Lancelot vs. Lanzelet. Ein Vergleich der Werke von Ulrich von Zatzikhoven und Chretien de Troyes


Hausarbeit, 2018

26 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kontextierung

3 Die Struktur der beiden Werke
3.1 Die Struktur des Lanzelet
3.2 Die Struktur des Lancelot

4 Die Namenlosigkeit der Protagonisten
4.1 Die Namenlosigkeit im Lanzelet
4.2 Die Namenlosigkeit im Lancelot

5 Die Rolle des König Artus und seines Hofes
5.1 Die Rolle Artushofes im Lanzelet
5.2 Die Rolle des Artushofes im Lancelot
5.3 Die Rolle des Königs im Lanzelet
5.4 Die Rolle des Königs im Lancelot

6 Die Hauptcharaktere im Vergleich
6.1 Der Hauptcharakter im Lanzelet
6.2 Der Hauptcharakter im Lancelot

7 Die Rolle der Frauen in den Romanen
7.1 Die Rolle der Frauen im Lanzelet
7.2 Die Rolle der Frauen im Lancelot

8 Fazit

9 Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Chevalier de la Charrette, oft auch einfach Lancelot genannt, ist der einzige Roman Chretiens de Troyes, der nicht ins Mittelhochdeutsche übersetzt wurde. Der Lancelotstoff brachte es in Deutschland, anders als in Frankreich, im Vergleich zum Tristanstoff generell nicht zu großer Popularität.1 Auch in Ländern wie England oder Italien war Lancelot einer der wichtigsten Helden des Hochmittelalters. In Deutschland sind von der Zeit vor 1200 genau zwei Werke des Lancelotstoffes überliefert: Der bereits erwähnte Lancelot und der Lanzelet Ulrichs von Zatzikhoven.2

Der Lanzelet wurde von der germanistischen Forschung im 19. und 20. Jahrhundert oftmals sehr negativ betrachtet. Dabei kamen vor allem Vorwürfe der Unmoral, der zerstückelten Handlung und des schlechten Stiles auf.3 Gerhard Eis, der den Text über den Lanzelet im Verfasserlexikon zur deutschen Literatur des Mittelalters von 1953 verfasste, einem der diesbezüglich wohl wichtigsten Nachschlagewerke, bezeichnet das Werk als „eine bedenkenlose Kompilation von verschiedenartigem Strandgut barbarischer Herkunft“.4 Überraschend ist jedoch, dass der Roman Ulrichs von Zatzikhoven in den ersten Jahrhunderten nach seinem Erscheinen durchaus bekannt und beliebt war, was sich beispielsweise an Burgmalereien oder Zitationen in anderen bekannten Werken zeigen lässt. Die drastische Kritik der späteren Zeit ist wohl eher dem unterschiedlichen Zeitgeist zuzuschreiben. Seit den 1970er Jahren rehabilitiert sich der Roman, sodass die neueren Forschungsbeiträge ihn meist nicht mehr so negativ bewerten, wie sich auch in dieser Hausarbeit zeigen wird.5

Im Folgenden sollen die beiden frühsten uns überlieferten Werke des Lancelotstoffes nach einer kurzen Kontextierung miteinander verglichen werden. Dabei wird zunächst die Struktur verglichen, ehe die Funktion der Namenslosigkeit des Protagonisten beobachtet wird. Daraufhin steht die Rolle des Königs Artus im Mittelpunkt, nach dem das Genre der Artusromane, dem beide Werke angehören, schließlich benannt ist. Als weiterer Punkt soll die Rolle der Protagonisten als Ritter verglichen und ihre Eigenschaften genauer untersucht werden. Zuletzt sind die für die beiden Werke sehr wichtigen Frauenfiguren zu betrachten, ehe ein kurzes Fazit einen abschließenden Überblick über die Romane liefern soll.

2 Kontextierung

Ulrich von Zatzikhoven nennt sich in seinem Werk zwei Mal selbst als Autor (V. 9343 und V. 9444). Die Forschung ist sich heutzutage größtenteils einig, dass damit vermutlich ein in einer Urkunde von 1214 belegter Plebanus (ein Leutpriester) von Lommis namens Uolricus de Cecinchouin zu identifizieren ist, gesichert ist dies jedoch nicht.6 Lommis befindet sich in der Nähe von Zezikon und im Kanton Thurgau, während die Urkunde aus St. Gallen stammt, er lebte also in der heutigen Schweiz.7 Die bereits erwähnte Urkunde wurde von Jakob Bächtold 1874 entdeckt, Ulrich wird dort als Zeuge einer Schenkung aufgeführt. Sie macht die Identifizierung anderen Vermutungen gegenüber am wahrscheinlichsten, da diese kein Dokument vorzuweisen haben. Auf Grund seines Werkes kann angenommen werden, dass der Autor eine sprachliche Ausbildung in Französisch und Latein hatte.

Der Lanzelet ist bis heute in fünf Handschriften überliefert, drei davon sind jedoch nur Fragmente. Die vollständigen Handschriften sind die Handschriften P und W, die auch für die meisten Übersetzungen genutzt werden.8 Während die Gönnerfrage ungeklärt bleibt, ist zu den Umständen des Verfassens etwas bekannt. Die Romanvorlage Ulrichs war das „welsche buoch von Lanzelete“ (V. 9341), das Huc von Morville (V. 9338) gehörte. Der Autor beschreibt zuvor eine historische Begebenheit, nämlich die Festsetzung König Richards Löwenherz im Jahre 1192 durch Herzog Leopold von Österreich. Dieser übergab ihn an den staufischen Kaiser Heinrich VI., welcher ihn 1194 frei ließ, nachdem Richard die Lehensherrschaft der Staufer über England anerkannte und eine hohe Geldsumme zahlen musste. Als Faustpfand für die Zahlung kamen in etwa 60 Geiseln an den staufischen und sieben Geiseln an den Wiener Hof, wovon eine Huc von Morville war. Wenn Ulrich also das welsche Buch dieses Mannes als Vorlage benutzte, ist der terminus post quem also 1194. Eine genaue Datierung ist nicht möglich, jedoch gehen die meisten Forscher von den Jahren 1195-1200 als Entstehungzeitraum des Lanzelets aus. Das welsche Buch wird meist auf die Jahre 1160-1190 datiert und ist nicht überliefert. Deshalb ist auch nicht klar, ob Ulrich, wie er selbst behauptet, nichts weggelassen oder hinzugefügt hat (V. 9323).9

Chretien de Troyes lebte am Hof Maries de Champagne, die diesen Posten seit 1164 innehatte. Chretiens Dichtertätigkeit wird meist um 1165 angesetzt.10 Er gilt als Schöpfer des Artusromans, auf ihn gehen die Struktur, die Motive und die Ideale der meisten Artusromane zurück. Chretien verfasste den Lancelot im Auftrag eben jener Marie de Champagne zwischen 1177 und 1180. Der Autor brach das Werk jedoch um Vers 6167 ab, sodass von da an Godefroi de Leigny vollendete.11 Als möglicher Grund wird vermutet, dass er mit der Art und Weise der Stoffbehandlung, die seine Gönnerin, wie er im Prolog schreibt, vorgegeben hat, nicht gänzlich einverstanden war. Es scheint, als weise er die Verantwortung für das Werk bereits im Prolog von sich.12

Der Lancelot Chretiens de Troyes wurde also in etwa zwei Jahrzehnte vor dem Lanzelet Ulrichs von Zatzikhoven verfasst. Zudem ist bei Chretien die Gönnerfrage eindeutig geklärt; er schreibt im Auftrag Maries de Champagne.

3 Die Struktur der beiden Werke

In der Struktur der beiden Werke sind bei genauer Betrachtung einige Merkmale zu erkennen, welche die Romane grundlegend unterscheiden. Über die genaue Struktur des Lanzelet diskutieren die Forscher bis heute und es gibt immer wieder verschiedene Vorschläge. Am plausibelsten wirkt jedoch eine Kombination verschiedener Meinungen, die den Roman skizziert.

3.1 Die Struktur des Lanzelet

Der Lanzelet ist zunächst in zwei Teile zu trennen, ohne dabei den berühmten Doppelweg anderer Artusromane zu bestreiten. Der Doppelweg – also das Verlassen eines Ritters des Artushofes nach einer Harmoniestörung, die folgende Bewältigung von Aventiuren, die erste Einkehr, die Krise, die noch größere Aventiurekette und die zweite und erfolgreiche Rückkehr, oftmals mit einem Herrschaftsantritt verbunden – existiert hier nicht.13 Lanzelet ist ein krisenloser Held, der nicht mehrmals zum Artushof zurückkehrt oder von selbigem startet. Es wird nicht nur der Ausschnitt einer Episode des Lebens Lanzelets gezeigt, sondern es liegt ein biographisches Schema vor.14 Dies unterscheidet ihn von den bei Chretien de Troyes den Doppelweg bestreitenden Artusrittern Erec und Iwein.15

Den Erkenntnissen von Kurt Ruh folgend, sehe ich in etwa in der Mitte des Werkes einen Einschnitt, der es in zwei Teile gliedert. In Vers 4706 erfährt der Protagonist seinen Namen, dessen Suche den ersten Teil des Werkes dominiert hat. Bis dahin besteht Lanzelet, nachdem er das Reich der Meerfee mit fünfzehn Jahren verlassen hat (V. 301), einige Aventiuren. Die ritterlichen Prüfungen und Minnebegegnungen steigern sich dabei bis zur Namensfindung. Im zweiten Teil, der eben nicht auf eine Krise folgt, geht es um die Bewährung als Ritter am Artushof, den der Protagonist gleich nach seiner Namensfindung aufsucht. Dabei kommt es zu den Befreiungen der Königin, Erec und Walweins sowie den Bewährungen in Form einer Minnehaft und einer Mantelprobe. Letztere besteht allerdings seine Frau Iblis, zu der später noch mehr geschrieben wird.16 Es kann von einer „Integration Lanzelets in die Artusgesellschaft“17 gesprochen werden.

3.2 Die Struktur des Lancelot

Der Lancelot besitzt eher als der gerade beschriebene Lanzelet die Kernelemente, die einen Artusroman ausmachen. Der Protagonist besteht nicht nur diverse Aventiuren, er stellt die Ordnung, die zu Beginn des Werkes durch die Entführung der Königin ausgehebelt wird, wieder her. Zudem hat er eine Krise zu bewältigen, als Guenievre ihn in ihrem ersten Dialog zurückweist, obwohl er sie gerettet hat (V. 3942-3987). Als er daraufhin enttäuscht abzieht, wird er überfallen und hört kurze Zeit später, dass die Königin sich umgebracht hat, weil sie dachte er wäre tot. Dies veranlasst ihn dazu, einen Suizidversuch zu begehen, der allerdings nicht gelingt. Dies kann und muss als Krise anerkannt werden.18 Zudem wird im Lancelot nur ein Ausschnitt des Lebens des Protagonisten gezeigt und nicht seine gesamte Lebensgeschichte wiedergegeben. Die Episodenhaftigkeit ist dabei ähnlich wie bei anderen Romanen Chretiens, jedoch werden die einzelnen Stationen Lancelots weniger wie eine Reihe Stufen aufgebaut, sondern behandeln eher die verschiedenen Aspekte des großen Komplexes. So tritt mal die Schande durch den Karren, den der Hauptcharakter besteigen musste, in den Vordergrund einer Aventiure, mal ist es seine Verliebtheit zur Königin.19

Die Struktur der beiden Werke ist sehr unterschiedlich. Während der erste Teil des Lanzelets mit der Aventiurekette noch nahe am klassischen Schema eines Artusromans gehalten ist, wird sich davon im zweiten Teil immer mehr entfernt.20 Der gesamte Roman nähert sich kontinuierlich der Idealität des Protagonisten, es existiert kein Wendepunkt durch eine Krise. Die Struktur ist nicht die eines klassischen Artusromans, jedoch ist das Werk, wie gezeigt, trotzdem nicht strukturlos. Im Roman Chretien de Troyes hingegen hat der Held eine Krise und befolgt eher die Konventionen des klassischen Artusromans. Es wird nur ein Ausschnitt der Ritterschaft des Protagonisten und nicht seine Lebensgeschichte erzählt. Obwohl er schematisch beispielsweise von Erec oder Iwein abweicht, ist er „dem Typus nach ein Artusroman“.21

4 Die Namenlosigkeit der Protagonisten

Ein Element, welches die beiden Romane verbindet, ist die Anonymität ihrer Protagonisten. Bei beiden erfährt der Leser den Namen erst etwa in der Mitte des Werkes. Ob dies gleich zu begründen ist oder unterschiedliche Funktionen annimmt, soll nun untersucht werden.

