Zur Kritik Renate Schlesiers an den Konstruktionen von Weiblichkeit in der Freudschen Theorie des Ödipus-Komplexes


Dossier / Travail, 2003

15 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Freuds Weiblichkeitsvorstellungen und Schlesiers Antwort auf eine nicht gestellte Frage
2.1 Zur Person Sigmund Freuds
2.2 Zur Person Renate Schlesiers
2.3 Freuds Konstruktionen von Weiblichkeit am Beispiel des Ödipus-Komplexes - Zwischen Penisneid und Kastration
2.4 Renate Schlesiers Kritik an den Freud´schen Weiblichkeitsentwürfen Eine „Vorgeschichte des Weibes“

3. Zusammenfassende Gedanken und Aussichten

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als Sigmund Freud im Jahre 1897 in einem Brief an Wilhelm Fliess zum ersten Mal den Begriff ‚Ödipus-Komplex’ benutzt, um seine an sich selbst beobachteten Gefühle gegenüber seinen Eltern zu beschreiben[1], und in den folgenden Jahren seine Vorstellungen vom weiblichen und männlichen Ödipus-Komplex entwickelt, die zum Dreh- und Angelpunkt seiner psychoanalytischen Theorie[2] werden sollen, hätte er sicher nicht vermutet, dass die so dargestellten Ansichten von Weiblichkeit einen Aufschrei in den Reihen der sich in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts formierenden Frauenbewegungen auslösen würden.

Doch nicht nur erklärte FeministInnen haben einen Stein des Anstoßes gefunden, auch VertreterInnen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen setzen sich mit seinen Entwürfen auseinander.

Auch die Kulturwissenschaftlerin Renate Schlesier geht in ihrem 1981 veröffentlichten Buch „Mythos und Weiblichkeit bei Sigmund Freud[01]“ auf die Konstruktionen innerhalb der Freud´schen Psychoanalyse ein und deckt die von Freud übernommenen und nicht hinterfragten Mythen auf, um sie anschließend einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

Im Folgenden werde ich Sigmund Freud und Renate Schlesier vorstellen um dann auf Freuds Weiblichkeitsentwürfe in seiner Schrift „Über die weibliche Sexualität“ von 1931 näher einzugehen. Anschließend schildere ich Renate Schlesiers Kritikpunkte an den psychoanalytischen Konstruktionen im Allgemeinen und an der Darstellung des weiblichen und männlichen Ödipuskomplexes im Besonderen, gehe schließlich auf ihre Vorschläge ein, wie das Wissen trotz aller Konstruiertheit genutzt werden kann, um abschließend die Frage nach der Möglichkeit einer Weiterarbeit mit Freuds Konstruktionen wenn auch nicht zu klären, dann wenigstens zu diskutieren. Denn die von Freud geleistete Vorarbeit kann, natürlich nicht ohne Vorsicht, im (psycho-)analytischen Prozess zur Anwendung kommen.

2. Freuds Weiblichkeitsvorstellungen und Schlesiers Antwort auf eine nicht gestellte Frage

2.1 Zur Person Sigmund Freuds

Sigmund Freud wird am 6. Mai 1856 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Jacob Freud und dessen zweiter Frau Amalia[3] im mährischen Freiburg[4] geboren. Aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage ziehen die Freuds 1860 mit ihren acht Kindern nach Wien um. Schon mit neun Jahren, ein Jahr früher als üblich, besucht Sigmund Freud das Gymnasium, welches er 1873 mit Auszeichnung abschließt. Anfänglich trägt er sich mit dem Gedanken Jura zu studieren, ändert jedoch seine Meinung nachdem er „Die Natur“ gelesen hat, in dem Glauben, ein Werk Goethes vor sich zu haben, und studiert stattdessen Medizin. Seinen vollen Namen Sigismund Schlomo Freud lässt er im Jahre 1878 auf Sigmund Freud kürzen. Im gleichen Jahr beginnt auch die Freundschaft mit Josef Breuer. Dieser lässt ihm moralische und finanzielle Hilfe zukommen, sodass Freud 1881 promovieren kann. Im Jahre 1882 lernt er die Jüdin Martha Bernays[5] kennen.

Als Freud 1885 dank eines Stipendiums[6] an der Pariser Jean-Martin-Charcot-Fakultät forschen kann, kommt er mit einigen Fällen von Neurose in Berührung und macht sich mit den Wirkungen der Hypnose vertraut. Im folgenden Jahr lässt er sich in Wien nieder, heiratet seine Martha und eröffnet eine neurologische Privatpraxis. Zusammen mit Josef Breuer veröffentlicht er 1895 die „Studien über die Hysterie“, die erste Grundlagen der Psychoanalyse enthalten. Die grundlegenden Begriffe der frühen Psychoanalyse führt er 1900 in „Die Traumdeutung“ ein. 1905 veröffentlicht er „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“. 1920 erscheint „Jenseits des Lustprinzips“, in welchem er die Triebe Eros und Thanatos gegenüberstellt. 1923 wird bei Freud Krebs diagnostiziert, aufgrund dessen er sich bis zu seinem Tode[7] am 23. September 1939 33 Operationen unterziehen muss.

2.2 Zur Person Renate Schlesiers

Geboren wird Renate Schlesier am 15.03.1947 in Berlin. Über ihre Kindheit ist mir leider nichts bekannt, da ich die Daten über ihr Leben der Homepage des Fachbereichs 3 der Universität Paderborn entnommen habe. Dort wird ihr Lebenslauf ab dem Examen geschildert. Von 1974 bis 1979 ist sie Wissenschaftliche Angestellte an der Freien Universität Berlin mit den Fachbereichen Philosophie und Sozialwissenschaften. Dort promoviert sie auch zum Dr. phil. und ist von 1980 bis 1984 Lehrbeauftragte mit Gastdozenturen in Paris und Genf. Ab 1985 ist sie Hochschulassistentin an der Freien Universität, nach ihrer Habilitation 1988 sogar Oberassistentin. Nach etlichen Gastprofessuren im Ausland ist Renate Schlesier ab dem Wintersemester 1993/94 Professorin in ihrem Fachgebiet Kulturwissenschaftliche Anthropologie an der Universität Paderborn und seit 1998 Sprecherin des Graduiertenkollegs „Reiseliteratur und Kulturanthropologie“. Seit Kurzem lehrt sie wieder an der Freien Universität in Berlin.

Zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit zählen Kulturgeschichte und Mythologie, Kulturtheorien und Geschichte der Kulturwissenschaften, sowie Psychoanalyse.

In ihrem Buch „Mythos und Weiblichkeit bei Sigmund Freud“ setzt sie sich mit den Weiblichkeitskonstruktionen Freuds auseinander, indem sie die von Freud während seiner Analysen entwickelten Konstruktionen der frühkindlichen Entwicklung beleuchtet, den weiblichen und männlichen Ödipuskomplex gegenüberstellt um zu dem Schluss zu kommen, dass der von Freud postulierte „defizitäre“ Charakter der Weiblichkeit daher rührt, dass Freuds Betrachtungen desselben Defizite aufweisen.

2.3 Freuds Konstruktionen von Weiblichkeit in der psychoanalytischen Theorie

am Beispiel des Ödipus-Komplexes – Zwischen Penisneid und Kastration

In der Psychoanalyse Freuds hat die Theorie des Ödipuskomplexes eine zentrale Position inne. Nach Freud sind nahezu alle in der psychiatrischen Behandlung auftretenden Symptome, Neurosen, Melancholien, Phobien und sonstige Krankheitsbilder mittelbar oder unmittelbar auf den nur unzulänglich verdrängten Ödipus-Komplex zurückzuführen. Anfänglich ist in Freuds Theorie nur vom männlichen Ödipus-Komplex die Rede, anknüpfend an die mythologische Vorlage, der Freud den Namen entlieh[8]. Nachdem er aber „Frauen mit starker Vaterbindung“ studiert hat, worauf er festhält, „das Weib gelang(t)e zur normalen positiven Ödipussituation erst, nachdem es eine vom negativen Komplex beherrschte Vorzeit überwunden“ hat (Freud, 1931, S. 518), nimmt er auch bei Mädchen einen, die frühe Kindheit prägenden Ödipus-Komplex an.

Freud formuliert den positiven (normalen) Ödipus-Komplex als Phase der kindlichen Sexualentwicklung, in der eine innige Beziehung zum gegengeschlechtlichen Elternteil herrsche, um dessen Gunst mit dem gleichgeschlechtlichen rivalisiert würde(vgl. Freud 1931, S. 517).

In der, vor allem durch den Vorgang des Stillens geprägten Säuglingsphase ist die Mutter und ihre Brust Objekt des kindlichen Begehrens(Freud, 1931, S.521). Dem männlichen Kind sei so der Übergang von der oralen, über die anale hin zur ödipalen Phase übergangslos möglich (vgl. Freud, 1931, S. 517). Für das weibliche Kind hingegen gestalte sich dieser Weg weitaus schwieriger. Auch ihr erstes Liebesobjekt sei die Mutter, mit gleichzeitigen Eifersuchts- und Hassgefühlen gegenüber dem Vater, dieser negative Komplex müsse jedoch überwunden werden, denn nach der präödipalen Phase „soll der Mann-Vater das neue Liebesobjekt geworden sein“(Freud, 1931, S.521).

[...]


[1] Seine Liebe zur Mutter und die Eifersucht, die er gegenüber seinem Vater verspürt, gelten ihm
ab diesem Zeitpunkt als allgemeine Empfindungen eines jeden (vorerst nur männlichen)
Kindes. Auf dieser Grundlage entwickelt er aus der Lehre vom pathogenen Trauma die Lehre
von der pathogenen Wunscherfüllung.

[2] Da die Beschäftigung mit der psychoanalytischen Theorie und ihrer Entwicklung den hier
vorhandenen Rahmen sprengen würde, beschränke ich mich auf die Darstellung eines ihrer
zentralen Punkte, werde aber im Verlauf der Auseinandersetzung mit diesem an gegebener
Stelle auf die größeren Zusammenhänge hinweisen und bitte die günstigen LeserInnen um
Verständnis für diese Vorgehensweise.

[3] Mit 21 Jahren ist Amalia, deren erstes Kind Sigmund ist, fast halb so alt wie Sigmunds Vater,
der bei der Geburt seines dritten Sohnes 41 Jahre alt ist.

[4] Heutiges, in Tschechien liegendes Pribor

[5] Martha Barnays ist die Tochter einer jüdischen, in Hamburg ansässigen Familie. Sie schenkt
Sigmund im Verlaufe ihrer Ehe sechs Kinder.

[6] Von 1885-1902 ist Sigmund Freud Dozent für Neuropathologie an der Wiener Universität, ab
1902 hat er die Professur inne.

[7] Sigmund Freud stirbt in London, wohin er nach der Verbrennung seiner Bücher durch die
Nationalsozialisten im Jahre 1933 und aufgrund befürchteter , infolge des Anschlusses
Österreichs an das Deutsche Reich 1938 nicht unwahrscheinlicher, Verfolgung emigriert war.

[8] In der griechischen Sagenwelt ist Ödipus der Sohn des thebanischen Königs Laios und der Iokaste. Laios wird vom Orakel von Delphi prophezeit, er werde von seinem eigenen Sohn getötet werden, woraufhin er diesen verstümmeln und aussetzen lässt. Der verstoßene Sohn wird jedoch gefunden und aufgrund seiner verstümmelten Füße „Oidipus“ (Schwellfuß) genannt. Auch ihm wird später vom Delphi-Orakel prophezeit, er werde seinen Vater töten und seine eigene Mutter heiraten. In der Annahme, seine Zieheltern seien seine leiblichen Eltern, verlässt er diese und gerät auf seiner Reise in einen Streit mit einem Mann, den er tötet, ohne zu wissen, dass es sich um seinen biologischen Vater handelt. Seine Reise führt ihn weiter nach Theben, wo er als Lohn für das Lösen des Rätsels der Sphinx den Thron seines Vaters besteigt, und die Hand der Königin (seiner Mutter) erhält. Das Orakel von Delphi wiederum befiehlt ihm den Mörder des Laios zu überführen, was ihm auch gelingt, doch überführt er sich ja selbst, woraufhin seine Mutter sich erhängt und Ödipus selbst sich blendet um fortan als Bettler seine letzten Tage zu fristen. (vgl. Fink, 1993, S. 225f)

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Zur Kritik Renate Schlesiers an den Konstruktionen von Weiblichkeit in der Freudschen Theorie des Ödipus-Komplexes
Université
Humboldt-University of Berlin  (Kulturwissenschaftliches Institut)
Cours
Gender Studies - Einführungsveranstaltung in den Wissenschaftsschwerpunkt
Note
2,0
Auteur
Année
2003
Pages
15
N° de catalogue
V11692
ISBN (ebook)
9783638177771
Taille d'un fichier
500 KB
Langue
allemand
Mots clés
Konstruktionen in reuds psychoanalytischer Theorie, bes. im Ödipus-omplex
Citation du texte
Carola Hoffmann (Auteur), 2003, Zur Kritik Renate Schlesiers an den Konstruktionen von Weiblichkeit in der Freudschen Theorie des Ödipus-Komplexes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11692

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