerweile von bezahlten Beiträgen übertroffen.
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3 Vgl. Brockhaus, 2021
4 Vgl. Bundestagswahl, 2021
5 Vgl. Deutscher Bundestag - Sitzverteilung des 19. Deutschen Bundestages, 2021
6 Vgl. Schmid, 2020
7 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2009
8 Aus Gründen einer besseren Lesbarkeit, wird fortan das generische Maskulin verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint.
9 Vgl. Becker, 2018
10 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2009
11 Vgl. Kolany-Raiser et al., 2018, S. 5
12 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2017
13 Vgl. Oberle, 2017, 187 ff.
14 Manipulation meint ein undurchschaubares, geschicktes Vorgehen, um sich einen Vorteil zu beschaffen. Im weiteren Sinne wird Manipulation oft mit betrügerischen Beeinflussungen assoziiert.