Verhungert, Verdurstet, Eingesperrt.
Der Begriff der Kindesmisshandlung weckt Gefühle der Betroffenheit, der Empörung oder auch des Zorns auf Eltern, die ihre Kinder so zurichten können, dass sie mit Knochenbrüchen, blauen Flecken, Brandwunden oder halb verhungert ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Die Kinderschutzdiskussionen kreisen in diesem Zusammenhang jedoch hauptsächlich um die Problemlagen von Kindesmisshandlung und sexuellem Missbrauch. Die Vernachlässigung von Kindern ist hierbei ein lange Zeit vernachlässigtes Phänomen. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Vernachlässigung von Kleinkindern und Säuglingen in den Familien meist verborgen bleibt, es sei denn es kommt zum Extremfall – dem Tod des Kindes. „Vernachlässigung der Vernachlässigung“ hat sich in diesem Zusammenhang zu einer prägenden Doktrin erwiesen.
Doch die körperliche Züchtigung scheint auf dem Rückzug und die passive Aggression löst die aktive ab. Prügelorgien weichen so mehr und mehr dem totalen Desinteresse und kleine verkotete Hungergespenster verkörpern das Spiegelbild einer zunehmend gleichgültigen Gesellschaft. Der Fall, der die Betrachtung der Kindesvernachlässigung untermauern soll, ging 1999 durch die Presse. Der gerade fünf Monate alte Christian starb im Großraum Stuttgart in der elterlichen Wohnung an Austrocknung und stellt damit einen der extremen Fälle von Vernachlässigung dar. Doch gerade hier werden die Verflechtungen von Ursachen und Folgen sowie die gravierenden Auswirkungen der Vernachlässigung besonders deutlich.
Bei der Betrachtung dieses Falls stellt man sich unweigerlich die Frage, wie es im Sozialstaat Deutschland überhaupt zu einer solchen Situation kommen kann, wo hier Hilfesysteme bleiben und wie der Tod des Kindes hätte verhindert werden können. Der erste Teil der Arbeit soll unter Einbeziehung des Falls Christian Form, Ausmaß und Bedingungen von Vernachlässigung darstellen. Im zweiten Teil erfolgt eine Untersuchung der Folgen von Vernachlässigung in Hinblick auf die körperliche, geistige und seelische Entwicklung der Kinder. Und abschließend sollen die rechtlichen Grundlagen möglicher Interventionen im Rahmen der Jugendhilfe, aber auch zukünftig vorstellbare Interventionsmöglichkeiten diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vernachlässigung als Form der Misshandlung
- Ein Definitionsversuch
- Formen und Ausmaß der Vernachlässigung
- Fallschilderung Christian B.
- Bedingungen und Indikatoren von Vernachlässigung
- Mutter-Kind-Interaktion
- Das misshandelte Kind
- Feindbild Eltern
- Persönlichkeit und Haltung vernachlässigender Eltern
- Vernachlässigung durch psychisch kranke Eltern
- Vernachlässigung durch süchtige Eltern
- Weitere Risikofaktoren der Vernachlässigung
- Folgen von Vernachlässigung
- Entwicklungsaufgaben im Säuglings- und Kleinkindalter
- Körperliche Folgen der Vernachlässigung
- Geistige und seelische Entwicklung vernachlässigter Kinder
- Rechtliche Aspekte und Rolle der Jugendhilfe
- Elterlicher Erziehungsauftrag und Kindeswohl
- Rechtliche Grundlagen von Interventionen
- Weitere Interventionsmöglichkeiten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert das Phänomen der Kindesvernachlässigung, insbesondere im frühen Kindesalter. Sie beleuchtet die Ursachen und Folgen von Vernachlässigung am Beispiel des Falles Christian B., einem fünf Monate alten Säugling, der 1999 in Stuttgart an Austrocknung starb. Die Arbeit untersucht die verschiedenen Formen der Vernachlässigung, die Faktoren, die zu ihr führen, und die Auswirkungen auf die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes. Darüber hinaus werden die rechtlichen Aspekte und die Rolle der Jugendhilfe im Kontext der Kindesvernachlässigung beleuchtet.
- Definition und Formen der Kindesvernachlässigung
- Ursachen und Risikofaktoren von Vernachlässigung
- Folgen von Vernachlässigung für die Entwicklung des Kindes
- Rechtliche Grundlagen und Interventionen der Jugendhilfe
- Der Fall Christian B. als Beispiel für extreme Vernachlässigung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Kindesvernachlässigung ein und stellt den Fall Christian B. als Beispiel für extreme Vernachlässigung vor. Kapitel 1 definiert den Begriff der Kindesvernachlässigung und differenziert ihn von anderen Formen der Kindesmisshandlung. Es werden verschiedene Formen der Vernachlässigung und das Ausmaß des Problems dargestellt. Kapitel 2 untersucht die Bedingungen und Indikatoren von Vernachlässigung, wobei die Mutter-Kind-Interaktion, die Persönlichkeit vernachlässigender Eltern und weitere Risikofaktoren im Vordergrund stehen. Kapitel 3 beleuchtet die Folgen von Vernachlässigung für die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes. Kapitel 4 befasst sich mit den rechtlichen Aspekten der Kindesvernachlässigung und der Rolle der Jugendhilfe bei der Intervention.
Schlüsselwörter
Kindesvernachlässigung, Kindesmisshandlung, Säuglingsalter, Kleinkindalter, Risikofaktoren, Folgen, Entwicklung, Jugendhilfe, Intervention, Rechtliche Grundlagen, Fallbeispiel Christian B.
- Quote paper
- Denise Kouba (Author), 2006, Vernachlässigung im frühen Kindesalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116699