Die Rolle des Neides in Friedrich Schillers Dramen "Die Räuber" und "Kabale und Liebe".


Hausarbeit, 2020

18 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Emotion des Neides

3 Neid in der Literatur
3.1 Der Neid des Franz‘ Moor in Die Räuber
3.2 Der Neid des Wurms in Kabale und Liebe

4 Fazit

5 Bibliographie

1 Einleitung

Friedrich Schiller ist, auch wenn er zeitlich bereits einige Jahre nach dem Höhepunkt der Epoche im Jahre 1776 schrieb, zweifelsohne einer der wichtigsten Autoren des Sturm und Drang. Die kurze Epoche wurde nach einem Werk von Friedrich Maximilian Klinger benannt, welches dieser zunächst Der Wirrwarr nennen wollte, dann aber in Sturm und Drang umbenannte. Christoph Jürgensen zeigt in seinem Buch nachvollziehbar auf, dass Schiller zwar chronologisch und generationell nicht zu den Autoren des Sturm und Drang gehört, seine frühen Dramen aber nahezu eine Summe der Strömungen dieser Epoche abbilden.1

Zu diesen zählen definitiv Die Räuber und Kabale und Liebe. Beide Werke sind auch heute noch häufig als Schullektüre vorzufinden, gerade dort dürften sie als die beiden bekanntesten Werke Schillers gelten. Zudem rangierten in einer 1979 veröffentlichten Liste Kabale und Liebe auf Platz fünf und Die Räuber auf Platz sieben der meistgespielten Stücke des deutschsprachigen Theaters.2 Chronologisch betrachtet wurden allerdings zuerst Die Räuber im Jahre 1781 veröffentlicht und am 13. Januar 1782 uraufgeführt, ehe Kabale und Liebe 1784 sowohl veröffentlicht als auch am 13. April dieses Jahres uraufgeführt wurde.3

Gerade Die Räuber prägten die Epoche im Nachhinein wie wenige andere Werke.4 Trotzdem fiel die geistesgeschichtliche Einordnung oftmals schwer: Manche Literaturwissenschaftler betonten die religiösen, andere die politischen und weitere die psychologischen oder ethischen Motive und Aspekte des Werkes. Ähnliches gilt für Kabale und Liebe, wie Bernd Fischer ausführlich aufzeigt. Beide Werke wurden also ob ihrer herausragenden Stellung in der deutschen Dramenliteratur aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachtet.5

In dieser Hausarbeit sollen im Folgenden die beiden Dramen im Hinblick auf die Darstellung der Emotionen, genauer der Emotion des Neides, untersucht werden. Ausführlich beschäftigt hat sich mit der literarischen Darstellung dieser Emotion bereits Anja Schonlau, die in ihrem Buch 2017 den Neid und die Intrige in den Dramen zwischen 1750 und 1800 untersucht hat. Ihre These, dass der Neid „zu einem bedeutenden Topos im Sturm und Drang6 geworden ist, soll dabei für Die Räuber und Kabale und Liebe genauer untersucht werden. Prädestiniert für diese Arbeit scheinen die Figuren des Franz Moors und des Wurms, welche im Fokus stehen sollen.

Hierbei werden zunächst kurz die prägenden Eigenschaften des Neides erklärt, ehe die Darstellung des Neides in weiteren literarischen Werken vorgestellt werden wird. Nach dieser Kontextuierung gilt es die beiden Werke genauer zu untersuchen: Wer sind die neidischen Figuren, was motiviert sie, worauf bezieht sich ihr Neid und welche Auswirkungen hat dieser? Zum Abschluss soll ein dementsprechendes Fazit gezogen werden.

2 Die Emotion des Neides

Um die literarischen Ausführungen des Neides besser verstehen zu können, soll zunächst festgestellt werden, was diese Emotion auszeichnet. Die Diplompsychologin Beate Weingardt, die sich damit ausführlich befasst hat, stellt heraus: „Der Same des Neides braucht den Boden der Unzufriedenheit, sonst kann er nicht aufgehen.“7

Die vorhandene Unzufriedenheit wird verstärkt, wenn etwas beobachtet und verglichen wird, das ein anderer besitzt, man selbst aber nicht, obwohl man es gerne besitzen würde. Der Unterschied zur Eifersucht ist hierbei, dass Neid immer eine Reaktion auf einen Mangel ist. Eifersucht hingegen definiert Beate Weingardt als Angst vor Verlust von etwas zu diesem Zeitpunkt Vorhandenem.

