Die Förderung der bildungssprachlichen Struktur des Konditionalsatzes im Sachunterricht der Grundschule


Bachelorarbeit, 2021

97 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Die Bildungssprache
2.1.1 Forschungsperspektiven nach Cummins und Bernstein
2.1.2 Abgrenzung zu weiteren Sprachregistern
2.1.3 Merkmale und Kompetenzen
2.1.4 der wenn -Konditionalsatz
2.1.5 Herausforderungen beim Erwerb der Bildungssprache
2.2 Sprachbildender Unterricht
2.2.1 Prinzipien und Merkmale
2.2.2 Sprachbildung im Sachunterricht des Elementarbereichs
2.2.3 Unterrichtsmethode: das naturwissenschaftliche Experimentieren
2.3 Das Bildungskonzept Scaffolding
2.3.1 Die ‚Zone der nächsten Entwicklung‘ nach Vygotskij und die damit kohärierende Unterrichtsmodellierung
2.3.2 Die drei Phasen des Unterrichtsarrangements
2.4 ‚Bildungssprache im Sachunterricht fördern‘ – eine Studie von B. Siegmund

3 Forschungsfragen und Hypothesen

4 Quantitative Forschung: die Interventionsstudie
4.1 Methoden
4.1.1 Der C-Test
4.1.2 Das Prä-Post-Kontrollgruppendesign
4.2 Rekrutierung und Beschreibung der Probanden
4.3 Durchführung

5 Ergebnisse

6 Diskussion der Ergebnisse
6.1 Interpretation der C-Test-Ergebnisse
6.2 Interpretation der Prä- und Posttest-Ergebnisse

7 Abschließendes Fazit
7.1 Bezugnahme auf die Forschungsfragen und Hypothesen
7.2 Reflexion und Forschungsausblick
7.3 Schlussbetrachtung

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang
Anhang 1: C-Test
Anhang 2: Prä- und Posttest
Anhang 3: Migrationshintergrund, Sprache(n) und Testergebnisse der Probanden
Anhang 4: Naturwissenschaftliches Experimentieren: Arbeitsblätter
Anhang 5: Forschertagebuch
Anhang 6: Schülerbeispiele: Auszüge aus dem Forschertagebuch

Eigenständigkeitserklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Kognitives Anspruchsniveau und kontextuelle Einbettung von Sprache (Gadow, 2016, S. 27)

Abbildung 2 : Quadrantenmodell des Unterrichts nach Mariani (1997) und Gibbons (2009, 16) (Riebling, 2013, S. 66)

Abbildung 3 : Deskriptive Daten aus der Intervention I (Mai 2017) (Siegmund, 2018, S. 21)

Abbildung 4 : Non-equivalent control group pretest-posttest design (Mehar, 2020, S. 58)

Abbildung 5 : Durchschnittliche Bildungskorrektheit der TG und KG (Eigene Darstellung)

Abbildung 6 : Zuwachs, Stagnation und Abnahme der Bildungskorrektheit in Prozent (TG) (Eigene Darstellung)

Abbildung 7 : Durchschnittliche Bildungskorrektheit der DaM- und DaZ-Schüler (TG) (Eigene Darstellung)

Abbildung 8 : Gegenüberstellung aller Prä- und Posttestergebnisse der Klassen X, Y und Z (Eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 : Kurzübersicht hinsichtlich der Forschungsdurchführung (Eigene Darstellung)

Tabelle 2 : Ergebnisdokumentation des C-Tests in Prozent (TG) (Eigene Darstellung)

Tabelle 3 : Ergebnisdokumentation des C-Tests in Prozent (KG) (Eigene Darstellung)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Wer Schwierigkeiten hat, Fachtexte, Fremdwörter oder komplizierte Satzkonstruktionen zu verstehen, die über das Niveau der Umgangs- oder Alltagssprache hinausgehen, wird wichtige Lernchancen verpassen. Diese Kinder und Jugendlichen werden einen Großteil schriftsprachlich oder mündlich übermittelter Informationen im schulischen oder außerschulischen Lernumfeld gar nicht erst verstehen. (Kultusministerkonferenz, 2019, o. S.)

Dieses Zitat des hessischen Kultusministers Dr. Alexander Lorz zeigt die Bedeutsamkeit des Verständnisses sowie der Applikation von Bildungssprache auf und betont deren Relevanz sowohl hinsichtlich des schulischen Lernerfolges als auch der Allgemeinbildung, welche Kindern und Jugendlichen eine Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation ermöglicht.

Bildungssprachliche Strukturen, welche verglichen mit alltags- und umgangssprachlichen Äußerungen einem deutlich geringerem Prozentsatz von Schülerinnen und Schülern vertraut sind, stellen aufgrund ihrer Explizitheit, Dekontextualisierung und Komplexität für viele Kinder im schulischen sowie außerschulischen Kontext eine Herausforderung dar (Buttlar, 2018).

Lorz‘ Aussage konvergiert mit den Resultaten der beiden internationalen Schulleistungsstudien Programme for International Student Assessment (PISA) und Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS), welche als Ursache für unterdurchschnittliche Bildungserfolge unter anderem eine enge Kohärenz mit der sozioökonomischen Herkunft des Kindes aufzeigen. Laut der PISA-Studie von 2015, welche in einem Turnus von drei Jahren die Fähigkeiten in den unterschiedlichen drei Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften bei Fünfzehnjährigen ermittelt, erbringt nahezu die Hälfte aller Jugendlichen, welche einen Migrationshintergrund besitzen, sehr schwache Leistungen (Deutsche Welle, 2018). Zudem konnte festgestellt werden, dass der Anteil auffallend leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler in Deutschland „[…] unter den Schülern mit Migrationshintergrund etwa zweieinhalb Mal so hoch wie bei Schülern ohne Zuwanderungsgeschichte [ist]“ (Kohlmaier, 2018, o. S.). Diese Ergebnisse sind in einigen Fällen auf das niedrige Bildungs- und Sprachstandniveau der Eltern und die sozialen sowie wirtschaftlichen Verhältnisse, in welchen das Kind aufwächst, zurückzuführen (Kohlmaier, 2018). Werden nun die aktuellen PISA-Ergebnisse, welche im Jahr 2019 veröffentlicht wurden, näher beleuchtet, so kann der jeweiligen Herkunft des Kindes nach wie vor eine maßgebliche Bedeutung zugeschrieben werden. Diesbezüglich ist es grundsätzlich relevant, „[…] ob die Jugendlichen selbst zugewandert sind oder, ob sie in Deutschland geboren wurden, aber ihre Eltern zugewandert sind“ (Weis et al., 2019, S. 130) sowie auch die entsprechende Sprache, in welcher im Elternhaus fortlaufend kommuniziert wird (Weis et al., 2019). Die TIMSS-Studie von 2015, welche in einem vierjährigen Turnus naturwissenschaftliche und mathematische Grundlagen von Kindern der Jahrgangsstufe 4 erfasst, illustrierte ebenfalls eine Ergebnisdifferenz zwischen Lernenden mit und ohne Migrationshintergrund. Trotz einer erkennbaren Leistungsentwicklung von 2007 bis 2015 erzielten Kinder mit Zuwanderungsgeschichte durchschnittlich stets schwächere Leistungen als Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungsgeschichte (BMBF, 2016). Diese Ungleichverteilung hinsichtlich der Leistungen wird bei den Ergebnissen von 2019 insbesondere im Bereich der Naturwissenschaften deutlich. Während mit rund 45,3 Prozent nahezu jeder zweite Lernende mit Migrationshintergrund das Kompetenzniveau III, welches ein grundlegendes Alltagswissen meint, nicht erreicht, „[…] liegt dieser Anteil mit 15.1 Prozent bei den Schülerinnen und Schülern, deren Eltern beide in Deutschland geboren wurden, deutlich und signifikant darunter“ (Wendt et al., 2020, S. 305). Grundsätzlich besteht sowohl bei der PISA- als auch TIMSS-Studie stets das Bestreben, „[…] die Leistungsunterschiede zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft [abzubauen]“ (BMBF, 2020).

Die vorliegende Arbeit zielt, gleichermaßen wie die beiden Studien PISA und TIMSS, auf eine Erfassung von schulischen Leistungen hinsichtlich bildungssprachlicher Strukturen, welche vor der Leistungsabnahme jedoch bewusst gefördert und in einem deutlich kleineren Rahmen erhoben werden. Im Zentrum steht allerdings nicht die Untersuchung von mehreren Bereichen, sondern die Erfassung von ausschließlich einem bildungssprachlichen Element: dem wenn -Konditionalsatz. Für die Aneignung sowie Vertiefung dieses syntaktischen Phänomens kommt neben dem Scaffolding-Konzept, welches den Lernprozess durch Hilfestellungen unterstützen soll, auch dem naturwissenschaftlichen Experimentieren eine elementare Rolle zu. Die Durchführung dieser Methoden erfolgt auf einem kohärenten Weg, da die Handlung des Experimentierens einen essenziellen Bestandteil der Scaffolding-Methode darstellt. Beide Herangehensweisen sind bewusst eingesetzte Lehrmaßnahmen (Wenninger, 2000) und werden im Rahmen eines Sprachbildenden Unterrichts, welcher auf die Optimierung von Bildungssprache abzielt, im Sachunterricht angewandt. Da sowohl Scaffolding als auch das Experimentieren auf einen selegierten Gegenstand, den wenn -Konditionalsatz, förderlichen Einfluss nehmen, erfolgt die Realisierung dieser Forschung im Rahmen einer Interventionsstudie.

Insgesamt nehmen 41 Kinder, welche die Jahrgangsstufe 4 einer bayrischen Grundschule besuchen, an der Studie teil. Diese Probandenanzahl setzt sich aus Kindern, welche Deutsch als Muttersprache (DaM) haben, sowie auch Kindern, welche Deutsch als Zweitsprache (DaZ) erlernen, zusammen. Die Durchführung der Untersuchung umfasst drei aufeinander folgende Schritte: Im ersten Schritt erfolgt die Bearbeitung eines C-Tests, welcher Auskunft über den Sprachstand der Kinder gibt (Baur & Spettmann, 2009) und die Durchführung eines Prätests, welcher die Bildungskorrektheit des wenn -Konditionalsatzes ermittelt. Anknüpfend daran steht die bewusste Förderung des bildungssprachlichen Konditionalsatzes im Zentrum. Diese erfolgt unter Einbezug von Scaffolding, welches anhand von drei aufeinander aufbauenden Unterrichtsphasen realisiert wird sowie den naturwissenschaftlichen Experimenten. Im dritten Schritt erfolgt die Durchführung des Posttests, welcher dem Aufbau sowie Inhalt des Prätests gleicht und die Bildungskorrektheit des wenn -Konditionalsatzes nach der Intervention erfasst.

Für die Studie dieser vorliegenden Arbeit sind zwei Fragestellungen bedeutend. Mittels der Prä- und Posttestwerte soll ermittelt werden, ob nach der Förderung durch Experimente ein Zuwachs hinsichtlich der Bildungskorrektheit des wenn -Konditionalsatzes bei den Probanden besteht oder nicht. Die Hypothese, welche auf diese erste Forschungsfrage Bezug nimmt und von einem Zuwachs hinsichtlich der Bildungskorrektheit ausgeht, kann anhand der Testresultate überprüft werden. Für die zweite Fragestellung sind die Ergebniswerte der DaM- und DaZ-Kinder von Bedeutung, da untersucht werden soll, welche dieser beiden Gruppierungen eine höhere Bildungskorrektheit erzielen konnte. Die zweite Hypothese formuliert die Annahme, dass nach der Förderung durch Experimente seitens der DaM-Kinder eine höhere Bildungskorrektheit vorliegt. Diese Vermutung wurde aufgrund der Studienergebnisse von PISA und TIMSS sowie der bestehenden Herausforderungen, welche den Erwerb von bildungssprachlichen Strukturen insbesondere für DaZ-Kinder erschweren, formuliert. Auf jene Herausforderungen wird im folgenden zweiten Kapitel, welches alle grundlegenden theoretischen Aspekte beinhaltet, unter anderem noch detaillierter eingegangen. Anknüpfend daran folgt der empirische Bereich, in welchem neben beiden Forschungsfragen auch das Forschungsdesign, die Probanden sowie die Durchführung erläutert werden. Im weiteren Verlauf werden die gewonnenen Ergebnisse schließlich dargestellt und im Rahmen einer Diskussion interpretiert. Letztlich wird ein abschließendes Fazit formuliert, welches auf beide Forschungsfragen Bezug nimmt und eine Reflexion, einen Ausblick sowie eine Schlussbetrachtung beinhaltet.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der nachfolgenden Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

2 Theoretischer Hintergrund

In diesem Kapitel erfolgt die theoretische Explikation aller essenziellen Begrifflichkeiten, welche in Bezug auf die allgemeine Stringenz sowie Verständlichkeit der vorliegenden Arbeit obligat sind und den darauffolgenden empirischen Forschungsteil bedingen. Zunächst wird die Bildungssprache mitsamt deren Charakteristika, Kompetenzen und Herausforderungen näher erläutert und von weiteren Sprachregistern abgegrenzt. Der sprachliche Fokus liegt hierbei wie bereits erwähnt auf dem wenn -Konditionalsatz, welcher das fundamentale bildungssprachliche Grammatikphänomen dieser Erhebung darstellt. Anknüpfend daran werden Prinzipien des Sprachbildenden Fachunterrichts im Allgemeinen sowie auch in Bezug auf den Sachunterricht der Grundschule in Verbindung mit naturwissenschaftlichen Experimenten aufgezeigt. Anschließend wird Scaffolding, welches ein didaktisches Bildungskonzept im Sprachbildenden Unterricht darstellt, mitsamt seinen Merkmalen und Unterrichtsstufen definiert und erläutert. Im letzten Unterkapitel wird eine Interventionsstudie von Benjamin Siegmund, welche auf eine Förderung von Bildungssprache im Sachunterricht abzielt, aufgezeigt.

2.1 Die Bildungssprache

Bezüglich der Definition des Bildungssprachenbegriffs, welcher erstmals von Gogolin im Kalenderjahr 2006 eingeführt wurde (Pöhlmann-Lang, 2015), existieren zwei mögliche, divergierende Sichtweisen: eine soziolinguistische und eine erziehungswissenschaftlich-linguistische. Erstgenannte bezeichnet die Bildungssprache als „[…] eine als Distinktionsmerkmal fungierende Art und Weise des Sprachgebrauchs“ (Gantefort, 2011, S. 72). Ein solcher Gebrauch von Sprache – nach Bernstein (1970) auch als sogenannter elaborierter Code definiert (siehe Kapitel 2.1.1) – kann als Charakteristikum kulturellen Wohlstandes bezeichnet werden und sowohl der Betonung des gesellschaftlichen Ranges als auch der Abgrenzung gegenüber anderen Menschen dienen. Bei der erziehungswissenschaftlich-linguistischen Sichtweise hingegen, welche im Fokus der vorliegenden Arbeit steht, nimmt die Begrifflichkeit Bezug auf die Kohärenz zwischen Sprache und Lernen (Gantefort, 2011). Die Bildungssprache wird demnach von ihrer umgangssprachlichen Applikation gelöst, „[…] in dem sie Sprache und Aussprache der ‚Gebildeten‘ im Gegensatz zur Mundart bezeichnet und dabei eine Auf- bzw. Abwertung derer, die diese Sprachvarianten benutzen, impliziert“ (Quehl & Trapp, 2020, S. 13). Dementsprechend wird die Bildungssprache hinsichtlich ihrer (Aus-)Sprache als eine ‚reine‘ und ‚hohe‘ Sprache definiert (Gogolin & Lange, 2010). Das Modellprogramm FörMig, welches auf eine bewusste Förderung von Lernenden mit einer Zuwanderungsgeschichte abzielt, definiert Bildungssprache auch als jenes Sprachregister, in welcher Wissen in Bildungsinstitutionen vermittelt wird – demzufolge in Deutschland für gewöhnlich Deutsch (Quehl & Trapp, 2020). Mit der Begrifflichkeit Register ist in diesem Zusammenhang eine spezifische Konstellation grammatikalischer sowie lexikalischer Ressourcen gemeint, mit der eine Person die kommunikativen Gegebenheiten ihrer Lebenswelt zur Kenntnis nimmt, kommuniziert und Bedeutung erzeugt (Riebling, 2013). Die Bildungssprache stellt somit keine eigene Sprache dar, sondern eine Gebrauchsform einer jeden Sprache, welche in einem formellen Bildungssystem gelehrt sowie gelernt wird (Gogolin et al., 2020). Schramm (2013) definiert sie demnach als ein Sprachregister, welches in formalen Bildungskontexten relevant ist (Bärenfänger, 2016). Anknüpfend daran zeigt Ortner (2009) die Relevanz der Bildungssprache bezüglich des Erwerbs eines universalen Orientierungswissens auf und bezeichnet diese als einen sog. Themenentfaltungsmodus, in welchem sowohl Schul- als auch Orientierungswissen repräsentiert und bearbeitet wird. Der Soziologe Jürgen Habermas stellt dieses Sprachregister durch eine konkrete Funktion dar, welche das Einbringen von Fachwissen in eine einheitsfundierte Alltagsdeutung ermöglicht und infolgedessen das Potential einer universalen Basisaufklärung besitzt. Neben funktionalen Aspekten sind ebenfalls Gesichtspunkte gesellschaftlicher Partizipation bezüglich der Konzeption dieses Registers bedeutsam, da sich die Gesellschaft bei der Verständigung über bestimme Sachverhalte weitgehend der Bildungssprache bedient. Jene Sprachvariante findet in Bildungsinstitutionen sowie auch fortlaufend im Alltag, in technischen Bereichen, in literarischen Werken und wissenschaftlichen Kontexten ausnahmslos Verwendung (Riebling, 2013).

2.1.1 Forschungsperspektiven nach Cummins und Bernstein

Wird nun Rückbezug auf den Forschungsstand des Bildungssprachenbegriffs genommen, so ist eine Kohärenz mit dem kanadischen Pädagogen Jim Cummins unumgänglich. Cummins fokussierte Ende der 1970er Jahre die Multilingualität als bedeutsame (Mess-)Variable in Hinsicht auf den Schulerfolg und entwickelte demnach eine populäre Betrachtungsweise von schulischer Sprachverwendung, welche die bildungssprachliche Kontroverse bis heute dominiert. Im Zentrum seiner konzeptuellen Überlegungen steht neben der kulturellen Herkunft der Lernenden primär die Differenzierung zwischen der alltagsbezogenen Kommunikationsfähigkeit und der kognitiv-akademischen Sprachapplikation im schulischen Kontext (Gadow, 2016). Diesbezüglich existiert ein sog. theoretical framework, welches im Jahre 1984 von Cummins exponiert wurde (Brede, 2019) und sowohl das kognitive Anspruchsniveau als auch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kognitives Anspruchsniveau und kontextuelle Einbettung von Sprache (Gadow, 2016, S. 27).

die kontextuelle Einbettung in einem Koordinatensystem darstellt und deren Nexus aufzeigt (s. Abbildung 1). Alltagsgespräche lassen sich nach Cummins in den Quadranten A und das Vertreten sowie Überzeugen eines eigenen Standpunktes in den Quadranten B einordnen. Beide Sprachverwendungen weisen ein geringes kognitives Anspruchsniveau auf, jedoch sind alltägliche Gespräche in einen bestimmten Kontext eingebettet und Meinungsüberzeugungen eher kontextreduziert. Das Bearbeiten von Arbeitsblättern lässt sich aufgrund einer hohen kontextuellen Einbettung sowie kognitiven Fähigkeit dem Quadranten C zuordnen. Die Schüler benötigen hierfür mehr kognitive Fähigkeiten als bei alltäglichen Gesprächen, auch wenn beide Exempel in einen Kontext eingebettet sind. Den Quadrant D, welcher neben einem hohen kognitiven Niveau auch eine reduzierte kontextuelle Einbettung voraussetzt, bezeichnet Cummins als „[…] die Beherrschung der akademischen Sprachfunktionen“ (Gadow, 2016, S. 27) – dementsprechend als die Meisterung der Bildungssprache. Mit dieser Bezeichnung ist jene Kompetenz gemeint, mit welcher komplexe Bedeutungen und Inhalte in mündlicher sowie schriftlicher Form durch die Sprache selbst formuliert werden können (Gadow, 2016). Der Begriff Kompetenz kann nach Habermas als jene Fähigkeit definiert werden, welche dem Sprecher die Beherrschung einer abstrakten Systematik sprachgenerativer Regeln ermöglicht (Geißler & Orthey, 2002). Dementsprechend richtet diese Forschungsperspektive den Fokus auf zwei divergierende Kompetenzen: die für die Alltagskommunikation notwendigen basic interpersonal communicative skills (BICS) und jene Kompetenz, welche für die Schulsprache essenziell ist und als cognitive academic language proficiency (CALP) betitelt wird (Quehl & Trapp, 2020). Rückbezogen auf Abbildung 1 lässt sich an dieser Stelle anmerken, dass sich das Akronym BICS in den Quadranten A und der Gebrauch des Akronyms CALP in den Quadranten D einordnen lässt. Charakteristisch für die erstgenannte Kompetenz ist neben einem dialogischen Gebrauch, bei welchem die Schüler überwiegend mündlich „ Face-to-face “ (Gadow, 2016, S. 30) interagieren, auch eine erhöhte aktive Beteiligung sowie Situationsgebundenheit, in welcher para- und nonverbale Zeichen wie beispielsweise Gestik und Mimik essenziell sind. Demgegenüber steht die CALP, welche monologisch gebraucht wird, situationsentbunden ist und aufgrund der konzeptionellen Schriftlichkeit keinerlei Sprecherwechsel aufweist (Gadow, 2016). Im schulischen Bezugsrahmen ist die Kompetenz CALP demnach essenziell, um als Lernender von der Bildungssprache Gebrauch machen zu können.

Neben der soeben explizierten Forschungsperspektive von Cummins existiert die publizierte Betrachtungsweise des Soziologen Basil Bernstein, welcher Sprache als Schnittpunkt von Familie und Schule markiert. Nach Bernstein (1971) existiert ein beträchtliches Missverhältnis zwischen den alltäglichen Sprachstrukturen, welche die Schüler in ihrem individuellen familiären Umfeld kennenlernen, und ihrer Komplexität sowie ihrem Maße, in welchem Bedeutungen ersichtlich gemacht werden. Die Lernenden bringen demzufolge bei ihrem Schuleintritt aufgrund ihrer sprachbezogenen Sozialisation unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich kontextgebundener sowie kontextunabhängiger Sprache mit, welche den Schulerfolg durchaus beeinträchtigen können. In Bernsteins Perspektive kommt folglich neben einer funktionalen Sprachauffassung auch dem Diskurs mit dem schichtzugehörigem Kontext, in welchem ein Kind heranwächst, eine fundamentale Rolle zu (Quehl & Trapp, 2020). Hinsichtlich dieses sozial-strukturellen Blickpunktes dokumentierte Bernstein basierend auf seinen schichtbezogenen Studien einen sog. elaborierten Sprachcode, welcher eine bestimmte Sprachvariante darstellt und schul- sowie bildungsrelevante Attribute des Sprachgebrauchs umfasst. Dieser Code ist durch einen kontextentbundenen, detailreichen sowie begrifflich expliziten Gebrauch von Sprache gekennzeichnet. Demgegenüber steht der sog. restringierte Code, in welchem spezifische Merkmale normorientierter bildungsbedeutsamer Sprechdiktionen zu erheblichen Teilen fehlen. Nach Bernstein seien Kinder, welche aus bürgerlich-bildungsorientierten Umfeldern stammen, mit dem erstgenannten, elaborierten Sprachcode bereits vertraut, was mit erhöhten Bildungschancen einhergeht (Gogolin & Duarte, 2016). Kinder, welche hingegen aus einer „ lower working class “ (Morek & Heller, 2012, S. 68) entstammen, bleiben demnach hinsichtlich ihres Gebrauchs von restringierten Codes eingeschränkt.

2.1.2 Abgrenzung zu weiteren Sprachregistern

Auf die elementare Frage, welche sprachlichen Elemente die Bildungssprache miteinschließt, kann die Konzipierung von Bernt Ahrenholz herangezogen werden. Ahrenholz (2010) betont in seinen Werken, dass neben der Fach- und Unterrichtssprache auch die bildhafte sowie symbolische Sprache zum Bildungssprachenregister gehört. Anhand dieser Auffassung wird ersichtlich, dass sich die Bildungssprache aus mehreren unterschiedlichen Sprachregistern zusammensetzt und gleichermaßen jedoch auch von verschiedenen sprachlichen Registern bewusst abgegrenzt werden muss (Pöhlmann-Lang, 2015). Grundsätzlich kann dieses Sprachregister als zentrales Bindeglied zwischen der Umgangssprache, den Fachdisziplinen sowie der Wissenschaftssprache gesehen werden. Die Umgangssprache zeichnet sich durch einen alltäglichen Sprachgebrauch aus, welcher für gewöhnlich „[…] im Kindesalter im Austausch mit der Umwelt erworben wird“ (Roche & Drumm, 2018, S. 136) und wenig normiert ist. Im Gegensatz zur Umgangssprache wird die Fachsprache während der Aneignung von bestimmten fachlichen Sachverständen und dementsprechend erst im Laufe der Schulzeit erworben. Dieses Sprachregister beruht auf spezifischen Kenntnissen und weist eine Orientierung an fachlich bedingten Prinzipien auf. Die letztgenannte Wissenschaftssprache hat schließlich die Funktion, Sachverhalte allgemeingültig zu diagnostizieren und Behauptungen zu prüfen, weshalb dieser auch eine starke Normierung zugeschrieben werden kann. Grundsätzlich kann vermerkt werden, dass sowohl die Fach- als auch Wissenschaftssprache auf der erstgenannten Umgangssprache basieren, da diese zuallererst erworben wird und demnach den erforderlichen sprachlichen Input bildet, welcher die Voraussetzung für die Beherrschung von Fach- und insbesondere Wissenschaftssprache darstellt. Die Bildungssprache, welche eine vermittelnde Funktion zwischen der alltagsüblichen Umgangssprache und der komplexen Wissenschafts- bzw. Fachsprache einnimmt (Buttlar, 2018), wird auch als Sprache der Allgemeinheit bzw. Öffentlichkeit bezeichnet. Trotz der Tatsache, dass Bildungssprache viele Aspekte der Fachsprache beinhaltet (Roche & Drumm, 2018), fungiert sie überwiegend fächerübergreifend – die Fachsprache hingegen als spezifische Wissensfestigung. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sowohl die fachliche als auch wissenschaftliche Sprache auf die zur Verfügung gestellten (Sprach-)Strukturen der Umgangssprache aufbauen (Hövelbrinks, 2014).

Trotz der feststehenden Tatsache, dass Bildungssprache in der Institution Schule gelehrt und demzufolge gehäuft auch als Schulsprache bezeichnet wird, ist eine Differenzierung dieser beiden Sprachregister durchaus essenziell. Die Schulsprache beschreibt nach Feilke (2012) „[…] auf das Lehren bezogene und für den Unterricht zu didaktischen Zwecken gemachte Sprach- und Sprachgebrauchsformen [sowie] Spracherwartungen“ (Feilke, 2012, S. 5). Die Bildungssprache umfasst im Gegensatz dazu deutlich allgemeinere Sprachhandlungs- und Grammatikformen sowie auch einzelsprachlich ausgebildete Sprachmittel, welche von den Lernenden zwar epistemisch angewandt werden, allerdings nicht explizit für das Erlernen entwickelt wurden. Dennoch weist sie auch Gemeinsamkeiten mit der Schulsprache auf, wie bspw. den starken Bezug auf das Lehren sowie Lernen und kann demzufolge auch als eine „[…] Schulsprache im weiteren Sinn [betitelt] [werden]“ (Feilke, 2012, S. 5) (Feilke, 2012).

2.1.3 Merkmale und Kompetenzen

Als zentrale Eigenschaft der Bildungssprache wird für gewöhnlich der schriftnahe Duktus genannt, da sich dieses Sprachregister im mündlichen sowie schriftlichen Gebrauch auf die Leitsätze des Schriftsprachgebrauchs rekurriert. Der Sprecher nimmt während einer bildungssprachlichen Verständigung auf Inhalte Bezug, die zu diesem Zeitpunkt nicht unmittelbar greifbar sind. Demzufolge muss eine genaue Auswahl an sprachlichen (Rede-)Mitteln getroffen werden, um einvernehmliche, universale Bedeutsamkeiten eigenständig konstruieren zu können. Bezüglich bildungssprachlichem Handeln existieren folgende essenzielle Parameter: Dekontextualisierung, Explizitheit, Komplexität, Darstellungsbalance sowie auch argumentative Klarheit. Feilke (2012) stellt dieses Register als eine spezielle Sprachkompetenz dar, die sich auf ausgewählte Texthandlungen wie bspw. Erklären, Beschreiben, Vergleichen oder Analysieren im mündlichen sowie auch schriftlichen Sprachgebrauch beruft (Buttlar, 2018).

Grundsätzlich wird zwischen lexikalischen, grammatikalischen und pragmatischen Merkmalen unterschieden. Hinsichtlich der lexikalischen Ebene sind unter anderem Fachbegriffe, Nominalisierungen, Satzkonnektoren, Wortbildungen mit sowohl Prä- als auch Suffixen, reflexive Verben, eine hohe Summe an Inhaltswörtern sowie das unbestimmte man zu nennen. Passivkonstruktionen, subordinierte Satzgefüge, überwiegender Präsenzgebrauch, unpersönliche Subjekte (z.B. durch es ) und Nebensätze mit hauptsächlich finaler sowie konditionaler Funktion stellen hingegen Beispiele für bildungssprachliche Kennzeichen auf grammatikalischer Ebene dar. Zu den pragmatischen bzw. universellen Hauptmerkmalen zählt neben einer festen Textstruktur auch Objektivität, Verständlichkeit, eine hohe Reflektiertheit aufseiten der Schüler sowie eine fortlaufende Gegenstands- und Themenorientierung (Hövelbrinks, 2014).

Aufgrund der Tatsache, dass die Bildungssprache ein bedeutsames Teilziel fachlicher Bildung illustriert, wird ersichtlich, dass dessen Vermittlung einen unabdingbaren Teil hinsichtlich des schulischen Aufgabenbereichs repräsentiert. Demzufolge existieren mehrere essenzielle Kompetenzen, welche für deren bildungssprachlichen Erwerb erforderlich sind. An dieser Stelle kann auf Cummins‘ Forschungsposition Bezug genommen werden, da die akademische Sprachfähigkeit sowohl auf der kommunikativen Kontextgebundenheit als auch auf den vorhandenen sprachlichen Handlungsroutinen des Schülers beruht. Für den Erwerb der akademischen Kompetenz CALP muss ein hinreichender sprachlich anspruchsvoller, jedoch bewältigbarer Input gegeben sein, welcher auch als ‚Sprachbad‘ bezeichnet wird (Roche & Drumm, 2018). Grundsätzlich ermöglicht die bildungssprachliche Kompetenz sowohl die Erfassung als auch ein allgemeines Verständnis von fachlichen Inhalten (Pöhlmann-Lang, 2015).

2.1.4 der wenn -Konditionalsatz

Wie bereits aus den bildungssprachlichen Merkmalen entnommen werden konnte, lassen sich Nebensätze mit konditionaler Funktion, welche auch als Konditionalsätze bezeichnet werden, zu den Merkmalen von Bildungssprache auf grammatikalischer Ebene zählen. Der wenn -Konditionalsatz stellt in der empirischen Intervention dieser Arbeit das grundlegende bildungssprachliche Grammatikphänomen dar, welches untersucht sowie gefördert werden soll.

„Konditionalsätze nennen die Bedingung, unter der ein Zustand eintritt oder eine Handlung geschieht“ (Schade et al., 2020, S. 173), zeigen in erster Linie sowohl reale als auch irreale Bedingungen auf und werden demnach in wissenschaftlichen Aussagen stets im Indikativ ausgedrückt. Grundsätzlich lässt sich dieser spezifischen Satzart ein überwiegend futuristischer Bezug zuschreiben. Charakteristisch für die Einleitung eines Konditionalsatzes ist die Verwendung von Konjunktionen, welche auch als Konnektoren oder Bindewörter bezeichnet werden, wie z.B. falls; unter der Bedingung, dass; angenommen, dass oder die Junktion wenn, auf welcher auch in dieser Forschung einzig und allein der Fokus liegt (Schade et al., 2020).

Der wenn -Konditionalsatz findet nach Auer und Lindström (2011) überwiegend im mündlichen Gebrauch Verwendung und ist in der Erstsprache der Kinder in der Jahrgangsstufe 4 längst erworben sowie produktiv. Ein Beispielsatz hierfür ist: Wenn ich eine Büroklammer in das Wasser gebe, (dann) schwimmt sie an der Wasseroberfläche (Siegmund, 2018).

2.1.5 Herausforderungen beim Erwerb der Bildungssprache

Anhand der erläuterten Forschungsperspektiven, notwendigen Kompetenzen sowie bildungssprachlichen Charakteristika wird ein gewisses Sprachniveau deutlich, welches sowohl für Schüler mit der Muttersprache Deutsch als auch insbesondere für Schüler mit der Zweitsprache Deutsch in vielen Fällen eine anspruchsvolle Herausforderung darstellt. Gründe hierfür sind vor allem komplexe grammatikalische Formulierungen und ein hoher Grad an Abstraktion, welcher in erster Linie in der Sekundarstufe kontinuierlich ansteigt, in der Primar- sowie Elementarstufe jedoch auch schon gemäßigter vorhanden ist. Problematisch ist hierbei die stetige Zunahme von bildungssprachlichen Anforderungen, welche nicht nur in Unterrichtseinheiten, sondern auch in Lehrwerken sowie Leistungsprüfungen fortlaufend präsent sind.

Cummins‘ Differenzierung in die Kompetenzen BICS sowie CALP offenbart zudem eine Explikation darüber, warum der Umfang an Problematiken, welche mehrsprachige Schüler mit der (Zweit-)Sprache Deutsch haben, oftmals unterschätzt wird. Diese Feststellung lässt sich einerseits auf anspruchsvollere Unterrichtsgegenstände zurückführen und andererseits auch darauf, dass formale sprachliche Fehlerhaftigkeiten im mündlichen Informationsaustausch deutlich seltener identifiziert werden als im Schriftlichen (Gadow, 2016). Kinder, die diese spezifischen Kompetenzen aufgrund ihrer sprachbezogenen Sozialisation nicht oder unvollkommen besitzen, leiden weitgehend unter einem erschwerten Lernprozess, fortlaufender Demotivation sowie konstant wachsenden Wissenslücken. Fehlende bildungssprachliche Gesprächsformen und Strukturen binnen ihres Elternhauses können augenfällige Nachteile bezüglich des schulischen Lern- und Leistungserfolges bedingen, woraus sich folglich eine massive Kluft zwischen der Schul- und der Mutter- bzw. Heimatsprache entwickeln kann (Sturm, 2016). Auch Bernsteins Deskription von elaborierten sowie restringierten Codes kommt hinsichtlich der bildungssprachlichen Herausforderung eine große Bedeutung zu, da diese Forschungsperspektive ebenfalls eine Verbindung zwischen dem jeweiligen sozioökonomischen Umfeld und den damit einhergehenden, verfügbaren Sprachfertigkeiten des Kindes herstellt.

Die in der Einleitung illustrierten Studienergebnisse legen ebenfalls dar, dass Bildungserfolg mithin lediglich nur realisierbar sind, wenn Bildungssprache sowohl verstanden als auch angemessen verwendet wird (Bärenfänger, 2016). Schmölzer-Eibinger (2013) betont außerdem eine festgesetzte, selbstverständliche Erwartung von sprachlichen Kompetenzen, welche allerdings von vielen Schülern nicht verstanden sowie auch nicht explizit im Unterricht geschult wird. In der Sprachnutzung der Lehrpersonen wird oftmals nur ein beschränktes Bewusstsein hinsichtlich der Bedeutungen von Sprachhandlungen ersichtlich (Schmölzer-Eibinger, 2013).

2.2 Sprachbildender Unterricht

„Sprachbildender Unterricht lässt sich definieren als ein Unterricht, der […] gezielt zu einer sprachlichen Handlungsfähigkeit hinführt, die es ermöglicht, sich mit den Mitteln der Schulbildung ein Orientierungswissen zu verschaffen“ (Riebling, 2013, S. 57). Ein solches Unterrichtskonzept beinhaltet Ansätze einer sowohl sprachsensiblen als auch sprachbewussten Lehrerhaltung und zielt auf eine bewusste Optimierung bildungssprachlicher Sprachkompetenzen aller Lernenden ab. Daraus lässt sich schließen, dass in einem derartigen Unterricht Sprachbildung aktiv umgesetzt sowie sprachliches und fachliches Lernen anhand sprachlicher Unterstützungsprinzipien gezielt miteinander verknüpft wird (Petersen & Peuschel, 2020).

Trotz eines bestehenden Forschungsdesiderats aufgrund einer geringen Anzahl an empirischen Befunden sowie einer noch ausstehenden Wirksamkeitsüberprüfung der didaktischen Methoden wurden mit den erarbeiteten Konzeptionen bereits Anknüpfungspunkte für naturwissenschaftliche Unterrichtseinheiten geschaffen. Anhand dessen kann ein spracherwerblicher Fokus auf die Lernunterstützung im Fach gelegt werden. Für einen Unterricht dieser Art existieren in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Begrifflichkeiten, darunter zum Beispiel bildungssprachförderlicher, sprachaktivierender oder auch sprachsensibler (Fach-)Unterricht. Erstgenanntes Unterrichtskonzept findet fächerübergreifend Verwendung und weist erkennbar mehr Prinzipien der Sprach- als der Sachfachdidaktik auf. Die beiden Konzepte des sprachaktivierenden und sprachbewussten Fachunterrichts nehmen hingegen eine umfangreichere fachdidaktische Position ein und beziehen sich dementsprechend auf die Sachfachdidaktik. Zudem orientieren sie sich an vergleichbaren Unterrichtsmethoden, welche die Chance sehen, „[…] fach- und sprachdidaktische Überlegungen zu integrieren und für den Unterricht in mehrsprachigen Lernkonstellationen fruchtbar zu machen“ (Riebling, 2013, S. 55). All diesen genannten Unterrichtskonzepten ist neben einer integrativen Behandlung von sprachlichem und fachlichem Lernen auch eine Ausrichtung auf die Entwicklung anspruchsvoller Fachleistungen gemein. Sprachbildender Unterricht stützt sich auf unterrichtspraktische Entwicklungen des bildungssprachförderlichen Unterrichts sowie des sprachaktivierenden und sprachsensiblen (Fach-)Unterrichts – er bezeichnet dementsprechend keine ‚neue‘ Konzeption, sondern knüpft als sog. ‚Arbeitsbegriff‘ an differente, bereits vorhandene Forschungsansätze an und schafft daraus eine universale Synkrise. Grundsätzlich hat ein Sprachbildender Unterricht das primäre Ziel, den Lernenden die domänenspezifische Bildungssprache anhand gezielter Prinzipien und Herangehensweisen, welche im nachfolgenden Kapitel aufgezeigt werden, bewusst zu vermitteln sowie kontinuierlich zu fördern (Riebling, 2013).

2.2.1 Prinzipien und Merkmale

Wird nun das Augenmerk auf Kennzeichen und Prinzipien des Sprachbildenden Unterrichts gelegt, so kann festgestellt werden, dass diesbezüglich bislang in erster Linie illustrative Auffassungen existieren. Die Konzipierung von Qualitätsmerkmalen, welche sich auf einen bildungssprachförderlichen Unterricht beziehen, bietet hierbei erste Ansatzpunkte. Im Fokus steht neben einer expliziten Unterrichtsplanung und der Verbindungsherstellung von Allgemein- sowie Bildungssprache auch die Diagnose von Entwicklungsprozessen und das Garantieren von zahlreichen Situationen, in welchen Kompetenzen erworben, eingesetzt und entwickelt werden können. Zudem sollen Lehrende den Schülern kontinuierlich eine Sprachunterstützung bieten und gemeinsam die Resultate der Sprachbildung überprüfen und bewerten.

Sprachbildender Unterricht richtet sich wie bereits erwähnt auf den spezifischen Erwerb der Bildungssprache und die damit kohärierende Entfaltung von Fachwissen. Jener Unterricht soll die Schüler zu solchen Sprachhandlungen befähigen, welche sowohl ein fachspezifisches Erkennen als auch Thematisieren ermöglichen. Die Voraussetzung hierfür ist, dass der Unterricht systematisch im Hinblick auf das bildungssprachliche Register aufbereitet und der fundamentale Übergang von einem alltagssprachlichen zu einem bildungssprachlichen Sprachgebrauch zielbewusst hergestellt wird – so, wie es in Cummins‘ Perspektive beschrieben und intendiert wird. Reich (1989) bezeichnet eine derartige Spracharbeit im Fachunterricht demzufolge auch als zielbewusst und hebt neben Leisen (2010) die kontinuierliche Orientierung über sprachliche Lernvoraussetzungen sowie Leistungsentwicklungen der Lernenden als elementares Prinzip und Kennzeichen eines Sprachbildenden Unterrichts hervor. Jener Unterricht basiert zudem auf der Methodik einer funktionalen Mehrsprachigkeit, nach welcher die Lernenden ihre Erst- und Zweitsprache(n) der Arbeits- und Lernsituation entsprechend im Unterricht anwenden. Insbesondere in Gruppenarbeitsphasen soll ein Rückgriff auf die vertraute Muttersprache stattfinden, um eine bestmögliche inhaltliche Kontroverse durch die Verwendung der individuell ‚stärksten Sprache‘ des Lernenden gewährleisten zu können.

Das wesentliche Prinzip, welches dem Sprachbildenden Unterricht zugrunde liegt, ist eine sprachlernintensive Bereitstellung von Thematiken unter der Berücksichtigung des mitlaufenden Sprachbezugs. Nach Portmann-Tselikas (1998) soll durch eine gezielte Auswahl von Arbeitsformen die Entstehung eines mannigfaltigen, anspruchsvollen Sprachkontaktes hervorgerufen und den Schülern zahlreiche Gelegenheiten für den Erwerb und Einsatz von allgemein- sowie bildungssprachlichen Kompetenzen offeriert werden. Erwähnenswert sind zudem auch Unterrichtsverfahren, die den Kindern während des sachfachlichen Lernens eine sprachliche Unterstützung bieten. Ein Beispiel hierfür sind abgestufte sprachliche Hilfestellungen, welche zur Binnendifferenzierung genutzt werden. Sobald hohe sachsprachliche Leistungsanforderungen gestellt und eine neue Thematik erarbeitet wird, kommt diesen Verfahren eine enorme Bedeutung zu. Bei neuen fachlichen oder sachlichen Herausforderungen soll hinsichtlich dieser Methodik eine Senkung des sprachlichen Anforderungsniveaus erfolgen. Ist der Inhalt gesichert, wird die sprachliche Anforderungsstufe erhöht und schließlich explizit die Sprache des entsprechenden Sachverhalts unterrichtet. Diese Herangehensweise lässt sich erneut auf Cummins‘ Unterscheidung von alltags- sowie bildungssprachlicher Kompetenzen und deren unabdingbaren Übergang sowie auf Scaffolding, welches unter 2.3 illustriert wird, zurückführen. Die bewusste Integration von sprachlernförderlichen Hilfsmitteln und Elementen, wie z.B. Visualisierungen oder Redemittel, gewährleistet zudem eine Sprachunterstützung in komplexen Lernbegebenheiten. Die Kinder werden somit über mehrere Sinneskanäle angesprochen und erhalten durch normierte, sich wiederholende Redemittel in bestimmten Unterrichtssituationen sowie in der vermittelten Schulsprache Sicherheit (Riebling, 2013).

2.2.2 Sprachbildung im Sachunterricht des Elementarbereichs

In dem Schulfach Sachunterricht, auch als Heimat- und Sachunterricht bezeichnet, wird […] der Grundstein für die (fach-)sprachliche Entwicklung in acht Fächern der Sekundarstufe I (Physik, Chemie, Biologie, Technik, Geschichte, Sozialwissenschaften, Geographie und Philosophie) gelegt […], d.h. für alle naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Themenbereiche“ (Benholz & Rau, 2011, S. 1). Im Zentrum dieses Unterrichts stehen neben spezifischen Satzstrukturen und dem Verstehen sowie Produzieren verschiedener Textsorten auch mündliche Fachkommunikationen und Fachlexiken (Benholz & Rau, 2011). Wird der Blick nun auf den zeitgenössischen LehrplanPLUS von Bayern gerichtet, so wird die Aufgaben- und Gegenstandsvielfalt des Sachunterrichts besonders ersichtlich. Die Schüler sollen die Welt erforschen und erklären, indem sie unterschiedliche Phänomene beobachten und im Nachgang individuelle, subjektive Erklärungsansätze finden. Gleichzeitig steht die differenzierte Wahrnehmung der natürlichen, technischen und sozialen Umwelt sowie deren fundamentale Zusammenhänge im Mittelpunkt. Elementar ist diesbezüglich auch das kontinuierliche Wecken von Neugier und Entdeckerfreude sowie das Schaffen eines Zugangs zu kulturellen, naturbezogenen und technischen Thematiken innerhalb eines planvollen Unterrichtsrahmens, was in erster Linie primär zu den Aufgabenbereichen der Lehrperson gehört. Handlungsorientierte Begegnungen spielen ebenso eine bedeutsame Rolle, da sie die Schüler bei der Übertragung der gewonnenen Kenntnisse auf ihr alltägliches Handeln unterstützen (ISB, 2021). Die Qualitätsmerkmale und Prinzipien (s. S. 19) sind diesbezüglich ebenso von immenser Bedeutung und sollten stets berücksichtigt und in den Unterricht integriert werden.

Der Schwerpunkt dieser vorliegenden Arbeit liegt auf dem naturwissenschaftlichen Themenbereich und der damit verknüpften naturwissenschaftlichen Bildung. Jene Relevanz wird in dem folgenden Zitat, welches aus den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK) entnommen wurde, ersichtlich: „ Naturwissenschaftliche Bildung ermöglicht dem Individuum eine aktive Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation und Meinungsbildung über technische Entwicklungen und naturwissenschaftliche Forschung und ist deshalb [ein] wesentlicher Bestandteil von Allgemeinbildung“ (KMK, 2004, S. 6).

Naturwissenschaftlicher Unterricht hat demnach grundsätzlich die Aufgabe, allen Lernenden grundlegende Kompetenzen sowie Kenntnisse zu vermitteln, welche einerseits für eine persönliche Meinungsbildung und andererseits auch für ein verantwortungsbewusstes Agieren in einer naturwissenschaftlich geprägten Gesellschaftsstruktur obligat sind. Das Ermöglichen einer kontinuierlichen Auseinandersetzung sowie des stetigen Weiterlernens im Fachbereich der Naturwissenschaften steht hierbei ebenfalls im Fokus (Riebling, 2013). Aus dem angeführten Zitat wird somit deutlich, dass den Kindern und Jugendlichen hierbei vielfältige Lernperspektiven im Sprachbereich offeriert bzw. bereitgestellt werden (Benholz & Rau, 2011).

Trotz einer lückenhaften Forschungslage lässt sich anhand der bestehenden empirischen Resultate darauf schließen, dass in naturwissenschaftlichen Schulfächern neben experimentellen Unterrichtsphasen überwiegend fragend-entwickelnde Unterrichtskonversationen existieren. Die Lernenden beschränken sich hierbei oftmals auf das bloße Nennen von fachlichen Begrifflichkeiten, was laut mehreren durchgeführten Studien eine äußerst geringe Schülerbeteiligung zur negativen Folge hat. Darüber hinaus wird während derartigen Konversationen die bildungssprachliche Förderung stark beeinträchtigt und die Herstellung eines Übergangs von BICS zu CALP für die Lernenden nahezu unmöglich gemacht. Dieser Problematik kann durch die Einbettung von naturwissenschaftlichen Experimenten im Sachunterricht, auf welche im Folgenden hinsichtlich der Bedeutung sowie des bestehenden bildungssprachförderlichen Potentials näher eingegangen wird, gezielt entgegengewirkt werden (Riebling, 2013).

2.2.3 Unterrichtsmethode: das naturwissenschaftliche Experimentieren

Das naturwissenschaftliche Experimentieren stellt im Sachunterricht der Grundschule einen zentralen Lerngegenstand sowie eine Erkenntnismethode dar, mit welcher vor allem mündliche, aber auch schriftliche Kommunikation einhergeht. Im Allgemeinen lässt sich das Experimentieren als eine wissenschaftliche Herangehensweise bezeichnen, welche versucht, durch eine eigenständige und zielgerichtete Vorbereitung sowie Durchführung von Experimenten bestehende oder auftretende offene Fragestellungen aufzuschlüsseln. Im Sachunterricht der Grundschule geht es in erster Linie um die Veranschaulichung eines bestimmten Phänomens oder um Sammlungen von Beobachtungen – (noch) nicht um eine bewusste Hypothesenprüfung (Wodzinski, 2020). Grundsätzlich steht die Prüfung einer kausalen Kohärenz infolge eines Objekteingriffs im Mittelpunkt, anhand dessen explizite Aussagen über die Ursache sowie Wirkung formuliert werden können (Hoffmann et al., 2017). Neben dem wissenschaftlichen Aspekt existieren zudem kindliche Handlungsformen, welche zu aktivem Experimentieren hinleiten. Demnach kann das Experimentieren „[…] als eine Weiterentwicklung und Fortführung des spielerischen Erkundens, Explorierens und Probierens [charakterisiert] [werden]“ (Wodzinski, 2020, S. 125). Im Gegensatz zu dem spielerischen Erkunden sowie Explorieren zielt das naturwissenschaftliche Experimentieren immer auf das Beantworten einer gestellten Frage oder Problematik. Der ausschlaggebende Übergang vom systematischen Erkunden zum Experimentieren wird sowohl durch die Zielgerichtetheit der Vorbereitung als auch durch die geistige Durchsetzung des Problemlöseprozesses geschaffen. Dennoch liegen diese beiden Unterrichtsaktivitäten verhältnismäßig nahe beieinander, da das Experimentieren in der Grundschule häufig auch Elemente des Erkundens sowie Probierens miteinschließt. Möller (1987) spricht demzufolge von einer Vorstufe des Experimentierens (Wodzinski, 2020). Das naturwissenschaftliche Experimentieren im Sachunterricht ruft neben Freude und Neugierde auch Interesse hervor, was aufgrund von Erfolgserlebnissen und eigenen Erfahrungen in den meisten Fällen zu guten Lern- und Leistungsresultaten führt (Gröning, 2008).

Die bildungssprachlichen Kompetenzen, welche im Heimat- und Sachunterricht der Grundschule vermittelt werden sollen, sind im LehrplanPLUS verankert und kohärieren stark mit der Unterrichtsmethode des Experimentierens. Demnach sollen naturbezogene sowie technische Phänomene von den Lernenden erkannt und im Anschluss bewusst verstanden werden, indem sie verschiedene Herangehensweisen (z.B. das Formulieren von Vermutungen, das Dokumentieren von Beobachtungen oder aktives Experimentieren) anwenden. Darüber hinaus rufen Experimente eine fachbezogene Kommunikation innerhalb der Lerngruppe hervor, indem persönliche Gedankengänge und individuelle Beobachtungen untereinander ausgetauscht und laut geäußert werden. Zusätzlich steht aktives Handeln (z.B. die Durchführung eines Experimentes), Reflektieren (z.B. Beobachtungsäußerungen) sowie Fragen stellen im Vordergrund. Indem die Lernenden sowohl eigenständig als auch mit anderen gemeinsam Inhalte erarbeiten, können neue Kompetenzen erworben werden und gleichzeitig Lernprozesse entstehen, welche über die verbalen Mittel eines Schülers hinausgehen (ISB, 2021).

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Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Die Förderung der bildungssprachlichen Struktur des Konditionalsatzes im Sachunterricht der Grundschule
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
97
Katalognummer
V1170525
ISBN (eBook)
9783346583376
ISBN (eBook)
9783346583376
ISBN (eBook)
9783346583376
ISBN (Buch)
9783346583383
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachsensibler Fachunterricht, Scaffolding, Sachunterricht, Experimente, Bildungssprache, Alltagssprache
Arbeit zitieren
Lea Biedermann (Autor:in), 2021, Die Förderung der bildungssprachlichen Struktur des Konditionalsatzes im Sachunterricht der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1170525

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