Bemerkungen zum Gehirn-im-Tank Szenario im Lichte von Hilary Putnams Argumentation


Trabajo Escrito, 2008

13 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1.1. Gehirne im Tank Argument
1.2. Worauf man sich beziehen kann

2. Kritik

0. Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit soll zunächst der Gedankengang Hilary Putnams zum Gehirn-im-Tank Szenario nachvollzogen werden. Hierbei wird insbesondere auf die Bezugnahmetheorie, die im ersten Kapitel des Werks "Vernunft, Wahrheit und Geschichte" von Putnam vorgeschlagen wird, eingegangen.

Darauf folgen zwei Kritiken. Zum Einen soll eine andere Version des Gehirn-im-Tank Szenario vorgeschlagen und die Konsequenzen auf die Argumentation Putnams aufgezeigt werden. Zum anderen wird dafür argumentiert werden, dass der Außenweltskeptizismus nicht auf irgendeine Version dieses Szenarios reduziert werden kann, weshalb eine Widerlegung (oder der begriffliche Ausschluss) derselben keine automatische Widerlegung des Außenweltskeptizismus nach sich zieht. Vielmehr wird - sollte das vorgeschlagene Argument richtig sein - der Außenweltskeptizismus gar nicht durch Putnams Argument angegriffen.

Ziel dieser Hausarbeit ist es also, die Argumentation Putnams hinsichtlich einer adäquaten Erwiderung auf den Außenweltskeptizismus als unzureichend herauszustellen.

1.1. Gehirne im Tank Argument

Die Vorstellung, wir (alle) seien Gehirne in einem Tank[1], ist eine Version des in weiten Teilen der Philosophiegeschichte diskutierten Problems des Außenweltskeptizismus, der sich in der Frage ausdrückt:

Wie kannst du wissen, dass die Dinge, die du wahrzunehmen glaubst, wirklich da sind?[2]

Putnam will nun beweisen, dass wir unmöglich Gehirne im Tank sein können. Seine Argumentation für einen solchen Beweis lässt sich wie folgt rekapitulieren.

Die Gehirne im Tank bezögen sich mit ihren Wörtern für Einzelgegenstände entweder auf ihre Vorstellungsbilder dieser Gegenstände, auf diese Vorstellungsbilder hervorrufende Impulse oder auf die für diese Impulse verantwortlichen Merkmale im Programm[3] aber - und das ist das entscheidende - nicht (wie wir es mutmaßlich tun) auf wirkliche Gegenstände.[4]

Das Wort “Tank” im Satz “Wir sind Gehirne im Tank” bezieht sich im entsprechenden Szenario demnach nicht auf einen wirklichen Tank sondern zum Beispiel auf einen Tank im Vorstellungsbild.

Also sage der Satz “Wir sind Gehirne im Tank” in dieser möglichen Welt, dass der Sprecher (und diejenigen, die er als seine Mitmenschen wahrnimmt) Gehirne im Tank im Vorstellungsbild seien[5].

In der Hypothese, dass der Sprecher und die anderen Gehirne im Tank sind, ist es aber nicht der Fall, dass sie Gehirne im Tank im Vorstellungsbild sind[6], weshalb der Satz falsch ist, wenn sie Gehirne im Tank sind.

Sind sie hingegen keine Gehirne im Tank ist der Satz “Wir sind Gehirne im Tank” falsch, weil sich in diesem Fall das Wort “Tank” auf wirkliche Tanks bezieht und das Gehirn des Sprechers sich zum Beispiel in seinem Schädel befindet und nicht in einem solchen, wirklichen Tank liegt.

Der Satz “Wir sind Gehirne im Tank” ist also unabhängig von dem Gehirn im Tank Szenario falsch; daher sei er “(notwendig) falsch”[7].

1.2. Worauf man sich beziehen kann

Dass sich die Gehirne im Tank nicht auf wirkliche Tanks beziehen können resultiert aus der von Putnam vorgeschlagenen Bezugnahmetheorie:

Zum Einen versucht er, zu beweisen, dass “magische Theorien der Bezugnahme”[8] falsch sind. Zum anderen argumentiert er dafür, dass Bezugnahme[9] notwendig einen Kausalzusammenhang zwischen Sprechendem bzw. Denkendem und dem Gegenstand, der bezeichnet wird, erfordert.

Einige Philosophen[10] sind der Auffassung, dass (introspizierbare) geistige Phänomene sich intrinsisch, also aus sich heraus auf physikalische Gegenstände beziehen. Demnach bilden gewisse Kombinationen von geistigen Gegenständen etwa einen Begriff und dieser bezieht sich dann notwendig auf einen Gegenstand der Außenwelt.

Putnam wehrt sich in seiner Argumentation besonders gegen die Annahme, Begriffe könnten sich als geistige Vorkommnisse von sich aus auf einen äußeren Gegenstand beziehen; Begriffe seien eben keine geistigen Darbietungen.[11]

Jemandem einen Begriff zuzuschreiben (also ihm zu unterstellen, er ‘verstünde’ ein Wort, wisse, was ein Wort bedeute) sei etwas anderes, als jemandem eine solche Darbietung zuzuschreiben.[12]

Man könnte sagen, dass man Vorstellungsbilder als introspizierbare geistige Vorkommnisse hat, während man über einen Begriff verfügt in dem Sinne, als dass man das Zeichen "begrifflich verwendet"[13].

Erkennbar wird dieser Sachverhalt zum Beispiel daran, dass man sagt “Dieser da hat dieses oder jenes Vorstellungsbild”, nachdem man ihn danach gefragt und er uns Auskunft gegeben hat, während man sagt “Dieser da hat diesen oder jenen Begriff von einem Apfel”, nachdem wir erfahren haben, wie er das Wort “Apfel” in gewissen Situationen gebraucht. Das ist der Unterschied zwischen dem Zuschreiben von Vorstellungsbildern und dem Zuschreiben von Begriffen, den Putnam meint.

Im analysierten Text heißt es hierzu: “Begriffe sind (zumindest teilweise) Fähigkeiten und nicht Vorkommnisse.”[14]. In diesem Sinne meint Putnam, dass wenn man nicht imstande sei, die Wörter[15] im „richtigen Kontext“[16] zu verwenden, dann hat man sie auch nicht verstanden.[17] Daraus folgt, dass ob ich ein Wort verstehe, sich daran zeigen muss, ob ich es richtig verwende; ob ich ein Wort verstehe, zeigt sich daher nicht an einer „Menge geistiger Ereignisse - Vorstellungsbilder oder „abstraktere“ geistige Vorkommnisse und Eigenschaften“[18].

„Wenn du einmal weißt, was das Wort bezeichnet, verstehst du es, kennst seine ganze Anwendung“[19] ´

Bei diesen Paragraphen wird auf Grund der Tatsache, dass es nicht Wittgenstein ist, der hier spricht, sondern ein Mitdiskutant, stattdessen folgende Aussage als richtig angenommen:

Wenn du weißt, was das Wort bezeichnet, dann verstehst du es, kennst seine ganze Anwendung. Dass heißt, dass man das Wort verstehen muss, um zu wissen, was es bezeichnet. Nach Putnams Argumentation hängt Verstehen eines Wortes notwendig davon ab, es richtig zu verwenden.

Die Konklusion heißt nun, dass ich erst weiß, was das Wort bezeichnet, wenn ich es richtig verwende. Weder ist für Bezugnahme entscheidend, dass sich gewisse innere (geistige) Vorgänge abspielen noch dass ich entscheide, was ein Wort heißen soll. Notwendig ist lediglich die Verwendung (im “richtigen Kontext“), aus der die Bedeutung des Wortes ‘abzulesen’ ist.

Wenn ein (physikalischer) Gegenstand bezeichnet werden soll, dann müsse nach Putnam der Sprechende bzw. Denkende über eine “kausale Wechselbeziehung”[20] zu diesem Gegenstand verfügen. Um dafür zu argumentieren nennt er uns eine Maschine, die darauf programmiert ist, (komplexe) Sprachreaktionen zu erzeugen, ohne jedoch die Dinge, über die sie ‘spricht’, sinnlich erfahren (sehen, hören) zu können; sie verfügt über keine kausale Wechselbeziehung zu den Dingen. Und weil die Maschine darüber nicht verfügt, würden wir nicht sagen, sie beziehe sich mit ihren Worten auf die Dinge, von denen sie ‘redet’. Bezugnahme (auf physikalische Gegenstände) hat also nach Putnam diese kausale Wechselbeziehung (zwischen Sprechendem bzw. Denkendem und physikalischen Gegenständen) zur notwendigen Voraussetzung.

Im Lichte dieser beiden Argumentationen wird nun auch nachvollziehbar, warum die Bezugnahme der Gehirne im Tank dergestalt ist, wie Putnam sie unterstellt. Wenn Bezugnahme auf (physikalische) Gegenstände nicht bloß durch gewisse innere geistige Vorgänge zustande kommt sondern es jene kausalen Wechselbeziehungen zwischen Bezugnehmenden und Gegenstand braucht, dann kann das Gehirn im Tank gar keinen Bezug nehmen auf die (wirklichen) Tanks, in denen es liegt. Denn zu diesen hat es eben keine kausale Wechselbeziehung.

2. Kritik

Putnam spezifiziert sein Gehirn-im-Tank Szenario wie folgt:

„Hier müssen wir uns jedoch einen Fall vorstellen, in dem die Gehirne im Tank nie aus dem Tank herauskommen und deshalb nie in kausalem Zusammenhang mit Bäumen usw. stehen.“[21]

Vernachlässigt man diese Einschränkung, dann kann man sich einen Fall vorstellen, in dem wir alle erst seit gestern Nacht Gehirne im Tank sind. Ist eine der beiden Vorstellungen glaubwürdiger?

Eine Vorstellung (zum Beispiel: das Atomprogramm von Nordkorea wurde nicht unwiderruflich eingestellt) wird dadurch glaubwürdiger, als dass Gründe dafür sprechen

(, weil es dem Land die begehrte Möglichkeit gibt, diplomatisch Druck auszuüben.).

Es gibt keinen Grund, der dafür spricht, dass wir nicht ewige Gehirne im Tank sind; es gibt aber ebenso keinen Grund der dafür spricht, dass wir nicht erst seit gestern Nacht Gehirne im Tank sind.

Ein Kriterium, das über die Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Varianten des Gehirn-im-Tank Szenarios entscheiden kann, scheint die Verträglichkeit mit unseren Vorstellungen von Physik zu sein.

Nach diesem Kriterium sind beide Varianten gleichermaßen glaubwürdig, denn keines widerspricht den uns bekannten Naturgesetzen oder übersteigt die vorstellbaren technischen Möglichkeiten.

Welche Konsequenzen hat dies auf die Argumentation von Putnam?

Angenommen mein Gehirn wurde gestern Nacht herausoperiert und in einen wirklichen Tank gelegt, an einen wirklichen Computer angeschlossen. Worauf vermag ich mich jetzt zu beziehen?

Soll sich ein Sprechender bzw. Denkender auf einen physikalischen Gegenstand beziehen können, dann müsse er - nach Putnam - in einer kausalen Wechselbeziehung zu diesem Gegenstand stehen. Tatsächlich unterhielt ich solche kausalen Wechselbeziehungen zu wirklichen Tanks gestern noch, denn im alternativen Szenario war ich gestern noch kein Gehirn im Tank sondern Teil der wirklichen Welt.

Wenn ich mir jetzt - als Gehirn im Tank - vorstelle, mein Gehirn befände sich in Wirklichkeit in einem Tank, dann würde ich mir vielleicht das Bild eines Gehirns und eines Tanks innerlich 'vorlegen' und die entsprechende Vermutung mir vorsagen. Mein innerlich 'vorgelegtes' Bild eines Tanks wäre natürlich ein Vorstellungsbild eines Tanks, den ich mal irgendwo sah. Und wenn ich heute morgen, bereits als eingetanktes Gehirn, keinen prägenden Umgang mit halluzinierten Tanks gehabt habe, dann wird mein Vorstellungsbild eines Tanks nicht Resultat meines Eindrucks eines halluzinierten Tanks sondern kausal mit wirklichen Tanks verbunden sein. Schließlich wurde dieses Vorstellungsbild eines Tanks durch wirkliche Tanks verursacht, indem diese Licht reflektierten, dass bei mir einen bestimmten Eindruck hinterließ, den ich nun als Bild eines Tanks memorieren kann.

Dasselbe gilt natürlich für meine Vorstellung von Gehirnen.

Meine Vorstellungsbilder von Gehirnen und Tanks können - bei Modifizierung des Gehirn-im-Tank Szenarios - demnach auch wirkliche Gehirne und wirkliche Tanks repräsentieren, denn Putnams Bedingung für Repräsentation ist erfüllt.

Wenn ich mir nun gleichzeitig vorstelle, in dieser Lage, also ein Gehirn im Tank zu sein, kann diese Annahme richtig sein. Wenn diese Annahme richtig sein kann, dann ist sie nicht - wie Putnam schreibt[22] - notwendig falsch.

Man könnte einwenden, dass mich - wenn ich erst einmal eingetankt bin - keine kausalen Wechselbeziehungen mehr mit der wirklichen Welt verbinden. Wenn zum Beispiel alle wirklichen Bäume aufhörten, zu existieren, dann würde das meine Rede von wirklichen Bäumen nicht verändern; und darum beziehe ich mich als Gehirn im Tank zum Beispiel nicht auf wirkliche Bäume.

Doch wenn ich ein Gehirn im Tank bin, dann muss es auch einen wirklichen Tank und ein wirkliches Gehirn geben.

Wenn es einen wirklichen Tank und ein wirkliches Gehirn gibt, dann haben nicht alle Tanks und alle Gehirne sämtlich aufgehört, zu existieren.

Die Annahme, ich sei seit gestern Nacht ein Gehirn im Tank, impliziert also, dass es ein wirkliches Gehirn und einen wirklichen Tank gibt[23] ; und diese können - entgegen Putnams Behauptung - (unter Heranziehung einer anderen Variante des Gehirn im Tank Szenarios) durch meine Vorstellungsbilder - wie gezeigt - repräsentiert werden.

Ein weiterer Kritikpunkt befasst sich mit dem Charakter skeptizistischer Hypothesen allgemein. Dazu hieß es im oberen Text:

'Ein Kriterium, das über die Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Varianten des Gehirn-im-Tank Szenarios entscheiden kann, scheint die Verträglichkeit mit unseren Vorstellungen von Physik zu sein. Ein Szenario, das physikalisch möglich ist, wäre demnach glaubwürdiger als eines, das unseren Vorstellungen von Physik widerspricht.'

Doch ist die Verträglichkeit mit unseren Vorstellungen von Physik überhaupt ein Kriterium, wonach skeptizistische Szenarien (, die auf die Herkunft unserer Eindrücke abzielen) gewissermaßen aus dem Diskurs aussortiert werden können? Anders gefragt: Müssen skeptizistische Szenarien mit unseren Vorstellungen von Physik vereinbar sein?

Für die folgende Argumentation, die gewiss eine skeptische ist, wird stets angenommen:

(a) es gibt keine real-existierende Außenwelt.
(b) ich habe gewöhnliche Sinneseindrücke, so als gäbe es eine real-existierende Außenwelt.

Wenn es eine real-existierende Außenwelt nicht gibt, dann beziehen sich die Naturgesetze, die ich kenne, nur auf meine Sinneseindrücke.[24]

Die Aussage: ‘Wasser siedet bei 100 Grad Celsius’ ist brauchbar in Bezug auf meine Sinneseindrücke. Auf den Sinneseindruck eines mit Wasser gefüllten Kochtopfs der über offener Flamme steht folgt - daran glaube ich - der Sinneseindruck von kochendem Wasser.

Weil die Aussage: ‘Wasser siedet bei 100 Grad Celsius’ sich an meinen Sinneseindrücken bewährt und ich sie allein deswegen revidieren müsste, wenn sie’s nicht mehr täte (Meine Sinneseindrücke also zeigten, dass Wasser beispielsweise bei 80 Grad Celsius anfangen würde, zu kochen), deswegen entstammt sie auch der Erfahrung meiner Sinneseindrücke.[25]

Ich komme nicht zum Beispiel plötzlich darauf, dass Wasser dann und dann anfängt, zu kochen und bin mir dann auch plötzlich gewiss, dass es so ist. Vielmehr ist die Abfolge der Sinneseindrücke Grund für mich, solche Sätze wie das genannte Naturgesetz als brauchbar einzuschätzen. Dass zum Beispiel dieser Satz nicht irgendwo herstammt, vielleicht aus meiner genialen Eingebung, zeigt sich daran, dass, wenn jemand es bezweifelte, dass Wasser bei 100 Grad Celsius kocht, ich auf nichts anderes hinweisen könnte, als eine konkrete Erfahrung, also auf den Eindruck kochenden Wassers mit der Temperatur von 100 Grad Celsius. Die Sinneseindrücke sind hier der Grund für die Aufstellung des Naturgesetzes, dass Wasser bei 100 Grad Celsius kocht.

Wenn sich - das Fehlen einer real-existierenden Außenwelt immer noch vorausgesetzt - die mir bekannten Naturgesetze nur auf meine Sinneseindrücke beziehen, dann beziehen sich die mir bekannten Naturgesetze nicht notwendig auf die Herkunft meiner Sinneseindrücke.

Um dafür zu argumentieren muss zuerst gezeigt werden, dass der Inhalt eines Sinneseindrucks nichts notwendig enthält, was über die Entstehung des Sinneseindrucks Aufschluss gibt.

Manchmal passiert es, dass Menschen, die an Schizophrenie[26] erkrankt sind über Jahre nicht zwischen Einbildung und Wirklichkeit[27] unterscheiden können[28]. Sie haben also zur selben Zeit Sinneseindrücke von Personen, die real existieren und Sinneseindrücke von Personen, die sie bloß halluzinieren. Das zeigt, dass zwei Sinneseindrücke völlig gleichartig sein können, ohne durch den gleichen Mechanismus entstanden zu sein. Zwar sind im Beispiel sowohl der Sinneseindruck einer wirklichen Person als auch die Halluzination kausal verursacht durch die Außenwelt, doch auf unterschiedliche Weise. Es soll hierdurch nur deutlich gemacht werden, dass wie ein Sinneseindruck zustande kommt sich nicht notwendig im Inhalt des Sinneseindrucks zeigt.[29]

Und wenn die Entstehung des Sinneseindrucks sich nicht notwendig in dessen Inhalt niederschlägt, dann ist es möglich, dass der Inhalt des Sinneseindrucks unabhängig von der Entstehung des Sinneseindrucks ist.

Wenn - das Fehlen einer existierenden Außenwelt vorausgesetzt - gilt:

(a) , dass es möglich ist, dass der Inhalt eines Sinneseindrucks unabhängig von der Entstehung desselben ist und
(b) , dass die Naturgesetze sich lediglich auf meine Sinneseindrücke beziehen dann folgt:
(c) dass es möglich ist, dass sich die Naturgesetze unabhängig von der Entstehung der Sinneseindrücke auf die Sinneseindrücke beziehen.

Dass heißt, dass es möglich ist, dass sich die Entstehung der Sinneseindrücke, also die Weise, wie sie zustande kommen ändert, ohne dass sich meine Sinneseindrücke und die mir bekannten Naturgesetze ändern müssten.

Dass sich die Naturgesetze nicht ändern müssen, obwohl sich die Entstehung meiner Sinneseindrücke ändert, zeigt wiederum, dass es möglich ist, dass auch sie unabhängig von der Entstehung meiner Sinneseindrücke sind; Naturgesetze beziehen sich also nicht notwendig auf die Herkunft meiner Sinneseindrücke.

So wie ein Held eines Fantasy-Romans[30] das Verhalten seiner Sinneseindrücke und die resultierenden 'Naturgesetze' nicht dazu nutzen kann, zu erklären, wie diese Sinneseindrücke entstanden sind[31], so können wir nicht davon ausgehen, dass unsere Naturgesetze notwendig auch bei der Entstehung unserer Sinneseindrücke anwendbar sind.

Wenn es nun möglich ist[32], dass die Naturgesetze, die ich kenne und die sich bewähren, nichts mit der Entstehung meiner Sinneseindrücke zu tun haben, meine Sinneseindrücke selbst nichts notwendig darüber verraten, wie sie entstanden, dann ist es auch möglich, dass die Entstehung meiner Sinneseindrücke nicht mit den mir bekannten Naturgesetzen in Einklang steht.

Vielmehr kann die Herkunft meiner Eindrücke nach unseren Maßstäben völlig irrational verlaufen: Beispielsweise könnte ich eine frei schwebende Substanz, freilich die einzige im Universum sein und ohne Verursachung Sinneseindrücke haben. Meine Sinneseindrücke könnten einfach unverursacht entstehen und dennoch - wie gezeigt - die gleiche Struktur aufweisen, wie sie es derzeit tun.

Wenn also die Außenwelt nicht existiert, dann ist es möglich, dass die Entstehung meiner Sinneseindrücke den mir bekannten Naturgesetzen widerspricht.

Und wenn wir nicht wissen, ob die Außenwelt existiert, dann ist es überhaupt möglich, dass die Entstehung meiner Sinneseindrücke den uns bekannten Naturgesetzen widerspricht.

In der Tat wurde noch kein von allen akzeptierter Beweis der Außenwelt vorgelegt; wir wissen also nicht, ob die Außenwelt existiert und daraus folgt, dass meine Sinneseindrücke auf eine Weise entstehen können, die den uns bekannten Naturgesetzen widerspricht.

Man kann einwenden, dass man selbst Sinneseindrücke hervorrufen kann, indem man zum Beispiel einen Ball in die Luft wirft. In der Regel wird der Sinneseindruck eines hinab fallenden Balls darauf folgen. Und das würde zeigen, dass Sinneseindrücke doch verursacht werden. Dass man aber auf etwas einwirken könne, ist selbst nur ein Eindruck: ich habe den Eindruck, mich dazu zu entscheiden, den Ball hinauf zu werfen, und darauf folgen andere Eindrücke, die mich in der Regel nicht jedes mal in Erstaunen versetzen. Wenn aber auf Sinneseindrücke einwirken zu können, ebenso nur ein Eindruck ist, dann ist es möglich, dass auch dieser Eindruck unverursacht entsteht. Immer noch ist es damit möglich, dass alle meine Eindrücke unverursacht entstehen.[33]

Es zeigt sich, dass bei der Auswahl skeptizistischer Szenarien, die die Herkunft unserer Eindrücke betreffen, das Kriterium der Verträglichkeit mit unseren Vorstellungen von Physik irrelevant ist.

Szenarien, die diesen Vorstellungen widersprechen sind nicht weniger glaubwürdig als Szenarien, die physikalisch möglich sind.

Vorausgesetzt Putnam hätte das Gehirn-im-Tank Szenario widerlegt, so hätte er trotzdem nicht gezeigt, dass meine Eindrücke, die ich habe, nicht unverursacht entstehen.[34] Und wenn er nicht zeigt, dass diese zugegebenermaßen absurde Annahme ausgeschlossen ist, so hat er auch nicht den Skeptizismus widerlegt. Denn auch ganz und gar unwahrscheinliche Annahmen - wie die eben vorgelegte - zeigen, dass sie widerspruchsfrei gedacht werden können und daher nicht ausgeschlossen sind. Und das heißt, dass wir nicht wissen, ob es eine real-existierende Außenwelt gibt, wie wir sie wahrnehmen; und wir wissen nicht, ob es sie gibt, trotz des dargelegten Arguments von Putnam.

[...]


[1] Da das Gehirne im Tank Szenario schon häufig und ausreichend beschrieben worden ist, wird hier auf eine erneute Darstellung verzichtet.

[2] Ludwig Wittgenstein fragt in dieser Form: „Mit welchem Recht zweifle ich nicht an der Existenz meiner Hände?“ (Ludwig Wittgenstein: Über Gewißheit. Frankfurt am Main 1984. S. 124). Es kann auch so gefragt werden: „Wie ist mein Wissen über die Außenwelt gerechtfertigt?“.

[3] Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 31

[4] Diese Annahme wird unter der Überschrift "Worauf man sich beziehen kann"erläutert.

[5] Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 32.

[6] “[…], was wir >>halluzinieren<<, ist nicht, dass wir Gehirne in einem Tank sind.” (Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 32)

[7] Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 33.

[8] vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 34.

[9] Mit Bezugnahme wird hier zum Beispiel gemeint, wie das Wort „Apfel“ einen Apfel, oder „ein Ding ein anderes Ding“ ( vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 16.) repräsentieren kann.

[10] Putnam nennt F. Brentano als Vertreter; ebenso stellte Edmund Husserl „die Intentionalität als wesentliches Merkmal der Bewusstseinsakte heraus“ (Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Hrsg. Jürgen Mittelstraß. Mannheim 1984. Band 2. Seite 259.)

[11] Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 36.

[12] Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 36.

[13] Günter Abel: Bewusstsein - Sprache - Natur. Nietzsches Philosophie des Geistes. In: Nietzsche-Studien. Internationales Jahrbuch für die Nietzsche Forschung. Hrsg. Günter Abel, Josef Simon, Werner Stegmaier. Berlin 2001. S. 25.

[14] Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 40.

[15] "Wörter" bezeichnet hier Gegenstandsnamen wie "Apfel", "Baum", "Haus".

[16] vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 19. ‚Das Verwenden der Wörter im richtigen Kontext‘ bedeutet jenes Sprechen das in engem Zusammenhang mit unserem nichtsprachlichen Umgang mit den Dingen stehe (vgl. vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 27.). Dass er von unserem Umgang spricht ist Hinweis darauf, dass dieser Umgang in sozialem Zusammenhang, also mit anderen Menschen stattfinden muss.

[17] vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 19. Aus dieser Subjunktion folgt zuerst: Nur wenn man die Wörter im richtigen Kontext gebraucht, hat man sie auch verstanden.

[18] Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 40.

[19] Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen. Frankfurt am Main 1969. S 395.

[20] vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 34. Unter „kausaler Wechselbeziehung“ sei hier zum Beispiel folgender Vorgang verstanden: der Baum reflektiert Licht, das neurophysiologische Prozesse in meinem Gehirn verursacht, die wiederum zu einem Baumeindruck führen.

[21] vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 35

[22] "Ja, ich werde dafür argumentieren, daß die Annahme, wir seien tatsächlich Gehirne in einem Tank, unmöglich wahr sein kann, [...]" vgl. Hilary Putnam: Vernunft, Wahrheit und Geschichte. Frankfurt am Main 1980. S. 23.

[23] Ich kann mir also nicht gleichzeitig vorstellen, dass ich ein Gehirn im Tank bin und dass alle wirklichen Gehirne und alle wirklichen Tanks womöglich aufgehört hätten, zu existieren.

[24] „Physiker sind bereits seit langem geneigt, ihre theoretischen Aussagen nicht als Behauptungen über eine an sich seiende metaphysische Realität aufzufassen, sondern als Instrumente, um auf Grund vergangener Erfahrungen künftige Erfahrungen vorauszusagen.“ Wolfgang Stegmüller. Der Phänomenalismus und seine Schwierigkeiten. Sprache und Logik. Darmstadt 1968. S. 26

[25] "Naturgesetze beziehen sich aufgrund ihres empirischen Ursprungs und der Forderung ihrer Anwendbarkeit auf die erfahrbare Wirklichkeit.” Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Basel 1984. Band 6. S. 530.

[26] hier: paranoid-halluzinatorische Schizophrenie als Form einer (endogenen) Psychose. Vgl. Großes Wörterbuch Psychologie. München 2004. S. 302/303.

[27] Für dieses Beispiel soll kurz das Gegenteil vom Prämisse (a) gelten: es existiert eine Außenwelt, von der unsere Eindrücke herstammen.

[28] Ein Bild dieser Vorstellung bietet der Film „A Beautiful Mind“, bei dem jemand über Jahre nicht merkt, wie er sich einige Freunde nur einbildet.

[29] Auch die Sinneseindruck von einer Oase in der Wüste kann sich später - ohne dass es am Sinneseindruck vorher schon erkenntlich wäre - als Fata Morgana oder als reale Oase erweisen. Jeweils ist der Sinneseindruck auf unterschiedliche Weise zustande gekommen, ohne dass es sich in dessen Inhalt niedergeschlagen hätte. Wäre es anders, könnte man am Sinneseindruck einer fernen Oase eine Fata Morgana von einer wirklichen Oase unterscheiden und das ist nachweislich nicht so.

[30] "Fantasy-Romane zeigen oft eine archaische Welt, in der Magie und übermenschliche Kräfte die Handlungsfähigkeit der Figur erweitern.“ Harenberg Literaturlexikon. Dortmund 2001. S. 1142/1143.

[31] Die Entstehung der Sinneseindrücke des Fantasy-Helden besteht in der Niederschrift des Autors, die - davon gehen wir aus - frei von übermenschlichen Kräften und Magie geschieht.

[32] immer noch unter der Voraussetzung, dass es keine real-existierende Außenwelt gibt,

[33] Sicherlich ist es nicht wahrscheinlich sondern von an Unvorstellbarkeit grenzender Unwahrscheinlichkeit, dass meine Eindrücke zufällig so und mit diesem und jenem Inhalt aufeinander folgen, aber hier soll nur gezeigt werden, dass dies nicht ausgeschlossen werden kann.

[34] Denn was Putnam zeigt ist, dass wir uns nicht auf bestimmte Verursacher unserer Eindrücke (Supercomputer) beziehen können. Im vorgeschlagenen Szenario gibt es keinen Verursacher unserer Eindrücke.

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Detalles

Título
Bemerkungen zum Gehirn-im-Tank Szenario im Lichte von Hilary Putnams Argumentation
Universidad
Free University of Berlin
Calificación
1,7
Autor
Año
2008
Páginas
13
No. de catálogo
V116823
ISBN (Ebook)
9783640187232
Tamaño de fichero
436 KB
Idioma
Alemán
Notas
Literatur wird in den Fußnoten komplett zitiert.
Palabras clave
Bemerkungen, Gehirn-im-Tank, Szenario, Lichte, Hilary, Putnams, Argumentation
Citar trabajo
Frank Müller (Autor), 2008, Bemerkungen zum Gehirn-im-Tank Szenario im Lichte von Hilary Putnams Argumentation, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116823

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