Auffällig ist, dass Neid immer mit (gefühlter) Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unterlegenheit einhergeht. Dazu tritt er häufig gemeinsam mit Bosheit, Hass und Missgunst auf.8 Das beneidete Gut wird hierbei überschätzt oder der Preis dafür wird unterschätzt.

Der Neid kann sich dabei auf viele verschiedene Dinge beziehen, verbreitet ist sowohl der Neid auf materielle Güter als auch der auf nicht materielle Güter. Diese können dabei zum Beispiel Privilegien, Erfolg, Bevorzugung, Aussehen, Gesundheit, Glück oder auch persönliche Charaktereigenschaften umfassen.

Des Weiteren ist es typisch, auf Menschen neidisch zu sein, zu denen man eine gewisse Beziehung hat: Das große Auto der Nachbarin verursacht oft eher Neid, als das Gleiche einer prominenten Schauspielerin. Vor allem unter Geschwistern ist bis heute der Neid ein großes Thema. Literarisch gesehen haben Geschichten, die Neid als zentralen Aspekt verarbeiten, eine lange Tradition, der sich jetzt kurz gewidmet werden soll.9

3 Neid in der Literatur

Schon in biblischen Geschichten stellt der Neid ein zentrales Handlungsmotiv dar, eine wird sogar explizit in Schillers Die Räuber erwähnt. Bereits der erste Mord in der Bibel geschah, auch wenn es nicht ausdrücklich geschrieben wird, aus Neid. So wird berichtet, wie die Brüder Kain und Abel Gott jeweils ein Opfer bringen, dieser aber aus ungeklärten Gründen nur das Opfer Abels annimmt. Wenig später ermordet der sich benachteiligt fühlende Kain seinen Bruder und begeht so den ersten Mord der Menschengeschichte.

Auch unter den Söhnen Isaaks entbricht ein Streit unter den Brüdern Jakob und Esau, da Jakob seinen älteren Bruder um das Erstgeburtsrecht beneidet. Eines Tages gibt er sich vor ihrem nahezu erblindeten Vater als Esau aus und erhält so den Segen. Als dritte Geschichte gilt noch der von Schiller selbst in sein Drama aufgenommene Konflikt zwischen Joseph und seinen Brüdern zu nennen: Joseph, der Liebling der Eltern, wird von seinen neidischen Brüdern an eine Karawane verkauft und beim Vater als tot ausgegeben. In allen drei Überlieferungen handelt es sich also um Neid unter Geschwistern.10

In der Geschichte der Dramen gilt Shakespeares Figur Iago aus Othello als berühmtester Intrigant und Neider. Iago wird in dem Stück bei einer Beförderung zum Leutnant von seinem Vorgesetzten Othello entgegen seiner Erwartung nicht befördert und deshalb neidisch auf Michael Cassio, welcher den Posten erhält. Daraufhin spinnt er eine Intrige gegen Othello, welche mit dessen Freitod endet.11 Obwohl sein Neid eigentlich Michael Cassio gilt, weiß er, dass Othello für sein Unglück verantwortlich ist, den er, anders als sonst auf Grund der sozialen Stellung häufig, auch dafür bestrafen kann.

William Shakespeare hat außerdem in seinem Werk The Tragedy of King Richard the Third den titelgebenden Protagonisten als neidische Figur konzipiert. Richard III. ist in dem Stück nicht auf eine bestimmte Figur neidisch, sondern er nennt selbst in einem Monolog den Neid wegen Ungerechtigkeit der Natur als Motiv seiner Intrigen. Er selbst beschreibt sich als entstellt und missgestaltet und begründet damit seinen Hass auf die ungerechte Natur.12

Im 18. Jahrhundert gab es einige bekannte Vertreter der neidbehafteten Figuren. In Heinrich Wilhelm Gerstenbergs Ugolino aus dem Jahre 1768, den Schiller laut Berichten von Jugendfreunden gelesen haben soll, ist der Neid des Antagonisten maßgeblich für die Handlung des Stückes.13 Diese spielt in einem Turm, in welchem Ugolino und seine Söhne gefangen sind und langsam den Hungertod sterben. Es stellt sich heraus, dass dies aufgrund des Neides des Antagonisten Ruggieri geschehen ist; so sagt Ugolino, dieser sei „schon lange sein heimlicher Neider“14 (UG, S. 17; I)15 und führt später aus: warum durch den großen Verführer? Womit hatt‘ ich ihn beleidigt?“ […] Fürchtete er, daß ich Ruggieri sein könnte, wenn ich Ruggieris Macht hätte? Heimtückischer, zähneblöckender Neid! Erstgeborener der Hölle! Und Erstgefallner! Aber warum mußt‘ ich durch den großen Neider fallen? (UG, S. 38f.; III.)

Auch in Gotthold Ephraim Lessings Emilia Galotti von 1772 ist dem Intriganten Marinelli eine komplette Neidlosigkeit nicht zuzuschreiben: Seine Pläne schaden vor allem dem Grafen Appiani, mit dem er in Konkurrenz steht und den er laut eigener Aussage nicht leiden kann. Auch wenn er hauptsächlich als Berater agiert, ist der Neid für ihn sicherlich ein Teil seiner Handlungsmotivation.16

Im Sturm und Drang, der als Wortverbindung bereits in den 1770er Jahren geläufig war, aber erst deutlich später als (konstruierte) Epochenbezeichnung genutzt wurde, gab es im Jahre 1775 ein Preisausschreiben des Hamburger Theaters. Dessen Initiatoren suchten ein bühnentaugliches Stück und boten neben einer Auszeichnung ein Preisgeld für den Gewinner oder die Gewinnerin.17

[...]


1 Vgl. Christoph Jürgensen/Ingo Irsigler: Sturm und Drang. Göttingen 2010, S. 7 – 11 und S. 106.

2 Vgl. Bernd Fischer: "Kabale und Liebe": Skepsis und Melodrama in Schillers bürgerlichem Trauerspiel. Frankfurt a. M. u.a. 1987, S. 34.

3 Vgl. ebd. S. 33 und Christian Grawe: Erläuterungen und Dokumente. Friedrich Schiller, Die Räuber. Stuttgart 1976, S. 76 – 85.

4 Vgl. Ali M. S. Hamoudi: Protagonisten und Antagonisten : Eine Studie über Schillers Tragödientheorie und ihre Verwendung in drei seiner Dramen ; Die Räuber ; Maria Stuart und Die Braut von Messina. Marburg 2009, S. 47.

5 Vgl. Fischer, Skepsis, S. 40 – 75.

6 Anja Schonlau: Emotionen im Dramentext. Eine methodische Grundlegung mit exemplarischer Analyse zu Neid und Intrige 1750-1800. Berlin/Boston 2017, S. 154.

7 Beate M. Weingardt: Das gönn' ich dir nicht!: Warum wir manchmal Neid empfinden. Witten 2009, S. 8.

8 Vgl. Schonlau, Emotionen, S. 162.

9 Vgl. Weingardt, Neid, S. 5 – 59.

10 Vgl. ebd. S. 17 – 20.

11 Vgl. Schonlau, Emotionen, S. 173f.

12 Vgl. ebd. S. 199f.

13 Vgl. Manfred Wacker: Schillers "Räuber" und der Sturm und Drang: stilkritische und typologische Überprüfung eines Epochenbegriffs. Göppingen 1973, S. 21

14 Heinrich Wilhelm von Gerstenberg: Ugolino. Eine Tragödie in fünf Auszügen. Hg. v. Christoph Siegist. Stuttgart 1966, S. 17.

15 Im Folgenden werden die Dramen im Haupttext wie folgt abgekürzt: UG = Ugolino, ZW = Die Zwillinge, KA = Kabale und Liebe, RÄ = Die Räuber. Ugolino hat dabei nur Aufzüge und keine Auftritte.

16 Vgl. Peter-André Alt: „Dramaturgie des Störfalls. Zur Typologie des Intriganten im Trauerspiel des 18. Jahrhunderts“. In: I nternationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 1 (2004). S. 1 – 28, hier: S. 7.

17 Vgl. Jürgensen, Sturm, S. 12 und S. 94.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Rolle des Neides in Friedrich Schillers Dramen "Die Räuber" und "Kabale und Liebe".
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Das Gefühl in der Literatur des 18. Jahrhunderts: Empfindsamkeit und Sturm und Drang
Note
1,3
Jahr
2020
Seiten
18
Katalognummer
V1167839
ISBN (eBook)
9783346588494
ISBN (Buch)
9783346588500
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schiller, Die Räuber, Kabale udn Liebe, Wurm, Moor, Franz, Karl, Neid, Emotionen, Drama
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Die Rolle des Neides in Friedrich Schillers Dramen "Die Räuber" und "Kabale und Liebe"., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1167839

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