Leseprobe
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Abgrenzung von Digitalisierung und Definition „Digitale Transformation“
2.1.1 Geschäftsmodell-Innovation
2.1.2 Geschäftsmodell-Transformation
2.2 Ebenen der digitalen Transformation
2.2.1 Ebene der Leistungserstellung
2.2.2 Ebene der Planung und Steuerung
2.2.3 Ebene der (digitalen) Unternehmenskultur
2.3 Digitale Vision
2.4 Zusammenfassung theoretischer Grundlagen
3. Methodik
3.1 Die digitale Transformation bei der RideBike GmbH
3.1.1 Vorstellung des Unternehmens
3.1.2 Digitale Transformation auf Ebene der Leistungserstellung
3.2 Formulierung der digitalen Vision
3.3 Veränderungen in der Leistungserstellung im Zusammenhang mit der digitalen Transformation
3.4 Wesentliche Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze
4. Ergebnisdiskussion
5. Fazit und Ausblick
Literatur-und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungen werden vorgenommen, wenn diese einmal erklärt wurden und in einem Abkürzungsverzeichnis aufgeführt sind. Im Alltag geläufige Abkürzungen wie „z.B.“, „ggf.“, „etc.“ oder „usw.“ sind ohne Erläuterung anwendbar, ebenso folgende auf die Literatur bezogene Abkürzungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ebenen des digitalen Transformationsprozesses (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Mettig (2018), S. 11)
Abbildung 2: Die drei Bestandteile einer digitalen Vision (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Mettig (2018), S. 18-22)
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
„In den nächsten zehn Jahren werden wir den Punkt erreichen, an dem nahezu alles digitalisiert sein wird.“1 - dieses Zitat von Satya Nadella stammt bereits aus dem Jahre 2013 und ist somit beinahe zehn Jahre her. Bereits zu diesem Zeitpunkt war dem CEO von Microsoft die immense Bedeutung der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf das weltweite Handeln bewusst. Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Politik und Gesellschaft gilt die Digitalisierung als DER Megatrend der aktuellen Zeit. Besonders die aktuell noch andauernde, weltweite Corona-Pandemie hat vielen Unternehmen aufgezeigt, dass die Digitalisierung einen Nutzen mit sich bringt. In einer Umfrage der Bitkom gaben ungefähr zwei Drittel der befragten Unternehmen an, dass sich der Einsatz digitaler Technologien für die Bewältigung der Pandemie als vorteilhaft herausgestellt hat und ganze 95 Prozent meldeten zurück, dass die Digitalisierung sämtlicher Geschäftsprozesse vor allem in Zeiten der Pandemie an Bedeutung gewonnen hat.2 Die Wirtschaft wandelt sich hin zu einer digitalen Ökonomie und unterliegt dabei einer hohen Veränderungsdynamik und bringt neue Herausforderungen für Organisationen mit sich. Die Veränderungen geben neue Rahmenbedingungen vor, an die sich die Unternehmenanpassen müssen. Dies hat in den meisten Fällen eine Transformation des bestehenden Geschäftsmodells zur Folge, um langfristig einen Fortbestand des Unternehmens sichern zu können.
Obwohl die Fahrradbranche seit Jahren ohne gravierende Veränderungen bestehen kann, macht die Digitalisierung auch vor dieser nicht Halt. Neben der stark erhöhten Nachfrage nach motorisierten Fahrrädern, sogenannten E-Bikes, werden innovative, smarte Neuerungen am Fahrrad immer wichtiger.3 Diese Entwicklungen machen sich bei der fiktiven und für diese Arbeit als Beispiel gewählte RideBike GmbH bemerkbar. Das Unternehmen steht vor der großen Herausforderung, das bisher bestehende Geschäftsmodell zu analysieren und weiterzuentwickeln, um den Fortbestand nachhaltigzu sichern. Dafür muss sich die RideBike GmbH der Digitalisierung stellen und das eigene Geschäftsmodell im Zuge des digitalen Wandels transformieren. Für eine erfolgreiche Umsetzung der digitalen Transformation muss das Unternehmen den Wandel in allen Ebenen der Organisation durchführen. Nur so kann eine langfristige Positionierung am Markt gesichert werden.
