Wenngleich heute sicherlich feststeht, dass es keine eindeutige Definition des Begriffes Föderalismus gibt, da bestehende bundesstaatliche Ordnungen stets in Abhängigkeit von einer bestimmten Epoche/Zeitspanne und individuellen gesellschaftspolitischen Umständen zu unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten geführt haben, herrscht dennoch Übereinstimmung darüber, was den Kern und die gemeinsamen Werte von Bundesstaatlichkeit ausmacht. So erschließt sich direkt aus dem Begriff Bundesstaat der duale Charakter eines solchen staatlichen System, der neben dem Bund auch die Gliedstaaten einschließt und keinen Bundesstaat ohne dieselben zulässt, sowie die geteilte Souveränität, die beiden Ebenen einen bestimmten Anteil an den Staatsfunktionen garantiert und unabhängig voneinander Hoheitsrechte überträgt und konstitutiv für bundesstaatliche Systeme ist. Diese bewusste Kompetenzverteilung bedingt allerdings, dass das Verhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten als gleichberechtigte Ebenen auf Vermittlung und Konsensfindung hin angelegt ist, damit keine Kompetenz-Kompetenz bestehen kann, aufgrund derer eine Ebene über die andere ohne deren Zustimmung verfügen könnte. Trotz oder gerade wegen der sich hieraus ergebenden Konflikte verpflichten den Föderalstaat seine Strukturen zu Veränderung und Kontinuität, so dass er, falls das Prinzip der Gleichberechtigung gewahrt bleibt, synonym ist mit Integration , durch die in einem Prozess der Föderalisierung eine politische Gemeinschaft entsteht. In diesem Sinne kommt dem Bundesstaatsprinzip auch eine integrative Rolle bei der Berücksichtigung verschiedener Interessen zu. Dazu gehört insbesondere, die bestehende Vielfalt zu wahren, gleichzeitig aber eine gewisse Einheitlichkeit - wenn auch nicht Gleichheit - zu schaffen.
Mit Blick in die Geschichte des Föderalismus hat sich so gezeigt, dass für sein Gelingen die Gleichberechtigung der föderierten Teile Grundvoraussetzung war. Dies gilt im Zusammenhang mit der Thematik dieser Hausarbeit vor allem für die politische Struktur Kanadas, deren föderaler Aufbau nicht aus einem historischen Prozess hervorgegangen ist, sondern vielmehr das Ergebnis von politischen Kompromissen darstellt, eine multiethnische Nation in einem Staat zu erschaffen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Föderation oder Konföderation - Kanadas Entwicklung zu einer föderalen Ordnung
- Organisationsstruktur und Kompetenzen in der Pendelbewegung - zentrifugaler und zentripetaler Föderalismus in Kanada
- Problemstellungen des kanadischen Föderalstaates - die Suche nach Identität in einem vereinten Kanada
- Quebec zwischen Integration und Sezession
- Konstitutionelle Reformen des Föderalstaates
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, anhand einer Analyse der Entwicklungsgeschichte Kanadas, der Organisationsstruktur und Kompetenzen seiner föderalstaatlichen Ordnung darzulegen, welche die grundlegenden Problemstellungen Kanadas als multiethnischem und grundlegend heterogen strukturiertem Staat sind, was Identität und Nation einem Staat bedeuten, der, stets von neuem durch konstitutionelle Krisen geschüttelt, zwischen stärkerer Integration seiner Glieder und dem durch Quebec geäußerten Wunsch nach Sezession pendelte und welchen Einfluss konstitutionelle Reformen des Föderalstaates auf diese Entwicklungen hatten.
- Die Entwicklung des kanadischen Föderalismus und seine Herausforderungen
- Die Organisation und Kompetenzen der föderalen Ordnung in Kanada
- Die Suche nach Identität und Nation in einem multiethnischen Staat
- Die Rolle von Quebec im kanadischen Föderalismus
- Der Einfluss konstitutioneller Reformen auf den kanadischen Föderalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Entwicklung des kanadischen Föderalismus und zeigt auf, dass dieser nicht geradlinig verlaufen ist, sondern durch zwei Dezentralisierungswellen seinen heutigen Charakter erlangt hat. Es wird die Gründung Kanadas als Dominion of Canada 1867 durch den British North America Act sowie die Etablierung einer parlamentarischen Regierung und die Garantien zur Wahrung von Sprachrechten beleuchtet. Das Kapitel beleuchtet auch den pragmatischen Ansatz der handelnden Politiker, die Kanada schnellstmöglich zu einem politisch handlungsfähigen Staat fernab von kulturellen Konfliktfeldern machen wollten.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Organisationsstruktur und Kompetenzen des kanadischen Föderalismus und zeigt die Pendelbewegung zwischen zentrifugalem und zentripetalem Föderalismus auf. Es wird die Bedeutung des französisch-britischen Dualismus und die daraus resultierenden Identitäten mit ihren spezifischen ethnischen, religiösen und sozialen Anschauungen und Interessen im föderalistischen Ordnungsprinzip als Ausgleich und Konfliktlösungsmechanismus beleuchtet.
Das dritte Kapitel befasst sich mit den Problemstellungen des kanadischen Föderalstaates und der Suche nach Identität in einem vereinten Kanada. Es werden die besonderen Merkmale des kanadischen Föderalismus, die Vielfalt der zehn Provinzen, die hohe Komplexität der kanadischen Gesellschaft und ihre unterschiedlichen lokalen Kulturen beleuchtet, die die langfristige Existenz und Perspektive des kanadischen Föderalismus in der Vergangenheit in Frage gestellt haben.
Schlüsselwörter
Kanadischer Föderalismus, multiethnische Nation, Identität, Nation, Integration, Sezession, konstitutionelle Reformen, zentrifugaler Föderalismus, zentripetaler Föderalismus, Quebec, Anglophone, Frankophone, British North America Act, Dominion of Canada, Sprachrechte, politische Struktur, Kompetenzen, Problemstellungen, Entwicklung, Geschichte, Organisation, Struktur, Institutionen, Gesellschaft, Kultur, Politik.
- Arbeit zitieren
- Matthias Schollmeyer (Autor:in), 2006, Der multiethnische, kanadische Föderalismus - Kompromissmodell oder Modell für kulturelle Vielfalt in einer Nation der Nationen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116785