Medical Wellness als exemplarische Darstellung bei der Adaption von Wellnesskonzepten aus den USA in Deutschland


Diploma Thesis, 2004

76 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis:

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis:

Abstract

1 Einleitung

2 Die Grundlagen: Gesundheit, Gesundheitsförderung und Wellness
2.1 Aspekte des Gesundheitsbegriffs
2.1.1 Historische Entwicklung von Ansätzen der Gesundheitsförderung
2.1.2 Entstehung des heutigen Gesundheitsförderungskonzepts
2.2 Der Wandel des Gesundheitsbegriffs
2.3 Das Wellnesskonzept
2.3.1 Pragmatische Definitionsansätze von Wellness
2.3.2 Aspekte von Wellness
2.4 Ab- und Begrenzungsversuche beider Konzepte

3 Wellness in den USA
3.1 Entstehung und Verbreitung der Wellnessbewegung
3.1.1 Wellness in nordamerikanischen Unternehmen
3.1.2 Evaluation von Wellnessprogrammen
3.2 Problematik von transnationaler und –kultureller Übertragbarkeit auf Deutschland

4 Wellness in Deutschland
4.1 Der Megatrend Gesundheit und die Entwicklung eines Lifestylephänomens
4.2 Der Wellnessmarkt
4.2.1 Wellness im 2. und 3. Gesundheitsmarkt
4.2.2 Rehabilitations-, Kurkliniken und Sanatorien als neuer Markt?

5 Medical Wellness
5.1 Definitionsansätze zwischen Wellness und Medical Wellness
5.2 Das Vorbild der Medical Spa`s in den USA
5.3 Neue Märkte, neue Anbieter und neue Zielgruppen
5.4 Medical Wellness Angebote in Deutschland

6 Diskussion

7 Zusammenfassung und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang Wellness-Glossar:

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis:

Abbildung:

Abb. 1: Gesundheitskontinuum von Antonovsky (in Anlehnung an Becker 1997, S. 519)

Abb. 2: Erstes Wellness–Modell von Ardell 1977 (in Anlehnung an Hertel 2003a, S. 8)

Abb. 3: Zweites Wellness–Modell von Ardell 1987 (in Anlehnung an Hertel 2003a, S. 8)

Abb. 4: Wellness-Modell von Hettler (in Anlehnung an Hertel 2003a, S. 9)

Abb. 5: Illness / Wellness-Continuum von Travis (nach Travis 2001, S. 14)

Abb. 6: Erweitertes Modell der Wellness – Elemente (nach Nahrstedt 2001, S. 60)

Abb. 7: Wirtschaftliche Bedeutung von Wellness in Deutschland 2001 (in Anlehnung an Illing 2002, S. 1)

Abb. 8: Der Wellnessmarkt bis 2005 (in Anlehnung an Hertel 2003c, S. 1)

Abb. 9: Unterschiedliche Bedeutungszuweisung für den Begriff Wellness (nach Illing 2002, S. 9)

Abb. 10: Wellness-Modell nach Illing (nach Illing 2002, S. 34)

Abb. 11: Stärken des Wellnessgedankens für Medical Wellness (nach Illing 2002, S. 42)

Abb. 12: Gegenüberstellung der klassischen Schulmedizin und „Medical Wellness/Well-Care“ (nach Menschel 2001, S. 22)

Abb. 13: Medical Wellness Modell nach Kellner (nach Kellner 2004, S. 80)

Abb. 14: Überblick zum Kassen- und Selbstzahlermarkt und differierendes Marktverständnis (nach Illing 2002, S. 32)

Tabelle:

Tab. 1: Evaluationsstudien betrieblicher Gesundheitsförderungs- und Wellnessprogramme (nach Pelletier 1991 in Hertel 1992, S. 47)

Abstract

Medical Wellness, a created and only in Germany used term, tries to get closer with the emphasis on a medical character against the inflatory use of “wellness” in Germany to the american sounded original wellness concept. The wellness concept shows remarkable similarity to the WHO lifestyle concept, the health promotion concept as formulated in the Ottawa Charta and to the concept of Salutogenese by Antonovsky. But, Medical Wellness as an attempt of an adaption does not meet the conditions of the original wellness concept because in trying to reach a specific affluent crowd, instead of the intention to an achievement for everybody, whether ill or not. Therefore, from a public health view, Medical Wellness is just another product of growing health markets in Germany.

Zusammenfassung

Medical Wellness, ein nur in Deutschland entwickelter und verwendeter Begriff, versucht mit der Betonung auf das Medizinale dem inflationären Gebrauch von Wellness in Deutschland entgegen, und dem ursprünglich fundierten US-amerikanischen Wellnesskonzept wieder näher zu kommen. Das Wellnesskonzept weist große Ähnlichkeiten zum Lebensweisenkonzept der WHO, dem Gesundheitsförderungskonzept wie es in der Ottawa Charta formuliert wurde und auch dem Salutogenesekonzept nach Antonovsky auf. Jedoch wird auch Medical Wellness nicht dem Original und damit einer gelungenen Adaption gerecht, da sich die Angebote zumeist an eine bestimmte selbstzahlende Klientel im Gegensatz zur Intention des US-amerikanischen Wellnesskonzepts mit der Erreichbarkeit für jeden, ob erkrankt oder gesund, richten. Medical Wellness ist von daher aus einer Public Health Sicht als ein weiteres Produkt wachsender Gesundheitsmärkte in Deutschland zu betrachten.

1 Einleitung

Was wäre heute ein beginnender Morgen ohne eine Dusche mit dem neuen Wellness-duschgel, welches ein „Wohlfühlerlebnis“ laut Etikett verspricht? Danach in die Wellness-socken und bei Wellnessmusik wird ein gesundheitsfördernder Wellnessjoghurt, -brot und -saft zum Frühstück verzehrt. Das Wochenende und auch der Urlaub wird, wenn das Ein-kommen es erlaubt, in einem exklusiven Wellnesshotel bei entspannenden und zugleich vitalisierenden Wellnessanwendungen verbracht. Oder am besten gleich in einen Ge-sundheitsurlaub mit einem sog. „Medical-Wellness Paket“[1], wie es ein ganz neuer Reise-prospekt verspricht?

Der Begriff Wellness ist heute zu einer universellen Alltagsvokabel und einem Lifestyle-phänomen geworden. Einerseits versucht der Begriff eine banale Dusche zu einem bewussten Erlebnis aufzuwerten, andererseits unterstreicht der Wellnessbegriff dabei aber auch eine Betonung auf das Besondere wie z. B. bei einem „Wohlfühlwochenende“.

Aber was ist das eigentlich, was da so vollmundig versprochen wird? Welche Definition und welche Konzepte stehen mit welchem Ziel hinter dem Begriff Wellness? Deckt sich die Intention, die im nordamerikanischen Wellnessmodell verfolgt wird, mit den adaptierten Konzepten in Deutschland? Ist Wellness heute nur für gesunde, gutsituierte Menschen, die nun durch „Medical Wellness“ noch gesünder und /oder schöner werden wollen, oder kann auch der übergewichtige Rentner nach überstandener Bandscheibenoperation ein „Medical Wellness“ Angebot bei der anschließenden Rehabilitation oder Kur in Anspruch nehmen? Ist der dabei vor allem in Deutschland verwendete Begriff „Medical Wellness“ als ein erneutes Marketingprodukt des ohnehin unscharf begrenzten Wellnessmarktes anzusehen, oder wird hier gar versucht, die kurative Medizin im Zuge eines sich verändernden Krankheits- und Gesundheitsbegriffs in einer „Gesundheitsgesellschaft“ (Kickbusch 2003a, S. 1) mit dem Wellnessbegriff zu „relaunchen“[2] ? Wie ist zudem die aktuelle Verquickung von Medizin und Wellness aus Sicht der Intention der ursprünglich nordamerikanischen Wellnessphilosophie einzu-schätzen?

Ziel der vorliegenden Arbeit ist, diese Fragen zu beantworten und „medical wellness“ dabei exemplarisch vorzustellen.

Die Arbeit stellt im ersten Teil den theoretisch fundierten Rahmen von Gesundheit[3] und Gesundheitsförderung aus der „klassischen“ Perspektive und Wellness[4] als eine Möglich-keit der Erweiterung dessen dar. Sie versucht weiter, einer Begriffsklärung sowie einer Präzisierung des Begriffs „Wellness“ inklusive Ab- und Begrenzungen mit interventio-nellen Gesundheitsförderungsmodellen und –konzepten nachzugehen.

Im zweiten Teil folgt eine Beschreibung von Wellness in den USA, der Entstehung und der Verbreitung von Wellnessprogrammen in der betrieblichen Gesundheitsförderung in Unternehmen. Hierbei werden Hauptaspekte von Wellness- und Gesundheitsförderungs-programmen sowie Evaluationsergebnisse nordamerikanischer Unternehmen vorgestellt. Ein kurzer Vergleich zwischen den US- amerikanischen und deutschen Gesundheits-systemen und dessen betrieblicher Gesundheitsförderung leitet zur Problematik der trans-nationalen und –kulturellen Übertragbarkeit von Wellness auf Deutschland hin.

Wie Wellness sich in Deutschland verortete und in welchen Erscheinungsformen und unter Einfluss welcher gesellschaftlicher Trends es dabei auftritt, wird im dritten Teil vorgestellt. Die Begrifflichkeit und Begrenzung des „Medical Wellness“ von Wellness, deren wichtigste Inhalte sowie Ziele und Zielgruppen und Angebote im gesundheits-touristischen Kontext der entstehenden Gesundheitsmärkte, bildet dabei den zweiten Hauptteil.

Die Zusammenfassung und die Schlussfolgerung befassen sich mit den Fragen des Medical Wellness Begriff und deren Definitionen in Bezug zum ursprünglich nordamerika-nischen Wellnesskonzept sowie welche möglichen Konsequenzen sich daraus für die Gesundheitsförderung bei aktueller Gesundheitspolitik in Deutschland ergeben könnten.

Die Recherche zu den genannten Themenkomplexen wurde zu einem Grossteil in der Datenbank „Medline“ bezüglich der Begriffe „wellness“ und „corporate wellness“ vorge-nommen. Ebenfalls wurden Datenbanken der Bibliothek der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, sowie umfangreiche Internetrecherchen zum Suchbegriff „Wellness“, „Medical Wellness“ und „spa“ durchgeführt. Weitere Artikel zum Thema konnten gefunden werden, indem die Literaturverzeichnisse relevanter Artikel durchsucht und Gespräche mit Personen, die in diesem Bereich beispielsweise mit der Erstellung von Qualitätskriterien im Wellnessbe-reich arbeiten, geführt wurden.

2 Die Grundlagen: Gesundheit, Gesundheitsförderung und Wellness

Im Umfeld von Gesundheit und Wohlergehen hat kaum ein anderer Neoanglizismus in den letzten Jahren zu so kontroversen Reaktionen und Bewertungen wie der Begriff „Wellness“ geführt. Vor allem in Deutschland ist dabei durch die mittlerweile ständige Präsenz des Themas in den verschiedensten Medien der Eindruck entstanden, dass Wellness ein Lifestyletrend sei, der zwar von gering wissenschaftlichem Wert, jedoch auch synonym für Gesundheit und Gesundheitsförderung genutzt wird.

In diesem Abschnitt werden Aspekte des Gesundheitsbegriffs, Historie und heutiges Kon-zept der Gesundheitsförderung dargestellt, welches Fundament dem Wellnessbegriff zu-geschrieben wird und wo dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Konzepte liegen.

2.1 Aspekte des Gesundheitsbegriffs

Eine Eingrenzung des Begriffs „Gesundheit“ lässt sich insbesondere durch eine Abgren-zung zum Begriff „Krankheit“ finden. So kann es sich um ein dichotomes Verhältnis han-deln, in dem nur die Extremwerte „gesund“ und „krank“ existieren oder um ein Kontinuum, auf dem man sich auch zwischen den beiden Polen befinden und bewegen kann. Zudem gibt es Unterschiede im Verständnis des Gesundheitsbegriffs zwischen der alltagsnahen und der wissenschaftlichen Betrachtungsweise der Menschen, sowie zwischen nicht – in-dustrialisierten und industrialisierten Gesellschaften.

In nicht industrialisierten Gesellschaften sind Gesundheitsvorstellungen vorwiegend gleichgewichtsorientiert (vgl. Bengel / Belz-Merk 1997, S. 25). Gesundheit wird dort meis-tens als ausgewogene Beziehung zwischen Mensch, Natur und übernatürlicher Welt und als Resultat eines harmonischen Gleichgewichts zwischen zwei oder mehreren Elemen-ten oder Kräften innerhalb des Körpers beschrieben. Beispielsweise wird in der altin-dischen Gesundheitslehre des Ayurveda[5] in Indien eine Balance der Körpersäfte als Gesundheit angesehen, sowie „erwärmende“ und „kühlende“ Nahrung, Kräuter und Medi-zin zum Ausgleich der „Kälte“ und „Hitze“ im Körper.

Seit der fortschreitenden Industrialisierung und einem wissenschaftlichen Reduktionis-mus, insbesondere ab dem 19. Jahrhundert, wurde das biomedizinische Modell propagiert (vgl. Wipplinger / Amann 1998, S. 20). Demnach galten wissenschaftlliche Konzepte von Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit, was sich insbesondere auf pathologische Prozesse im Körper bezog. Krankheit hatte in dieser Betrachtungsweise monokausale Ursachen in biologischen Strukturen. Im 20. Jh. wurde das Modell um die soziale und die psychische Komponente erweitert.

Nach Antonovsky sind Gesundheit und Krankheit die beiden Pole einer Dimension. Sie stellen die Endpunkte eines Kontinuums folgenderweise dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Gesundheitskontinuum von Antonovsky (in Anlehnung an Becker 1997, S. 519)

Der jeweilig persönliche Gesundheitszustand resultiert aus dem Verhältnis zwischen Risiko- und Schutzfaktoren. Dieses Verhältnis sieht Antonovsky 1987 in seinem Saluto-genesekonzept als beeinflussbar an. Damit befindet sich der Gesundheitszustand variabel innerhalb des Kontinuums, kann jedoch stets durch eine Verbesserung in Richtung Ge-sundheit verschoben werden (vgl. Wipplinger / Amann 1998, S. 20). Dies bedeutet eine Abkehr von dem Verständnis, Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit zu begreifen. Weiter bedeutet es, dass auch gesunde Menschen ihren Gesundheitszustand weiterhin verbessern können. Diesen Ansatz verfolgt auch die in der Fachliteratur heute meist zitierte Definition der Gesundheit durch die World Health Organization (WHO)[6] von 1948: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ (Wipplinger / Amann 1998, S. 20). Dies läutete die Ablösung des bereits erwähnten biomedizinischen Modells ein. Dabei wird mehr der Aspekt betont, dass Gesundheit ein umfassendes Wohlbefinden bedeute.

Weiterentwicklungen gab es u. a. 1982 und 1986 von Becker, der das integrative Anforde-rungs – Ressourcen - Modell vorlegte, das ähnlich wie bei Antonovsky den komplexen Widerpart von Anforderungen und Ressourcen darstellt, jedoch unter besonderer Berücksichtigung der „Schlüsselkategorie seelischer Gesundheit“ (Waller 1996, S. 20). Hurrelmann legt 1996 in seinem sozialisationstheoretischen Gesundheitsmodell den Schwerpunkt auf „(...) die Verknüpfung von sozialtheoretischer und gesundheitswissen-schaftlicher Erkenntnisse (...)“ (Waller 1996, S. 22), und einen stufenweisen Prozess von Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ein weiteres Modell von Hancock fand zudem Interesse, das in dem 1990 entstandenen Mandala[7] -Modell dynamische und interaktive Beziehungen und ebenso wie Becker Ansatzpunkte der Gesundheitspolitik und der Gesundheitsförderung zugrunde legt (vgl. ebd.).

Das derzeit wichtigste Erklärungsmodell zur Entstehung von Krankheit und gleichzeitig einflussreichster Interventionsgrundlage in der Prävention und Gesundheitserziehung, stellt das Risikofaktorenmodell dar. Es wurde Anfang der 1960er Jahre als eine epide-miologisch begründete Erweiterung des „biomedizinischen Paradigmas“ entwickelt. Eine Weiterentwicklung war nötig geworden, da eine direkte Übertragung der naturwissen-schaftlich - kausalen, biomedizinischen Erklärungsansätze auf die heute vorherrschenden Zivilisationskrankheiten (chronisch-degenerative Erkrankungen) nur eingeschränkt mög-lich und sinnvoll betrachtet wurden (vgl. Franzkowiak 2003, S. 195). Bei dem Risiko-faktorenmodell wird vorwiegend nach verhaltens-, lebensweisen[8] - und persönlichkeitsge-bundenenen und nicht - verhaltensgebundenen, sozialstrukturell oder auch ökologisch bedingter Faktoren unterschieden.

2.1.1 Historische Entwicklung von Ansätzen der Gesundheitsförderung

Die Bedeutung von Gesundheitsförderung in der Antike wurde vor allem durch den grie-chischen Arzt Hippokrates (466 – 377 v. Chr.) auf den Weg gebracht. Unter Gesundheit verstand er die Harmonie und Ausgewogenheit zwischen Körper und Seele. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob er gesund oder krank leben wolle, indem er über seine Lebensweise entscheidet (vgl. Bastine 1992, S. 130 ff). Als Lebens-weisen, die der Gesundheit förderlich sind, nennt er (ebd.):

Körperpflege

Ernährung und körperliche Ertüchtigung

Vermeidung von Exzessen

Anstreben körperlicher Tugenden (Gesundheit, Kraft und Schönheit)

Anstreben geistiger Tugenden (Frömmigkeit, Tapferkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit)

Selbstkontrolle und Selbstverantwortung

Ein gesundheitsförderlicher Tag sollte aus Körperübungen, Baden, Zeiten der Ruhe, des Schlafens und Entspannens bestehen. Zur Erhaltung der Gesundheit wurden vor allem Konzepte des frühzeitigen Bemerkens von leichten Befindlichkeitsstörungen entwickelt.

In der römischen Lehre wurde Maßhalten in allen Lebensbereichen als gesundheits-fördernd propagiert. Galen (129 – 199 n. Chr.) verfasste das sechsbändige Werk der „Hygieine“ (sic!) zur gesunden Lebensführung. Seiner Meinung nach würden sich gesundheitsförderliches Verhalten und niedriger Sozialstatus ausschließen, da jegliche Erwerbsarbeit einem solchen Verhalten entgegen wirke. Man solle sich von jedem Zwang der Erwerbsarbeit frei machen und sich mit dem Körper beschäftigen (vgl. Bastine 1992, S. 131). Maßnahmen der Gesundheitserhaltung waren demnach aus diesen Gründen nur einer privilegierten Oberschicht vorbehalten.

Im Mittelalter war das Thema der Gesundheitsförderung wieder in den Hintergrund ge-treten (ebd.). Der Körper wurde zum Träger von Krankheiten reduziert, die es zu bekäm-pfen galt. Ab dem 15. Jh. waren Ermahnungen zur Förderung eines gesunden Lebens be-kannt, wie z. B. Empfehlungen zum Abführen oder zum Aderlass. Die Vorstellung einer Trennung zwischen Körper und Geist hatte sich u.a. durch Descartes in dieser Zeit verbreitet. Als eine andere Strömung hatte sich die scholastische Medizin im Mittelalter verbreitet, und anstatt einer Gesundheitslehre eine Krankheitslehre entwickelt. Demnach gab es zum einen die natürlichen, genetisch disponierten Ausgangsbedingungen („Res naturalis“) und zum anderen die willkürlich vom Menschen beeinflussbaren Faktoren („Res non naturalis“) wie Luft, Speise und Trank, Bewegung und Ruhe, Schlafen und Wachen, Absonderungen und Ausscheidungen sowie die Leidenschaften. Ein unausge-wogenes Verhältnis zwischen „Res naturalis“ und „Res non naturalis“ war Gegenstand der Krankheitslehre. Im späten Mittelalter, als die Lebenserwartung durch Seuchen sank, wur-den die Bestrebungen zur Gesunderhaltung vor allem auf die Verlängerung des Lebens ausgerichtet (vgl. Bastine 1992, S. 132 ff).

Ab dem 18. Jh. wurden im Zuge der Aufklärung und Industrialisierung durch die Ver-breitung von Gesundheitslehre auch breite Bevölkerungsschichten angesprochen, da eine Gesunderhaltung der Arbeitskräfte vom Staat als wichtig anerkannt wurde. Im 20. Jh. wurden viele akute Krankheiten, wie Infektionskrankheiten schließlich heilbar, jedoch breiteten sich die sogenannten Zivilisationskrankheiten, wie z. B. Herz- und Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und chronische Erkrankungen aus.

2.1.2 Entstehung des heutigen Gesundheitsförderungskonzepts

Wenn heute von Gesundheitsförderung gesprochen wird, wird sich damit meistens auf ein an die WHO-Programmatik angelehntes Konzept bezogen. Diese wurde in der Ottawa Charta for Health Promotion 1986 verabschiedet und dabei von 240 Teilnehmern aus 35 überwiegend Industrie-Ländern folgendermaßen definiert.

Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohl-befinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Be-dürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern beziehungsweise verändern können (Brösskamp-Stone 1998, S. 141).

Als wesentliches Charakteristikum der Gesundheitsförderung ist die Abwendung von einer alleinigen Suche nach Risikofaktoren für spezifische Krankheiten und die „(...) Hinwen-dung zu einer (krankheitsunspezifischen) Frage zu sehen: „Wie und wo wird Gesundheit hergestellt?““ (vgl. ebd.).