1.2 Zielsetzung
Die Zielsetzung dieser Arbeit liegt in der Ausarbeitung einer potenziellen Vorgehensweise für dieUmsetzung einer digitalen Transformation am Beispiel der fiktiven RideBike GmbH. Zunächst soll das konkrete Ausmaß der digitalen Transformation definiert und die Veränderungen auf einer bestimmten Ebene beschrieben werden. Im Vordergrund steht außerdem die Formulierung einer geeigneten digitalen Vision für das geplante Transformationsvorhaben. Darauf aufbauend erfolgt die Erarbeitung und Darstellung möglicher Veränderungen auf Ebene der Leistungserstellung. Ergänzend dazu werden wesentliche Herausforderung, die mit der digitalen Transformation für die RideBike GmbH einhergehen, identifiziert und geeignete Maßnahmen zur Problemlösung abgeleitet.
1.3 Aufbau der Arbeit
Auf die Einleitung folgt das zweite Kapitel, welches den theoretischen und wissenschaftlichen Hintergrund näher betrachtet.Zunächstwird die Begrifflichkeit der digitalen Transformation von der Digitalisierung an sich abgegrenzt und anschließend definiert. Weiter werden die Ebenen der digitalen Transformationen beschrieben. Für die Zielsetzung der Arbeit sind außerdem die Eigenschaften einer digitalen Vision und deren Rolle im Zuge der digitalen Transformation von hoher Bedeutung. Der methodische Teil umfasst das gesamte dritte Kapitel. Nach einer kurzen Vorstellung des fiktiven Unternehmens RideBike GmbH soll das gewünschte Transformationsvorhaben auf Ebene der Leistungserstellung genauer beschrieben werden. Diese Beschreibung bildet die Grundlage für die anschließende Erarbeitung und Formulierung einer digitalen Vision für das Unternehmen. Darauf folgen mögliche Veränderungen, welche sich aus der digitalen Transformation ergeben sowie anschließend drei wesentlicheHerausforderungen, die aus demVor- haben resultieren. Im gleichen Zuge werden potenzielle Lösungskonzepte zur Bewältigung der Hürden vorgestellt. In Kapitel vier folgt die Diskussion der Ergebnisse inklusive einer kritischen Würdigung. Die Arbeit schließt mit einem darauffolgenden Fazit mit Ausblick ab.
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Abgrenzung von Digitalisierung und Definition „Digitale Transformation“
Im normalen Sprachgebrauch werden die Begrifflichkeiten „Digitalisierung“ und „Digitale Transformation“ oftmals als Synonym verwendet. Besonders der Terminus „Digitale Transformation“ hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und in sämtlicher (Fach-)Literatur verwendet. Trotzder Ähnlichkeiten sollten beide Begriffe differenziert betrachtet werden. Zunächst sollen verschiedene Definitionen der Digitalisierung analysiert werden.
Die Digitalisierung wird häufig als vierte, industrielle Revolution (auch „Industrie 4.0“) betitelt und vor allem mit dem Einsatz neuer Technologien wie beispielsweise Computer oder insbesondere dem Internet verbunden. Diese Interpretation ist nach Harwardt et al. (2020) jedoch nicht ganz korrekt, da die Digitalisierung schon weit früher beginnt, nämlich in der generellen Ablösung analoger Vorgänge durch neue, vereinfachende Tech- nologien.4 Bengler und Schmauder (2016) knüpfen an diese Aussage an und interpretieren die Digitalisierung vor allem als eine „Umwandlung von analogen Daten [...] in digitale [...] Daten“5 inklusive aller damit verbundenen Prozesse, welche für diese Überführung notwendig sind und dadurch Veränderungen mit sich bringen.6 Hess (2019) nimmt eine ähnliche Definition auf und erklärt Digitalisierung als „die Einführung neuer, aufdigitale Technologien basierender Lösungen.“7, wobei er zwischen der Nutzung solcher Technologien („Digitalization“) und der Übertragung von analogen zu digitalen Informationen und Daten(„Digitization“)unterscheidet.8 Aus diesen Definitionen geht hervor, dass die Digitalisierung zumeist als rein technische Veränderung beschrieben wird und die technische Betrachtung im Vordergrund steht.
Ähnlich wie bei der Digitalisierung finden sich in der Literatur etliche Definitionen zur digitalen Transformation. Einen Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Digitalisierung und der digitalen Transformation geben Becker et al. (2015): „Unter dem Begriff Digitalisierung verstehen wir die Transformation von Geschäftsmodellen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Reduktion von Schnittstellen, zur funktionsübergreifenden Vernetzung und zur Erhöhung der Effektivität und Effi- zienz.“9 Schallmo und Rusnjak (2017) erstellenin ihrem Buch eine Übersicht verschiedener Definitionen zur digitalen Transformation. Hierbei wird ersichtlich, dass die digitale Transformation einen ständig fortlaufenden Prozess beschreibt, welcher die Organisation als Ganzes betrachtet und auch eine Transformation des Geschäftsmodells inkludiert. Dieser Veränderungsprozess basiert stets auf der Einführung und dem Einsatz neuer, digitaler Technologien.10 Die digitale Transformation beginnt bei der Digitalisierung sämtlicher Unternehmensprozesse bis hin zur Optimierung der IT-und Planungssysteme sowie der digitalen Anbindung von Kunden und Lieferanten.11 Durch den digitalen Wandel verändern sich die Anforderungen und Erwartungen vom Verbraucher an die Organisation. Aus diesem Grund handelt es sich bei der digitalen Transformation um einen tiefgreifenden Prozess, welcher Auswirkungen auf das Geschäftsmodell, vorhandene Strukturen und Prozesse, Führungsmethoden und auch die Unternehmenskultur mit sich bringt.12 Die durch die digitale Transformation entstehenden Folgen und Auswirkungen auf das Geschäftsmodell können enorm sein. Unternehmen können sich auf zweierlei Art dieser Herausforderung stellen: entweder mittels einer GeschäftsmodellInnovation oder einer Geschäftsmodell-Transformation.
2.1.1 Geschäftsmodell-Innovation
Bei einer Geschäftsmodell-Innovation wird parallel zudem bereits bestehenden ein oder mehrere weitestgehend neue Geschäftsmodelle erarbeitet und gestaltet. Ziel dieser Neuschöpfung ist die nachhaltige Sicherung eines Wettbewerbsvorteils und das Bestehen in einem volatilen Marktumfeld.13 Das existierende Geschäftsmodell wird in diesem Fall meist weiterentwickelt und unterliegt damit einer inkrementellen, also geringfügigen Veränderung. Eine Geschäftsmodell-Innovation kann jedoch auch radikal sein, indem das Geschäftsmodell komplett verändert und neu definiert wird.14 Beispielhaft für eine Geschäftsmodell-Innovation sind die Ausgliederung einer neuen Organisationseinheit oder der Zukauf externer Ressourcen in Form von fremder Expertise bzw. Gründerpersönlichkeiten.
2.1.2 Geschäftsmodell-Transformation
Die zweite Option stellt die Geschäftsmodell-Transformation dar. Hierbei wird das existierende Geschäftsmodell in ein digitales Geschäftsmodell transformiert. Dieser Prozess wird auch als Geschäftsmodell-Disruption oder disruptive Veränderung des Geschäftsmodells bezeichnet, da das bestehende Modell nicht nur weiterentwickelt, sondern komplett umstrukturiert wird.15 Bei dieser Art der Transformation erfolgt eine Überführung ganzer Wertschöpfungsketten und Produkte in ein digitales Geschäftsmodell, welches einen nachhaltigen Unternehmenserfolg garantieren und die Herausforderungen der Digitalisierung bewältigen soll. Eine disruptive Veränderung stellt das Management einer Organisation vor größere Hürden als eine Geschäftsmodell-Innovation. Das Management muss die komplexe Aufgabe meistern, einzelne Elemente des bisherigen Geschäftsmodells zu optimieren und dadurch ein neues Werteversprechen zu generieren. Dabei soll die Idee und die Logik des ursprünglichen Geschäftsmodells jedoch nicht zu stark verändert werden.16
2.2 Ebenen der digitalen Transformation
Digitale Transformationsprozesse wirken sich immer auf ein Geschäftsmodell aus und verändern dieses. Diese Art der Transformation betrifft tiefgreifend sämtliche, verschiedene Ebenen eines Unternehmens. Um das Ausmaß der Veränderung frühzeitig einschätzen und die Radikalität des Transformationsprozesses analytisch einordnen zu können, werden folgende drei Ebenen betrachtet, auf welchen die digitale Transformation die größten Veränderungen hervorruft (Abb. 1):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ebenen des digitalen Transformationsprozesses (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Mettig (2018), S. 11)
2.2.1 Ebene der Leistungserstellung
Wie Abbildung 1 verdeutlicht, stellt die erste betroffene Ebene des Transformationsprozess die Ebene der Leistungserstellung dar. Es erfolgt eine Digitalisierung der Produkte und damit verbunden auch eine Digitalisierung der Prozesse. Als Folge dessen verändern sich Geschäftsprozesse durch die Automatisierung mittels neuer Software, was wiederum die IT-Infrastruktur beeinflusst.Dieser Veränderungsprozess ist kontinuierlich und gibt Unternehmen die Möglichkeit, interne Prozesse zu beschleunigen und somit effizienter zu wirtschaften.17 Durch die Digitalisierung entwickelt sich das Leistungsangebot weiter. Bestehende Produkte erhöhen ihren Kundennutzen, indem sie zusätzliche Funktionen oder digitale Inhalte erhalten. Darüber hinaus können Organisation komplett neue, rein digitale Produkte entwickeln, wie beispielsweise Streamingdienste oder Applikationen für Smart Devices.18 Folglich hinterfragenUnternehmen ihre bisherigen Geschäftsprozesse und Produkte kritisch und müssen sich für Veränderungen oder Weiterentwicklungen öffnen. Diese Form des Wandels betrifft vorrangig die Aktivitätsdimension, da in diesem Zusammenhang das Geschäftsmodell grundlegend transformiert wird.19 Neben den bereits genannten Formen der Veränderung (Optimierung bestehender Produkte, Entwicklung neuer Produkte) können Unternehmen den Schritt wagen, nicht nur die Produkte, sondern das gesamte Geschäftsmodell zu digitalisieren. Mit diesem Schritt werden Erfolgsfaktoren verändert und das Unternehmen hat die Möglichkeit, neue Märkte und somit auch neue Ertragspotenziale zu erschließen.20 Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt die optimierte Nutzung von Kundendaten dar. In ihrem gemeinsam verfassten Buch „Leading Digital“ (2014) weisen Westerman, Bonnet und McAfee auf die Priorität der Kundendaten hin, um daraus Informationen zu generieren, mit dem Ziel,das Kundenerlebnis zu optimieren und die Kundenzufriedenheit zu steigern.21
2.2.2 Ebene der Planung und Steuerung
Die Transformation auf der ersten Ebenehat zur Folge, dass sich auch Veränderungen für die Planungs- und Steuerungssysteme einer Organisation ergeben.Als zentrale Instrumente, welche relevante Informationen zur Planung und Steuerung des Unternehmens bereitstellen, sind diese Systeme auf das bisherige Geschäftsmodell und den damit verbundenen Voraussetzungen und Zielen zugeschnitten. Nur so können Planungsund Steuerungssysteme eine Orientierung für das Handeln der einzelnen Organisationsmitglieder vorgeben und ihre Sinnhaftigkeit erfüllen.22 Die bisherigen Systeme stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn Unternehmen in Folge der digitalen Transformation das bestehende Geschäftsmodell erheblich verändern.Bisher richtungsweisende Kennzahlen verlieren an Bedeutung, es entstehen neue Logiken und Ursache-Wirkungs-Kausalitäten, neue Kennzahlen und Berichte werden relevant für die Planung und Steuerung. Bisherige Reporting- und Kennzahlensysteme sinken in ihrer Aussagekraft, das Management kann nicht mehr so zielgerichtet handeln wie bisher, es herrscht ein erhöhtes Risiko für Fehlallokationen (z.B. ineffiziente Verteilung des Budgets) und es droht langfristig die Gefahr einer Kannibalisierung des Geschäftsmodells.23 Dieseteils äußerst gefährlichen Risiken müssen im Zuge der digitalen Transformation berücksichtigt werden, indem die Planungs- und Steuerungssysteme fortlaufend auf Basis des Transformationsprozesses angepasst werden. Hier findet eine Veränderung in der kognitiven Dimension statt. Der digitale Wandel bringt auch Chancen mit sich. So entstehen durch die Digitalisierung Potenziale, welche mittel- bis langfristig eine effiziente Optimierung bisheriger Steuerungssysteme hervorrufen können, wenn sie richtig genutzt und eingesetzt werden. Eine fundamentale Verbesserung ist der Wandel von einer reaktiv-analytischen hin zu einer proaktiv-prognostizierenden Steuerung durch den Einsatz von Big Data oder Predictive-Analytics-Modellen, mit welchen eine Forecast-Erstellung auf Basis historischer Daten automatisiert zur Verfügung gestellt werden kann. Ein positiver Effekt daraus ist die weitestgehende Automatisierung der Steuerung sowie die Berücksichtigung abteilungs- und funktionsübergreifende Zusammenhänge oder Abhängigkeiten. Dadurch entwickeln sich agile Steuerungszyklen, die im Optimalfall in Echtzeit nach Optimierungspotenzialen untersucht werden, um neue Ursache-Wirkungs-Kausalitäten zu identifizieren und diesen Identifikationsprozess kontinuierlich weiterzuentwickeln. Prozesse können außerdem unternehmensweit integriert und gesteuert werden. Folglich kann die Steuerungsinstanz auf deutlich mehr Daten zugreifen und schafft so eine größere Informationsbasis zur Unternehmenssteuerung.24
2.2.3 Ebene der (digitalen) Unternehmenskultur
Die dritte betroffene Ebene, die von der digitalen Transformation betroffen ist, ist die Ebene der (digitalen) Unternehmenskultur. Auf dieser Ebene finden Veränderungen innerhalb der psychologisch-emotionalen Dimension statt, und zwar insbesondere in Bezug auf die Organisations- und Führungskultur. Für eine erfolgreiche Transformation ist es für Unternehmen unumgänglich, die bisherige Unternehmenskultur zu hinterfragen und die Beschäftigten frühzeitig in den Wandel zu integrieren.25 Die digitale Transformation sorgt bei Unternehmen für ein verändertes Wettbewerbsumfeld. Dies hat zur Folge, dass innerhalb der Organisation eine hohe Bereitschaft für den Wandel vorhanden sein muss und Agilität erforderlich ist. Die veränderte Zusammenarbeit durch neue Kommunikationsmöglichkeiten erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und wandelt die Führung eher in Richtung Vertrauen statt strikter Kontrolle. Beschäftigte sollten bestehende Prozesse und Leistungsangebote kritisch hinterfragen, um frühzeitig auf wandelnde Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Die Organisationskultur und der Führungsstil müssen sich auf die Anforderungen einstellen und sich entsprechend anpassen. Hierbei spielt vor allem die Agilität eine wichtige Rolle, welche eine schnelle Anpassung an veränderte Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen ermöglicht.26 Es zeigt sich, dass die Motivation in der Belegschaft höher ist, wenn alle Beteiligten aktiv am Wandel teilnehmen und frühzeitig in Entscheidungen zu Prozessen und Strategien involviert werden.27 Neue Technologien erfordern neue Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten. Demzufolge sind Unternehmen in der Pflicht, neue Kompetenzmodelle für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bereitzustellen und geeignete Lösungen zum Trainieren neuer Fähigkeiten zu ermöglichen.28 Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die wachsende Unsicherheit in der Belegschaft durch die Digitalisierung. Die Angst um den eigenen Arbeitsplatz, Überforderung durch den Veränderungsprozess, erhöhter Stress - diese Faktoren kön- nenfür Demotivation und verringertes Engagement sorgen, wenn die Organisation nicht frühzeitig dafür sorgt, sowohl Führungskräfte als auch die Unternehmenskultur auf den Veränderungsprozess vorzubereiten und für Sicherheit und Vertrauen sorgt.29 Dieser Change-Prozess erfolgt kontinuierlich, weshalb „die Unternehmenskultur den Fixpunkt und Anker des Agierens der gesamten Organisation“30 abbildet. Aus diesem Grund wird ersichtlich, dass sich die Organisation unbedingt an die Auswirkungen eines Transformationsprozesses auf die psychologisch-emotionalen Ebene anpassen muss und dabei die Unternehmenskultur und der vorgelebte Führungsstil im Fokus stehen.
2.3 Digitale Vision
Die digitale Transformation wirkt sich enorm auf Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle aus und bringt ein hohes Maß an Komplexität, Veränderung und Unsicherheit mit sich. Westerman, Bonnet und McAfee setzen eine digitale Vision als Erfolgsfaktor für die digitale Transformation voraus. Ohne eine gemeinsame Vision, ohne eine gemeinsame Richtung kann die digitale Transformation nicht gelingen. Aus diesem Grund müssen sowohl die Führungsebene als auch die Beschäftigten einer Organisation ein einheitliches Verständnis über die Ziele der Digitalisierung haben, was durch eine gemeinsame digitale Vision vereinheitlicht werden kann.31 Die digitale Vision soll zunächst eine Strategie und ein Leitbild vorgeben, woran sich alle Beteiligten orientieren können. Sie soll richtungsweisend, plausibel und verständlich sein sowie die Rahmenbedingungen und operative Maßnahmenpläne schaffen, die zur Erreichung der gesetzten Ziele und des Zukunftsbildes führen sollen. Solche Maßnahmen können beispielsweise aktive Kom- munikation, klar definierte Richtlinien oder die Beachtung der Digitalisierung in den Zielvereinbarungen der Beschäftigten sein. Durch die Vorgabe einer gemeinsamen Richtung verringert die Formulierung einer digitalen Vision die Unsicherheit bei der Belegschaft. Wichtig ist dabei, dassdie Vision nicht nur vom Management kommuniziert, sondern auch vorgelebt wird.32 Eine weitere wichtige Funktioneiner digitalen Vision ist die Identifikation der Beschäftigten mit der Vision und die Mobilisierung in eine digitale Zukunft, um Barrieren gegen Neuerungen und Ängste der Belegschaft zu überwinden.33 Die digitale Vision nimmt als zentrale Führungskompetenz eine äußerst wichtige Position in der Zukunftsvorstellung der Organisation ein. Dabei erfüllt sie drei handlungsweisende Funktionen: die Identitätsfunktion durch die Formulierung richtungsweisender Ziele als Orientierung für die Beschäftigten, die Identifikationsfunktion in Form von Aufzeigen des Sinns und Zwecks des Handelns zur Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls sowie die Mobilisierungsfunktion zur Verfolgung eines gemeinsamen Zieles, nämlich das angestrebte Zukunftsbild der Organisation zu erreichen.34 Das Fehlen einer digitalen Vision im Transformationsprozess hat zur Folge, dass Unternehmen nur zögerlich Investitionen in diesem Zusammenhang tätigen. Doch insbesondere in diesem Bereich muss die Führungsebene nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Faktoren und Vorteile der Digitalisierung berücksichtigen, um die Verwirklichung der digitalen Vision gewährleisten zu können.35 Zuletzt fördert die digitale Vision die Bereitschaft der Belegschaft zum Wandel. Im selben Zuge sind die Beschäftigten dazu aufgefordert, die Notwendigkeit der Transformation und daraus entstehende Konsequenzen zu erkennen und zu verstehen. Nur unter diesen Voraussetzungen können Organisationen alle Beteiligten aktiv einbinden und für den digitalen Transformationsprozess gewinnen.36 Bei der Gestaltung der digitalen Vision sollten mehrere Aspekte berücksichtigt werden: Definieren der Vision mit Beschäftigten aller Ebenen, Formulierung einer einzigartigen und individuellen Vision, Kommunikation der Vision und Förderung von innovativ denkendem Personal, welches motiviert ist und die Vision vorantreiben will.37
Eine genau definierte Vorgehensweise für die Formulierung der digitalen Vision ist in der Literatur nicht vorzufinden. „Die digitale Vision sollte richtungsweisend und anspornend sein, also ein klares Zukunftsbild zeichnen und eine Herausforderung darstellen, die Begeisterung entfacht.“38, so Appelfeller und Feldmann (2018). Die Vision soll auf den Stärken des Unternehmens aufbauen, die Belegschaft einbeziehen und sich im Laufe der
Zeit weiterentwickeln können. Das Zukunftsbild soll erörtern, welche Vorteile erzielt werden sollen, wie der Zielzustand aussehen soll und in welcher Form Kunden, Personal und Investoren einbezogen werden sollen.39 Im Zentrum der digitalen Vision steht die Vorstellung des Zukunftsbildes der Organisation als inhaltliche Richtlinie für die Unter- nehmensentwicklung.40 41 42 Dieser „inhaltliche Kern“ ist von drei verschiedenen Stoßrichtungen umgeben. Jede davon stellt dar, welches strategische Fundament für das digitale Zukunftsbild des Unternehmens richtungsweisend ist (s. Abb. 2):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die drei Bestandteile einer digitalen Vision (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Mettig (2018), S. 18-22)
Die strategische Basis stellt die Wettbewerbsvorteile der Organisation dar, welche durch die Forschung im strategischen Management erkannt wurden. Dafür müssen nach Westerman, Bonnet und McAfee sämtliche relevanten (materielle oder immaterielle) Ressourcen, besondere Fähigkeiten und Wissen innerhalb des Unternehmens identifiziert werden.41 Wettbewerbsvorteile können jedoch auch kundenspezifisch, konkurrenzbezogen oder kombiniert (marktspezifisch) sein. Das Ziel von Wettbewerbsvorteilen ist immer gleich, nämlich die Wertstiftung und Schaffung von Erfolgspotenzialen.42 Zur Identifikation von Wettbewerbsvorteilen und deren Bedeutung für die Strategie wird oftmals die von Barney (1991) entwickelte VRIO-Analyse angewandt. Bei dieser Form der Analyse müssen erfolgskritische Ressourcen oder Kompetenzen bestimmte Kriterien erfüllen:
V alue Kernkompetenzen und Kernressourcen stiften einen Mehrwert und tragen zur Unternehmenswertschöpfung bei
R areness Sie entstehen nicht durch externe Transaktionen, sondern werden inner halb der Organisation intern entwickelt
I mperfect I mitability and Substitutability Ressourcen und Kompetenzen können von der Konkurrenz nicht ohne weiteres imitiert oder gleichwertig ersetzt werden
O rganizational Specificity der maximale Wirkungsgrad der Ressourcen und Kompetenzen entfaltet sich nur in der Entwicklungsumgebung und eine Übertragung auf andere Organisationen würde mit Leistungsverlusten einhergehen43
[...]
1 Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen (2020).
2 Vgl. Britze (2021).
3 Vgl. Schanz (2020). S. 4
4 Vgl. Harwardt et al. (2020). S. 18
5 Bengler/Schmauder (2016) S. 75
6 Vgl. Bengler/Schmauder (2016) S. 75
7 Hess (2019) S. 18
8 Vgl. Hess (2019) S. 19
9 Becker et al. (2015) S. 264
10 Vgl. Schallmo et al. (2017) S. 3-5
11 Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018). S. 5-9
12 Vgl. Harwardt et al. (2020) S. 7
13 Vgl. Kreutzer et al. (2017). S. 74
14 Vgl. Schallmo et al. (2018) S. 60
15 Vgl. Kugler/Anrich (2018) S. 5
16 Vgl. Osterwalder/Pigneur (2010) S. 136
17 Vgl. Sassenrath (2020) S. 24-25
18 Vgl. Sassenrath (2020) S. 25
19 Vgl. Mettig (2018). S. 31
20 Vgl. Sassenrath (2020). S. 27-28
21 Vgl. Westerman et al. (2014) S. 39-42
22 Vgl. Mettig (2018) S. 65-67
23 Vgl. Mettig (2018) S. 67-68
24 Vgl. Kieninger/Mehanna/Michel in Horváth/Michel (2017) S. 5-8
25 Vgl. Harwardt et al. (2020) S. 142
26 Vgl. Mettig (2018) S. 84
27 Vgl. Harwardt et al. (2020). S. 143
28 Vgl. Creusen et al. (2017) S. 49
29 Vgl. Harwardt et al. (2020) S. 103-104
30 Kreutzer et al. (2017) S. 115
31 Vgl. Westerman et al. (2014) S. 113
32 Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018). S. 194
33 Vgl. Heinemann et al. (2016) S. 57
34 Vgl. Kreutzer et al. (2017) S. 45
35 Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018) S. 195
36 Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018) S. 196
37 Vgl. Burns (2019).
38 Appelfeller/Feldmann (2018) S. 194
39 Vgl. Westerman et al. (2014). S. 106
40 Vgl. Hungenberg (2014). S. 418
41 Vgl. Mettig (2018) S. 18-19
42 Vgl. Dillerup/Stoi (2016) S. 178-180
43 Vgl. Freiling/Reckenfelderbäumer (2010). S. 79-80