H.G. Wells Invasoren - Die Verbreitung des Grauens durch die Lebewesen vom Mars


Seminararbeit, 2008

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Science Fiction und Scientific Romances
2.1 Science Fiction
2.2 Scientific Romances
2.3 Weltkatastrophen-Erzählung

3. Wells und die Gesellschaft um 1900

4. Lebewesen vom Mars
4.1 Das äußere Erscheinungsbild
4.2 Die Technik der Marsianer

5. Die Verbreitung von Grauen
5.1 Grauen in der Begegnung mit dem Fremden
5.2 Glücklicher Ausgang oder warnende Botschaft?

6. Schluss

7. Bibliographie

1. Einleitung

In dieser Arbeit erfolgt der Versuch, mit sozial- und kulturgeschichtlichen Ansätzen Herbert George Wells’ Roman „Krieg der Welten“ im Hinblick auf die Verbreitung von Grauen durch außerirdische Lebensformen zu untersuchen. Genauer betrachtet wird die Fremdheitsbegegnung zwischen den Menschen und den Außerirdischen. Das Wechselverhältnis zwischen dem literarischen Text und den gesellschaftlichen Prozessen wird näher erörtert. Sozial- und kulturgeschichtliche Ansätze knüpfen an die, in der Sturm-und-Drang Periode aufgestellte Erkenntnis an, dass jeder literarische Text ein geschichtliches Produkt sei, dessen Entstehung an den sozial- wie auch kulturgeschichtlichen und jeweiligen historischen Kontext gebunden ist.[1]

Zuerst werden im zweiten Kapitel die Wurzeln der Science Fiction Literatur und ihr Einfluss auf die Erzählstruktur des Romans erörtert. Die Erzählstruktur wird in ihrer spezifischen Funktion, Fremdes erzählbar zu machen, untersucht. „Die Science Fiction bricht mit der Katastrophe auf, sie tut dies, weil die Deutung des Hier und Heute auf die Vernichtung der Zukunft und damit auch des Gestern schon hinzielt.“[2] Im Roman „Krieg der Welten“ ist die Katastrophe die Invasion der Marsianer. Im „Hier und Heute“ des 19. Jahrhunderts herrscht eine angstvolle Stimmung: Der Zukunft wird mit ambivalenten Gefühlen entgegen gesehen. H. G. Wells ist an der unmittelbaren Zukunft und am Wesen des Menschen interessiert. Seine inszenierte Katastrophe soll Aufschluss über das Geschichtsverständnis bieten.

Im dritten Kapitel wird die „Welt“ der Menschen genauer betrachtet. Die Bewohner des viktorianischen Englands stehen im Mittelpunkt. Wells wächst in dieser Ära auf, sie beeinflusst sein Schreiben. Der Historiker Michael Salewski meint, dass die Science Fiction mit Wells entstanden sein könnte. Er sieht Wells als direkten Abkömmling „der im 19. Jahrhundert sich vollziehenden Auseinandersetzung und Adaptierung der Darwinistischen Lehren“[3].

Des Weiteren erfolgt im vierten Kapitel eine Beschreibung der „Welt“ der Marsianer. Von Interesse sind ihr Aussehen, ihr Vorgehen und ihre Technik. Faszinierend ist das rücksichtslose Vorgehen ihres Eroberungszuges. Auf die Beschreibungen von Aussehen und Technik erfolgt, jeweils innerhalb des Kapitels, eine Analyse.

Im fünften Kapitel wird erörtert, ob und wie Wells die Invasoren Grauen unter den Menschen verbreitet lässt. Viele Inhalte scheinen prophetischen Charakter zu besitzen. So beschreibt Wells einen von Gewalt und Vernichtung geprägten, weltkriegähnlichen Zustand. Wie kann man die Invasion aus dem All deuten? Als warnende Botschaft oder soll man sich erfreuen am glücklichen Ausgang der Invasion?

Abschließend folgt einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse ein Ausblick auf weitere mögliche Anschlussthemen. „Krieg der Welten“ faszinierte und beeinflusste nachfolgende Autoren.

2. Science Fiction und Scientific Romances

2.1 Science Fiction

Die Wurzeln der Zukunftsliteratur kann man in einer Zeit finden die geprägt ist durch Zweifel darüber, ob der technisch-wissenschaftliche Fortschritt bislang nur Gutes gebracht hat.[4] Den Texten des 19. Jahrhunderts fehlt zwar noch ein bezeichnender Gattungsbegriff, dennoch sind Ansätze zur Science Fiction vorhanden. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts sind drei ganz besondere Voraussetzungen für das Entstehen der Science Fiction Literatur erfüllt. In ihnen wurzelt sozusagen die Science Fiction Literatur und sie beeinflussen auch H. G. Wells beim Schreiben.

Erstens ist die Erkundung der Erde so gut wie abgeschlossen. Somit kann der Mars als Schauplatz für die Literatur interessant werden. Zweitens verändert sich das bis dahin von theologischen Dogmen beherrschte Weltbild. Abgelöst wird es durch ein weitgehend vorherrschendes rational bestimmtes Denken der Bevölkerung. Der Mensch löst sich von der alten Welt und eine neue wird erschaffen. Und als dritte Voraussetzung kann man den Vormarsch der Naturwissenschaften und der Technik betrachten. Sie erwecken den Glauben an eine beliebige Veränderbarkeit der Welt und somit auch der Zukunft.[5] Der Darwinismus eröffnet den Glauben daran, dass sich unter den Abermilliarden Sonnen die unterschiedlichsten Lebensformen entwickelt haben könnten, darunter unter Umständen sogar intelligente Rassen.[6] Alleine schon die Ergebnisse der Astronomie von Kopernikus und Galilei haben uns demonstriert, dass die Erde nicht einzigartig ist, sondern einer von vielen Planeten. Damit beginnen Spekulationen über das Leben außerhalb unserer Erde.[7]

Wann genau spricht man von Science Fiction? Antworten auf diese Frage fallen sehr unterschiedlich aus. Fest steht, dass Science Fiction innerhalb der literarischen Gattungen und Formen ein relativ junges Genre ist. Historiker datieren das „Geburtsjahr der Gattung“ auf 1926, dem Gründungsjahr der „Amazing Stories“. Hugo Gernsback prägte diesen Begriff durch den Gebrauch als Untertitel seines Pulp-Magazins. „Science“ und „Fiction“ sind zwei Wörter, die zusammen Unvereinbares verbinden. Während Wissenschaft nachprüfbar und rational erfassbar sein muss, beruht Fiktion auf unbeweisbaren Behauptungen.[8]

„Die Gattung Science Fiction ist die Gesamtheit jener fiktiven Geschichten, in denen Zustände und Handlungen geschildert werden, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht möglich und daher nicht glaubhaft darstellbar wären, weil sie Veränderungen und Entwicklungen der Wissenschaft, der Technik, der politischen und gesellschaftlichen Strukturen oder gar des Menschen selbst voraussetzen. Die Geschichten spielen in der Regel, aber nicht mit Notwendigkeit, in der Zukunft.“[9]

Es gibt zahlreiche Versuche, Science Fiction zu definieren. Science Fiction lässt sich jedoch schwer in einer Definition wiedergeben. Auch Suerbaum merkt an, Definitionen wie die oben genannte können durchaus auf Kritik stoßen. Viele Literaturwissenschaftler haben versucht „konsensfähige“, widerspruchslose Antworten auf die Frage nach der „richtigen“ Definition zu finden. Laut Jehmlich ließe sich dazu „mühelos ein Extrabändchen füllen“.[10]

Eine sozialgeschichtlich orientierte Literaturwissenschaft „untersucht Literatur und die Geschichte der Literatur in enger Verbindung mit der Gesellschaft und der Sozialgeschichte einer Gesellschaft.“[11] Eine Verschränkung zwischen Gesellschaft und Geschichte ist gegeben und diese gilt es näher zu betrachten. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse üben einen Einfluss auf die Literatur des 19. Jahrhunderts aus und wohl auch umgekehrt. Bedenkt man, dass namhafte Naturwissenschaftler aus Ideen der ersten Science Fiction Autoren wirkliche Produkte erschufen bzw. diese Ideen in die Tat umsetzten.

2.2 Scientific Romances

Science Fiction stammt vor allem von zwei älteren Erzählgattungen ab: Von der „romance“ und von der Utopie[12]. Eine Utopie ist häufig gekennzeichnet durch alternative Staats- und Gesellschaftsordnungen in der Zukunft.[13] Näher eingegangen wird nun auf die romance oder Romanze. Denn H. G. Wells nennt seine frühen Romane und eine Reihe von Kurzgeschichten - meist im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts erschienen - „Scientific Romances“ und das etliche Zeit vor dem Aufkommen des Science Fiction Begriffes. Damit bekennt er sich zur Tradition der unglaublichen Geschichte, der Romanzentradition.[14] Erheblich älter als der Roman, zeichnet sich die Romanze durch abenteuerliche Handlungen an häufig exotischen Schauplätzen aus. Bereits in der Antike dürfte der Abenteuer- und Liebesroman, kurz „romance“, bekannt gewesen sein.[15] Wells hat mit seinen Scientific Romances etwas Neues geschaffen. Eine radikale Aufteilung der Charaktere in Gut und Böse ist eine thematische Konstante der Romanze. Wells durchbricht die Tradition der Romanze. Zum Beispiel stellt Wells seine Marsianer zwar grauenerregend, aber nicht radikal böse dar. Er vergleicht aber auch ihre Handlungen (oft auf ironische Weise) mit menschlichen Handlungen. Grauen wird erreicht durch den Vergleich zwischen Mensch und Marsianer, durch Ironie und Wells’ Darstellung von Ähnlichkeiten zwischen beiden Spezies. Mit der Verbindung zwischen Romanze und Wissenschaft ergibt sich für ihn die Möglichkeit zu fabulieren.

Wells schreibt seine Scientific Romances in einer Zeit, bevor umstrittene Debatten anbrachen, ob Science Fiction dem hohen Anspruch der modernen und dem naturwissenschaftlichen Zeitalter angemessenen Literatur genügt oder ob Science Fiction eine Zuordnung von entsprechenden Texten zur Populär- und Subkultur des 20. Jahrhunderts ist.[16] „Krieg der Welten“ wird nach dem Erscheinen nicht als ungewöhnlich rezipiert. Es sorgt aber für reichlichen Diskussionsstoff, unter anderem auch in naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften (wie z.B. dem „Nature“). Zeitgenossen nehmen den Roman meist als Unterhaltungsliteratur wahr.[17] Unbeachtet bleiben damals auch zeit- und sozialkritische Aspekte.

Bei einem Spaziergang mit seinem älteren Bruder Frank, kommt H. G. Wells die Idee zum Roman „Krieg der Welten“. In diesem Roman stellt Wells extreme Bedingungen für die Menschheit dar und verschafft ihr einen gemeinsamen Gegner, die Marsianer. Bis 1898 werden von Autoren, die wir heute möglicherweise dem Science Fiction Genre zuordnen würden, Bewohner vom Mars vorwiegend friedliebend und fortgeschritten in ihren Utopien dargestellt. Wells’ Marsianer entpuppen sich als räuberisch, monströs und alles andere als friedliebend. Waren es zunächst die Menschen, welche den Mars bereisen, erscheinen im besagten Jahr von Kurd Laßwitz und H. G. Wells zwei Romane, in welchen umgekehrt die Marsianer die Menschen aufsuchen. „Krieg der Welten“ gilt als der erste Invasionsroman.[18]

„In der Science Fiction spiegelt sich das historische Selbstverständnis der Gegenwart: alle Ängste, mit denen sich die Geschichte seit der Neuzeit herumschleppt, alles Unheil, das ihr entspringt, alle Hoffnungen, denen sie sich dennoch hingibt. Seit Darwin und Einstein, Wells und Verne […] fügt sich alles zu diesem Kürzel: SF.“[19]

Der naturwissenschaftliche und technische Fortschritt löst nicht nur die Hoffnung auf positive Veränderungen aus, sondern auch die Angst vor gerade diesen Veränderungen. Science Fiction war und ist die einzige Literatur, die sich mit vorherrschenden und in Zukunft kommenden technischen und naturwissenschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzt.[20] Der Science Fiction Roman ist ein „Lügenroman“. Menschen des Industriezeitalters akzeptieren die ihnen präsentierten Lügen in einem „rationale[n] Gewand“.[21]

[...]