Seit den 60er/70er Jahren wurde durch mehrere Faktoren, wie den sozialen Bewegungen der Gesundheits-, Friedens- und Umweltbewegungen auch der praktische Umgang mit Krankheit und Gesundheit aus einer biomedizinischen Perspektive zunehmend kritisiert. Diese Medizinkritik konzentrierte sich vor allem auf eine Sichtweise, in der eine Verän-derung des Individualverhaltens zur Reduzierung medizinisch definierter Risikofaktoren wie z. B. Herz- Kreislauferkrankungen und einer Betonung durch die reine Wissensver-mittlung sowie negative Appelle der Gesundheitserziehung wie „Du darfst nicht“ heraus-stellte. Auch die Ergebnisse großer Präventionsstudien wie der US-amerikanischen Framingham - Studie oder der finnischen Nord-Karelien-Studie, identifizierten neben den physischen Faktoren wie Bluthochdruck und weiteren auch Stress als nicht zu unter-schätzender Risikofaktor, der große Beachtung fand (vgl. Brösskamp-Stone 1998, S. 142). In den 70er und 80er Jahren führten hinzukommend noch einige US-amerikanische kulturelle Bewegungen wie Jogging- und Aerobic oder die Wellness-Bewegung in Europa zu einer Veränderung des Gesundheitsbewusstseins und einer Veränderung der Sicht-weise (vgl. ebd.).

Unter weiteren anderen Ansätzen zur Konzeptentwicklung, die einen Einfluss auf die Ent-stehung hatten, sei hier für den weiteren Zusammenhang der Lebensstil-/ Lebensweisen-Ansatz genannt. Dieser wurde Anfang der 80er Jahre von der WHO in die Konzept-entwicklung eingebettet. Dabei wird unter Lebensstil-/Lebensweisen die Gesamtheit der alltäglichen Lebensvollzüge, die Umsetzung milieuspezifischer und individueller Le-bensplanung sowie Formen der Bewältigung von kritischen Lebensereignissen und Le-benskrisen verstanden (vgl. von Kardorff 2003, S. 145). Zu den Lebensweisen gehören z. B. Konsum- und Freizeitgewohnheiten, Ernährung, Gesundheitsvorsorge sowie laien-medizinische Behandlung von Krankheiten (vgl. ebd.), und stellen somit auch eine per-sönliche Wahlentscheidung des Einzelnen dar. Werden Lebensweisen unter der Per-spektive der Entwicklung und Veränderung gesellschaftlichen Zusammenhangs be-trachtet, ergeben sich zwei vorerst paradoxe Tendenzen, die sich gleichzeitig weiter-entwickeln. Einerseits ist dabei ein „(...) Zwang zu einer zunehmend rationalen Lebens-führung“ [...] und andererseits „eine zunehmende Pluralisierung von Lebensweisen, die eng mit Prozessen der Individualisierung verbunden ist (...)“ (ebd.) zu beobachten. Wenn Pluralisierung dabei als ein Anpassungsprozess an den jeweilig gesellschaftlichen Ra-tionalisierungsvorgang gesehen wird, hebt sich der erste Eindruck eines Gegensatzes auf, weil eine Rationalisierung immer auch eine Differenzierung darstellt. Danach können gesundheitsförderliche und auch –schädigende Lebensweisen als Anpassungsleistungen an gesellschaftliche Modernisierung betrachtet werden.

In Abgrenzung zur psychologischen Lifestyleforschung und zum Risikofaktorenkonzept, zielt das sozialwissenschaftliche Lebensstil-/Lebensweisenkonzept vorwiegend auf deren kulturellen Sinn und damit verbundene soziale Rahmenbedingungen (vgl. von Kardorff 2003, S. 147).

Diese Faktoren stellten unter anderen eine konstitutionsgebende Basis für das Gesund-heitsförderungskonzept der Ottawa-Charta dar. Dabei ist Gesundheit nicht als Ziel anzu-sehen, sondern als Mittel, um alle Menschen zu befähigen ihr Leben positiv zu gestalten. Sie betont die Bedeutung der grundlegenden Lebensbedingungen und Ressourcen als Voraussetzung für Gesundheit. Zugleich weist sie auf die gesamtgesellschaftliche Verant-wortung für Gesundheit hin. Es werden für eine Umsetzung folgende Kernaussagen von 3 Handlungsqualifikationen und 5 Handlungsstrategien skizziert (vgl. Waller 1996, S. 140ff):

Handlungsqualifikationen:

1. Advocate Interessen vertreten
2. Enable Befähigen und ermöglichen
3. Mediate Vermitteln und Vernetzen

Handlungsstrategien:

1 . Build healthy public policy Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik entwickeln
2. Create supportive environments Gesundheitsförderliche Lebenswelten schaffen
3. Strengthen community action Gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen
unterstützen
4. Develop personal skills Persönliche Kompetenzen entwickeln
5. Reorient health services Gesundheitsdienste neu orientieren

Seit der Verabschiedung der Ottawa-Charta gab es mehrere große Projekte der WHO, (wie z. B. dem „Gesunde-Städte-Projekt“), die sich als Konsequenz des umfassenden Verständnisses der Gesundheitsförderung auf komplexe „settings“ beziehen. Diese betonen die Erhaltung und Schaffung von gesundheitlichen Ressourcen mit intersektoraler, multidisziplinärer Ausrichtung und die ausdrückliche Bedeutung der Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen (vgl. Waller 1996, S. 144).

2.2 Der Wandel des Gesundheitsbegriffs

Auf der theoretischen Ebene wurde mit der umfassenderen Definition der WHO 1948 be-reits ein entscheidender Schritt zu einem „holistisch - ganzheitlichen “ (Labisch 1989, S. 17) Begriff unternommen, da neben dem körperlichem Wohlbefinden ebenso das seelische Gleichgewicht, und die soziale Integration in die Definition aufgenommen wurden. Auch die Ottawa-Charta hat mit dem Einbezug verschiedener unterschiedlicher Faktoren und der Bedeutung einer aktiven Teilnahme am gesundheitsförderlichen Prozess jedes Ein-zelnen im Sinne einer Partzipation, entscheidendes zur Neuorientierung und Erweiterung des Gesundheitsbegriffs unternommen.

Gesundheit gilt heute nicht mehr nur als Zustand physischer und psychischer Intaktheit, sondern darüber hinaus auch als eine wertvolle persönliche Ressource. Es erhält damit einen Wert, der sich mittlerweile auf einer gesellschaftlichen und individuellen Ebene in einer neuen Sichtweise darstellt.

Während früher Gesundheit für die Menschen den „(...) temporären Sieg über Siechtum, Schmerz und Leid bedeutete, wird sie in der modernen Gesellschaft zur Metapher für ei-ne Definition von Lebensqualität“ (Mühlhausen / Horx 2002, S. 5). Horx geht unter ande-rem davon aus, dass die Wertigkeit des psychosozialen Aspekts als Auslöser des zuneh-menden Verlangens nach körperlichem und geistigem Wohlbefinden im individuellen sowie gesellschaftlichen Bereich bestimmend wirkt und postuliert einen „Megatrend“[9] der Gesundheit (vgl. Horx 2002, S. 110 ff). Dass Gesundheit einen zunehmend größeren Anteil der Lebenswelt durchdringt, meint ebenso auch Kickbusch, die von expandierenden Dimensionen des Gesundheitsbegriffs ausgeht. Gesundheit wird heute immer weniger als Schicksal, sondern als „gemacht“ aufgefasst. Dies zeigt sich auch im sich überlagernden Diskurs sehr unterschiedlicher Bereiche wie der Gesundheitsförderung, der AIDS-Prävention, Verhaltensmodifikation, Wellness, Schönheit, Biotechnologie und Genetik (vgl. Kickbusch 2003a, S. 1 ff). Gesundheit wird Kickbusch zufolge zur Norm, die gleichzeitig dazu beiträgt die „Abweichung Krankheit“ zu normalisieren, wie sie beispielsweise durch die AIDS- und Brustkrebs Schleifchen symbolisiert wird (ebd.).

Die Entwicklung zur „Gesundheitsgesellschaft“ als Teil einer generellen Entwicklung und Wertewandels werden mit folgenden Punkten umschrieben: „Individualisierung, Differen-zierung, Wertschätzung von Autonomie und Eigenverantwortung, Subjektives Wohlbe-finden (holistisch), hoher Erwartungshorizont, Lebensqualität Sinnstiftung“ (Kickbusch 2003a, S. 2). Wie in der sozialen Entwicklung, zeichnet sich nach Kickbusch in der epidemiologischen Entwicklung, ein komplementäres Gesicht ab (ebd.):

Alterung der Gesellschaft

Zunahme der „gesunden“ Lebenserwartung („healthy life expectancy“)

Zunahme der 80 plus

Zunahme der chronischen Krankheiten

Eventuelles Wieder- / Neuauftreten von Infektionskrankheiten

Die Begrifflichkeit einer Gesundheitsgesellschaft umschreibt darüber hinaus, dass auf der politischen Ebene mit einem Eintritt einer „(...) radikal neuen Ära der Gesundheitspolitik (...)“ (ebd.) zu rechnen ist. Dabei werden nach Kickbusch drei Paradigmen einen politischen Diskurs bestimmen, die miteinander interagieren :

Gesundheit als Empowerment und Emanzipation

Gesundheit als attraktives käufliches Produkt

Gesundheit als ultimativer Wert

Weiterhin werden drei zentrale Umorientierungen, wie der vereinfachten Sichtweise von Gesundheit als Kostenfaktor zum wachsenden Industrie- und Investitionsfaktor, der Ab-kehr des vom Gesundheitssektors betriebenen Produzentensteuerung zum zunehmend selbstbewussten Gesundheitskonsumenten sowie dem Wellnessbereich und Leistungen, die Lebensqualität und Selbstbestimmung ermöglichen, zur neuen „Wachstumsmaschine“ angenommen. Diese bestimmen das weitere Denken über Gesundheit und die Rolle in der Gesellschaft wie auf dem Markt (vgl. Kickbusch 2003a, S. 5).

2.3 Das Wellnesskonzept

Der Begriff Wellness[10] steht in enger Verbindung mit einer Neuorientierung eines heu-tigen Gesundheitsverständnisses, wie es beschrieben wurde. In dem Begriff zeichnet sich nach Kickbusch ein neues Denken für Medizin und Gesellschaft ab, wobei sich die Wurzeln des Begriffs jedoch bis ins 17. Jahrhundert verfolgen lassen.

In einer Monographie des Sir A. Johnson von 1654 findet sich der Begriff mit folgendem Wortlaut: „I ... blessed God...for my daughter`s wealnesse“, was im Oxford English Dictio-nary mit „Ich danke Gott für die gute Gesundheit meiner Tochter“ (zit. nach Hertel 2003a, S. 6) übersetzt wurde.

Obwohl der Begriff seit einigen Jahrhunderten im angloamerikanischen Sprachraum bekannt ist, wurde er erst wieder in den USA der 50 er Jahre zum Oberbegriff einer neuartigen Gesundheitsbewegung. Der US-amerikanische Sozialmediziner Halbert L. Dunn fasste seine Überlegungen eines ganzheitlichen Gesundheitskonzepts 1961 in dem Buch „High Level Wellness[11] “ zusammen, und sprach mit dieser neuen Gesundheitsidee und deren Anwendung die Bevölkerung direkt an. Er formulierte das Wellnesskonzept als „(...) an integrated method of functioning which is oriented towards maximizing the potential of which the individual is capable within the environment where he is functioning“ (Dunn 1959, S. 786). Seine Absicht lag in einer Vermittlung eines „Bewusstseins für die chancenreiche Bandbreite der persönlichen Gestaltungs- und Entwicklungsspielräume“ (Hertel 2003a, S. 6) eines jeden Einzelnen. Nicht länger sollte die Bevölkerung glauben, dass die persönliche Gesundheit von höheren Mächten oder sogar von Medizinern selbst abhängt (vgl. ebd.). „High Level Wellness“ vermittelt somit einen eigenverantwortlichen und aktiven Lebensstil, der dem Einzelnen eine größtmögliche Ausschöpfung seiner individuellen Potentiale unter Einbezug der individuell jeweiligen Umweltgegebenheiten erlauben soll. Gesundheit erhält nach Dunn einen greifbaren und erlebnishaften Charakter und wird stärker mit Lebenslust, Lebenszufriedenheit und Lebensqualität assoziiert (vgl. Schmid–Neuhaus 1988, 144 ff). Die Erklärung und Förderung einer optimalen Gesundheit im Wellnesskonzept ist dabei für Kranke und Gesunde gleichermaßen geeignet.

In den darauf folgenden Jahren wurden eine Vielzahl von weiteren Definitionen zu Dunn `s Überlegungen entwickelt. Sie waren Anstoß und konzeptionelle Basis für die Entstehung der Wellnessbewegung der 70 er Jahre, die sich bis dahin jedoch nur auf die USA bezog.

2.3.1 Pragmatische Definitionsansätze von Wellness

Da es bis heute keine einheitliche Definition für Wellness gibt, werden im Folgenden die wichtigsten Modelle und Ansätze ihrer Vertreter vorgestellt.

Das bis heute meist zitierte Konzept der Wellnessbewegung wurde 1977 in den USA von Ardell formuliert. Wellness beschreibt bei ihm einen Gesundheitszustand, bei dem sich Körper, Geist und Seele in Harmonie befinden. Dieser Zustand ist ausdrücklich auch im Kontext von Krankheit und Schmerz möglich (vgl. Ardell 1985, S. 30 ff).

Es werden von Ardell 5 Dimensionen von Gesundheit herausgestellt, die sich seiner Meinung nach in den Alltag integrieren lassen und sich durch einen vorab erstellten medizinischen Wellness-Test genauer spezifizieren lassen. Die fünf Dimensionen, die die Eigenverantwortlichkeit in den Mittelpunkt stellt, umfassen darüber hinaus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Erstes Wellness–Modell von Ardell 1977 (in Anlehnung an Hertel 2003a, S. 8).

Zehn Jahre später räumte Ardell der Wichtigkeit der Selbst- oder Eigenverantwortlichkeit für das Erreichen von Wellness immer noch einen hohen Stellenwert ein, stellte jedoch Normen und soziale Spielregeln in den Mittelpunkt seines Modells, da er annahm, genügend Wissen über gesundheitsförderliches Handeln zu entwickeln, bedeute zwangsläufig nicht auch eine adäquate Umsetzungsmöglichkeit in der Lebens- und Arbeitswelt zu haben. Zudem präferiert er darüber hinaus auch das von ihm als wichtig angesehene „MOL“ (Meaning of life) (vgl. Ardell 1996, S. 122 ff). Er formulierte ein Folge-modell mit folgenden Inhalten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Zweites Wellness–Modell von Ardell 1987 (in Anlehnung an Hertel 2003a, S. 8).

Die Eigenverantwortung wird von Ardell in den Mittelpunkt gestellt, was zunächst bedeutet, dass jeder zuerst selbst für „seine“ Wellness verantwortlich ist und dadurch überhaupt erst „High Level Wellness“ möglich wird. Ardell bemisst diesem Aspekt jedoch ein grundlegendes Element zu: „Ohne einen aktiven Sinn für Verantwortung für das eige-ne Wohlbefinden, wird man nicht die nötige Motivation haben, einen gesundheitsstei-gernden Lebensstil zu führen“ (Ardell 1977, S. 61).

Ardell nennt dazu neun Prinzipien der Selbst-Verantwortung (vgl. Ardell 1977, S. 63 ff):

1. Die Verantwortlichkeit für das eigene Leben (auch wenn andere immer Einfluss neh-men werden, obliegt die Entscheidung letztlich der Person selbst);
2. Die Einzigartigkeit jeder Person (der Weg zu höchstem Wohlbefinden kann nur ein individuell gewählter sein);
3. Der Wunsch nach Glück als Motiv (das bedeutet, „High Level Wellness“ wird nicht um ihrer selbst Willen angestrebt, sondern steht in einem Kontext der eigenen Werte und Ziele);
4. Ein Zielbewusstsein (jeder braucht ein an den eigenen Fähigkeiten ausgerichtetes Mittel zum Selbstausdruck im Sinne eines Lebensziels, um sich selbst „zentriert“ zu fühlen);
5. Erst eine Selbstannahme und Selbstachtung ermöglichen Wohlbefinden auf höch-ster Stufe;
6. Zeitweise erscheint Krankheit angenehmer als Gesundheit (z. B. als Flucht vor der Realität oder Entschuldigung für eigenes Verhalten oder aber auch um Aufmerksam-keimt und Rücksichtnahme von anderen zu erzielen und zu erhalten);
7. Halte inne, überprüfe und wähle (eine klare Absicht, Bewusstsein und Akzeptanz der Verantwortung sind notwendig);
8. Selbstverwirklichung;
9. Treffe keine Entscheidungen unter Druck (unabhängig davon, ob die Gefühle positiv oder negativ sind).

In dem Wellness-Modell von Hettler, welches an der Universität von Wisconsin/Stevens Point ab 1975 entwickelt wurde, werden 6 Dimensionen um bewusstes Verhalten und Ausgewogenheit formuliert. Diese Lebensbereiche sollten durch einen entsprechenden Lebensstil in ein maßvolles Gleichgewicht gebracht werden (vgl. Hertel 2003a, S. 9). Hettler entwickelte ebenso wie Ardell einen Wellnesstest, um dieses individuelle Gleichge-wicht einer Person zu ermitteln.

Das von Hettler entwickelte Modell umfasst (ebd.):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Wellness-Modell von Hettler (in Anlehnung an Hertel 2003a, S. 9).

Von Edlin u.a. wird Wellness als prozesshafte Annäherung an die persönliche Gesund-heit gesehen. Diese gilt als harmonisches und dynamisches Gleichgewicht aller Ele-mente, die wiederum einen Zustand von optimaler Wellness entspricht. Beides ist dabei als interpendent anzusehen und nicht voneinander zu trennen. Der Zusatz „persönliche“ Gesundheit weist darauf hin, dass abermals der Rahmen eigener Möglichkeiten und Po-tentiale der Maßstab für Gesundheit ist und es folglich kein objektiv umfassendes Wohl-befinden gibt (vgl. Edlin u.a. 1996, S. 15 ff). Sie nennen dabei die bereits bei Ardell ge-nannten Gesundheitsdimensionen als Merkmale übergeordneter Wellness-Ebenen .

Einen ähnlichen Weg schlagen auch Greenberg und Dintiman ein, wobei sie ein Konti-nuum vorschlagen. Dieses stellt sich durch eine Reihe von Punkten dar, wobei jeder ein-zelne Punkt mit einem Rad vergleichbar ist und sich aus ähnlichen Aspekten wie die bei Ardell genannten Aspekte zusammensetzt. Wellness bedeutet bei ihnen ebenfalls auch eine ausgewogene Integration der Aspekte auf jedem Punkt, das heißt auf jedem Niveau von Gesundheit oder Krankheit. Sie weisen weiter daraufhin, dass man sich unabhängig vom Grad einer etwaigen physischen Beeinträchtigung gut fühlen kann und eine durchaus gute Lebensqualität erreichen kann, was bei einer entsprechenden Krankheitsbewältigung trotz objektiver, medizinischer Schädigungen gut ausgeprägt sein kann (vgl. Greenberg / Dintiman 1992, S. 38 ff).

[...]


[1] Exemplarisches Angebot im Katalog: Wellness-Hotels in Deutschland 2004, S. 53

[2] Anglophoner Begriff aus dem Bereich des Managements für ein erneutes Ingangsetzen.

[3] Ich stütze mich dabei auf die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deklarierte Definition von Gesundheit, die in dieser Arbeit grundlegend verwendet wird.

[4] Der Begriff „Wellness“ wird oft mit dem deutschen Wort „Wohlbefinden“ gleichgesetzt, was m. E. bei den hier aufgezeigten Aspekten zu undifferenziert ist. Ich behalte den amerikanischen Ausdruck aufgrund dessen bei.

[5] Ausführungen über Ayurveda im Wellness-Glossar.

[6] Im weiteren Verlauf als WHO abgekürzt.

[7] Mandala= sanskrit– Kreis

[8] Zum Lebensstil-/Lebensweisenansatz der WHO siehe Kap. 2.1.2, S. 8.

[9] Siehe Kap. 4.1, S. 33 über Nefiodow zum 6. Kondratieff-Zyklus und dem Megatrend der Gesundheit.

[10] Zum Begriff selbst stellt Hertel heraus, dass das Wort nicht aus einer Zusammensetzung der Wörter „well-being“ und „fitness“ entstanden ist (vgl. Hertel 2000, S. 1).

[11] Der Begriff des „High Level Wellness“ meint hier die höchste zu erreichende Gesundheit.

Excerpt out of 76 pages

Details

Title
Medical Wellness als exemplarische Darstellung bei der Adaption von Wellnesskonzepten aus den USA in Deutschland
College
Hamburg University of Applied Sciences  (Life Sciences)
Grade
1,3
Author
Year
2004
Pages
76
Catalog Number
V116740
ISBN (eBook)
9783640187102
ISBN (Book)
9783640188635
File size
700 KB
Language
German
Notes
Grundlage des 2005 veröffentlichten Buches
Keywords
Medical Wellness, Wellnesskonzepte, Ottawa Charta, Health promotion, Wellness, WHO
Quote paper
Dipl. Gesundheitswirtin Kirsten Hermes (Author), 2004, Medical Wellness als exemplarische Darstellung bei der Adaption von Wellnesskonzepten aus den USA in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116740

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