Die Figuren des Iwein, des Löwen und des Wilden im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur in Hartmanns von Aue "Iwein"


Hausarbeit, 2021

13 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorieteil

3. Figuren als Grenzgänger
3.1 Wilder
3.2 Iwein
3.3 Löwe

4. Fazit

1. Einleitung

Die höfische Kultur sieht in den frühen deutschsprachigen Artusromanen für Ritter einen bestimmten Ausgleich zu der Minneverpflichtung vor. Dieser ist in der wilden natūre zu finden und nennt sich âventiure. Die Aventiure wird als „ritterliche Bewährungsprobe [für welche] Ritter an mehr oder weniger märchenhaft-wunderbare[n] Orte[n] [...] Kämpfe mit zuweilen fabelhaften Wesen aus[tragen]“1 definiert. Mit natūre hingegen ist nicht die „Außenwelt des Menschen [gemeint] [...], sondern die in dieser und im Menschen selbst aufgrund ihrer Geschöpflichkeit wirkenden Kräfte und Prinzipien“2. Inwiefern stellt diese Natur als wilde Gegenwelt eine Opposition zu der höfischen Kultur dar? Um diese Fragestellung und die damit verbundenen Ungleichheiten genauer zu differenzieren, werden im Verlauf dieser Arbeit drei Figuren aus Hartmanns von Aue Iwein untersucht.

Im ‚Iwein‘ durchläuft der gleichnamige Held während seiner Entwicklung verschiedene Räume und reist von dem Artushof in die Wildnis, um âventiure zu vollführen. Während dieser Reise werden mehrere Figuren offenbart, welche die verschiedenen Gesichtspunkte von natūre und höfischer Kultur vereinen. Dazu zählt der bereits erwähnte Held Iwein selbst, welcher diese Räume während seiner Reise durchlebt und sich dadurch weiterentwickelt. Seine anfängliche Begegnung mit einem wilden Mann wirkt stark kontrastierend. Der wilde Mann wird als Herrscher über wilde Tiere beschrieben, tritt allerdings wenig höfisch auf. Letztlich ausschlaggebend für die Rehabilitation Iweins ist der Kontakt zum Löwen.3 Dieser ist durch seine Position im Tierreich bereits gesondert als Lebewesen zu betrachten, fällt allerdings ebenfalls durch menschliche Züge, insbesondere durch triuwe -Handlungen, auf.

Pfister benennt die Figurenkonzeption generell als „anthropologisches Modell, das der dramatischen Figur zugrunde liegt, und die Konvention seiner Fiktionalisierung [...]“4. Diese Lehre zum Drama lässt sich im Nachkommenden auf die drei Figuren Hartmanns von Aue anwenden. Demnach wird ebenfalls die Natur der einzelnen Figuren in Bezug auf verschiedene Aspekte, wie beispielsweise der Dynamik oder der Dimensionalität, untersucht.5

Die Relation zwischen dem Naturbegriff und dem Begriff der höfischen Kultur werden im Folgenden erörtert, um die bereits genannten Figuren anhand dieser Begrifflichkeiten genauer zu untersuchen. Ferner wird versucht, ihre Stellung mithilfe des Originaltextes zwischen den Punkten zu ermitteln. Ihre Konzeption zwischen Natur und Kultur wird anhand von diversen Textbelegen festgehalten.

2. Theorieteil

Friedrich geht in „Menschtier und Tiermensch“ näher auf die Raumsemantik und den damit verbundenen Kontrast zwischen Natur und Kultur ein. Er kommt zu dem Schluss, dem Hof korrespondiere die Domestizierung, der Wildnis die Gewalt und dem Brunnenreich eine „natürlich-magische Idealität“.6 Von dieser genauen Kontrastierung auszugehen, lassen sich ebenfalls die verschiedenen Figuren und Episoden den Räumen zuordnen.

Auf dem Artushof wird zu Beginn das Pfingstfest gefeiert, bei welchem die Kultur des Hofes zur Schau gestellt wird. Die Domestizierung wird unter anderem durch die Rangfolgen der Titel am Hofe nachgewiesen, weswegen beispielsweise die Königin als mîn frouwe (‘IW‘, V. 220)7 darum gebeten wird, den Rittern etwas zu gewern (‘IW‘, V. 220).

Wie bereits aufgeführt, identifiziert Friedrich mit der Gewalt die Wildnis. Dies lässt sich anhand von diversen Episoden bestätigen. In der Wildnis sieht Iwein ein wuorm und ein leu striten (‘IW‘, V. 3840). Beide stellen enorme und wilde Gewalten dar, welche miteinander konkurrieren.

Das Brunnenreich wiederum wird von Kalogreant als grôz êre (‘IW‘, V. 603) und das swære weter (‘IW‘, V. 640), welches auf das Begießen des Steines folgte, durch übernatürliche Ereignisse beschrieben: do erlasch diu sunne diu ê schein [...] diu wolchen begunden / in den selben stunden / in vier enden ûf gân. (‘IW‘, Vv. 638-643)

In dem Brunnenreich existieren darüber hinaus Gegenstände mit einer magischen Funktion. So beispielshalber ein Ring, dessen Stein den Träger unauffindbar macht: swer in hât in blôzzer hant, / den mac niemen al die frist, / unz er in blôzzer hant ist, / gesehen noch vinden. (‘IW‘, Vv. 1204-1209) Demnach stimmt die Zuschreibung der magischen Elemente zum Brunnenreich mit Friedrichs Zuordnung überein und klassifiziert ihn zusätzlich als einen Ort zwischen den Beiden Extremen; mit Elementen der Natur und Kultur.

Die Diskrepanz des Wilden und des Höfischen untersucht Quast insbesondere anhand der Entwicklung des Artusritters Iwein, dessen „Identität zwischen Wildem und Höfischem [oszilliert].“8 Er kommt zu dem Schluss, dass die Wildheit, als Teil der natūre, einen wichtigen Einfluss auf die höfische Kultur darstelle:

Wildheit in Hartmanns Iwein ist weit davon entfernt, allein ein Gegenbild höfischer Kultur zu spiegeln. Sie fungiert, aber auch nicht schlicht als das Andere höfischer Rationalität, das in mimetischer Angleichung in Form von Iweins Wahnsinn als abgestufter Regression in den vorzivilisatorischen Naturzustand abzugrenzen sei9, sondern spezifischer als konstitutive Bedingung, als integrativer Faktor höfischer Kultur.10

Zusätzlich kann zu einem „Gegenbild der höfischen Kultur“11 eine natürliche Ordnung oder eine unausgesprochene Hierarchie unter Tieren aufgeführt werden. Die höfische Kultur ist demnach das Zivilisierte, eine Art Sicherheit, allerdings ebenfalls Unterordnung der Ritter gegenüber dem König. In der Natur trifft der Ritter hingegen eigenständig Entscheidungen, um sich zu beweisen und wird zusätzlich mit dem Wilden gegenübergestellt. Die Integration der Wildheit sei als maßgebender Bestandteil der Akkulturation Iweins notwendig und konfrontiere die vor- bzw. außerhöfische und höfische Erzählwelt.12

[...]


1 Aventiure. Burdorf, Dieter/Fasbender, Christoph/Moennighoff Burkhard (Hg.) (2007): Metzler Lexikon Literatur: Begriffe und Definitionen. Begründet von Günther und Irmgard Schweikle. Stuttgart/ Weimar. S. 63-64.

2 Grubmüller, Klaus (1999): Natûre ist der ander got. Zur Bedeutung von natûre im Mittelalter. In: Robertshaw, Alan/Wolf, Gerhard Max (Hg.): Natur und Kultur in der deutschen Literatur des Mittelalters. Colloquium Exeter 1997. Tübingen, S. 3.

3 Unter Punkt 3.3 wird diese These erneut aufgegriffen und ausführlicher diskutiert.

4 Pfister, Manfred (2001): Das Drama. Theorie und Analyse. 11. Aufl., München. S. 240.

5 Vgl. Pfister, Manfred (2001): Das Drama. S. 241-243.

6 Friedrich, Udo (2009): Menschentier und Tiermensch. Diskurse der Grenzziehung und Grenzüberschreitung im Mittelalter. Göttingen. S. 360.

7 Hartmann von Aue: Iwein. Mittelhochdeutsch – Neuhochdeutsch. Hg. von Rüdiger Krohn, komm. von Mireille Schnyder. Stuttgart 2012. V.220. Alle folgenden Zitate aus dieser Ausgabe werden im Fließtext mit ‘IW‘ gekennzeichnet.

8 Quast, Bruno (2001): Das Höfische und das Wilde. Zur Repräsentation kultureller Differenz in Hartmanns Iwein. In: Kellner, Beate/ Lieb, Ludger/ Strohschneider, Peter (Hg.): Literarische Kommunikation und soziale Interaktion. Band 64. Frankfurt am Main. S. 123. Seiten des Beitrags fehlen

9 Vgl. Matejovski, Dirk (1996): Das Motiv des Wahnsinns in der mittelalterlichen Dichtung. S. 143, zit. nach Quast, Bruno (2001): Das Höfische und das Wilde. Zur Repräsentation kultureller Differenz in Hartmanns Iwein. S. 121.

10 Quast, Bruno: Das Höfische und das Wilde. S. 121.

11 Ebd. S. 121.

12 Vgl. ebd. S. 122.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Figuren des Iwein, des Löwen und des Wilden im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur in Hartmanns von Aue "Iwein"
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Ältere Deutsche Literatur)
Veranstaltung
Hartmann von Aue: Iwein
Note
1,3
Jahr
2021
Seiten
13
Katalognummer
V1170359
ISBN (eBook)
9783346581259
ISBN (Buch)
9783346581266
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Iwein, Hartmann von Aue, Löwe, Ritter, Waldmensch, Wilder, Natur, Kultur, höfische Kultur, Artushof, Wiltman, Aventiure
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Die Figuren des Iwein, des Löwen und des Wilden im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur in Hartmanns von Aue "Iwein", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1170359

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Figuren des Iwein, des Löwen und des Wilden im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur in Hartmanns von Aue "Iwein"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden