Der Wandel in der Bildung. Die Rolle des Jungen in der Schule


Bachelorarbeit, 2013

43 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Sind Jungen die neuen Bildungsverlierer?

Einleitung

1. Der Wandel der Bildung
1.1 Bildung früher - Ein historischer Überblick
1.2 Der heutige Bildungsstand
1.3 Der Wandel vom benachteiligten Geschlecht zum bevorzugten Geschlecht

2. Jungen in der Schule
2.1 Das Verhalten von Jungen und Mädchen in der Schule
2.1.1 Interessen und Interaktionen
2.1.2 Motivation in der Schule
2.1.3 Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern
2.2 Jungen mit Migrationshintergrund in der Schule
2.3 Die Rolle der Gewalt innerhalb von Schule und Unterricht
2.4 Durchlässigkeit im Bildungssystem (Spätere Bildungslaufbahnen)

3. Was kann für Jungen getan werden?
3.1 Was kann innerhalb der Schule getan werden?
3.2 Was können Eltern für ihre Kinder tun?
3.3 Was für Hilfen gibt es? Förderprogramme für Jungen

Zusammenfassung und Fazit der Arbeit

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Jungen sind die Bildungsverlierer der heutigen Zeit!“ Diese These hört man seit geraumer Zeit aus den verschiedensten Bereichen unserer Gesellschaft: Sei es in der Politik, im Schulwesen oder in den Medien. Die Mädchen sind den Jungen in der Bildung ein ganzes Stück voraus. In den vergangenen 30 Jahren hat die Bildung einen Wandel erlebt, in dem das einst benachteiligte weibliche Geschlecht vor allem im Bereich der Bildung massiv aufgeholt hat. Ihre Leistungen sind beachtlich nach oben gestiegen und die Jungen rücken immer weiter in den Schatten. Was ist jedoch dran an dem Vorurteil, Jungen seien die neuen Bildungsverlierer? Sind Jungen wirklich die Verlierer oder wirkt es nur so, weil die Mädchen einen erheblichen Schritt nach vorne gemacht haben. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage „Sind Jungen die neuen Bildungsverlierer?“. Dabei kommt es zunächst einmal darauf an, die Frage soweit es geht zu beantworten. Dafür werde ich mich bei dieser Literaturarbeit mit verschiedenen Autoren und Protagonisten auseinander setzen, um meinem Ziel einen Schritt näher zu kommen. Es bedarf dabei verschiedener Aspekte, die bei diesem Thema zu beachten sind. Diese Frage würde sich wahrscheinlich für viele Mensch relativ einfach, ebenso für andere Menschen relativ schwer beantworten, da es eine ganze Reihe an Gründen gibt, die bei der Bearbeitung der Frage nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Fokus der Arbeit liegt auf den Untersuchungen des Themas „Jungen als Bildungsverlierer, wobei zwar auch auf die Veränderungen der Bildungswege des weiblichen Geschlechts eingegangen wird, der Schwerpunkt allerdings auf der Nennung derjenigen relevanten Forschungsständen liegt, die die Bildung der Jungen beeinflussen und daraus resultierend auch nur diese Veränderungen verdeutlicht werden.

Zu Beginn meiner Arbeit werde ich mich mit dem Thema „Bildung der Geschlechter“ auseinander setzen. Dazu bedarf es eines historischen Rückblickes auf frühere Zeiten, in denen die Bildung der Geschlechter auf unterschiedliche Art und Weise geregelt wurde. Mit dem historischen Überblick der Bildung von früher möchte ich im darauf folgenden Abschnitt den Wandel deutlich machen, der bis zu dem heutigen Bildungsstand der Geschlechter geführt hat. So wird deutlich, dass die Bildung nicht immer so selbstverständlich und offen war wie in der heutigen Zeit. Ebenso ist der Aspekt wichtig zu klären, ob es überhaupt einen Wandel gegeben hat und wenn, wie es dazu gekommen ist. Gibt es ein benachteiligtes Geschlecht, gab es früher auch schon eins und wie kam es zu einem Tausch der Geschlechter?

Wenn anhand der früheren Geschichte und dem Wandel die heutige Situation geklärt ist, möchte ich auf einzelne Faktoren der Thematik eingehen. Wenn man sich die Frage nach dem „Warum“ stellt, so kommt man schnell zu dem nächsten Abschnitt meiner Arbeit. Hierbei 1 soll es um die Jungen in der Schule gehen. Dazu habe ich mich mit dem Verhalten von Jungen und Mädchen innerhalb der Schule beschäftigt. Hierzu zählen in erster Linie das Interesse, die Interaktionen der Geschlechter und die Motivation innerhalb des schulischen Kontextes. Ebenso wichtig sind allerdings auch die schulischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Dabei ist es nicht vermeidbar, Statistiken mit in dieses Kapitel einzubeziehen. Ob nun die PISA-Studie oder diverse andere, viele haben sich mit den Unterschieden von Jungen und Mädchen innerhalb der Schule beschäftigt. Zwei weitere wichtige Punkte des Kapitels sind zudem das Verhalten von Jungen mit Migrationshintergrund und der Aspekt „Gewalt“. Hiermit stelle ich jedoch klar, dass beide diese Punkte unabhängig voneinander bearbeitet werden. Es geht hier lediglich um den Migrationshintergrund und das Thema „Gewalt“ innerhalb von Schulen. Als Abschluss dieses Kapitels möchte ich die Durchlässigkeit im Bildungssystem einmal näher betrachten. Mich würde es interessieren, inwiefern die Bildungslaufbahnen beider Geschlechter unterschiedlich verlaufen, falls sich diese überhaupt differenzieren lassen. Dabei steht der Aspekt der späten beruflichen Weiterentwicklung im Vordergrund.

Den Abschluss meiner Arbeit bildet ein Kapitel, welches sich intensiv mit den Hilfen und Förderprogrammen von Jungen beschäftigt. Dabei werde ich versuchen, einige Hilfen zusammenzutragen, welche sich zum einen auf den schulischen Rahmen beziehen. Auf der anderen Seite soll es auch darum gehen, die Seite der Eltern einmal zu betrachten, um Möglichkeiten zu finden, inwiefern sie ihren Jungen helfen können. Diese beiden Seiten sind für eine Bildung von hoher Bedeutung und dürfen daher nicht fehlen. Da in den vergangenen Jahren und sogar Jahrzehnten immer mehr Frauenförderung betrieben wurde, interessiert es mich, welche Art von Programmen es für das männliche Geschlecht gibt. Dabei werde ich einen Blick auf Projekte für Jungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland werfen. Hierbei stehen in erster Linie Programme der Bildung und der Zukunftsplanung der Jungen im Vordergrund. Jedoch soll es hierbei auch um verschiedene Ansätze gehen, welche sich mit den sozialen und gesellschaftlichen Kompetenzen der Jungen auseinander setzen.

Danach folgt noch meine persönliche Zusammenfassung der Arbeit und das Fazit, welches aus meiner Gesamtarbeit resultiert. Dabei ist es mir wichtig, verschiedene Fragen, die ich mir im Vorfeld der Arbeit gestellt habe, zu beantworten. Dazu zähle ich jedoch auch Fragen, die sich während und nach der Arbeit für mich gestellt haben. Ich versuche demnach eine für mich plausible und sinnvolle Erklärung zu finden.

1. Der Wandel der Bildung

Bildung wurde nicht immer gleichermaßen von beiden Geschlechtern empfangen. Während Jungen in der Schule unterrichtet wurden, mussten sich die Mädchen auf den häuslichen Bereich konzentrieren. Diese Unterschiede gab es schon sehr früh in der menschlichen Geschichte. Jedoch gab es auch Zeiten, in denen es anders war, sodass am Ende der Geschichte von einem Wandel innerhalb der Bildung zwischen Jungen und Mädchen gesprochen wurde.

1.1 Bildung früher - Ein historischer Überblick

In der heutigen Zeit werden die Männer als Verlierer im Bildungssystem betitelt. Es wird von einem starken Wandel der Bildung gesprochen. Früher waren es angeblich die Frauen, heute die Männer. Um der Frage nach den Bildungsverlierern zwischen den Geschlechtern auf den Grund zu gehen, ist es sinnvoll sich einen historischen Überblick über die Anfänge der Bildung zu verschaffen.

In der frühen Erklärungszeit und der Zeit des Bürgertums hatten Frauen nicht die gleichen Rechte wie die Männer. Die Unabhängigkeit der Frau blieb außen vor und sie unterwarf sich in erster Linie der „väterlichen Erziehungsgewalt“.1 Diese väterliche Erziehungsgewalt übertrug sich im nächsten Schritt auf den Ehemann oder einen Nachfolger dessen. Die Frauen wurden damals vom Leben und der Arbeit im öffentlichen Raum und der Gesellschaft ferngehalten. Zudem schloss man sie aus politischen und wirtschaftlichen Belangen der Gesellschaft aus. Die Frau sollte sich komplett auf die hauswirtschaftlichen Arbeiten konzentrieren. Die Frau von früher besaß kein eigenes Geld und konnte das familiäre Vermögen nicht verwalten. Ihre Wünsche und Bedürfnisse hingen von deren Ehemännern ab.2 Frauen des späten 18. Jahrhunderts hatten jedoch eine besondere Aufgabe. Die Erziehungsaufgabe der Frauen im eigenen Hause lag in der Bildung der Kinder. So lässt sich auf den ersten Blick vermuten, dass die Frau im früheren Zeitalter anscheinend doch Bildung empfing. In der Tat schloss diese Art der Bildung das Lesen lernen und das erste Rechnen mit ein. Wie diese Art der Bildung erfolgte, konnten die Frauen während der Jahrhundertwende vom 18. bis zum 19. Jahrhundert aus einem damals erschienen Erziehungsratgeber entnehmen. Dieser Erziehungsratgeber war eine Anleitung für Mütter, in dem stand, wie sie ihren Kindern bspw. das Lesen lehren können. Diese so genannten Fibeln waren doppelt anzusehen, da sie auf der einen Seite für die Bildung der Kinder gebraucht wurden und auf der anderen Seite für den eigenen Lernbedarf nützlich waren. Die Frauen lernten daraus und brachten es dann ihren Kindern bei. Diese Art der Bildung konzentrierte sich jedoch nur auf den familiären und privaten Bereich und hatte mit der eigentlichen Bildung nicht viel gemeinsam.

Im öffentlichen Schulwesen wurden schon im 18. Jahrhundert sogenannte Edikte zu einer allgemeinen Schulpflicht von Jungen und Mädchen erlassen. Nur ging es auch hier in der Regel um sittliche und religiös-moralische Erziehung und nicht um den Erwerb von Wissen. In einem Zitat von König Friedrich Wilhelm I. (1717) zur Verordnung allgemeiner Schulpflicht heißt es: Der Schulbesuch müsse für alle Kinder verbindlich sein, denn „wenn ich baue und verbessere das Land und mache keine Christen, so hilft mir das alles nicht“.3

„Faktisch waren diese Edikte wohl eher wohlgemeinte Absichtserklärungen“.4 Es gab also Verordnungen, die auch den Frauen ein „wenig“ Recht auf öffentliche Bildung einräumten. Auf der anderen Seite war die Bildung im 18. Jahrhundert alles andere als selbstverständlich, denn schon allein das Schulgeld verwehrte den Bürgern aus den ärmeren Schichten das Recht auf Bildung. Von da aus sollte es noch mindestens 100 Jahre dauern, bis es annähernd zu einer allgemeinen Schulpflicht kommen sollte. Interessant ist, dass alle Diskussionen um die Bildung der Frau sich viel mehr auf den Besuch von weiterführenden Schulen bezog und weniger auf den Besuch von einfachen Volksschulen. Die Grundbildung des 19. Jahrhunderts, die sowieso nur die Kulturtechniken des eigenen Hauses beinhaltete, musste demnach von der Mutter beigebracht werden und wurde von den Volksschulen nur wenig unterstützt. Zusammenfassend war die Bildung etwas, die mit Glück willkürlich eintreten konnte oder nicht. Heinemann beschrieb diese gegenwärtige Bildung als jedem Kind zustehende „Grundlage des menschlichen Daseins“.5

Die weiterführende Bildung zielte auf andere Schwerpunkte ab. Dort erlernte man Fähigkeiten, die nötig waren, um einen Beruf auszuüben oder ein Studium an einer Universität zu absolvieren sowie die Wahrnehmung von Bürgerpflichten innerhalb der Gesellschaft und Politik. Von diesen Tätigkeiten waren die Frauen aber, wie bereits erwähnt, ausgeschlossen. Für das Bürgertum und die gesellschaftliche Schicht waren Bildung und Schulbildung jedoch ein Erfolg versprechender Schritt in die Zukunft. So entstanden im Laufe der Jahre Leihbibliotheken, Lesezirkel und Lesegesellschaften, welche vor allem überwiegend für die Männer gedacht waren, weil die Fähigkeit zu lesen eine hochgeschätzte

Betätigung und Teil der bürgerlichen Öffentlichkeit war.

Nach einiger Zeit gab es dann die erste Gruppe Bildungsbürger, die sich mit einer organisierten Schulbildung befassten. Diese so genannten Philanthropen probierten in Modellschulen (Philantropinen) neue Bildungs- und Erziehungswege aus, welche auch überwiegend für Jungen konzipiert waren. In bestimmten Fällen erfolgten diese auch unter Einschluss von Mädchen oder in geschlechtsgetrennten Einrichtungen. In den Philantropinen für Mädchen war die zentrale Orientierung die Bildung von Mädchen des gehobenen Bürgertums des 19. Jahrhunderts. Diese beinhaltete die weibliche Bestimmung zur Hausfrau, Gattin und Mutter.6 7

In dieser Zeit wurden zusätzlich die ersten öffentlichen Schulen speziell für Mädchen gegründet. Inhalt dieser „Industrieschulen“ war es, die Mädchen auf damalige frauentypische Erwerbsarbeiten vorzubereiten. Dort lernten sie das Nähen, Spinnen, Stricken und die Gewöhnung an eine Arbeitstätigkeit. Im Gegenzug wurden an den höheren Schulen für Mädchen Fächer unterrichtet, die üblicherweise an den Jungenschulen auch gelehrt wurden. Der gravierende Unterschied dabei war jedoch, dass die Mädchen an diesen Schulen keine Benotungen oder Zeugnisse erhielten.8 Kurz darauf setzten dann die Forderungen der damaligen Frauenbewegung ein, in denen es darum ging, dass sie selbst die Aufgaben der grundlegenden Bildung nicht erfüllen könnten, wenn sie schlecht gebildet sind. Des Weiteren forderte die Frauenbewegung das Einsetzen von weiblichen Lehrkräften, um die Mädchen besser bilden zu können. Diese Forderungen und Strategien entstanden durch den „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein“ (ADLV), der sich 1890 gründete und eine große Wirkung in der Politik erlangte. Der ADLV hatte jedoch aus heutiger Sicht der Politik eine problematische Perspektive, denn dieser ging schon früher von einer naturgegebenen Verschiedenheit der Geschlechter aus. So schränkten sich die Mitglieder des Vereins in ihrem Raum ein, der über eine eigentliche Erziehung und den begrenzten intellektuellen und gesellschaftlichen Fähigkeiten nicht hinausging. Jedoch geht man davon aus, dass gerade diese eigene Einschränkung der Frauen von den Männern besser akzeptiert werden konnte, sodass 1908 die „Bestimmung über die Neuordnung des höheren Mädchenschulwesens“ [9] erlassen wurde. Ab da konnten die Frauen auch Zulassungen für Universitäten erreichen. Obwohl es noch die Einschränkung in Form von Mädchen-Lyzeum gab, war ein Grundstein für die höhere Bildung der Frau gelegt. Diese „Mädchen-Lyzeum“ wurden 1923 den Realschulen für Jungen gleichgesetzt. Erstaunlicherweise war 1932 ein Drittel der Abiturienten junge Frauen. Jedoch haben wenige Frauen danach ein Studium an einer

Universität begonnen, im Vergleich zu den Männern. Die Chancen, welche die Frauen durch ihre Schuldbildung gewonnen haben, wurden nicht weiter genutzt, worauf im späteren Verlauf der Arbeit noch einmal eingegangen wird.10

Wenn in der heutigen Zeit von Schule und Geschlecht die Rede ist, werden diese Diskurse meistens ohne sie zu hinterfragen mit Koedukation gleichgesetzt. Jedoch ist das gemeinsame Unterrichten von Jungen und Mädchen ein eher junges Phänomen. Dementsprechend verlief das Schulsystem nach dem Zweiten Weltkrieg in den zwei deutschen Staaten unterschiedlich. Aufgrund der proletarischen Frauenbewegung innerhalb der DDR wurde dort in geschlechtsgetrennten Klassen unterrichtet. Die Bundesrepublik hingegen hielt an Jungen- und Mädchenschulen fest. 1970 kam es im Zuge der Bildungsreform dann zur Einführung bundesweiter koedukativer Schule. Heute ist es selbstverständlich geworden, Jungen und Mädchen gemeinsam zu unterrichten.11

Zusammenfassend wird deutlich, dass Bildung nicht immer eine Selbstverständlichkeit für Mädchen gewesen ist. Die Politik, Religion und die Gesellschaft hatten auch in der früheren Zeit einen großen Einfluss auf den Bereich der Bildung. Auch das männliche Geschlecht beeinflusste die lehrende Erziehung der Frauen, in dem z.B. eine dominante väterliche Erziehungsgewalt konstatiert wurde. Erst durch das Einstehen für das eigene Recht der Frauen, kam es zu einem Wandel, dass Frauen das gleiche Recht auf Bildung bekamen.

