Soziale Mobilität


Hausarbeit, 2008

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Einleitung – Was ist Mobilität?

So kurz und bündig vermag ein deutsches Wörterbuch den Begriff der Mobilität zu definieren. Doch ist es wirklich ganz so einfach? Betrachtet man den Begriff genauer, so ist er natürlich bei Weitem vielschichtiger.

Ohne Zweifel entstammt der Begriff dem lateinischen Nomen mōbilitās, was Beweglichkeit bedeutet, doch ist sein Gebrauch im Deutschen eher abstrakt und es fehlt eine zufrieden stellend einheitliche Definition. Zumeist wird der Begriff mit einem ihn näher bezeichnenden Attribut versehen, da er sonst leicht synonym zum Begriff der Flexibilität verstanden werden kann. Doch das soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Hier steht unter speziellem Blickpunkt allein seine Konnotation mit den Begriffen Bewegung und Beweglichkeit im soziologischen Sinne im Fokus. Betrachtungsgegenstand in dieser Hausarbeit ist die Bewegung von Individuen in sozialen Strukturen[1] generell, ob nun intendiert oder ungewollt.

Die vorliegende Arbeit wird versuchen, den spezifizierten Begriff der sozialen Mobilität eingehend darzustellen, ihn in seinen Erscheinungs-formen zu untersuchen, sowie seine Ursachen und Folgen aufzuzeigen.

1. Definition von „Sozialer Mobilität“

Geprägt wurde der Begriff im Jahre 1927 von dem Pitirim Alexandrowitsch Sorokin[2]. Generell ist soziale Mobilität die Bewegung bzw. der Wechsel von Personen zwischen verschiedenen Positionen im sozialen Gefüge, d.h. innerhalb der Gesellschaft. Man spricht daher auch von Schichtmobilität, da Mobilität hier nun einmal nicht die rein räumliche Mobilität meint, sondern die Bewegung im übertragenen, metaphorischen Sinne. Natürlich hat auch diese Vorstellung einer Bewegung einen Startpunkt und ein Ziel. Dies sind bei dieser Betrachtungsweise verschiedene soziale Status. Hierbei sind verschiedene Arten von Mobilität zu unterscheiden. Es gibt:

- Generationenmobilität (intergenerationale Mobilität): Dies bezeichnet Schichtwechsel innerhalb der Generationenabfolge (von der Eltern- zu Kindgeneration).

Diese Art von sozialer Mobilität vermittelt soziale Ungleichheit, denn hier sind Anfangs und Endpunkt der Betrachtung nicht die einer einzelnen Person, sonder die Status von Generationen stehen im Vergleich. So vergleicht man beispielsweise den Status der Eltern mit dem ihrer Kinder. Auch diese Art von Mobilität kann Verhalten und Einstellungen beeinflussen und prägen.

- Karrieremobilität (intragenerationale Mobilität): Hiermit ist der Schichtwechsel im Verlauf eines Lebens gemeint (z.B.: der Beruf).

Karriere bezeichnet die Abfolge von zwei Status. Innerhalb einer Lebensgeschichte folgen auf die (Aus-)Bildung ein Beruf und zuweilen noch spätere Berufe und/oder (Aus-)Bildungen. Eine Person hat gemäß ihren Vorstellungen, ihrer Herkunft und ihrer Erziehung eine gewisse Vorstellung von einem „normalen“ Ablauf einer Karriere. Hierbei wird in der Regel Kontinuität erwartet, d.h. man erwartet, dass der frühere und der spätere Status miteinander korrelieren. Dies gibt es in dieser Form heute kaum mehr. Mobilität verletzt die Annahme einer Person von Normalität, der so genannten Statuskonsistenz in seinem Lebenslauf. Status-konsistenz bedeutet die Annahme von konstanten Karrieren, d.h. die Erwartung, mit einem hohen Bildungsniveau auch einen ebenso hohen, also angemessenen Berufsstatus erreichen zu können. Dies galt vielleicht noch im letzten Jahrhundert, ist aber heutzutage weitestgehend illusionär.

Ferner kann man soziale Mobilität noch folgendermaßen klassifizieren und charakterisierend beschreiben.

- horizontale Mobilität: Das ist die Bewegung zwischen Positionen, die ihrem Rang nach auf einer Ebene bzw. in einer Schicht liegen.
- vertikale Mobilität: Das bedeutet Bewegung zwischen höheren und niederen Positionen/Schichten, also sozialer Auf- oder Abstieg.
- individuelle Mobili tät: Damit ist der Wechsel einer Person in eine andere Schicht gemeint.
- kollektive Mobilität: Das meint sozialen Auf- oder Abstieg einer ganzen Gruppe.

2. Die Ursachen sozialer Mobilität

Die Bildungsexpansion der letzten Dekaden kann hier gleich als erstes genannt werden. Immer mehr Menschen erzielen immer höhere Bildungsabschlüsse. Natürlich stehen für diese Mehrzahl an somit „qualifizierten“ Menschen nicht in gleichem Maße auch höhere Berufspositionen zu Verfügung. Die Entwicklung beider Status verlief und verläuft also nach wie vor asynchron. Die Konsequenz hieraus ist, dass auch immer mehr Menschen einem ihrer (Aus-)Bildung nicht angemessenen und somit auch ihrem Selbstverständnis nicht entsprechenden Beruf nachgehen (müssen). Je mehr Menschen diese Inkonsistenz des Status’ erleben, je mehr also eine soziale Abwärtsbewegung einschlagen, desto mehr vergrößert sich die soziale Ungleichheit. Dieser Entwicklung versuchen die betroffenen Personen oftmals durch einen Stellenwechsel oder durch Fort- und Weiterbildung zu entgehen.

Zu unterscheiden von der Statusinkontinuität ist die Statusdis-kontinuität: Die empirische Lebensverlaufsforschung beweist, dass der Status des gesamten Berufslebens in besonderem Maße vom Status beim Berufseintritt beeinflusst wird.

Wer das Glück hat, nach der Ausbildung auf einen guten Arbeitsmarkt zu stoßen, ist also seinen Lebtag lang besser dran als jemand, der einige Jahre später mit dem gleichen Abschluss auf einen schlechten Arbeitsmarkt trifft. [3]

Die Frage nach der Chancengleichheit muss hier auch gestellt werden. Es liegt auf der Hand, dass ein Kind den Status seiner Eltern erbt, aber auch zugleich keinen Einfluss darauf hat, wie dieser beschaffen ist. Allein dadurch ist Ungleichheit erreicht, und die moralisch sicherlich lobenswerte und gerechtfertigte allgemeine Forderung danach, dass Kinder unterschiedlicher Herkunft bei gleicher Leistung gleiche Chancen haben sollten, schwer zu realisieren. Die Chancen, einen gewünschten Zielstatus durch soziale Mobilität zu erreichen, sind ungleich verteilt.[4] Die Frage ist, was nun eigentlich Einfluss darauf hat, dass jemand einen gewünschten Zielstatus erreicht. Man unterscheidet hierbei zwischen legitimen und illegitimen Einflüssen.[5] Legitime Einflüsse sind beispielsweise alle jene, die einen Aufstieg allein durch eigene Leistung bewirken. Illegitime Einflüsse sind jene nicht selbst vollbrachten, d.h. beispielsweise die Herkunft der Eltern und die daraus erwachsenden Vorteile für das Kind, die ihm im Vergleich zu anderen dann zur Verfügung stehen. Dies ist eine Chancenungerechtigkeit. Émilie Durkheim[6] stellte deshalb seinerzeit die Forderung:

Niemand soll aufgrund persönlich nicht verantworteter, also „äußerer“ Umstände anders behandelt werden; aber nach Leistung Gleiche sollen gleich behandelt werden. Nur wenn von den äußeren Bedingungen her Gleichheit herrscht, kann man von jedem erwarten, dass er seine spezifische Arbeit tut, zur Gesellschaft beiträgt und sich mit ihr identifiziert. Gleichheit und Leistung sind ein Paar von Werten: Ungleichheit ist nur durch Leistung gerechtfertigt; aber jeder muss die gleiche Chance haben, etwas zu leisten. [7]

Er propagierte daher eine weltliche Werteerziehung von Kindern und Reformen im sozialen Bereich, damit der Wert der Chancengerechtigkeit[8] an Glaubwürdigkeit gewinne. Diese Vorstellung fordert im Prinzip eine absolute Unabhängigkeit des Zielstatus vom Herkunftsstatus. Seine Forderungen bleiben nach wie vor nicht realisiert und illusionär. Denn man muss bedenken, dass das soziale Ausgangsfeld, also der Status der Eltern ein entscheidender Faktor im Lebensverlauf des Kindes ist, weil mit dem elterlichen Status zugleich auch Werte und Vorstellungen einhergehen, die gerade an wichtigen Weichenpunkten des Lebenslaufes des Kindes beeinflussend wirken können. So geschieht es zum Beispiel gerade in jungen Jahren bei der Wahl der Schullaufbahn. Hier antizipieren Eltern selbstverständlich ganz individuell mit welchem Aufwand das Kind welche Zielbildung erreichen kann. Dies ist nichts anderes als eine profane Kosten-Nutzen-Kalkulation. Beispielsweise kann hier natürlich für Eltern unterer Schichten die Aussicht darauf, dem Kind einen umfassenden Bildungsweg zu ermöglichen, den sie selbst nicht genossen hatten und von dem sie letzten Endes nicht viel mehr wissen, als das er lange dauert und kostenintensiv sein wird, zunächst einmal abschreckend wirken. Viele Eltern verzichten dann vielleicht darauf, ihrem Kind Abitur und Studium zu ermöglichen, weil es sich aus ihrer Sicht schlichtweg nicht rechnet.[9] Damit ist der Lebensweg des Kindes eindeutig vorprogrammiert ohne dass es selbst hätte Einfluss darauf nehmen können. Sein Weg innerhalb der gesellschaftlichen Schichten – seine soziale Mobilität also – kann somit bereits vorherbestimmt sein. Chancengleichheit ist demzufolge bereits ausgeschlossen. Auch Eltern oberer Schichten prädestinieren die soziale Mobilität ihrer Kinder. Da sie selbst in der Regel höherer Bildung ihren gleichsam höheren Status verdanken, schätzen sie den Wert dieser Investition in das Leben ihres Kindes hoch ein und werden daher voraussichtlich den weitererführenden Bildungsweg allein aus „Angst“ vor sozialem Abstieg der Kinder forcieren. „Kurzum: Alle Eltern tun, was sie können; aber nicht alle können dasselbe tun.“[10] Es ist nur logisch, wenn Eltern ihr Kalkül schichtspezifisch treffen.

[...]


[1] „Soziale Strukturen bestehen aus den Relationen zwischen Menschen, darüber hinaus haben sie nichts spezifisch ‚Soziales’ Sie können sich aus jeder Form des Handelns zwischen Menschen aufbauen, sie sind daher aus wechselnden Stoffen gewebt, vielschichtig und insgesamt unendlich.“ (Meulemann, S. 331)

[2] 21.01.1889 – 11.02.1968.

[3] Meulemann, S. 322.

[4] Chancengleichheit bedeutet, dass jedes Kind, egal aus welchem Status es stammt, prinzipiell die gleichen Chancen hat, einen bestimmten Zielstatus zu erreichen.

[5] Vgl. Meulmann, S. 323.

[6] Émile Durkheim (15.04.1858 – 15.11.1917) war französischer Soziologe und Ethnologe.

[7] Meulemann, S. 323.

[8] Chancengerechtigkeit bedeutet, dass jedes Kind, egal aus welchem Status es stammt, bei gleicher Leistung auch dieselben Chancen hat, einen bestimmten Zielstatus zu erreichen.

[9] Dies muss nicht bedeuten, dass sie weiterführende Bildung gering schätzen, aber die Aussicht, dass ihr Kind mittels dieser einen höheren Status erreichen kann, ist für sie eher unwahrscheinlich und zugleich ziehen sie die damit einhergehende überdurchschnittlich lange Weiterfinanzierung des Kindes im bereits erwerbsfähigen Alter mit ins Kalkül, mit dem natürlich auch Ausfälle im Haushaltseinkommen einhergehen.

[10] Meulemann, S. 325.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Soziale Mobilität
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Sozialwissenschaften; Abteilung für Soziologie)
Veranstaltung
Übung: Soziale Ungleichheit – allgemeine Soziologie
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
12
Katalognummer
V116983
ISBN (eBook)
9783640193578
ISBN (Buch)
9783640193615
Dateigröße
453 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hausarbeit zum gehaltenen Referat. Die Note bildet zugleich die Sociologicum-Note.
Schlagworte
Soziale, Mobilität, Soziale, Ungleichheit, Soziologie
Arbeit zitieren
Hendrik Keilhauer (Autor:in), 2008, Soziale Mobilität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116983

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