Funktionale Wortbildungsanalyse - Ad-Hoc-Wortbildung in Texten zur Aneignung von Computermedien


Dossier / Travail de Séminaire, 1998

28 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung: Struktureller vs. Funktionaler Zugriff

2 Das Material

3 Allgemeine Tendenzen der WNB im Kontext von Computermedien

4 Spezifizierende Klassifikation zur Herstellung 'eindeutiger' Referenz
4.1 Anaphorische Pronominalisierung
4.2 Kataphorische Pronominalisierung
4.3 Visuelle Pronominalisierung
4.4 Zusammenfassung

5 Benennung mittels Analogie, Metapher und 'Platzhalter'
5.1 Funktions-analoge Übertragungen
5.2 Metaphern
5.3 'Platzhalter' und Wortfindungsprozesse

6 Zusammenfassung mittels 'Dummy-compounds'

7 Zusammenfassung

8 Transkriptsiglen

9 Literatur

1 Einführung: Struktureller vs. Funktionaler Zugriff

Wortbildungen können zum einen danach analysiert werden, nach welchen Regularitäten bereits lexikalisierte Wortbildungsprodukte gebildet wurden. Zum anderen besteht aber auch die Möglichkeit, Wort neu bildungen als nicht lexikalisierte Einheiten im Text zu untersuchen. Dies hat den Vorteil, text-spezifische Wortbildungs verfahren, die sonst durch den Prozeß der Lexikalisierung bereits verblaßt sind, anhand der semantischen Strukturen im Vor- oder Nachtext verdeutlichen zu können und auf ihre kommunikativen Funktionen zu hinterfragen. Dies ist nach Matussek (1994, 13) in Abgrenzung zur strukturellen Beschreibung (bzw. als Ergänzung zu dieser) von Wortbildung zu betrachten. Die Wortbildungsanalyse bereits lexikalisierter Lexeme in Texten ist aus dieser (funktionalen) Perspektive demnach lediglich als ein Phänomen der "Wort-Wahl" und nicht der "Wort-Bildung" (Hohenhaus 1996, 259) beschreibbar.

Wortneubildungen (im Text) sind allerdings im Gegensatz zu der eher ko- und kontextfreien Betrachtung lexikalisierter WBK[1] nur im Zusammenhang zur sonstigen Diskursorganisation angemessen zu beschreiben, da sie in deren Strukturen eingebettet sind:

"Wortneubildungen sind (…) Produkte eines Sprechers oder Schreibers, der sich damit an die Adresse eines Hörers oder Lesers richtet. Der Sprecher macht sich dabei dem Hörer nur dann verständlich, wenn er sich im Akt der individuellen Wortneubildung an die Bauelemente und Baugesetze hält, die in der Sprachgemeinschaft kollektiv verwendet werden" (Matussek 1994, 9).

Und "damit der Bildungsprozeß nachvollzogen werden kann, [müssen] diese Wortneubildungen im Zusammenhang mit ihrem Entstehungskontext behandelt [werden], da der Verlauf des Textprozesses belegbaren Aufschluß über den Bildungsprozeß eines neuen komplexen Lexems geben kann" (Matussek 1994, 32).

Neben der besonderen Berücksichtigung des diskurs-strukturellen Zusammenhangs, ist aus semantisch-konzeptueller Perspektive eine Einschränkung der Wortbildungsanalyse auf den ersten Ableitungsschritt vom Basislexem zur erweiterten Bildung notwendig (vgl. Rickheit 1993, 46). Dies hat seine Ursache in der Interferenz lexikalischer und struktureller (morphologischer) Wortbildungsprozesse. So ist zwar strukturell eine Ableitungshierarchie nach dem Prinzip der Analyse in unmittelbare Konstituenten[2] bis hin zu den nicht-ableitbaren Einheiten, den Basismorphemen, möglich (vgl. Fleischer / Barz 1995, 45ff.). Allerdings ist eine derartige Herangehensweise für die Beschreibung der funktionalen Aspekte von Wortneubildungen unfruchtbar, da jeweils nur die semantischen Strukturen der unmittelbaren Konstituenten der ersten Hierarchiee­bene Eingang in die Neubildung finden, die es zu beschreiben gilt:

"Das heißt, die aus morphologischer Perspektive zweifelsfrei vorhandene Rekursivität der Stämme wird in semantischer Hinsicht durch verschiedene Lexikalisierungsprozesse unterbrochen. Wenn die Wortstrukturbeschreibung eine geeignete Grundlage der Semantikkonstruktion darstellen soll, muß sie in Abstimmung mit den einschlägigen lexikologischen Informationen erfolgen" (Rickheit 1993, 45; eigene Hervorhebung).

Für eine funktionale Beschreibung von Wortneubildungen erscheint es demnach sinnvoll zu sein, das den Sprechern zur Verfügung stehende lexikologische Wissen (zumindest den Teil, der in Vor- und Nachtext seinen Niederschlag findet) zu reflektieren und weniger die Wortbildungsprozesse zu berücksichtigen, die bereits als integrierter Bestandteil einer Konstituente zu verstehen sind. Das heißt z.B., daß ein Kompositum wie Autogaragenbesitzer semantisch lediglich als Bildung aus Autogarage und Besitzer zu analysieren wäre. Hingegen erscheint eine Integration der Präfigierung des Verbstammes sitz- als semantisch irrelevant: Die "Bedeutungsveränderung, die mit der Präfigierung von sitzen assoziiert ist, [ist demnach, J.H.] vorauszusetzen, aber nicht mehr zu rekonstruieren, wenn es darum geht, die semantische Struktur von Besitzer auf der Grundlage von Gesetzmäßigkeiten der Wortbildung zu erklären" (Rickheit 1993, 45). Aus Perspektive der Wort neu bildung ist also anzumerken, daß eine Strukturanalyse der unmittelbaren Konstituenten ein Verständnis des komplexen Lexems voraussetzt und somit als irrelevant für WNB[3] im Text betrachtet werden kann (vgl. Rickheit1993, 41).

Des weiteren ist zu berücksichtigen (vgl. Matussek 1994, 19), daß Wort neu bildungen zwar aus Elementen der langue gebildet sind, aber in einem Text nur (und zwar ausschließlich) als Element der parole existieren, da nur für lexikalisierte WBK gilt, daß sie als reproduzierbare, stabile Einheiten im Lexikon gespeichert sind. So definiert Schippan beispielsweise:

"Das Lexikon oder den Wortschatz betrachten wir als das strukturierte Inventar der Lexeme. Das sind Benennungseinheiten, Wörter und feste Wortverbindungen, die als relativ feste Zuordnungen von Formativ und Bedeutung reproduzierbar sind, gespeichert werden und Basiselemente für die Bildung von Sätzen und Texten sind" (Schippan 1992, 1; eigene Hervorhebung).

Eine Wort neu bildung ko- und kontextfrei zu analysieren, hieße demnach, sie bereits als lexikalisiertes Lexem zu betrachten und der speziellen Konstellation einer ausschließlichen Textbedeutung nicht gerecht zu werden (vgl. Matussek 1994, 20; Hohenhaus 1996, 269f.). Um nun genau dieser Anforderung zu genügen, ist es ebenfalls notwendig, die zu untersuchenden WNB in den Zusammenhang von Textsorte und textuellen Funktionen einzuordnen.

Außerdem ignoriert eine morphologische Analyse von isolierten Einzellexemen die prinzipielle Vagheit von Wortbedeutungen, die sich sowohl auf Lexeme wie auch auf Morpheme (beides sind bekanntlich linguistische Abstraktionen) erstreckt. Konkrete Bedeutungsangaben sind bestenfalls für Textwörter im Syntagma anzugeben. Allerdings ist diese Angabe nur im Zusammenspiel lexikologischen Wissens, des Welt- und Situationswissens sowie des referentiellen Bezuges denkbar (vgl. Rickheit 1993). Wortbedeutungen sind demnach nur als Prozeß zu verstehen, die — und dies gilt nicht nur für Wortneubildungen — in der jeweiligen Äußerungssituation konstruiert werden müssen. Prozessuales läßt sich aber durch die isolierte Analyse von Lexemen nicht erfassen: Wiederum ein Argument dafür, Wortneubildungen im Diskurszusammenhang und unter Berücksichtigung der jeweiligen Textfunktionen zu beschreiben.

Meiner Analyse liegt ein eher weit gefaßter Begriff von Textfunktion zugrunde. Unter Textfunktion soll hier jeder funktionale Aspekt verstanden werden, unter dem eine Wortneubildung beschrieben werden kann. Eine Unterscheidung von textsortenspezifischen und textfunktionalen Wortbildungen, wie Hohenhaus (1996, 271) sie trifft, erscheint mir wenig sinnvoll zu sein, da auf diese Weise z.B. 'Informationsverdichtung' nicht als Textfunktion, sondern als "non-textual" (ebd.) klassifiziert werden muß. Ich fasse hingegen Textfunktion als Obergriff aller Funktionen einer WNB für den jeweiligen Text auf und verwende für Hohenhaus' Textfunktion den herkömmlichen Begriff der '(semantischen) Pronominalisierung' (s.u.). Die Subsumierung von Wortneubildungsphänomenen unter 'Textfunktion' ist zunächst unabhängig davon zu betrachten, ob dasselbe Phänomen (z.B. Informationsverdichtung) auch in anderen Textsorten als der aktuell analysierten auftreten kann. Allerdings führt dieser Umstand und die Tatsache, daß Informationsverdichtung auch mittels (z.B. herkömmlicher) Komposition möglich ist, zu der Schlußfolgerung, sie lediglich — wie Hohenhaus selbst formuliert (1996, 270) — als "Nebeneffekt" für WNB zu klassifizieren:

"(…) Informationsverdichtung ist fraglos die allgemeinste Funktion von Wortbildungen, da diese immer formal 'knapper' sind als alternative Strukturen (etwa ihre Paraphrasen). Das bedeutet, daß dies immer auch dann vorliegt, wenn andere Funktionen gegenüber diesem allgemeinen Merkmal deutlich im Vordergrund stehen; es ist dann ebenso quasi ein Nebeneffekt wie eine eventuell mitenstehende 'Textverflechtung' ".

Für spezifische 'Einzelfälle' ist demnach immer gesondert zu entscheiden, welche Funktion als dominant gesetzt wird, denn, wie am Beispiel der Informationsverdichtung deutlich wird, kann dies variieren von Haupt[4] - bis Nebenfunktion.

2 Das Material

In meiner Arbeit soll im folgenden nachgefragt werden, welche Funktionen Wortneubildungen im Aneignungsprozeß von Computermedien spielen (können). Da im weitaus größten Teil des Analysematerials das Erklären als dominierende Sprachhandlung zu betrachten ist, stellt sich im besonderen die Frage, welchen Stellenwert Wortneubildungen in bezug auf das Verständlich-Machen von Funktionsweisen (z.B. des Computers), dem kommunikativen Zweck von Erklärungen, haben.

Das untersuchte Material besteht aus 35 Transkripten, die Gespräche während des Umgangs mit dem Computer wiedergeben. Es handelt sich dabei also um verschriftete, gesprochene Sprache, was einige Besonderheiten für die Auswahl geeigneter WNB mit sich bringt, da natürlich nur tatsächliche Neubildungen und nicht Spezifika der gesprochenen Sprache erfaßt werden sollten. Nicht berücksichtigt wurden alle Eigennamen (Hersteller- und Produktbezeichnungen: DA, turn 05: (win)word), Menüsprachliches (wenn es sich um eine exakte Übernahme der Vorgabe handelt, z.B. ansicht layout, HM, turn 14), Dialektales (gloob für glaube, HM, turn 51), Verschleifungen (is'ns, GS, turn 30), Fachsprachliches (boot - diskette, EC, turn 55), Lautmalerisches (umb, GC, turn 47), Anakoluthe / Versprecher (rela/, anschlig/ HM, turn 97, 137) und selbstverständlich wurden auch alle Rechtschreibfehler nicht als WNB gezählt (meiße, GS, turn 09). Wenn Wortneubildungen allerdings dialektal 'eingefärbt' waren, wurde jeweils die tatsächlich verwendete Form und zusätzlich eine in die Standardsprache übertragene Variante angegeben: z.B. GS, turn 89: zwe tasten maus ® Zwei - Tasten - Maus.

3 Allgemeine Tendenzen der WNB im Kontext von Computermedien

Einleitend ist festzuhalten, daß entgegen der Erwartung, im untersuchten Material eine Fülle von WNB zu finden, nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl tatsächlicher Neubildungen ausfindig zu machen war (in etwa vergleichbar den Ergebnissen von Matussek 1994). Dies mag v.a. durch eine Einbindung in auf Effizienz zielende Sprachstrategien verursacht sein: Verständlichkeit setzt einen von Sprecher und Hörer geteilten Wortschatz voraus, bzw. eröffnet nur einen Spielraum für wenige, situativ 'eindeutige' Neubildungen. Da aber Hypertexte als solche und der Umgang mit ihnen ohnehin als (über)komplex zu beschreiben sind, ist es nicht verwunderlich, wenn die Interaktanten sich mithilfe von vergleichsweise 'einfachen' Sprachdaten zu orientieren versuchen (vgl. z.B. — wenn auch keine Wortneubildung — HD4, turn 89: dran machen für anschließen [die Sprecherin ist eine 26 -jährige Informatikstudentin!]).

Zum anderen ist produktseitig eine Reihe an Vokabular vorgegeben, das für den Laien bereits ein Aneignungsproblem darstellt und Begriffsklärungen zur Folge hat. Allerdings führt genau dieser Sachverhalt wiederum zu einer Tendenz, Menüsprachliches zu verkürzen (und damit zu vereinfachen): JM1, turn 68: schoner für bildschirmschoner; BI1, turn 02: nt für windows nt. Des weiteren sind Wortneubildungen anzutreffen, die mittels metaphorischer Übertragungsprozesse die Unverständlichkeit der 'Menüsprache' zu kompensieren versuchen und Menüsprachliches auf diese Weise an die 'Alltagswelt' der Nutzer adaptieren. Für den gelegentlichen Nutzer und den Experten bietet die 'Menüsprache' hingegen einen ausreichenden Wortschatz (JM1, turn 111: den task beenden — Fettdruck steht für Übernahme menüsprachlichen Vokabulars), so daß Wortneubildungen nicht notwendig sind (z.B. für Benennungen).

Obwohl das Analysematerial nicht so umfangreich ist, daß Generalisierungen ohne weiteres möglich wären, läßt sich dennoch eine Tendenz ausmachen: Wortneubildungen werden v.a. dann notwendig, wenn neue Sachverhalte zu benennen (oder zu (Sub) klassifizieren) sind, um eine eindeutige Referenz zu ermöglichen. Dabei orientieren sich derartige Neubildungen sowohl am sprachlichen Kotext (Vor- oder Nachtext) wie auch am visuellen wie situativen Kontext.

4 Spezifizierende Klassifikation zur Herstellung 'eindeutiger' Referenz

4.1 Anaphorische Pronominalisierung

Ich verwende den Begriff der Pronominalisierung (nach Matussek 1994 und Hohenhaus 1996) als Analogon zu den Funktionen der Pronomina. Fokussiert werden soll v.a. der spezifische Steuerungscharakter der WNB für vorangegangene bzw. nachfolgende Elemente des Textes (s.u.). Daß mittels Wortneubildungen nicht nur (und von den Pronomina abweichende — vgl. Matussek 1994, 36; 43f.) Zeigefunktionen, sondern ebenfalls referenzielle und prädizierende Aspekte etc. verbunden sind, ist für die übertragene Verwendung des Begriffes unerheblich (vgl. Hohenhaus 1996, 265f.).

Als Beispiel einer anaphorischen Pronominalisierung sei scannercd (OS, turn 17) angeführt. Formal beschrieben handelt es sich hier um Komposition aus zwei Nomen; genauer: einem (deverbalen) Substantiv ([Derivation mittels Suffigierung] scann-er) und einem Akronym (cdC ompact D isc), die im Verhältnis der Determination zueinander stehen (das Objekt eins [ cd ] wird als zugehörig zu / als Instrument für Objekt zwei [ scanner ] klassifiziert[5] ). Auch hier wird deutlich, daß die Suffigierung des Verbums (scannen) für die Komposition scanner + cd irrelevant ist, da aus lexikologisch-semantischer Perspektive festzuhalten ist, daß bereits ein (reproduzierbares) Lexem scanner angenommen werden muß, bevor eine WNB wie scannercd gebildet werden kann.

Die WNB scannercd ist aufgrund der relativ expliziten Argumentstruktur auch isoliert zu beschreiben. Allerdings trifft eine derartige Beschreibung keinerlei Aussagen über die spezifischen Funktionen dieser WNB in der Diskurssituation; und dies ist m.E. ein nicht unerheblicher Aspekt von WNB. Schließlich muß ein in der Kommunikationssituation begründetes Defizit den Sprecher veranlaßt haben, nicht auf vorhandene Sprachmittel zurückzugreifen, sondern eine WNB zu produzieren (zur Problematik der Kommunikationssituation vgl. auch Rickheit / Strohner 1993, 139ff.).

Bezieht man nun die ko- und kontextuelle Einbettung der WNB ein, fällt auf, daß beide Konstituenten der WNB (sowohl scanner als auch cd) bereits im Prätext enthalten (z.B. scanner turn 02 / cd turn 10) sind, so daß hier von anaphorischer Pronominalisierung gesprochen werden kann. D.h. mittels scannercd wird zum einen auf Bekanntes aus dem Prätext bzw. der vorherigen Situation verwiesen und zum anderen wird dieses Wissen zusammengefaßt (Informationsverdichtung). Aus rein textlinguistischer Sicht läßt sich ebenfalls der Effekt der Textverflechtung (vgl. Wladowa 1975), der auf diesem Weg erreicht wird, anführen.

Die ausdrücklich dominierende Funktion dieser WNB ist m.E. allerdings in der Herstellung 'eindeutiger' Referenz durch spezifizierende Klassifikation (in diesem Fall: Subklassifikation). Da im Kontext mehr als ein mögliches Referenzobjekt der Klasse 'CD' existiert (vgl. turn 14, 15), wäre eine Referenz mittels CD als unterspezifiziert und damit als wenig erfolgversprechend zu bezeichnen (vgl. auch Rickheit / Strohner 1993,153 ff.). Die WNB scannercd gewährleistet hingegen eine exakte Referenz auf das fokussierte Objekt. Dies geschieht mit der Gegenüberstellung ne andre cd / ne schöne cd (turn 14 / turn 15) vs. scannercd.

Subklassifikation zur Herstellung 'eindeutiger' Referenz werden v.a. durch Addition des diskriminierenden Merkmals (das Merkmal, welches das zu benennende Objekt von den übrigen unterscheidet) vollzogen, so daß das Basislexem zumeist für eine Klasse von Objekten (z.B. cd) steht; die Zusatzkomponente hingegen den Geltungsbereich das Basislexems einschränkt ('die cd für / von dem Scanner'). Weitere Wortneubildungen nach demselben funktionalen Muster[6] (Subklassifikation [durch Abgrenzung von anderen Objekten] zur Herstellung eindeutiger Referenz) seien summarisch aufgeführt:

- zwe (e) tasten maus ® Zwei-Tasten-Maus; GS, turn 89 vs. 'Maus mit drei Tasten' (turn 90/91)
- pooldrucker; BI1, turn 36 vs. 'Drucker im Treppenhaus' (turn 46)
- malprogramm; HM, turn 22 / 26 vs. schreibprogramm (turn 02)
- etc.

Eine etwas abweichende Variante anaphorischer Pronominalisierung ist noch anzuschließen. Aufgrund der Einbettung der Wortneubildungen in Erklärungen besitzen anaphorische WNB auch die Funktion, gesamte Argumentations- bzw. Erklärungsketten zusammenzufassen. Dabei ist diese Informationsbündelung als dominante Funktion zu bestimmen (und nicht die Herstellung 'eindeutiger' Referenz). Informationsbündelung als dominante Funktion kann beispielsweise der Wortneubildung steckermöglichkeiten zugeschrieben werden (HD4, turn 78). Diese WNB ist verstehbar als Zusammenfassung der folgenden turns:

- turn 40 / B / : ne ne soundkarte ist einfach/ ähm du machst hinten nen steckplatz / n steckplatz
- turn 52 / A / : …wo steck ich ds denn in den computer
- turn 62 / B / : =und da sind noch freie steckplätze und da wirds einfach reingesteckt
- turn 71-72 / B / : … auf einer Seite sind dann diese anschlüsse dran
- turn 74-76 / B / : da kannst de eben n microfon reinstecken. kopfhörer reinstecken. boxen reinstecken oder auch noch /(.) was weis (sic!) ich was anderes noch
- turn 78 / B / : =sind so vier fünf äh steckermöglichkeiten die de da reinstecken kannst

Besonders deutlich wird der Aspekt der Informationsbündelung im Vergleich der turns 74-76 mit turn 78. So wird mittels - möglichkeiten alles das zusammengefaßt, was in den vorherigen turns aufgezählt worden ist (microfon, kopfhörer etc.). Allerdings impliziert auch stecker gleichzeitig (als damit verknüpfte Handlung) ' reinstecken in den steckplatz ', so daß steckermöglichkeiten als kompakte Zusammenfassung eines ganzen Themenkomplexes verstanden werden kann. Derartige Zusammenfassungen wirken sich auch auf den Rezeptionsprozeß aus, da sie als Entlastung für den Arbeitsspeicher zu betrachten sind. Dieser ist (bei neuen Inhalten) auf eine Kapazität von etwa 3-4 Items (Kluwe 1993; 142) begrenzt. Nach dem Prinzip des chunkings (vgl. Kluwe 1993, 144; Anderson 1996, 289f.), der Zusammenfassung vieler Einzelheiten zu einem Ganzen, kann die Speicherkapazität allerdings erheblich erhöht werden.

4.2 Kataphorische Pronominalisierung

Neben dem zusammenfassenden Verweis auf den Prätext (bzw. zusätzlich zu diesem) ist auch der Verweis auf den nachfolgenden Text mittels einer Wortneubildung möglich. Kataphorische Vorverweise funktionieren nach dem Prinzip der vorübergehenden Unterinformation und nachträglichem 'Nachliefern' der fehlenden (dem Schema entsprechenden) Informationen (vgl. Vukovich / Krems 1990, 63ff.). Demonstriert sei dies am Beispiel ansteckbuchse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Formal betrachtet handelt es sich hier erneut um ein Determinativkompositum (Determinans: ansteck- (präfigierter Verbstamm) + Determinatum: buchse (substantivisch)), das der spezifizierenden Klassifikation dient: durch die Verknüpfung mit dem Handlungsverb anstecken wird der Verwendungszweck das Bestimmungswortes (der buchse) angegeben und somit eine Auswahl (und Eingrenzung) aus der globalen Objektklasse 'Buchse' getroffen. Erneut kann mittels dieser spezifizierenden Subklassifikation die fokussierte buchse von den übrigen (noch 'ne) unterschieden und eine 'eindeutigere' Referenz ermöglicht werden.

[...]


[1] WBK steht im folgenden (nach Fleischer / Barz 1995, XVII) für Wortbildungskonstruktion.

[2] Auch diese strukturelle Einteilung ist eine Interpretationsfrage und keineswegs eindeutig. Vgl. dazu Rickheit 1993, 36ff.: Straßenbahnfahrer: Straßenbahnfahr - + - er vs. Straßenbahn + fahrer vs. Straßen + bahnfahrer etc.

[3] für Wortneubildung

[4] als Beispiel führt Hohenhaus (1996, 270) an: I know an alleged discoverer of time-travel.

[5] In einer späteren Textstelle findet sich eine explizite Paraphrase zum Kompositum: turn 46: die cd … von dem scanner.

[6] Formale Unterschiede (z.B. Verbum oder Substantiv als Erstglied etc. ) seien hier ausgeblendet.

Fin de l'extrait de 28 pages

Résumé des informations

Titre
Funktionale Wortbildungsanalyse - Ad-Hoc-Wortbildung in Texten zur Aneignung von Computermedien
Université
Technical University of Chemnitz  (Germanistische Sprachwissenschaft)
Cours
Wortbildung des Deutschen
Note
1
Auteur
Année
1998
Pages
28
N° de catalogue
V11701
ISBN (ebook)
9783638177849
Taille d'un fichier
593 KB
Langue
allemand
Mots clés
Wortbildung, Neue Medien
Citation du texte
Jana Kullick (Auteur), 1998, Funktionale Wortbildungsanalyse - Ad-Hoc-Wortbildung in Texten zur Aneignung von Computermedien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11701

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