In Vorbereitung auf die Bundestagswahl im September 2021 habe ich mich intensiv mit den Wahlprogrammen der jeweiligen Parteien beschäftigt. Im Rahmen meiner Recherchen ist mir eine Forderung aufgefallen, die sich bei vier von sechs der relevanten Parteien überschneidet. Die Verabschiedung eines Cannabiskontrollgesetzes bzw. die Entkriminalisierung des Besitzes kleiner Mengen von Cannabis und eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene im Modellprojekt finden sich in den Wahlprogrammen der Parteien BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, SPD und FDP wieder. In dieser Facharbeit untersuche ich die gegenwärtige Drogenpolitik im Hinblick auf aktuelle, wissenschaftliche Erkenntnisse und möchte die Frage der Rationalität eines möglichen Cannabiskontrollgesetzes mit Bezug auf den Jugendschutz und die Auswirkungen auf den Konsumenten untersuchen. Das Cannabiskontrollgesetz nach dem Entwurf der 2021 gewählten Bundesregierung wird erstmalig, nachhaltig den Jugendschutz gewährleisten und gesellschaftliche Auswirkungen auf den Konsumenten in Relation setzen. Diese These werde ich als Grundlage für meine Arbeit heranziehen und mittels einer Umfrage sowie statistischen Ergebnissen aus anderen Ländern die Relevanz in der Gesellschaft unterstreichen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. BEGRIFFSKLÄRUNG
2.1 Cannabis
2.2 Endocannabinoidsystem
2.3 Einstiegsdrogentheorie
3. STATUS QUO DER RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND
3.1 Besitz
3.2 Konsum
3.3 Grenzwerte für den persönlichen Gebrauch
3.4 Cannabis im Straßenverkehr
3.5 Gesellschaftliche Auswirkungen des BtMG
4. RECHTSLAGE UND AUSWIRKUNGEN IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
4.1 Niederlande
4.1.1 Rechtslage
4.1.2 Auswirkungen
4.2 Portugal
4.2.1 Rechtslage
4.2.2 Auswirkungen
4.3 Belgien
4.3.1 Rechtslage
4.3.2 Auswirkungen
5. RELEVANZ EINES CANNABISKONTROLLGESETZES IN DEUTSCHLAND
5.1 Methodik
5.2 Ziel
5.3 Teilnehmer
5.4 Einschätzung der gegenwärtigen Drogenpolitik
5.5 Konsumverhalten der Befragten
5.6 Beurteilung der These „Cannabis als Einstiegsdroge"
6. FAZIT
7. LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
In Vorbereitung auf die Bundestagswahl im September 2021 habe ich mich intensiv mit den Wahlprogrammen der jeweiligen Parteien beschäftigt. Im Rahmen meiner Recherchen ist mir eine Forderung aufgefallen, die sich bei vier von sechs der größeren Parteien überschneidet. Die Verabschiedung eines Cannabiskontrollgesetzes bzw. die Entkriminalisierung des Besitzes kleiner Mengen von Cannabis und eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene im Modellprojekt finden sich in den Wahlprogrammen der Parteien BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, SPD und FDP wieder. In dieser Facharbeit wird die gegenwärtige Drogenpolitik im Hinblick auf aktuelle, wissenschaftliche Erkenntnisse untersucht und der Frage der Notwendigkeit eines möglichen Cannabiskontrollgesetzes mit Bezug auf den Jugendschutz und die Auswirkungen auf den Konsumenten nachgegangen. Das Cannabiskontrollgesetz nach dem Entwurf der 2021 gewählten Bundesregierung wird erstmalig, nachhaltig den Jugendschutz gewährleisten und gesellschaftliche Auswirkungen auf den Konsumenten in Relation setzen. Diese These wird als Grundlage für diese Arbeit herangezogen und mittels einer Umfrage sowie statistischen Ergebnissen aus anderen Ländern die Relevanzfür die Gesellschaft unterstreichen.
2. Begriffsklärung
2.1 Cannabis
Cannabis ist die lateinische Bezeichnung für Hanf1 und gilt als Synonym für die Pflanzenteile der weiblichen Pflanze Cannabis Sativa, die den Hauptwirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) in höherer Konzentration aufweisen.2 Neben dem psychoaktiven THC finden sich in der Hanfpflanze über 500 weitere Inhaltsstoffe. Ca. 100 Bestandteile die mitdem menschlichen Endocannabino- idsystem interagieren und dadurch psychoaktive oder therapeutische Effekte hervorrufen können, nennt man Cannabinoide. Zweithäufigstes Cannabinoid nach THC ist Cannabidiol (CBD).3 CBD führt im Gegensatz zu THC zu keiner cannabisüblichen, psychoaktiven Wirkung. Mit seiner Konterwirkung zu THC schwächt es dieses ab und kann unter anderem angstlösend, entzündungshemmend, brechreizhemmend oder antipsychotisch wirken.4
2.2 Endocannabinoidsystem
Das körpereigene Endocannabinoidsystem (eCB-System) ist ein Signalsystem im menschlichen Körper, welches spezielle Funktionen aufweist und vorrangig im Nervensystem verbreitet ist.
Cannabinoide sind in der Lage das eCB-System zu beeinflussen und so unterschiedliche Wirkungen im Körper auszulösen.5
2.3 Einstiegsdrogentheorie
In der Legalisierungsdebatte ist nach wie vor seitens der Legalisierungsgegner zu hören, dass Cannabis die Wahrscheinlichkeit erhöht, vom Konsum der weichen Droge auf härtere Drogen wie Heroin umzusteigen.6 Diese These wurde bereits erstmalig 1997 in der Kleiber/Kovar-Studie wissenschaftlich widerlegt und von dem Jugendrichter Andreas Müller wie folgt beurteilt: „Sie trifft zu allen relevanten Punkten des Themas Cannabis wissenschaftlich fundierte Aussagen, die keinen anderen Schluss zulassen, als dass eine Legalisierung überfällig ist. [...] deuten darauf hin, dass die meisten Cannabisnutzer, die die Droge nicht mehr nehmen, einfach aufgehört haben und nicht etwa auf härtere Drogen umgestiegen sind.“7 Andreas Müller, Jugendrichter in Bernau, ist seit 1997 tätig und setzt sich seit Jahren aktiv für Legalisierung von Cannabis ein.
3. Status quo der Rechtslage in Deutschland
3.1 Besitz
In Deutschland sind Besitz, Konsum und Anbau von Cannabis und Cannabisprodukten im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geregelt. Nach § 29 Abs. 1 BtMG wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bestraft, wer Betäubungsmittel wie Cannabis besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für deren Erwerb zu sein.8
3.2 Konsum
Der Konsum von Cannabis ist in Deutschland nicht strafbar. „Damit Besitz oder Erwerb im Sinne des § 29 Abs. Nr. 1 und Nr. 3 BtMG als Vorbereitungshandlungen ausnahmeweise straflos bleiben, darf der Konsument keine eigenständige Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel erlangen.“9
3.3 Grenzwerte für den persönlichen Gebrauch
Die Staatsanwaltschaft kann von einer Strafverfolgung absehen, wenn der Konsument eine geringe Menge einer illegalen psychoaktiven Substanz besessen hat. Das Ermessen dabei ist in Deutschland auf Landesebene geregelt und kann daher unterschiedlich gehandhabt werden.
Unter einer geringen Menge versteht man die Menge einer illegalen Droge, bis zu der von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden kann.10 Bei Cannabis liegt die Menge die, als sogenannter Eigenbedarf gilt zwischen < 5 g in Mecklenburg-Vorpommern und bis maximal 15 g in Berlin. In Thüringen wird Cannabisbesitz restriktiv gehandhabt da die Landesregierung keinen Grenzwert zur Bemessung heranzieht.11
3.4 Cannabis im Straßenverkehr
Wie in sämtlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, ist es auch in Deutschland verboten Kraftfahrzeuge zu führen, wenn infolge eines Cannabiskonsums die Fähigkeit zur Fahrzeugführung herabgesetzt ist.12 Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 einen Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum (ng/ml) bestätigt. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnet in der Regel bei einer THC-Konzentration oberhalb dieses Grenzwertes eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung an.13 Dass dieser Wert als zu gering einzustufen ist und der Führerscheinentzug auch durch das Mitführen von Cannabis erfolgen kann, zeigt sich in der Aussage des Jugendrichters Andreas Müller: „Konkret: Wird ein Verkehrsteilnehmer mit einer geringen Menge Cannabis, die er im Auto mit sich führt, erwischt, heißt diese Tatsache für den Staat, dass er es mit einem Drogenkonsumenten und damit potenziell fahruntüchtigen Menschen zu tun hat. Die Beweislast, ob tatsächlich regelmäßig konsumiert wird oder nicht, liegt beim erwischten Autofahrer.“14
3.5 Gesellschaftliche Auswirkungen des BtMG
Abgesehen von den strafrechtlichen Konsequenzen treten bei vielen Konsumenten weitere Probleme auf. Einerseits muss der Konsument, wie in Punkt 3.4 beschrieben, mit dem Verlust der Fahrerlaubnis rechnen, auch wenn er bei einer Verkehrskontrolle de facto fahrtauglich gewesen wäre, andererseits drohen ihm gesellschaftliche Folgen. So ist bspw. nach § 25 Absatz 4 des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG)15 von einem faktischen Berufsverbot für Personen, die im pädagogischen Bereich, mit Kindern und Jugendlichen arbeiten auszugehen. Personen, die im entsprechenden Sektor tätig sind wird demnach bei einem Verstoß gegen das BtMG ein Berufsverbot ausgesprochen. Hierbei unterscheidet der Gesetzgeber nicht zwischen harten und weichen Drogen bzw. in welchem Umfang der Betroffene konsumiert oder konsumiert hat.
4. Rechtslage und Auswirkungen im internationalen Vergleich
4.1 Niederlande
4.1.1 Rechtslage
In den Niederlanden sind Besitz, Produktion und Kauf bzw. Verkauf von Drogen verboten und werden im Opiumgesetz von 1976 geregelt. Dieses sieht eine Trennung von harten und wichen Drogen vor. In einer Richtlinie des niederländischen Justizministeriums wird der Verfolgung von Verstößen gegen das Opiumgesetz in Bezug auf Cannabis die geringste Priorität eingeräumt.16 Infolge dessen ist der Besitz und Verkauf von Cannabis und Cannabisprodukten de facto entkriminalisiert worden. Durch die Tolerierung der Abgabe von maximal fünf Gramm entstanden in den Niederlanden zahlreiche Coffeeshops in denen Konsumenten in bestimmten Gemeinden Cannabis kaufen und konsumieren können. Werden Konsumenten von der Polizei aufgegriffen so erfolgt die Konfiszierung auch innerhalb des Toleranzbereiches. Dass die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen nicht optimal ist, zeigt sich an der sogenannten Backdoor-Problematik. Der Anbau und Erwerb größerer Mengen Cannabis werden weiterhin kriminalisiert, wodurch eine strafrechtliche Verfolgung durchgesetzt wird. Coffeeshops können also im Rahmen des dargestellten Toleranzbereichs Cannabis verkaufen, machen sich jedoch bei der Beschaffung „durch die Hintertür“ weiterhin strafbar.17 „Hinzu kommt ein komplexes System von Lizenzierung, Kontrolle und Besteuerung der „geduldeten“ Händler“.18
4.1.2 Auswirkungen
In unterschiedlichen Studien zeigt sich, dass die Entkriminalisierung in den Niederlanden zu keiner sprunghaften Zunahme des Drogenkonsums führt. Obwohl zwischen 1984 und 1996 ein Anstieg Lebenszeitprävalenz beim Cannabiskonsum zu verzeichnen ist, sehen Experten den Grund dafür nicht bei der Gesetzesänderung von 1976, sondern in der kommerziellen Werbung in Hinblick auf Coffeeshops. Positiv zu betrachten ist der Rückgang der Konsumenten von Drogen, die als hart eingestuft werden. Wie bspw. Kokain und Heroin. Hier liegen die Niederlande unterhalb des Niveaus der Mehrheit der westlichen Länder Europas und der USA. Junge Menschen entwickeln zu dem im Vergleich einen weniger problematischen Drogenkonsum. Weitere Studien beschäftigten sich mit der Prävalenzrate von jugendlichen in Ländern sowohl mit restriktiver- als auch mit liberaler Drogenpolitik. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass es zwar einen Zusammenhang zwischen Drogenpolitik und Konsumverhalten gibt, dieser aber geringer ausfällt als bei Alkohol. Daraus lässt sich schließen, dass in den untersuchten Städten mit liberaler Politik
[...]
1 Vgl. (Böckern, Jungaberle, Jork, & Kluttig, 2015, S. 477)
2 Vgl. (Duttge, Holm-Hadulla, Müller, & Steuer, 2017, S. 84)
3 Vgl. (Hoch, Friemel, & Schneider, 2019, S. 2)
4 Vgl. (von Heyden & Jungaberle, 2018, S. 664)
5 Vgl. (Hoch, Friemel, & Schneider, 2019, S. 3)
6 Vgl. (Müller & Tergast, 2015, S. 246)
7 Vgl. a.a.O.
8 Vgl. (Gesetze im Internet, 2021: Betäubungsmittelgesetz URL: https://www.qesetze-im-inter- net.de/btmg 1981/ 29.html [letzter Zugriff am 31.12.2021])
9 Wissenschaftliche Dienste (2019): Strafrechtliche Aspekte des Umgangs mit Cannabis im internationalen Vergleich
URL: https://www.bundestaa.de/resource/blob/665450/0925ea6a5994641b8b0bf340811b6fd3/WD-7-134-19-pdf- data.pdf, S. 5 [letzter Zugriff am 02.01.2022]
10 Vgl. (Böckern, Jungaberle, Jork, & Kluttig, 2015, S. 281)
11 Vgl.a. a. O., S 284
12 Vgl. Wissenschaftliche Dienste (2019): Strafrechtliche Aspekte des Umgangs mit Cannabis im internationalen Vergleich URL: https://www.bundestag.de/resource/blob/665450/0925ea6a5994641b8b0bf340811 b6fd3/WD-7-134-19- pdf-data.pdf, S. 9 [letzter Zugriff am 02.01.2022]
13 Vgl. ADAC (2021): Drogen im Straßenverkehr, Die Folgen von Cannabis, Kokain und Co. URL: https://www.adac.de/verkehr/verkehrssicherheit/verkehrsmedizin/drogen-im-strassenverkehr/ [letzter Zugriff am 02.01.2021]
14 (Müller & Tergast, 2015, S. 108)
15 Vgl. (Gesetze im Internet, 2022: Jugendarbeitsschutzgesetz URL: https://www.gesetze-im-internet.de/jarb- schg/_ 25.html [letzter Aufruf: 03.01.2022]
16 Vgl. Wissenschaftliche Dienste (2019) Legalisierung von Cannabis - Auswirkungen auf die Zahl der Konsumenten in ausgewählten Ländern URL: https://www.bundestag.de/re- source/blob/675688/4ba9aed6de8e9633685a1cdc2d823525/WD-9-072-19-pdf-data.pdf S. 8 [letzter Zugriff am 02.01.2021]
17 Vgl. Ebd.
18 (von Heyden & Jungaberle, 2018, S. 131)
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