[1] Becker, Sabina: Literatur- und Kulturwissenschaften. Ihre Methoden und Theorien. Hamburg: Rowohlt 2007. S. 64.

[2] Salewski, Michael: Zeitgeist und Zeitmaschine. Science Fiction und Geschichte. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1986. S. 26.

[3] Ebd. S. 114.

[4] Vgl. Suerbaum, Ulrich und Broich, Ulrich und Borgmeier, Reimund: Science Fiction. Theorie und Geschichte, Themen und Typen, Form und Weltbild. Stuttgart: Reclam 1981. S. 50.

[5] Vgl. Alpers, Hans Joachim, et al: Lexikon der Science Fiction Literatur. München: Heyne 1988. S. 20.

[6] Vgl. Ebd. S. 21.

[7] Vgl. Guthke, Karl S.: Der Mythos der Neuzeit. Das Thema der Mehrheiten der Welten in der Literatur- und Geistesgeschichte von der kopernikanischen Wende bis zur Science Fiction. Bern; München: Francke 1983. Vorwort, S. 9 – 11.

[8] Vgl. Salewski, Zeitgeist und Zeitmaschine, S. 19.

[9] Suerbaum, Science Fiction. S. 10. Suerbaum merkt an, Definitionen wie diese können durchaus auf Kritik stoßen.

[10] Jehmlich, Reimer: Science Fiction. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1980. S. 5.

[11] Becker, Literatur- und Kulturwissenschaften. S. 69.

[12] Vgl. Suerbaum, Science Fiction, S. 82.

[13] Die Science Fiction stellt zwar häufig ebenfalls zukünftige Welten dar, aber stets in Verbindung mit wissenschaftlichen und technischen Innovationen gegenüber der derzeitigen Welt. Vgl. Suerbaum, Science Fiction. S. 85.

[14] Vgl. Ebd. S. 49.

[15] Vgl. Ebd. S. 44 -45.

[16] Vgl. Nagls Untertitel lautet: Ein Segment populärer Kultur im Medien- und Produktverband.

[17] Jehmlich, Reimer: Science Fiction. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1980. S. 37. „Die Rezensenten sprachen […] noch nicht von SF und realisierten nicht, daß sie es mit einem neuen Genre zu tun hatten.“

[18] Vgl. Schenkel, Elmar: H. G. Wells. Der Prophet im Labyrinth. Eine essayistische Erkundung. Wien: Zsolnay 2001. S. 109 - 115.

[19] Salewski, Zeitgeist und Zeitmaschine, S. 1. Die Abkürzung SF bedeutet Science Fiction.

[20] Vgl. Alpers, Lexikon der Science Fiction Literatur. S. 23.

[21] Vgl. ebd. S. 22.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
H.G. Wells Invasoren - Die Verbreitung des Grauens durch die Lebewesen vom Mars
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V116572
ISBN (eBook)
9783640186709
ISBN (Buch)
9783640188406
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ausgehend vom Studienbrief „Literarische Science Fiction“ untersucht Frau Grömer in der vorliegenden Hausarbeit Form und Funktion des in H.G. Wells „Krieg der Welten“ durch die Invasoren vom Mars verbreiteten Grauens. Aus sozial- und kulturgeschichtlicher Perspektive steht dabei die Frage nach der Wechselwirkung von Modernisierung und Science Fiction als literarischer Form im Vordergrund.
Schlagworte
Wells, Invasoren, Verbreitung, Grauens, Lebewesen, Mars
Arbeit zitieren
Eva Kirchschläger (Autor:in), 2008, H.G. Wells Invasoren - Die Verbreitung des Grauens durch die Lebewesen vom Mars, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116572

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