1.2 Der Wandel - Vom benachteiligten Geschlecht zum bevorzugten Geschlecht

Das Recht auf Bildung der Frauen sorgte dafür, dass sie einen enormen Schritt nach vorne machten. Nicht länger haben nur die Männer das Sagen, wenn es um Bildung und Arbeit geht. Die Frauen stehen ihnen in nichts nach, denn sie machen die besseren Schulabschlüsse, studieren häufiger und dominieren ganze Fachbereiche. Selbst in Studienfächern wie Medizin und Jura ist eine Mehrheit der kompetenten Berufsanfänger weiblich. Obwohl auf dem Arbeitsmarkt angeblich die Männer dominieren, lässt sich trotzdem eine große Welle an weiblichen, kompetenten Arbeitskräften dokumentieren. Die weiblichen Dienstleistungsgewerbe lassen die männliche Industriearbeit schrumpfen. Somit steigt die weibliche Erwerbstätigkeit und die männliche nimmt stetig ab. Diese Tatsache werden durch die Arbeitslosenquoten unterstützt, welche darauf hinweisen, dass es mehr arbeitslose Männer als Frauen in Deutschland gibt.12 Diese Tatsache ist auf jeden Fall dem männlichen Geschlecht nicht positiv anzurechnen. Wie Walter Hollstein in dem Buch „Jungen als Bildungsverlierer“ sagt: „Die Verlierer auf dem Bildungs- und auf dem Arbeitsmarkt sind die Männer“. 13

Vor allem in den letzten 40 Jahren wurden die Mädchen und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend gefördert. Was früher von der Frauenpolitik ausging, gilt seit vielen Jahren als Gleichstellung oder auch als die so genannte Geschlechterpolitik. Der Begriff der Geschlechterpolitik hat allerdings nichts daran geändert, dass man ausschließlich bei der Mädchenförderung geblieben ist. Darauf hat die Politik ihren Fokus gelegt. Ein gutes Beispiel dafür ist der erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2010. Darin werden die Männer nur nominell erwähnt. Sie werden leerformelhaft beschrieben, bleiben jedoch im Ganzen ein Phantom, mit dem sich weniger beschäftigt wird. Selbst in dem Kapitel „Arbeit“ wird auf fast über 60 Seiten ausschließlich von Frauen auf dem Arbeitsmarkt gesprochen. Zudem werden die Probleme aufgegriffen, die eine Frau auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Jobsuche haben kann. Des Weiteren sind es Themen wie der Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft, Karrierehindernisse, tradierte Rollenverständnisse und Schwierigkeiten der Integration von Familie und Beruf.14

Interessant zu beobachten, dass in dem gesamten Bericht nicht einmal die Rede von den Problemen der Männer ist. Es wird nicht davon gesprochen, dass sich in den vergangenen Jahren immer mehr Männern umschulen lassen mussten oder dass die Arbeitslosenquote der Männer hochgegangen ist. Genauso wenig wird erwähnt, dass sich Mädchen nach der Schule trotz ihrer ganzen Förderung immer noch für traditionelle Frauenberufe entscheiden.15 Es konnte während der gesamten letzten Jahre wenig Wert auf die Förderung des männlichen Geschlechts gelegt werden, da die Frauen immer mehr in den Vordergrund gerückt sind. Früher galt die Frau als benachteiligtes Geschlecht. Es wurde immer weiter gefördert und die einseitige Bevorzugung nicht gestoppt, sodass sich die Förderung bis heute zum größten Teil auf diesen gesetzten Schwerpunkt bezieht. Das frühere starke Geschlecht der Jungen hat sich in den Hintergrund drängen lassen und die Mädchen sind vorbeigezogen. Das einst benachteiligte Geschlecht ist zum bevorzugten Geschlecht geworden. Es ist offensichtlich, dass die akute Mädchen- und Frauenförderung diesen Wandel begünstigt hat. Dennoch wird heute in verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichen Mitteln weiter daran gearbeitet, dass das männliche Geschlecht benachteiligt wird. Ein sehr gutes Beispiel ist die Darstellung von Gewalt. Grundsätzlich sind Frauen die Opfer und Männer die Täter. Die österreichische Frauenministerin hat im Jahr 2011 eine Plakation zum Thema Gewalt erstellen lassen. Auf diesem Plakat sind zwei Frauen und ein Kind zu sehen, welche mit Schutzhelmen ausgestattet und verschreckt vor ihrem Ehemann und Vater stehen. Wenn man seinen Fokus jedoch auf Studien legt, wird man feststellen, dass Gewalt kein Geschlecht hat. In einer Studie von 2011 wurde festgestellt, dass Gewalt in rund 30 % aller Familien vorkommt. Diese Studie konstatiert ebenfalls, dass rund 34,5% der Männer und 30,4% der Frauen Gewalt ausüben. Wenn es um schwere Körperverletzung geht, dominieren die Männer aufgrund ihrer Körperkraft. Bei psychischer Gewalt sind es jedoch die Frauen die mehr Gewalt ausüben.16

Viele solcher Argumente oder Studien wurden völlig außer Acht gelassen, als die Frauen weiterhin auf der Überholspur fuhren. Die genannten Argumente sind sogar nur einige, die belegen, dass die Männer und die Frauen in bestimmten Bereichen nicht so unterschiedlich sind. Auch in den USA wurde schon vor 40 Jahren von Forschern festgestellt, dass die Gewalt gleichermaßen verteilt ist. Das friedfertige Geschlecht der Frau würde zerbrechen, wenn man ihnen Gewalt nachsagen würde. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb auf die Defizite der Frauen nicht geschaut wird. Früher galten die Männer noch als Schöpfer der Kultur, als Entdecker, als weise Menschen und heute sind sie nur noch die Zerstörer, die an allem die Schuld tragen. Männer sind Schuld an der Finanzkrise, an den Bankenpleiten, Männer betreiben Kinderpornographie und Männer sind an allem anderen Übel dieser Welt schuldig. In jeglicher Hinsicht, vor allem aber im Bereich der Medien wird eine Verachtung gegen Männer propagiert. Es scheint zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein Männer abzuwerten.17

Hierbei ist klar, dass alle diese Gründe oder Aussagen tragend für eine Benachteiligung eines Geschlechts sind. Erschreckend ist, dass es nach der Literatur zum Thema „Mann und Jungen“ noch wesentlich mehr Argumente gibt, die belegen, wie „schlimm“ der Mann von heute ist. Betrachtet man nur einmal, wie männliche Eigenschaften in den letzten vierzig Jahren dargestellt worden sind, wird ein klarer Perspektivenwechsel deutlich. Ein gutes Beispiel hierfür: Wenn ein Mann früher für seinen Mut oder seine Autonomie gelobt wurde, so wird heute mit Mut die Aggressivität in Verbindung gebracht. Die Autonomie ist zur Unfähigkeit menschliche Nähe aufzubauen geworden. Alles was in irgendeiner Art und Weise mit Diskriminierung zu tun hat, wird mit Frauen in Verbindung gebracht. Das war früher so und hat sich durchgesetzt, obwohl vieles dafür spricht, dass es jetzt die Männer sind, die benachteiligt werden.

1.3 Der heutige Bildungsstand

Wie ist es also heute? Wie ist der Stand der Bildung im Kontext mit den Geschlechtern heute in der Schule? Sind es die Jungen, die wirklich so viele Probleme machen?

Vor allem im Bereich der Medien, Zeitung, Fernsehen etc. wird stark von einer Benachteiligung der Geschlechter gesprochen. Wo die letzten 40 Jahre ordentlich in den weiblichen Domänen gefördert wurde, blieben die Jungen zurück. Jungen sind die Verlierer im Bildungssystem, heißt es. Das Thema Bildung wird kontrovers diskutiert. Fest steht, dass die Jungen im Bereich der Bildung einen massiven Rückschritt erfahren mussten. So besuchen heute immer weniger Jungen qualifizierende Schulformen. Immer mehr Jungen bleiben ohne Schulabschluss oder sie wiederholen häufiger eine Klasse als ihre weiblichen Mitstreiterinnen. Erst durch die Ergebnisse der PISA-Studie sind die schulischen „(Miss)erfolge“ der Jungen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. So erwecken die Jungen das Aufsehen vieler Sozialwissenschaftler, aber auch das der Politik. Trotz der beachtlichen Mädchenförderung innerhalb der Schulen, muss die Politik ihr Augenmerk auf die Problematik der Jungen legen. Durch immer wiederkehrende provokative Schlagzeilen, beispielsweise des Spiegels oder dem Focus, wird die Öffentlichkeit damit konfrontiert. Ganz nüchtern betrachtet fallen die Benotungen der Mädchen zu Ungunsten der Jungen aus. Jede gute Note eines Mädchens lässt den Verdacht, dass Jungen Bildungsverlierer seien, immer näher rücken. Die Jungen müssen sich heute mit einer Vielzahl von Problemen beschäftigen: Mädchenorientierte Disziplinierungsmaßnahmen innerhalb des Unterrichts, das Klischee des typischen „Jungenverhaltens“, das damit verbundene „Quatsch machen“ oder die ihnen nachgesagten geringeren sozialen Kompetenzen. Das sind die Probleme, mit denen sich die Jungen beschäftigen müssen. Die Frage nach Identität oder die Toleranz gegenüber dem anderen Geschlecht und deren Entwicklung steht nicht im Raum. Viele Autoren sind sich einig, dass die Jungen von heute Unterstützung benötigen. Jedoch ist es auch unklar, in welche Richtung diese gehen kann.18

2. Jungen in der Schule

2.1 Verhalten von Jungen und Mädchen in der Schule

So sind Jungs. Sie rotten sich zusammen, erpressen oder berauben Mitschüler. Sie terrorisieren, quälen, prügeln Schwächere, und wenn das Opfer am Boden liegt, treten sie nach. Sie rasieren sich Glatzen und hetzen Ausländer zu Tode. Sie gehen in die Schule und erstechen ihre Lehrerin. Und wenn sie nicht ganz so böse sind, dann beleidigen sie sie wenigstens.

[...]


1 Vgl. Barbara Rendtorff (2011): Bildung der Geschlechter, hrsg. Von Peter J. Brenner. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, S. 13

2 Vgl. ebd.

3 Rendtorff 2011: 14.

4

Hans-Georg Herrlitz, Wulf Hopf & Hartmut Titze (1989): Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Eine Einführung, Weinheim: Juventa, S. 52.

5 Manfred Heinemann (1990): Familienrecht und Mädchenerziehung im 19. Jahrhundert in Preußen. In: Johann Georg Prinz von Hohenzollern/Max Liedtke: Der weite Schulweg der Mädchen, Bad Heibrunn: Klinkhardt, S. 256.

6 Vgl. Rendtorff 2011: 14.

7 Vgl. Ebd.: 15.

8 Vgl. Herrlitz, Hopf & Titze 1998: 93.

9 Rendtorff 2011: 16.

10 Vgl. Rendtorff 2011: 16.

11

Vgl. Leonie Herwartz-Emden, Verena Schurt & Wiebke Waburg (2012): Mädchen und Jungen in Schule und Unterricht. Stuttgart: Kohlhammer GmbH, S. 15.

12

Vgl. Walter Hollstein: Das vergessene Geschlecht? Die einseitige Frauenförderung und ihre Folgen. In: Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen?, hrsg. von Klaus Hurrelmann & Tan- jev Schultz (2012). Weinheim & Basel: Beltz/Juventa Verlag, S. 287.

13 Ebd.

14 Vgl. Ebd.: 288.

15 Vgl. Ebd.: 288f.

16 Vgl. Hollstein 2012: 289.

17 Vgl. Ebd.: 291.

18 Vgl. Jürgen Budde (2008): Bildungs(miss)erfolge von Jungen und Berufsverhalten bei Jungen/ männlichen Jugendlichen. In: Bildungsforschung, hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Band 23, S. 6.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Der Wandel in der Bildung. Die Rolle des Jungen in der Schule
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
43
Katalognummer
V1167147
ISBN (eBook)
9783346585493
ISBN (Buch)
9783346585509
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gender, Bildung, Bildungsverlierer, Gender Studies, Gleichberechtigung, Schule, Mädchen, Jungen, Diverse
Arbeit zitieren
Sebastian Bünger (Autor:in), 2013, Der Wandel in der Bildung. Die Rolle des Jungen in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1167147

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