[...]


1 Vgl. Haug, Walter : „Das Land von welchem niemand wiederkehrt“. Mythos, Fiktion und Wahrheit in Chrétiens "Chevalier de la Charrete", im "Lanzelet" Ulrichs von Zatzikhoven und im "Lancelot"-Prosaroman. Tübingen 1978, S. 1-2.

2 Vgl. Soudek, Ernst Herbert : Lancelot und Lanzelet. Zur Verbreitung der Lancelotsage auf Deutschem Sprachgebiet. In: Rice University Studies Bd. 57/4. (1971), S. 115 – 121, hier: S. 115.

3 Vgl. Von Zatzikhoven, Ulrich: Lanzelet. Hg. von Florian Kragl. Berlin 2006, S. 907-909.

4 Eis, Gerhard: Ulrich von Zatzikhoven. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd 4. Hg. von Karl Langosch. Berlin 1953, Sp. 621 – 625, hier: Sp. 622.

5 Vgl. Münch, Almut: Die Nebenfiguren in Ulrichs von Zatzikhoven "Lanzelet“. „Iu enwirt mê niht geseit, von ir dewederem ein wort" (V. 3674f.). Frankfurt am Main u. a. 2005, S. 11-15.

6 Vgl. Neugart, Isolde: Ulrich von Zatzikhoven. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd 10. Hg. von Kurt Ruh u. a. 2. völlig neu bearb. Aufl. Berlin u. a. 1999, Sp. 61 -68, hier: Sp. 61.

7 Vgl. Perennec, Rene: Ulrich von Zatzikhoven: Lanzelet. In: Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen. Hg. von Horst Brunner. Bibliogr. erg. Ausgabe. Stuttgart 2004, S. 129 – 146, hier: S. 129.

8 Vgl. Münch, Nebenfiguren, S. 29.

9 Vgl. Von Zatzikhoven, Lanzelet, S. 901-921 und S. 1272-1273.

10 Vgl. Köhler, Erich : Vorlesungen zur Geschichte der Französischen Literatur. Mittelalter 1. Hg. von Henning Krauß und Dietmar Rieger. Stuttgart u. a. 1985, S. 152 – 187, hier: S. 152-153.

11 Vgl. Von Zatzikhoven, Lanzelet, S. 928-935.

12 Vgl. Haug, Land, S. 19-20.

13 Vgl. Zellmann, Ulrike: Lanzelet: der biographische Artusroman als Auslegungsschema dynastischer Wissensbildung. Düsseldorf 1996, S. 52.

14 Vgl. ebd. S. 42-43 und 67-70.

15 Vgl. Schmidt, Klaus M.: Frauenritter oder Artusritter? Über Struktur und Gehalt Ulrichs von Zatzikhoven „Lanzelet“. In: Zeitschrift für deutsche Philologie Bd 98. (1979), S. 1 – 18, hier: S. 4-5.

16 Vgl. Von Zatzikhoven, Lanzelet, S. 978.

17 Münch, Nebenfiguren, S. 280-282.

18 Vgl. Cordes, Teresa : Die Redeszenen in Chrétiens 'Chevalier de la Charrete', in Ulrichs 'Lanzelet' und im 'Prosalancelot'. Eine narratologische und sprachpragmatische Untersuchung. Berlin/Boston 2016, S. 133-139.

19 Vgl. Haug, Land, S. 38.

20 Vgl. ebd. S. 59-61.

21 Haug, Land, S. 50.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Lancelot vs. Lanzelet. Ein Vergleich der Werke von Ulrich von Zatzikhoven und Chretien de Troyes
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Lanzelet
Note
1,3
Jahr
2018
Seiten
26
Katalognummer
V1167841
ISBN (eBook)
9783346588470
ISBN (Buch)
9783346588487
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lancelot, Chretien de Troyes, Ulrich von Zaztikhoven, Artus, Lanzelet, Chevalier de la Charrette, Aventiure, Hof, Erec, Walwein
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Lancelot vs. Lanzelet. Ein Vergleich der Werke von Ulrich von Zatzikhoven und Chretien de Troyes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1167841

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Lancelot vs. Lanzelet. Ein Vergleich der Werke von Ulrich von Zatzikhoven und Chretien de Troyes



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden