"Flow"-Erfahrungen im Sportunterricht. Möglichkeiten und Chancen aktiv forcierter "Flow"-Zustände in der Schule auf Grundlage der Untersuchungen von Mihály Csíkszentmihályi


Hausarbeit, 2020

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen und Begriffsdefinitionen
2.1 „Flow“
2.2 Motivation und Anreiz
2.3 Leistungsmotiv

3. „Flow-Erleben“ in der Schule

4. „Flow-Erleben“ im Sportunterricht

5. Resümee und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zweck- und tätigkeitszentrierte Anreize in Heckhausens erweitertem kognitiven Motivationsmodell (nach Rheinberg 1989, S. 104)

1. Einleitung

Läuft bei dir “ – Das Jugendwort des Jahres 2014 dient in der Umgangssprache einiger Jugendlicher der neidfreien Anerkennung einer Leistung und pointiert den reibungs- und mühelosen Ablauf einer anspruchsvollen Aufgabe. „Laufen“ indiziert hier den Fluss einer Handlung, der ohne Stau oder Stocken zum Ziel führt. Dabei bezieht sich die Formulierung auf den „Flow“-Zustand, der in der Psychologie allgemein einen konzentrierten Schaffensrausch meint, in den man sich verliert. Der emeritierte Professor für Psychologie an der University of Chicago Mihály Csíkszentmihályi gilt als Schöpfer des „Flow“-Begriffs und als Koryphäe der Glücksforschung. In seinen Studien zum „Flow-Erleben“ untersucht er zahlreiche Lebensbereiche, um Merkmale, Voraussetzungen und Hindernisse des „Flow“-Zustandes zu erforschen. Dabei fokussiert er sich unter anderem auf (Extrem-)Sportler1 , die durch ihre Tätigkeit in eine ekstatische, fast schon hypnotische Trance versinken und vollkommen in ihrer Aufgabe aufgehen. Seiner Auffassung nach bedarf es klarer Zielsetzungen, einer völligen Konzentration auf das Handeln, einer omnipräsenten Kontrolle über die Tätigkeit und einer Passung von Anforderung und Fähigkeit jenseits von Angst oder Langeweile in scheinbarer Mühelosigkeit, um ein „Flow“-Gefühl zu erlangen (Csíkszentmihályi, 2010, S.69). Dieses Gefühl birgt ein großes Potential für die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit eines Menschen und gilt als ein wichtiger Faktor für das Empfinden von Glück. Demnach ist es ein erstrebenswertes Ziel für ein zufriedenstellendes Leben und eine wünschenswerte Eigenschaft für Schüler und Lehrer im Schulunterricht. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, was genau einen „Flow“ ausmacht und wie man „Flow“-Zustände begünstigen kann. Kann man sie im schulischen Alltag aktiv forcieren? Wenn ja, welche Chancen ergeben sich für Schüler und Lehrer? Wenn nicht, warum nicht? Die vorliegende Arbeit setzt sich mit diesen Fragen auseinander und betrachtet die Möglichkeiten für den Unterricht am Beispiel des Sportunterrichts. Auf den ersten Blick birgt das Fach Sport auf der Grundlage der Untersuchungen von Csíkszentmihályi ein immenses Potential für Erprobungen und soll daher analysiert werden. Die Ergebnisse können dazu beitragen, den Sportunterricht in seiner grundlegenden Ausrichtung zu verändern und die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen mit dem „Flow“-Gefühl auf andere Bereiche des schulischen Lebens zu übertragen.

Zunächst wird der Begriff „Flow“ definitorisch ausgeschärft und die inhärenten Fassetten Motivation, Tätigkeitsanreize versus Folgeanreize sowie Leistungsmotiv beleuchtet. Dann soll der „Flow“ in einen schulischen Kontext eingebettet und mögliche Chancen und Hindernisse benannt werden. Im weiteren Verlauf wird dezidiert auf den Sport eingegangen, ein Resümee gezogen und ein Ausblick gestaltet.

2. Theoretische Grundlagen und Begriffsdefinitionen

Um ein einheitliches Verständnis von den verwendeten Begriffen zu gewährleisten, soll an dieser Stelle Definitionen vorgestellt werden, die den „Flow“ in der Psychologie von der missverständlichen Nutzung im Sprachgebrauch und den Verallgemeinerungen abgrenzt. Des Weiteren sollen Zusammenhänge mit Begriffen wie Motivation, Tätigkeitsanreizen versus Folgeanreizen und Leistungsmotiv hergestellt werden.

2.1 „Flow“

Der Anglizismus „Flow“ (deutsch: „das Fließen, Strömen“) wurde in der Psychologie erstmals von Csíkszentmihályi verwendet und beschreibt einen mentalen Zustand absoluter Vertiefung, maximaler Konzentration auf einen Gegenstand und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit, die scheinbar automatisch abläuft und die erfahrende Person von ihrer Lebenswelt abkoppelt, sodass zeitliche und räumliche Einflüsse in die Peripherie abdriften. Der Zustand entwickelt sich in einem komplexen Geschehen zwischen Überforderung (Angst) und Unterforderung (Langeweile) und befähigt eine Person zu einem tranceähnlichen Fokus (Csíkszentmihályi, 2010). Erstmals trat die „absorption“ – also das restlose Aufgehen in einer Tätigkeit – bei Woodworth (1918) auf, der sie in Alltagsbedingungen beobachtete. Das Phänomen des „Verweilen[s] in einem Zustand des glücklichen Unendlichkeitsgefühls“ (Scheuerl, 1979, S.31) wurde bereits 1959 in der Spieltheorie entdeckt, das jedoch eher als Grundlage für die Suchtforschung verwendet wird. Csíkszentmihályi spezifizierte als erster den besonderen Zustand des „Flows“ in seinen Forschungsprogrammen und gilt daher als Begründer der Flow-Theorie (Heckhausen, 2018). In diesen Programmen führte er eine qualitative Forschung anhand von Interviews mit Felskletterern, Tänzern, Chirurgen und Schachspielern durch und beschrieb elementare Erlebnis- und Bedingungskomponenten des „Flow-Erlebens“ (Zusammengefasst nach Csíkszentmihályi, 1975; Rheinberg & Vollmeyer, 2019):

1. Man fühlt sich optimal beansprucht und hat trotz hoher Anforderung das sichere Gefühl, das Geschehen noch gut unter Kontrolle zu haben (Balance zwischen Anforderung und Fähigkeit auf hohem Niveau).
2. Handlungsanforderungen und Rückmeldungen werden als klar und interpretationsfrei erlebt, so dass man jederzeit und ohne nachzudenken weiß, was jetzt als richtig zu tun ist.
3. Der Handlungsablauf wird als glatt erlebt. Ein Schritt geht flüssig in den nächsten über, als liefe das Geschehen gleitend wie aus einer inneren Logik. (Aus dieser Komponente rührt wohl die Bezeichnung „Flow“)
4. Man muss sich nicht willentlich konzentrieren, vielmehr kommt die Konzentration wie von selbst, ganz so wie die Atmung. Es kommt zur Ausblendung aller Kognitionen, die nicht unmittelbar auf die jetzige Ausführungsregulation gerichtet sind.
5. Das Zeiterleben ist stark beeinträchtigt; man vergisst die Zeit und weiß nicht, wie lange man schon dabei ist. Stunden vergehen wie Minuten.
6. Man erlebt sich selbst nicht mehr abgehoben von der Tätigkeit, man geht vielmehr gänzlich in der eigenen Aktivität auf (so genanntes Verschmelzen von Selbst und Tätigkeit). Es kommt zum Verlust von Reflexivität und Selbstbewusstheit.

Die Anforderungs-Fähigkeits-Passung (Komponente 1; kurz: AFP) stammt aus der Leistungsmotivationsforschung und kann als individuelle Herausforderung erlebt werden (Heckhausen, 1989). Die restlichen Komponenten wurden von Csíkszentmihályi eingeführt. Der „Flow“-Zustand wird meistens als freudvoll erlebt, auch wenn er vermehrt während der Arbeit und beim Lernen auftritt (Csíkszentmihályi, 1991). Rheinberg (1999) fasst in einem Artikel den „Flow“ zusammen:

Im Flowzustand können wir effizient agieren, ohne die einzelnen Aktivitätsschritte immer wie- der bewußt [sic!] und willentlich starten, koordinieren und zielbezogen überwachen zu müssen. Statt dessen [sic!] laufen die Dinge flüssig „wie von selbst“ – als Wechselspiel zwischen dem gerade bewirkten Effekt und dem nächsten Aktionsschritt, der von diesem Effekt stimuliert und bestimmt wird. Von daher überrascht nicht, wenn Flowzustände eher von Experten als von Novizen einer Aktivität berichtet werden.

Demnach tritt die Automatisierung der Handlungskomponenten – und damit der „Flow“-Zustand – bei komplexen Aktivitäten wie Musizieren und Skifahren erst ein, wenn die Handlung routinisiert ist. Rheinberg (ebd., S.2) erweitert diese Aussage jedoch um den Begriff des „Novizenflow[s]“, der bei „einfach strukturierten, gleichwohl anspruchsvollen Aktivitäten [möglich ist]“. Dieser Aspekt eröffnet die pädagogische Perspektive auf das „Flow-Erleben“ und dient als Grundlage für weiterführende Überlegungen. 2006 ergänzt Rheinberg sein Verständnis von „Flow“-Voraussetzungen um eine Erfolgskomponente: Handelnde bleiben nur im „Flow“-Zustand, sofern sie fehler- und unterbrechungsfrei agieren können und die Tätigkeit erfolgreich bleibt. Riedl (2014) versteht „Flow“ als die Qualität eines erregenden Erlebnisses, das – ähnlich wie das Verständnis von Csíkszentmihályi – abhängig von der Stärke einer Erregung und der Schwierigkeit der Aufgabe ist. Er betont dabei den intrinsischen Motivationscharakter bei „Flow“-Erfahrungen und deckt sich mit den Ergebnissen der Interviewstudie von Csíkszentmihályi, wonach vordergründig die Ausführung einer Tätigkeit „Flow“-Zustände bedingt und nicht das Ergebnis (Riedl, 2014). Csíkszentmihályi (2010) hatte dieses Phänomen bei Künstlern beobachtet, die während der Erstellung eines Werkes in eine tranceähnliche Kondition eintauchten, das Interesse jedoch sofort verloren, sobald das Werk vollendet wurde und sich stattdessen auf ein neues Projekt konzentrierten. Heckhausen (2018, S.439) unterstützt diese Annahme und nennt „leistungsmotivationale Tätigkeitsanreiz[e]“ lediglich als „Unterform des Flow-Erlebens, die sich in leistungsbezogenen Handlungskontexten einstellen kann“.

[...]


1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich eingeschlossen.

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Details

Titel
"Flow"-Erfahrungen im Sportunterricht. Möglichkeiten und Chancen aktiv forcierter "Flow"-Zustände in der Schule auf Grundlage der Untersuchungen von Mihály Csíkszentmihályi
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Pädagogische Diagnostik im Kontext der Begabungsförderung und des selbstregulierten forschenden Lernens
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
14
Katalognummer
V1168761
ISBN (eBook)
9783346592118
ISBN (Buch)
9783346592125
Sprache
Deutsch
Schlagworte
flow, sportunterricht, möglichkeiten, chancen, schule, grundlage, untersuchungen, mihály, csíkszentmihályi
Arbeit zitieren
Christoph Niemann (Autor:in), 2020, "Flow"-Erfahrungen im Sportunterricht. Möglichkeiten und Chancen aktiv forcierter "Flow"-Zustände in der Schule auf Grundlage der Untersuchungen von Mihály Csíkszentmihályi, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1168761

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