Im ersten Teil der Arbeit erfolgt eine Erarbeitung der theoretischen Grundlagen zum Thema Mobbing. Im weiteren Verlauf werden die Entstehungsbedingungen von Mobbing näher untersucht, um herauszufinden, welche Gegebenheiten das Auftreten begünstigen können. Dafür werden personenbezogene Aspekte, der familiäre Einfluss, der Kontext der Schule und des Horts analysiert, da das Zusammenwirken mehrerer Faktoren für die Ausbildung von Mobbing bedeutsam ist.
Anschließend erfolgt die Betrachtung möglicher Folgen, um die Relevanz der Thematik und die Bedeutung der frühzeitigen Prävention und Intervention zu erfassen. Diesbezüglich werden im Anschluss mögliche Maßnahmen erläutert, um Mobbing vorzubeugen beziehungsweise zu bekämpfen. In Kapitel drei folgt eine genauere Analyse der Bedeutung der sozialen Kompetenzen für das Mobbingaufkommen. Im zweiten Teil der Arbeit erfolgt die Darstellung der eigenen empirischen Untersuchung. Zum Schluss erfolgt eine Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse, um anschließend ein entsprechendes Fazit ziehen und die der Arbeit zugrundeliegenden Forschungsfragen beantworten zu können.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen zum Thema Mobbing in der Grundschule
2.1 Zum Begriff Mobbing
2.2 Die Erscheinungsformen im Kontext von Schule
2.3 Abgrenzung Mobbing gegenüber anderen Verhaltensformen
2.4 Entstehungsbedingungen
2.4.1 Personenbezogene Aspekte
2.4.2 Einfluss der Familie
2.4.3 Faktoren des schulischen Umfeldes
2.4.4 Gegebenheiten im Hort
2.5 Folgen von Mobbing
2.6 Möglichkeiten der Prävention und Intervention
3 Mobbingverhalten als Ausdruck unzureichender sozialer Kompetenzen
3.1 Das Konstrukt der sozialen Kompetenz
3.2 Die Bedeutung von Peer-Beziehungen
3.3 Die Förderung sozialer Kompetenzen als Aufgabe der Schule
3.4 Soziale Kompetenzen von mobbinginvolvierten Kindern
4 Erhebungsmethoden
5 Empirische Untersuchung
5.1 Darstellung und Begründung der Forschungsmethode
5.2 Vorbereitung und Durchführung der Interviews
5.2.1 Interviewleitfaden
5.2.2 Bedingungshintergrund der Interviews
5.2.3 Stichprobenbeschreibung
5.3 Aufbereitung und Auswertung der Interviews
5.3.1 Transkriptionsregeln
5.3.2 qualitative Inhaltsanalyse
5.3.3 Das Kategoriensystem des Lehrerin- und Erzieherininterviews mit 38 anschließender Analyse
5.3.4 Das Kategoriensystem des SchülerInneninterviews mit anschließender 46 Analyse
5.4 Zusammenfassung und Interpretation der Interviewergebnisse
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
8 Abbildungs-, Tabellen- und Diagrammverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
Mobbing ist längst keine Randerscheinung mehr und wird zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert. Dennoch zeigen Studien, dass die Prävalenz von Mobbing unverändert hoch ist und knapp 10 % der SchülerInnen als Opfer gelten (HBSC-Studienverbund Deutschland, 2020, Online im Internet). Dies irritiert angesichts der steigenden Anzahl an möglichen Präventions- und Interventionsmaßnahmen. Jedoch zeigen Studien, dass z. B. Lehrpersonen bei Mobbing häufig nicht einschreiten (Rigby, 2014, S. 417).
Welche gravierenden Folgen dies haben kann, verdeutlichen die Amokläufe an Schulen sowie die für die Öffentlichkeit meist weniger offensichtlichen Auswirkungen in Form von Suiziden, die das Ergebnis jahrelang erlebter bösartiger Attacken sein können. So waren letztlich auch die Selbstmorde von drei Jugendlichen im Jahr 1982 in Norwegen ausschlaggebend dafür, dass Mobbing erstmals ein größeres öffentliches Interesse erfuhr (Olweus, 1996, S. 15). Dan Olweus, der als Pionier der Bullying-Forschung gilt, nahm die Suizide damals zum Anlass, sich noch intensiver mit diesem Bereich auseinanderzusetzen. Dabei konzentrierten sich die Untersuchungen allerdings lange Zeit nur auf Skandinavien. Die Brisanz der Thematik wurde in vielen Ländern verkannt, obwohl Mobbing besonders in Schulen aufgrund der strukturellen Gegebenheiten ein altes Phänomen darstellt (Schäfer & Korn, 2001, S. 236). Erst im 21. Jahrhundert nahmen die wissenschaftlichen Arbeiten in diesem Bereich weltweit rasant zu (Alsaker, 2012, S. 9). Die aus den zahlreichen Studien der letzten Jahre neu gewonnenen Erkenntnisse weichen jedoch zum Teil erheblich voneinander ab, da zugleich eine Erweiterung der Definition von Mobbing stattfand und verschiedene Untersuchungsmethoden genutzt wurden.
Trotz der unterschiedlichen Handhabung haben die meisten Studien jedoch eines gemein: Sie richten ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf ältere Kinder und Jugendliche. Dies liegt vor allem darin begründet, dass in der Grundschule häufig Verfahren eingesetzt werden müssen, die dem kognitiven Entwicklungsniveau der SchülerInnen entsprechen und folglich einen höheren Zeitaufwand und Kostenfaktor bedeuten (Scheithauer, Hayer & Petermann, 2003, S. 105). Aus diesem Grund konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf den Primarbereich. Das zentrale Ziel ist es, herauszufinden, inwieweit Mobbing bereits in der Grundschule auftritt. Da die bisherigen Studien zum Primarbereich häufig nur die dritte und vierte Klasse untersucht haben, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf den Anfang der Grundschule. Um die Prävalenz von Mobbing zu untersuchen, erfolgt eine Durchführung von qualitativen Interviews. Dabei werden sowohl die Kinder als auch die Lehrperson und die ErzieherIn befragt, um eine höhere Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu erreichen und möglichen Diskrepanzen unterschiedlicher Wahrnehmungen entgegenzuwirken (Pellegrini & Bartini, 2000b, S. 366) Da die Lehrpersonen bzw. ErzieherInnen im Zuge ihrer Vorbildfunktion mitunter das Auftreten von Mobbing begünstigen können (Wachs, Hess, Scheithauer & Schubarth, 2016, S. 102f.), wird zudem untersucht, welche Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung der Attacken ergriffen werden. Doch nicht nur die Prävention und Intervention kann sich auf die Präsenz von Mobbing auswirken. Neueste Forschungen rücken nicht mehr nur die TäterInnen und Opfer ins Blickfeld ihrer Untersuchungen, sondern betrachten Mobbing als kollektives Phänomen (Schubarth, 2010, S. 82). Dabei befinden sich die Kinder nicht nur in der Schule in einem festen, nicht selbst gewählten Gruppengefüge, das Attacken begünstigt (Scheithauer et al., 2003, S. 90). So schließt sich häufig an den Unterricht für viele SchülerInnen der Hortbesuch an. Diesbezüglich deutet die Studie von Hörmann & Schäfer (2009), die einen Vergleich zwischen der Mobbingrolle von Kindern in der Schulklasse und in der Hortgruppe vornahm, auf eine mögliche Relevanz der Kontextmerkmale hin. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit auch der Hortkontext für die Erfassung der Prävalenz von Mobbing berücksichtigt. Ziel ist es, anhand der aus der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse notwendige Anforderungen zur Prävention von Mobbing an Grundschulen abzuleiten.
Auf Basis der vorangegangenen Ausführungen ergeben sich für die vorliegende Arbeit folgende konkrete Fragestellungen:
- Inwieweit berichten sächsische GrundschülerInnen von Mobbingerfahrungen im Unterricht bzw. im Schulalltag?
- Welche Maßnahmen ergreifen die Lehrpersonen aus der Sicht von GrundschülerInnen?
- Inwieweit zeigen SchülerInnen im Unterricht bzw. im Schulalltag Mobbingverhalten aus der Sicht von Lehrpersonen an sächsischen Grundschulen?
- Welche Maßnahmen werden von den Lehrkräften ergriffen, um dem Mobbingverhalten von SchülerInnen zu begegnen?
- Welcher Unterschied zeigt sich im Mobbingverhalten der Kinder im Kontext des Hortbesuchs?
- Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Gestaltung der Mobbingprävention an Grundschulen?
Um die Fragestellungen zu beantworten, erfolgt im ersten Teil der vorliegenden Arbeit zunächst eine Erarbeitung der theoretischen Grundlagen zum Thema Mobbing. Dabei wird zu Beginn eine Begriffsdefinition vorgenommen und die konkreten Erscheinungsformen aufgeführt. Beides ist unerlässlich, um das Phänomen Mobbing konkret erfassen zu können. Wie die Praxis zeigt, ist dies jedoch gar nicht so einfach. So werden bestimmte Verhaltensweisen häufig mit Mobbing verwechselt. Aus diesem Grund erfolgt anschließend die Abgrenzung zu anderen Handlungsformen. Im weiteren Verlauf werden die Entstehungsbedingungen von Mobbing näher untersucht, um herauszufinden, welche Gegebenheiten das Auftreten begünstigen können. Dafür werden personenbezogene Aspekte, der familiäre Einfluss, der Kontext der Schule und des Horts analysiert, da das Zusammenwirken mehrerer Faktoren für die Ausbildung von Mobbing bedeutsam ist. Anschließend erfolgt die Betrachtung möglicher Folgen, um die Relevanz der Thematik und die Bedeutung der frühzeitigen Prävention und Intervention zu erfassen. Diesbezüglich werden im Anschluss mögliche Maßnahmen erläutert, um Mobbing vorzubeugen bzw. zu bekämpfen.
Nachdem die vorherigen Ausführungen bereits einen Einblick in die relevanten personenbezogenen Aspekte gewähren, erfolgt in Kapitel drei eine genauere Analyse der Bedeutung der sozialen Kompetenzen für das Mobbingaufkommen. Dies soll neben den bereits aufgeführten Entstehungsbedingungen dazu beitragen, die bedeutsamen individuellen Faktoren für die Ausbildung des Phänomens ausfindig zu machen und die Prävalenz zu erklären. Am Ende der theoretischen Ausarbeitung werden die möglichen Erhebungsmethoden zur Erfassung von Mobbing vorgestellt, um anschließend eine ausgewählte Methode für den eigenen empirischen Teil zu nutzen.
Im zweiten Teil der Arbeit erfolgt die Darstellung der eigenen empirischen Untersuchung. Dabei wird zu Beginn die gewählte Forschungsmethode vorgestellt und die Auswahl begründet. Anschließend erfolgt die Erläuterung zur Vorbereitung und Durchführung der Interviews. Im weiteren Verlauf wird die Aufbereitung der daraus gewonnenen Informationen dargestellt und die Auswertung der Befragungen anhand der im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse erstellten Kategorien vorgenommen. Zum Schluss erfolgt eine Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse, um anschließend ein entsprechendes Fazit ziehen und die der Arbeit zugrundeliegenden Forschungsfragen beantworten zu können.
2 Theoretische Grundlagen zum Thema Mobbing in der Grundschule
2.1 Zum Begriff Mobbing
Der Begriff Mobbing stammt aus dem englischen Sprachgebrauch und ist abgeleitet vom Wort mob, das übersetzt der Pöbel oder das Gesindel bedeutet. Als Verb to mob bezeichnet es die Tätigkeit, über jemanden herzufallen oder ihn anzupöbeln. Der Begriff kann auf den Verhaltensforscher Konrad Lorenz zurückgeführt werden. Er beschrieb mit diesem Gruppenangriffe im Tierreich, bei dem sich Mitglieder einer Gruppe verbünden, um sich gegen den körperlich überlegenen Feind zu verteidigen (Wachs et al., 2016, S. 19f.). 1972 übertrug Peter-Paul Heinemann den Begriff Mobbing auf das feindselige Gruppenverhalten von Kindern auf Schulhöfen gegen eine einzelne Person. Während er Mobbing als eine „alle gegen einen Situation“ (Heinemann, 1972, S. 10) beschreibt, weist Olweus (1978) jedoch darauf hin, dass die Attacken nicht zwangsläufig von der gesamten Gruppe ausgehen müssen (S. 5). Olweus (1991), der sich besonders auf den Schulkontext bezieht, definiert das Phänomen wie folgt: „Ein Schüler wird viktimisiert, wenn er oder sie wiederholt und über längere Zeit negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler ausgesetzt ist.“ (S. 413) Auch wenn in Einzelfällen eine einmalige schwerwiegende Belästigung bereits als Mobbing bewertet werden kann, wird betont, dass es sich vor allem um kontinuierliche und über eine bestimmte Dauer hinweg ablaufende Attacken handelt. Dabei werden negative Handlungen ausgeschlossen, die kein massives Ausmaß annehmen und zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Personen betreffen. Zudem liegt bei Mobbing immer ein asymmetrisches Machtverhältnis vor, bei dem das Opfer dem bzw. der TäterIn tatsächlich physisch und psychisch unterlegen ist oder sich nur so fühlt (Olweus, 1999a, S. 10f.).
Während im nordeuropäischen Sprachgebrauch der Begriff Mobbing Anwendung findet, verwendet man im angloeuropäischen Sprachgebiet die Bezeichnung Bullying (Hörmann & Schäfer, 2009, S. 111). Letztere wurde vor allem durch Olweus fachbegrifflich näher spezifiziert. Dieser kritisiert zugleich die Verwendung des Terminus Mobbing, da der Begriff die Bedeutung der Gruppe in den Fokus stellen würde. Zudem bezieht sich Olweus auf die Wortherkunft mob, die für die Bezeichnung einer freiwilligen und ungeplanten Zusammenkunft von Menschen genutzt wird, die gewöhnlich nur von kurzer Dauer ist und deren Mitglieder keine soziale Verbindung untereinander aufweisen. Dieser Aspekt widerspricht sich laut dem schwedischen Psychologen mit den Merkmalen einer Schulklasse, die über längere Dauer ein relativ festes soziales Gefüge mit entsprechenden Beziehungen darstellt (Olweus, 1978, S. 4f.).
Auch wenn die genannten Kritikpunkte von Olweus besonders in Fachkreisen Zustimmung erhalten und im wissenschaftlichen Kontext vor allem der Begriff Bullying Anwendung findet, etablierte sich das Wort Mobbing in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts über den alltäglichen Sprachgebrauch hinaus in zahlreichen europäischen Ländern, so auch in Deutschland. Da im deutschen Wortgebrauch die Begriffe Mobbing und Bullying weitestgehend synonym verwendet werden, schließt sich die vorliegende Arbeit dieser sinngleichen Nutzung an (Wachs et al., 2016, S. 20f.). Gleiches gilt für die Verwendung des Begriffs Viktimisierung, der laut Kritikern zu wenig spezifische Vorgaben enthalte (Schäfer, Korn, Werner & Crick, 2006, S. 4, Online im Internet).
Um das Phänomen Mobbing über die Definition hinaus weiter spezifizieren zu können, werden nachfolgend die unterschiedlichen möglichen Erscheinungsformen analysiert.
2.2 Die Erscheinungsformen im Kontext von Schule
Mobbing kann in unterschiedlicher Art und Weise auftreten. So kann eine Einteilung in physische, verbale und relationale Formen erfolgen. Die physischen Handlungen zielen darauf ab, der Person eine körperliche Verletzung oder einen Schmerz zuzufügen, beispielsweise durch Treten, Schlagen oder Beißen (Wachs et al., 2016, S. 27). Dabei müssen die Angriffe nicht zwangsläufig zu offensichtlichen Wunden führen, wie z. B. beim Kneifen. Derartige Formen werden besonders von jüngeren Kindern genutzt, während sich mit zunehmendem Alter und der Kraft der Beteiligten die Verletzungsgefahr erhöht. Allerdings beginnt Mobbing selten mit groben, physischen Handlungen. Diese treten gewöhnlich erst in fortgeschrittener Zeit auf, wenn ihnen weniger offensichtliche Attacken vorausgegangen sind (Alsaker, 2012, S. 26f.). Die verbale Form des Mobbings beinhaltet sämtliche sprachliche Angriffe, wie z. B. Beleidigungen, Drohungen oder böses Auslachen (Wachs et al., 2016, S. 27). Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass diese Art des Bullyings am häufigsten vorkommt (z.B. Olweus, 1996). Relationales Mobbing hingegen umfasst die Schädigung sozialer Beziehungen sowie der Zugehörigkeit und der Akzeptanz. Zu diesem gehören u. a. der bewusste Ausschluss aus der Gruppe, die Nichtbeachtung sowie das Verbreiten von Gerüchten. Konkret bedeutet dies, dass eine Person durch Manipulationen auf der sozialen Ebene versucht, das betroffene Kind zu schädigen (Wachs et al., 2016, S. 27).
Neben den eben genannten, verschiedenen Erscheinungsarten kann Mobbing zudem in direkte und indirekte Interaktionsformen unterteilt werden. Zum direkten Bullying gehören alle Attacken, die mit einer unmittelbaren Konfrontation zwischen den AngreiferInnen und dem Opfer einhergehen (Wachs et al., 2016, S. 28). Das bedeutet, die Beteiligten stehen sich gegenüber und die Rollen sind für Außenstehende offensichtlich (Alsaker, 2012, S. 26). Bei indirekten Formen des Mobbings hingegen meidet der bzw. die TäterIn die unmittelbare Konfrontation mit dem Opfer (Alsaker, 2012, S. 31). Daraus ergibt sich der Vorteil, dass keine Gegenangriffe zu befürchten sind. So kann der bzw. die TäterIn in der Rolle unentdeckt bleiben und den Anschein wahren, keine schädigende Intention zu haben (Alsaker, 2003, S. 23).
Die genannten direkten und indirekten Interaktionsformen können sowohl physisch, verbal als auch rational auftreten. So kann körperliches Mobbing einerseits direkt erfolgen, indem das Opfer physisch angegriffen wird. Andererseits kann der bzw. die TäterIn auf die indirekte Form zurückgreifen, indem er bzw. sie dem betroffenen Kind z. B. Fallen stellt, wodurch es körperlichen Schaden erleiden kann. Ebenfalls kann verbales Mobbing sowohl direkt als auch indirekt umgesetzt werden. Ersteres erfolgt durch Beleidigungen, die sich unmittelbar an das Opfer richten. Beim indirekten, verbalen Bullying erfolgen die negativen Bemerkungen zwar immer noch im Beisein des Opfers, diese werden aber nicht direkt an das betroffene Kind gerichtet, sondern gegenüber anderen kommuniziert. Relationales Mobbing kann ebenfalls direkt oder indirekt ausgeführt werden. Ersteres beinhaltet den konkreten Ausschluss aus der Gruppe. Indirekt relationales Mobbing impliziert hingegen das Verbreiten von Gerüchten, sodass sich die Peers von dem Opfer fernhalten und den Kontakt aufgeben (Wachs et al., 2016, S. 28f.).
Nachdem die verschiedenen Erscheinungsformen von Bullying näher erläutert wurden, wird im nächsten Kapitel geklärt, welche Verhaltensformen nicht dazu gehören. Diese Unterscheidung ist für die zugrundeliegenden Fragestellungen nicht weniger bedeutsam als die vorherigen Ausführungen, um in der Praxis eine korrekte Einschätzung der Prävalenz von Mobbing vornehmen zu können.
2.3 Abgrenzung Mobbing gegenüber anderen Verhaltensformen
Aggression und Gewalt versus Mobbing
Im Alltag ist es nicht immer leicht, Mobbingsituationen zu erkennen, da diese Ähnlichkeiten mit anderen Verhaltensformen aufweisen können. So gibt es Parallelen zum aggressiven Verhalten, indem dieses wie Bullying ebenfalls die Absicht impliziert, der betroffenen Person Schaden zuzufügen oder es zumindest zu versuchen (Wachs et al., 2016, S. 31f.). Allerdings geht Mobbing immer mit einem Machtungleichgewicht und einem wiederholten Handeln einher. So kann es zwar in Verbindung mit einem aggressiven Verhalten auftreten, steht aber nicht in einem unweigerlichen Zusammenhang damit. Folglich werden Handlungen, die andere absichtsvoll schädigen, aber die genannten weiteren Merkmale von Bullying nicht aufweisen, als aggressive Auseinandersetzungen gewertet (Olweus, 1999a, S. 12).
Ähnlich wie aggressives Verhalten wird auch der Begriff Gewalt mit Mobbing oft synonym verwendet. Deren Definition ist dabei vom jeweiligen Kulturkreis abhängig. Die WHO (2003) beschreibt Gewalt als intendierten Gebrauch körperlichen Zwangs oder Macht, die entweder angedroht oder tatsächlich gegenüber sich selbst, einer oder mehrerer Personen umgesetzt wird (S. 6, Online im Internet). Die Definition impliziert ein bestehendes Machtungleichverhältnis zwischen TäterIn und Opfer und umfasst neben tatsächlich umgesetzten, körperlichen Angriffe auch Drohungen. Im Gegensatz zum Mobbing unterscheiden sich gewalttätige Akte aber dadurch, dass sie keiner Wiederholung bedingen und zwischen Personen auftreten können, die in keinem sozialen Verhältnis zueinander stehen (Wachs et al., 2016, S. 33f.).
Die folgende Darstellung gibt einen Überblick über die genannten Aspekte:
Tab. 1: Abgrenzung Aggression und Gewalt (adaptiert nach Wachs et al., 2016, S. 34)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Folglich kann Mobbing zwar immer als aggressives und gewalttätiges Handeln gewertet werden, jedoch nicht umgekehrt, da es einer Wiederholung und einer sozialen Beziehung zwischen den Beteiligten bedarf.
Tobspiele und Necken versus Mobbing
Neben den Gemeinsamkeiten, die Mobbing mit den Aspekten der Gewalt und Aggression aufweist, gibt es noch weitere Handlungen, die von Außenstehenden fälschlicherweise als Bullying eingestuft werden können. Dabei besteht die Gefahr, dass bei altersangemessenen, sogar entwicklungsförderlichen Interaktionsmustern eingeschritten wird (Wachs et al., 2016, S. 30). Zu diesen gehören z. B. Tobspiele, die dadurch gekennzeichnet sind, dass SchülerInnen mit ungefähr der gleichen Stärke auf eine spielerische Art und Weise miteinander agieren. Untersuchungen zeigen, dass vor allem Erwachsene Schwierigkeiten haben, diese Verhaltensweisen von Mobbing oder Aggression zu unterscheiden (Schäfer & Smith, 1996, S. 173). Dabei können Tobspiele die Ausbildung sozialer Kompetenzen bei den Kindern fördern, indem sie zur Grenzfindung und -ziehung beitragen und dabei unterstützen, unbeabsichtigt entstandene Konflikte zu lösen (Sutton-Smith, 1994, S. 144).
Eine weitere Unterscheidung von Mobbing bedarf das zu jedem Schulalltag gehörende Necken zwischen SchülerInnen. Dieses kann als freundschaftliches Hänseln in Form von spottenden Äußerungen gewertet werden. Necken nimmt laut Untersuchungen ebenfalls eine bedeutende Position im Entwicklungsprozess der Kinder ein. So kann es positiv zum Beziehungsaufbau beitragen und die Herstellung sozialer Bindungen begünstigen (Alberts, Kellar-Guenther & Corman, 1996, S. 443f.). Anders als beim Mobbing existiert beim Necken, wie auch bei den Tobspielen, kein Machtungleichgewicht zwischen den Beteiligten bzw. wird es nicht ausgenutzt (Wachs et al., 2016, S. 37). Die Unterscheidung zwischen Necken und Mobbing kann für Außenstehende jedoch eine besondere Herausforderung darstellen, da dies vor allem von der Wahrnehmung der involvierten Kinder abhängig ist. So kann die Verwendung von Spitznamen sowohl scherzhaft als auch feindselig gemeint sein (de Klerk & Bosch, 1996, S. 534f). Sofern Letzteres intendiert wird und das Verhalten gegenüber einer bestimmten Person an Kontinuität zunimmt, kann dies zu einem Machtungleichgewicht führen und sich zum Mobbing entwickeln.
Nachdem Bullying nun näher spezifiziert worden ist, wird nachfolgend analysiert, welche Bedingungen überhaupt erst zur Entwicklung von Mobbing führen können. Diesbezüglich werden personenbezogene Aspekte, familiäre Gegebenheiten, das Umfeld der Schule und des Horts aufgeführt.
2.4 Entstehungsbedingungen
Die Untersuchungsergebnisse zum Thema Mobbing offenbaren bestimmte Faktoren, die zu einem erhöhten Risiko führen, Opfer oder TäterIn von Viktimisierungsprozessen zu werden. Die unterschiedlichen Bedingungen wirken gewöhnlich nicht getrennt voneinander, sondern führen meist erst durch ihr Zusammenwirken zum Mobbing, was die Bestimmung der auslösenden Aspekte erschwert (Wachs et al., 2016, S. 53).
Mögliche Risikofaktoren für Mobbing können im Kind selbst oder in seiner Umwelt begründet liegen. Letztere schließt sozioökonomische Hintergründe, familiäre Bedingungen sowie Aspekte innerhalb des sozialen Kontexts ein. Ob die genannten Faktoren aber letztendlich zur Viktimisierung führen, hängt von der Veranlagung des Kindes ab. Diese bestimmt maßgeblich, inwieweit sich die Risikofaktoren negativ auf die Kindesentwicklung auswirken (Scheithauer et al., 2003, S. 71).
Der Mangel an Längsschnittstudien im Bereich Mobbing führt allerdings zu der Problematik, dass der Zeitpunkt des Auftretens der Bedingungen, die als mögliche Auslöser für Viktimisierungsprozesse erfasst wurden, nicht eindeutig nachweisbar ist. Um als Risikofaktoren gewertet werden zu können, müssten diese bereits vor dem Beginn von Bullyinng vorliegen. Dies kann anhand der Dominanz von Querschnittstudien in diesem Bereich allerdings nicht nachgewiesen werden. So ist nicht klar, ob die erfassten Bedingungen die Wahrscheinlichkeit von Mobbing erhöhen, sie erst damit einhergehen oder eine Folge der Viktimisierung darstellen. Dieser Aspekt muss bei der nachfolgenden Analyse der einzelnen Risikofaktoren berücksichtigt werden (Scheithauer et al., 2003, S. 71).
2.4.1 Personenbezogene Aspekte
Im letzten Jahrhundert gab es nur wenige Untersuchungen, die geprüft haben, inwieweit die biologische und genetische Veranlagung für die Ausbildung der verschiedenen Status im Mobbingprozess verantwortlich ist. In den vergangenen Jahren stieg allerdings das Interesse für deren Erforschung (Hess & Scheithauer, 2015, S. 431). Eine Untersuchung von Zwillingen ergab, dass die persönliche Disposition 73 % der Unterschiede bei Opfern und 61 % bei TäterInnen ausmacht (Ball et al., 2008, S. 104).
Welche Merkmale für die im Mobbingprozess beteiligten Rollen charakteristisch sind, wird nachfolgend näher aufgeführt. Dabei wird am Ende des Kapitels noch auf die generellen Alters- und Geschlechtsunterschiede bei Viktimisierungen eingegangen.
Die Rolle des Opfers
Die Untersuchungen richten sich u. a. auf die Relevanz der Äußerlichkeiten der Betroffenen. Diesbezüglich liegen unterschiedliche Studienergebnisse vor. So ergeben die Befunde von Lagerspetz et al. (1982) durchaus einen Zusammenhang zwischen dem Erscheinungsbild und der Viktimisierung. Demnach sind die Opfer den TäterInnen meist körperlich unterlegen (Lagerspetz, Björkqvist, Berts & King, 1982, S. 51). Die physische Überlegenheit der AngreiferInnen weist auch Olweus (1978) in seinen Untersuchungen aus, beschränkt sich aber hauptsächlich auf diesen Aspekt (S. 136). Laut ihm würden äußerliche Abweichungen, wie z. B. Fettleibigkeit oder das Tragen einer Sehhilfe nur in geringem Maße zur Viktimisierung beitragen (Olweus, 1996, S. 40). Lagerspetz et al. (1982) hingegen belegten anhand ihrer Studie, dass auch Übergewicht oder andere körperliche Beeinträchtigungen zu den risikoerhöhenden Bedingungen gehören (S. 51).
Neben den körperlichen Besonderheiten und kognitiven Voraussetzungen kann die Opferrolle auch mit einem bestimmten Auftreten einhergehen. Demnach wirken viktimisierte Kinder laut Untersuchungen häufig schwach, unsicher und ängstlich (Olweus, 1978, S. 166f.). Des Weiteren verfügen sie über ein geringes Selbstwertgefühl, agieren passiv und haben Probleme, sich zu verteidigen (Rigby, 1997, S. 48). Zudem sind sie häufig sensibel und zurückhaltend (Olweus, 1993, S. 32). Dies könnte ein möglicher Grund für deren Viktimisierung sein, da Untersuchungen zeigen, dass Kinder besonders dann gemobbt werden, wenn sie ein in sich gekehrtes, zurückgezogenes Verhalten zeigen (Troy & Sroufe, 1987, S. 168). Zudem werden den Opfern weitere Kompetenzdefizite in Form mangelnder Freundlichkeit, Kooperationsfähigkeit und anderen sozialen Fertigkeiten zugeschrieben (Scheithauer et al., 2003, S. 73). Dies wird unter Kapitel 3 noch näher analysiert. Die genannten Eigenschaften und Verhaltensweisen lassen einen Teufelskreis entstehen. So nimmt das Opfer durch die systematischen Attacken eine Abwehrhaltung ein, die zur Veränderung seines Verhaltens führt. Es entwickelt zunehmend spezielle Eigenheiten, die das Vorgehen der TäterInnen verstärken (Schäfer & Linster, 2002, S. 7f., Online im Internet).
Dies kann sich auch auf seinen Status in der Gruppe auswirken. So erhalten die Opfer laut den Untersuchungen von Olweus (1978) die geringste Anerkennung von Gleichaltrigen (S. 166f.). Jedoch zeigen die Befunde von Schäfer und Korn (2005), dass die Popularität mit dem Alter variiert. Demnach sind es in der Grundschule zunächst die TäterInnen, die am stärksten von den Peers abgelehnt werden. Erst in den weiterführenden Schulen ändern sich die Einstellungen der MitschülerInnen gegenüber den TäterInnen und der Opfer, indem letztere die größte Zurückweisung erfahren (S. 103).
Die Rolle der TäterInnen
Das Verhalten von TäterInnen ist geprägt von der kontinuierlichen Missachtung der Rechte anderer und der Nicht-Einhaltung sozialer Normen (Hess & Scheithauer, 2015, S. 430). MobberInnen sind häufig selbst Opfer familiärer Gegebenheiten , in denen sie verletzt und gedemütigt wurden. Sie entwickeln Wut und den Wunsch nach Revanche und werden schnell zu TäterInnen, wenn sie eine entsprechende physische Kraft erlangen (Hazler, 1996, S. 10). So versuchen sie fortdauernd auf andere psychisch oder physisch negativ einzuwirken und diese zu kontrollieren, um damit die eigene empfundene Unzulänglichkeit zu kompensieren (Elkind & Weiner, 1978, S. 431). So ist es kein Zufall, dass MobberInnen häufig über eine größere körperliche Stärke als ihre Opfer verfügen. Den TäterInnen geht es nicht um die Erprobung ihrer physischen Kraft, sondern sie streben vielmehr nach Macht und Anerkennung und genießen die Kontrolle über andere (Hazler, 1996, S. 10). Das damit oftmals einhergehende aggressive Verhalten ist ein charakteristisches Wesensmerkmal von TäterInnen. So weisen MobberInnen gewöhnlich eine positive Haltung gegenüber Gewalt und deren Anwendung auf und zeigen wenig Mitgefühl gegenüber ihren Opfern. Es scheint sie zu befriedigen, andere zu attackieren und zu schikanieren (Olweus, 1996, S. 44f.). Dies wird meist durch das Verhalten der viktimisierten Kinder verstärkt, indem TäterInnen und Opfer komplementär zueinander agieren (Schäfer & Linster, 2002, S. 8, Online im Internet). Darüber hinaus sind Kinder, die andere viktimisieren, häufig impulsiv, lebhaft und dominant. Sie verfügen über eine idealisierte Eigenwahrnehmung und ein großes Selbstvertrauen (Lagerspetz et al., 1982, S. 47).
Während sich die Mobbingforschung lange Zeit nur auf die TäterInnen und Opfer konzentrierte, berücksichtigen neuere Forschungen noch eine weitere Rolle im Viktimisierungsprozess. Dabei handelt es sich um Kinder, die sowohl die Funktion des Opfers als auch des Täters bzw. der Täterin einnehmen.
Die Rolle der Opfer/TäterInnen
Zahlreiche neuere Studien (z.B. Wolke, Woods, Bloomfield & Karstadt, 2000) beziehen in ihren Auswertungen eine weitere Gruppe ein und weisen für diese bestimmte Merkmale aus. So erfolgt eine bewusste Abgrenzung von den reinen TäterInnen und Opfern, während sie in den älteren Untersuchungen (z.B. Olweus, 1978) noch als Sonderform viktimisierter Kinder ausgewiesen werden. Dabei haben die Opfer/TäterInnen von allen Gruppen die größten Probleme (Ball et al., 2008, S. 104). Sie werden zwar auch viktimisiert, weisen jedoch ähnlich wie die MobberInnen ein sozialfeindliches Verhalten und mannigfaltige Anpassungsprobleme auf. Anders als die proaktiv gewalttätigen, rationell handelnden TäterInnen treten diese Kinder reaktiv aggressiv, unbeherrscht und sogar ängstlich auf (Olweus, 1996, S. 43). Während sie den Kampf mit physisch Stärkeren verlieren, versuchen sie sich bei schwächeren Kindern durchzusetzen. Die Opfer/TäterInnen sind impulsiv, temperamentvoll und lebhaft (Perry, Kusel & Perry, 1988, S. 812). Ihre feindselige Haltung und kognitive Verzerrung erzeugen in ihrer Umgebung häufig Ärger und Spannung (Schwartz, Dodge, Pettit & Bates, 1997, S. 673). Letzteres könnte eine Erklärung dafür sein, dass sie zu den Unbeliebtesten in ihrer Gruppe gehören. Dabei erhöht diese Ablehnung das Risiko für eine spätere Fehlanpassung (Perry et al., 1988, S. 812).
Die Prävalenz der unterschiedlichen Mobbingrollen kann je nach Alter und Geschlecht variieren. Inwiefern diese Faktoren das Auftreten von Viktimisierungen beeinflussen können, wird nachfolgend näher aufgeführt.
Altersunterschiede beim Mobbing
Grundsätzlich tritt Mobbing bereits im Kindergarten auf. Dabei werden vor allem die jüngeren Kinder schnell zum Opfer, während die TäterInnen meist die Älteren sind. Dies ist angesichts der Tatsache, dass eine Bedingung für Mobbing ein bestehendes Machtungleichgewicht ist, wenig verwunderlich. Dabei suchen sich die TäterInnen bewusst Kinder, bei denen sie während Attacken keine Gegenwehr befürchten müssen (Alsaker, 2003, S. 70f.). Auch die Studien von Olweus (1996) an Schulen belegen, dass besonders die jüngeren und die körperlich unterlegenen SchülerInnen Opfer von Mobbing werden. Laut seinen Untersuchungen sinkt in Übereinstimmung mit anderen Studien (z.B. Whitney & Smith, 1993) die Anzahl an Viktimisierungen kontinuierlich mit zunehmendem Alter (Olweus, 1996, S. 26f.). Die Studienergebnisse von Rigby (1997) weichen jedoch von diesen Befunden ab. Zwar stimmt er darin überein, dass die Prävalenz von Mobbing bis zum Ende der Grundschulzeit kontinuierlich abnimmt, jedoch führt der Übergang in die weiterführende Schule laut seinen Untersuchungen zu einem erneuten Anstieg (Rigby, 1997, S. 36).
Auch wenn die meisten Studien einen Rückgang von Mobbing mit zunehmendem Alter nachweisen konnten, relativieren andere Untersuchungen diese Befunde vor dem Hintergrund der stärkeren Berücksichtigung der unterschiedlichen Bullyingformen (Whitney & Smith, 1993; Rigby, 1997). Demnach sinkt grundsätzlich die Anzahl an körperlichen, verbalen und relationalen Viktimisierungen mit steigender Klassenstufe (ausgenommen der Übergang in die weiterführenden Schulen), jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. So nehmen mit zunehmendem Alter besonders die körperlichen Formen von Mobbing ab. Hingegen steigt der relative Anteil verbaler Attacken, bezogen auf die Gesamtanzahl an Bullyingfällen. Im Verhältnis dazu bleiben die relationalen Mobbingformen mit zunehmender Klassenstufe konstant (Rigby, 1997, S. 38f.). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass bei einer altersspezifischen Betrachtung des Bullyingvorkommens nicht nur die körperlichen, sondern auch die verbalen und relationalen Formen ausreichend Berücksichtigung finden müssen.
Geschlechtsunterschiede beim Mobbing
Die Studienergebnisse von Olweus (1996) aus der Befragung der Klassenstufen zwei bis neun ergaben, dass die Jungen sowohl auf der TäterInnen- als auch auf der Opferseite überwiegen. Während die Geschlechtsunterschiede in der Grundschule noch weniger prägnant sind, zeigen sich diese besonders deutlich mit zunehmendem Alter in der weiterführenden Schule. So werden Jungen ungefähr dreimal häufiger Opfer von Mobbing als Mädchen. Doch die Studienergebnisse belegen auch eine signifikant stärkere Prävalenz von männlichen TäterInnen. Auch wenn der Geschlechtsunterschied bereits in der Grundschule deutlich stärker ausgeprägt ist als bei den Opfern, zeigen die Untersuchungen auch hier einen Anstieg in den weiterführenden Schulen. So ist die Anzahl der männlichen Täter viermal höher als die der weiblichen (Olweus, 1996, S. 29f.).
Wenngleich andere Studien ebenfalls derartige Geschlechtsunterschiede ausweisen (z. B. Whitney & Smith, 1993), existieren aber auch Untersuchungsergebnisse, die eine verhältnismäßig gleiche Verteilung zwischen Jungen und Mädchen belegen (Alsaker, 2003). Ein möglicher Grund könnte die unzureichende Berücksichtigung der verschiedenen Mobbingformen sein. So zeigen Studien, dass Jungen direkte körperliche und verbale Viktimisierungen durchaus häufiger nutzen und erleben als Mädchen, während bei indirekten und relationalen Bullyingformen kein Geschlechtsunterschied (Craig, 1998, S. 128f.) bzw. ein erhöhtes Auftreten bei Mädchen (Whitney & Smith, 1993, S. 15) festgestellt werden konnte. Die Ausführungen verdeutlichen die Relevanz der Abgrenzung und Erfassung der unterschiedlichen Mobbingformen, insbesondere der für die Außenstehenden weniger offensichtlichen Formen.
2.4.2 Einfluss der Familie
Kinder verfügen bereits vor ihrer Einschulung über bestimmte lebensweltliche Erfahrungen, die Auswirkungen auf ihr Verhalten in der Schule haben. Dabei scheint der familiäre Kontext besonders bei jüngeren Kindern eine wesentliche Funktion einzunehmen (Smith & Myron-Wilson, 1998, S. 407). So existieren in der frühen Kindheit wenig Vergleichsmöglichkeiten außerhalb des familiären Umfeldes. Des Weiteren besteht zu dieser Zeit eine besondere Empfänglichkeit für das Lernen bestimmter Verhaltensweisen (Hazler, 1996, S. 34). Auch wenn sich die Forschung über die Bedeutsamkeit des familiären Einflusses einig ist, herrscht jedoch große Uneinigkeit über die Gegebenheiten, die Mobbingverhalten bei Kindern begünstigen. Im Folgenden werden verschiedene risikoerhöhende, familiäre Bedingungen vorgestellt, die aufgrund der genannten Studienlage jedoch nur einen Ausschnitt darstellen können.
Opfer
Studien zeigen, dass Opfer häufig restriktiv erzogen werden und aus überbehüteten, meistens von der Mutter ausgehenden, Familienverhältnissen kommen (Olweus, 1978, S. 168). Dadurch sind besonders Jungen gefährdet, viktimisiert zu werden, da sie Konfliktsituationen lieber meiden. Dies führt dazu, dass sie im Umgang damit nicht geübt sind und Schwierigkeiten haben, sich bei Mobbing zur Wehr zu setzen (Hess & Scheithauer, 2015, S. 433). Des Weiteren ergaben Untersuchungen, dass Opfer im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen eine positivere Beziehung zu ihren Geschwistern haben und ihre Bezugsperson meist ein Elternteil (Vater oder Mutter) darstellt. Dies ist ein signifikanter Unterschied zu den beiden anderen Mobbingrollen, die in der Untersuchung angaben, einen engeren Kontakt zu anderen Familienmitgliedern, wie z.B. Großeltern oder Cousins, zu haben (Bowers, Smith & Binney, 1994, S. 221-223). Die stärkere Interaktion der Opfer mit den Familienmitgliedern kann aber auch ein Grund für deren Viktimisierung sein, indem sie keine individuelle Entwicklung durchleben und Schwierigkeiten haben, sich bei Mobbing zur Wehr zu setzen (Rigby, 1993, S. 503). Wiederum andere Untersuchungen ergaben, dass auch ein schwieriges Verhältnis zu den Eltern das Risiko erhöht, Opfer von Mobbing zu werden. So erleben diese im Vergleich zu nicht viktimisierten Kindern weniger elterliche Unterstützung (Holt & Espelage, 2007, S. 991).
TäterIn
Rigby (1993) ermittelte in seinen Studien ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung zum Täter bzw. zur Täterin bei psychosozial belasteten familiären Bedingungen. So kommen MobberInnen häufig aus sozioökonomisch schwächeren Familien mit geringer Erziehungskompetenz (Rigby, 1993, S. 508). Letzteres greift auch Olweus (1993) in seinen Studien auf. Er begründet das aggressive Verhalten, das als signifikantes Wesensmerkmal von TäterInnen und auch Opfer/TäterInnen gilt, mit der fehlenden Intervention und Kontrolle der Eltern sowie deren negative emotionale Haltung gegenüber den Kindern. Das gewaltbereite Agieren wird außerdem durch die Machtausübung der Eltern auf ihre Kinder in Form körperlicher Bestrafung und starker emotionaler Ausbrüche gefördert. Aber auch elterliche Konflikte, die offensiv und aggressiv in der Familie ausgehandelt werden, können zum negativen Modelllernen führen (Olweus, 1993, S. 39). Diesbezüglich deuten Studien darauf hin, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit darin besteht, dass der Nachwuchs von Kindern, die andere viktimisieren, ebenfalls später zu TäterInnen werden (Farrington, 1993, S. 383). Im Gegensatz zu den Opfern existiert in den Familien der MobberInnen ein geringerer Zusammenhalt (Bowers, Smith & Binney, 1994, S. 221). Zudem weisen die TäterInnen ein ambivalentes Verhältnis zu ihren Geschwistern auf und haben einen engeren Kontakt zu anderen Familienmitgliedern als zu den Eltern (ebd., S. 224).
Opfer/TäterIn
Studien ergaben, dass Opfer/TäterInnen im Vergleich zu den anderen Status eine überdurchschnittlich starke väterliche und eine hohe mütterliche Übervorsorge erleben. Auf der anderen Seite zeigten Untersuchungen aber auch eine besonders hohe elterliche Vernachlässigung dieser Gruppe. So erleben Opfer/TäterInnen im Vergleich zu den anderen Mobbingrollen die geringste elterliche Kontrolle und Disziplin (Bowers, Smith & Binney, 1994, S. 224). Dieses gegensätzliche Erleben führt dazu, dass die betroffenen Kinder sowohl die Rolle des Opfers als auch des Täters bzw. der TäterIn internalisiert haben (Troy & Sroufe, 1987, S. 170). Des Weiteren ergaben die Untersuchungen ähnlich wie bei den TäterInnen, dass diese Gruppe einen engeren Kontakt zu anderen Familienmitgliedern als zu den Eltern hat. Ein signifikanter Befund dabei war, dass die Opfer/TäterInnen die Einzigen waren, die angaben, dass sie die stärkste Beziehung zu sich selbst haben und sich im Vergleich zu den anderen Rollen viel mit sich selbst beschäftigten (Bowers et al., 1994, S. 221-223).
2.4.3 Faktoren des schulischen Umfeldes
Wie eingangs bereits erwähnt, wirken die jeweiligen Faktoren, die die Entstehung von Mobbing begünstigen können, gewöhnlich nicht getrennt voneinander. So beeinflussen die steigenden lebensweltlichen Probleme und die damit verbundenen psychischen Auffälligkeiten der Kinder auch zunehmend den Schulalltag (Klipker, Baumgarten, Göbel, Lampert & Hölling, 2018, S. 37-39). Eine mögliche Folge dieser Entwicklung ist die Entstehung von Mobbing. Dieses tritt besonders im sozialen Gefüge auf, bei dem das Opfer aufgrund der strukturellen Gegebenheiten den körperlichen oder verbalen Attacken nicht ausweichen kann (Schäfer & Korn, 2001, S. 236). Jedoch weisen Untersuchungen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Prävalenz von Mobbing im schulischen Kontext aus, sodass verschiedene Faktoren betrachtet werden, die Viktimisierungen begünstigen können.
Äußere Rahmenbedingungen
Oftmals besteht die Vermutung, dass es besonders an städtischen Schulen zu Mobbing kommt. Auch wenn Lagerspetz et al. (1982) in ihren Untersuchungen einen Unterschied hinsichtlich der Häufigkeit von Viktimisierungsprozessen in ländlichen und städtischen Schulen feststellten, waren diese in Städten jedoch nur geringfügig höher (S. 49). Olweus (1993) widerlegte durch seine landesweiten norwegischen Studien diese Hypothese sogar und stellte ein größeres Problembewusstsein bei Großstadtschulen fest (Olweus, 1993, S. 23). Weiterhin wurde in Studien untersucht, inwieweit die Größe der Schule und der Klasse das Auftreten von Viktimisierungsprozessen beeinflussen. Eine weit verbreitete Annahme ist, dass die Anzahl der Mobbingfälle mit zunehmender Schulgröße und Klassenstärke steigt. Zahlreiche Untersuchungen widerlegen diesen Zusammenhang jedoch (z.B. Olweus 1978, Lagerspetz 1982).
Im Schulkontext finden sich aber noch weitere strukturelle Faktoren, die Viktimisierungsprozesse begünstigen können, wie z.B. die Schulform. Erstaunlicherweise gibt es nur wenige Studien, die deren Einfluss auf die Prävalenz von Mobbing untersuchen. Dennoch konnte ein Zusammenhang zwischen der Schulform und der Häufigkeit von Viktimisierungen festgestellt werden. So zeigt eine breit angelegte Studie aus Österreich (Spiel & Atria, 2002), dass das Risiko für Mobbing mit zunehmendem akademischem Grad sinkt und an Gymnasien am geringsten ist (Scheithauer et al. 2003, S.84). Hingegen weisen Grundschulen die höchste Wahrscheinlichkeit für Viktimisierungen auf. Damit übertreffen sie die Werte der Hauptschule (Jannan, 2010, S. 23). Sicherlich ist es vor dem Hintergrund der allgemeinen Ansicht überraschend, dass die Grundschule ein höheres Risiko für Mobbing aufweist als die Hauptschule. Da in der Sekundarstufe gewalttätige Formen jedoch meist offensichtlicher und schwerwiegender sind, geraten insbesondere die Hauptschulen in den Fokus der Öffentlichkeit (Jannan, 2010, S. 23). Welche möglichen Gründe es für die hohe Zahl an Viktimisierungen in der Primarstufe gibt, wird in den späteren Ausführungen noch näher erläutert.
Weiterhin zeigen Untersuchungen, dass die Prävalenz von Mobbing je nach Räumlichkeiten differiert. So ergaben Untersuchungen, dass insbesondere in Grundschulen Mobbing am meisten auf dem Schulhof (65 %) stattfindet, gefolgt vom Klassenzimmer (61 %) und den Gängen (37 %) (Smith & Shu, 2000, S. 200). Dabei finden direkte körperliche oder verbale Viktimisierungen vor allem auf dem Schulhof statt, während indirekte Arten (z.B. Gerüchte erzählen oder jemanden ignorieren) eher im Klassenraum vorkommen (Rivers & Smith, 1994, S. 363).
Schulinterne Faktoren
Neben den genannten äußeren Rahmenbedingungen können auch schulinterne Faktoren das Auftreten von Mobbing begünstigen. So wirken sich fehlende Schulregeln und ein inkonsequentes LehrerInnenverhalten negativ auf das Schulklima und die Lernkultur aus, indem die Kinder das Gefühl bekommen, dass Verhaltensverstöße nicht sanktioniert werden. Die Lehrperson kann jedoch nicht nur durch ausbleibende Konsequenzen bei Fehlverhalten zur Entstehung von Mobbing beitragen, sondern auch durch ihr generelles Auftreten gegenüber den SchülerInnen. So wirken sich fehlendes Engagement und Desinteresse der Lehrkraft an der persönlichen Weiterentwicklung der Kinder negativ auf deren schulisches Wohlbefinden aus und begünstigen das Auftreten von Viktimisierungen (Jannan, 2010, S. 28).
Neben den bereits genannten schulinternen Faktoren, die zu Viktimisierungen beitragen können, rückt zunehmend auch die Bedeutung des kollektiven Gefüges ins Blickfeld der Untersuchungen. Dabei geht es weniger um dessen Größe, dessen Relevanz bereits erläutert wurde, als um die intern ablaufenden Gruppenprozesse. So ergab eine Studie aus Österreich erhebliche Unterschiede in den Mobbingraten zwischen den einzelnen Klassen derselben Schule von bis zu über 50% (Atria, Strohmeier & Spiel, 2007, S. 382f.). Dies kann zum einen dadurch erklärt werden, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung von Viktimisierungen innerhalb einer Klasse ist, dass es überhaupt ein Kind gibt, dass die Merkmale eines potentiellen Täters bzw. einer potentiellen Täterin aufweist (siehe Kapitel 2.4.1). Darüber hinaus bedarf es einem geeigneten Opfer, das über die bereits beschriebenen Eigenschaften verfügt. Andernfalls würde es zwar zu Attacken gegenüber den MitschülerInnen kommen, diese wären aufgrund ihrer geringen Zielgerichtetheit aber in der Regel weniger intensiv (Olweus, 1978, S. 149f.).
Wie die Forschungsbefunde der letzten Jahre jedoch zeigen, reicht das Vorhandensein eines potentiellen Täters bzw. einer potentiellen TäterIn und eines Opfers allein nicht aus. Da es sich bei Viktimisierungen um einen gruppendynamischen Prozess handelt, können TäterInnen die mit dem Mobbing einhergehende soziale Macht nur erlangen, wenn sie die vorherrschenden sozialen Normen innerhalb der Klasse zu ihrem Vorteil beeinflussen. Dies wird durch das relativ starre Klassengefüge unterstützt, bei dem die SchülerInnen kaum Ausweichmöglichkeiten haben. So müssen sie zwangsläufig zur Sicherung des eigenen sozialen Stellenwerts im Mobbingprozess Stellung beziehen und sich entweder für die Position der TäterInnen oder der Opfer entscheiden (Schäfer & Korn, 2004, S. 5). Dadurch wird die Entstehung und das Fortbestehen von Viktimisierungen durch die Verhaltensweisen der Gleichaltrigen unterstützt, selbst wenn der Großteil der MitschülerInnen nicht aktiv an den Attacken beteiligt ist. Fehlendes Einschreiten und Ignorieren von Mobbingvorfällen kann dazu führen, dass die TäterInnen sich in ihrem Verhalten bestätigt fühlen. Dies verdeutlicht, dass nicht nur die viktimisierten Kinder und deren Peiniger eine entscheidende Funktion im Mobbingprozess einnehmen, sondern auch die vermeintlich Unbeteiligten (Salmivalli, Lagerspetz, Björkqvist, Österman & Kaukiainen, 1996, S. 2). In diesem Zusammenhang entwickelten Salmivalli und Kollegen (1996) den Participant Role Approach, der neben den TäterInnen und Opfern weitere Rollen bei Viktimisierungen herausstellt. Demnach gehören zu den weiteren Personen innerhalb eines Mobbingprozesses die Assistenten, die Verstärker, die Verteidiger und die Außenstehenden. Letztere stellen häufig die größte Gruppe dar, durch deren Verhalten ein Großteil möglicher Interventionen ausbleibt (Salmivalli et al., 1996, S. 5f.). Eine nähere Betrachtung des Participant Role Approach kann aufgrund der Begrenzung der vorliegenden Arbeit jedoch nicht erfolgen.
Studien deuten darauf hin, dass nicht nur das Vorhandensein bestimmter Rollen Einfluss auf den Mobbingprozess in der Klasse hat. So führen Untersuchungen strukturelle Besonderheiten in der Primarstufe auf, die eine hohe Anzahl an Viktimisierungen bewirken. Demnach ist die hohe Wahrscheinlichkeit für Mobbing in der Primarstufe mit dem spezifischen Verhalten und dem Sozialgefüge in dieser Altersstufe erklärbar. So sind die Attacken der TäterInnen im Zuge ihrer Aggression eher explorativ statt zielgerichtet, sodass verschiedene Kinder lediglich zufällig zum Opfer werden (Schäfer & Korn, 2005, S. 91). Des Weiteren sind die sozialen Interaktionen der Grundschulkinder noch vom Bedürfnis nach Symmetrie geprägt, was dazu führt, dass auf negative Handlungen schnell mit Gegenattacken reagiert wird. Dies erklärt die leicht erhöhte Anzahl an TäterInnen in der Grundschule (Krappmann, 1999, S. 232). Allerdings ermöglicht das flexible Sozialgefüge durch die Dominanz dyadischer Beziehungen in der Primarstufe, dass Kinder asymmetrischen Beziehungen leicht ausweichen können (Krappmann & Oswald, 1995, S. 83). Dadurch ist die Stabilität der Opferrolle in der Grundschule gering. Dies scheint gemeinsam mit der unmittelbaren Reaktion auf Attacken der Entstehung hierarchischer Strukturen entgegenzuwirken, die in den weiterführenden Schulen ausgeprägter sind (Schäfer, Korn, Brodbeck, Wolke & Schulz, 2003, S. 17) und den Machterhalt der TäterInnen begünstigen (Schäfer & Korn, 2005, S. 91f.).
Erste Tendenzen für die Ausbildung hierarchischer Strukturen zeigen sich allerdings bereits am Ende der Grundschulzeit (Pellegrini & Bartini, 2000a, S. 720). Dies führt dazu, dass die Opferrolle stabil bleibt und diese Kinder auch in der weiterführenden Schule viktimisiert werden (Schäfer et al., 2003, S. 21). Anders verhält es sich in Bezug auf die Stabilität von TäterInnen, bei denen bereits in der Grundschule eine gewisse Konsistenz festgestellt werden konnte, die unabhängig von der hierarchischen Struktur besteht. So zeigt auch die Längsschnittstudie von Schäfer und Korn (2005), dass die Gefahr, in der Sekundarstufe ebenfalls die Rolle der MobberInnen einzunehmen, um das Zweifache erhöht ist (S. 100f.). Dieses Ergebnis verdeutlicht die Relevanz frühzeitiger Prävention und Intervention.
Zusammenfassend verdeutlichen die Ausführungen, dass äußere Rahmenbedingungen einen weitaus geringeren Einfluss auf die Prävalenz von Mobbing haben als angenommen. Dagegen rückt das Klassengefüge zunehmend in den Fokus der Untersuchungen. Dabei begünstigen die strukturellen Gegebenheiten in der Schule die Entstehung von Mobbing. Doch inwieweit verändert sich die Prävalenz von Mobbing in einem anderen institutionellen Rahmen, wie z. B. im Hort?
2.4.4 Gegebenheiten im Hort
Der Hort bietet neben der Schule einen weiteren Lebensbereich, in dem sich die Kinder bewegen. Dabei nimmt er eine zwiespältige Position ein, da es für das soziale Leben der GrundschülerInnen in dieser Lebensphase besonders wichtig ist, auch abseits institutioneller Gegebenheiten Erfahrungen zu sammeln. Jedoch wird die freie Entfaltung außerhalb der Schule durch die Erziehungsfunktion des Horts eingeschränkt (Krappmann, 1984, S. 6, Online im Internet). Dabei geht dieser mit anderen Erfordernissen für die Kinder einher als die Schule. So besteht trotz der erzieherischen Funktion ein offeneres Setting, das Gelegenheit für ein intensiveres Sozialleben der SchülerInnen schafft, jedoch auch Anforderungen an sie stellt. So müssen die Kinder bei der recht freien Zeitgestaltung versuchen, die Bedürfnisse der anderen zu beachten und gemeinsam Aushandlungen vorzunehmen. Dies kann sich bei jüngeren Kindern noch als recht schwierig gestalten, da das in diesem Alter vorherrschende Prinzip der Gleichheit sich nicht nur auf das Alter, sondern auch auf die Chancen und Pflichten bezieht. So fordern die SchülerInnen zwar das gleiche Recht für alle, sind aber in ihren Bedürfnissen und Erwartungen sehr verschieden. Dadurch führt der erforderliche Interessensausgleich bei jüngeren Kindern noch schnell zu Auseinandersetzungen (Krappmann, 1984, S. 3, Online im Internet). Dabei ist es die Aufgabe des Horts, genügend Raum für Aushandlungen zu schaffen, die SchülerInnen aber auch vor einer Überforderung durch fehlende Orientierungshilfe zu schützen (Krappmann, 1984, S. 7, Online im Internet).
Noch mehr als die Schule weist der Hort eine stark heterogene Kindergruppe auf. So sind manche SchülerInnen sehr gut in der Lage, den gebotenen Freiraum in der Nachmittagsbetreuung verantwortlich zu nutzen, während andere sich kaum an Regeln und Vereinbarungen halten. Häufig überwiegen im Hort laut Krappmann (1984) die problembelasteten Kinder, die ihre inneren Konflikte nach außen tragen (S. 7, Online im Internet). Angesichts der genannten Gegebenheiten ist es sehr verwunderlich, dass es kaum Literatur gibt, die sich mit dem Thema Mobbing im Kontext des Horts auseinandersetzt. Dabei deutet die Studie von Hörmann und Schäfer (2009) auf die Relevanz solcher Untersuchungen hin. So zeigen die Befunde, dass vor allem die ErstklässlerInnen in der Nachmittagsbetreuung häufiger viktimisiert werden als in der Schule. Dies ist angesichts der aufgeführten Bedingungen und der Tatsache, dass der Hort meistens altersgemischte Gruppen aufweist, nicht verwunderlich. Zudem belegt die Studie, dass DrittklässlerInnen im Vergleich zum Schulalltag ein aggressiveres Verhalten im Hort zeigen. Durch das altersgemischte Setting werden folglich asymmetrische Machtverhältnisse begünstigt, die ein Merkmal von Mobbing darstellen (Hörmann & Schäfer, 2009, S. 118-120).
Anhand der bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass in einem sozialen Gefüge, wie es in der Schule und im Hort existiert, immer die Gefahr besteht, dass sich Mobbing ausbildet. Dies wird durch die zunehmenden lebensweltlichen Probleme der Kinder noch begünstigt. Welche Auswirkungen Mobbing dabei auf die Betroffenen haben kann, wird nachfolgend aufgezeigt.
2.5 Folgen von Mobbing
Wie bereits in der Definition deutlich wurde, tritt Mobbing wiederholt über einen längeren Zeitraum auf, sodass die Opfer keine Gelegenheit haben, sich zu regenerieren (Wachs et al., 2016, S. 68). Dabei haben die Dauer und die erlebte Intensität der Attacken Auswirkungen auf die vom viktimisierten Kind empfundenen Belastungen und der damit einhergehenden Folgen (Wolke, Copeland, Angold & Costello., 2013, S. 1966f.). So können diese kurz- oder mittelfristig bestehen oder sogar dauerhaft sein. Zu den kurzzeitigen Folgen gehören neben den körperlichen Verwundungen, wie z. B. Kratzer oder blaue Flecken, auch psychosomatische Auswirkungen. Demnach leiden viele Opfer unter regelmäßigen Schlafstörungen, Magen- oder Kopfschmerzen sowie Schwindelgefühlen (Gini, 2008, S. 494). Darüber hinaus können die Viktimisierungen auch Auswirkungen auf die Psyche der Betroffenen haben, indem die Opfer weniger Selbstvertrauen und eine geringere Selbstkontrolle zeigen und grundsätzlich ein negativeres Selbstwertgefühl aufweisen. Zudem gehen die Mobbingattacken für die viktimisierten Kinder mit einem größeren Ausmaß an negativen Emotionen einher, die sich in Wut, Stress, depressiven Gefühle und persönlicher Abwertung äußern (Wolke et al., 2013, S. 1963). Weiterhin kann sich Bullying auch auf das Leistungsvermögen und die Einstellung zur Schule auswirken, indem sich die Opfer im institutionellen Kontext nicht ausreichend geschützt fühlen und Angst um ihre Sicherheit haben. Diese belastenden Bedingungen können sich auch negativ auf die Konzentrationsfähigkeit und folglich auf die Schulleistung auswirken (Kochenderfer & Ladd, 1996, S. 1314f.). Zudem belegen Studien, dass Opfer häufiger dem Unterricht fernbleiben oder die Schule sogar frühzeitig abbrechen (Slee, 1994, S. 104f.).
Mobbing kann neben den genannten kurz- und mittelfristigen Folgen aber auch Langzeitauswirkungen haben. So belegen Studien, dass die Opfer im Vergleich zu den nicht betroffenen Kindern im Erwachsenenalter häufiger niedergeschlagen sind und ein geringeres Selbstwertgefühl aufweisen (Olweus, 1996, S. 43). Darüber hinaus leiden sie vermehrt unter körperlichen und psychischen Beschwerden. Die Mobbingerfahrung wirkt sich aber auch auf das spätere Sozialleben aus, indem die Betroffenen vermehrt Probleme haben, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen (Wolke et al., 2013, S. 1962-1964).
Die Mobbinghandlungen haben aber nicht nur einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Opfer, sondern auch auf die TäterInnen. Die Folgen lassen sich dabei ebenfalls in kurz- oder mittelfristige oder in dauerhafte Auswirkungen einteilen. Erstere äußeren sich wie bei den Opfern als körperliche Beschwerden in Form von z.B. Kopf- oder Magenschmerzen oder Übelkeit (Wolke et al., 2013, S. 1962). Da die TäterInnen häufig zur sozialen Homophilie neigen und Freundschaften zu Kindern aufbauen, die ähnliche Verhaltensweisen und Ansichten haben wie sie selbst, erhalten sie wenig Anregungen und Möglichkeiten zur Ausbildung von prosozialem Verhalten. So können sich die schädigenden Handlungen gegenüber anderen Personen im Laufe der Zeit zunehmend verstärken (Connolly, Pepler, Craig & Taradash, 2000, S. 305).
Hinsichtlich der möglichen Langzeitfolgen belegen Studien, dass mobbende Kinder im späteren Erwachsenenalter häufiger kriminell sind, ein stärkeres Maß an aggressiven Verhalten zeigen und häufig an Depressionen leiden (Wolke et al., 2013, S. 1962). In Bezug auf Liebesbeziehungen konnten Untersuchungen nachweisen, dass TäterInnen im späteren Erwachsenenalter Schwierigkeiten haben, dauerhafte Bindungen einzugehen und diese weniger gefühlvoll sind (Connolly et al., 2000, S. 305f.).
Wie in den Ausführungen zu den Entstehungsbedingungen von Mobbing muss an dieser Stelle ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass bei den genannten möglichen Folgen nicht eindeutig belegt werden kann, ob sie erst durch die Viktimisierungen entstehen oder letztendlich der Ursprung dafür sind. Unabhängig davon ist es aufgrund der gravierenden Auswirkungen, die Mobbing auf die betroffenen Kinder haben kann, wichtig, dass rechtzeitig eingeschritten wird.
2.6 Möglichkeiten der Prävention und Intervention
In der Literatur finden sich eine Vielzahl an möglichen Präventions- und Interventionsmaßnahmen, die bei Mobbing zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingesetzt werden können. So ist die Prävention darauf ausgerichtet, Viktimisierungen erst gar nicht entstehen zu lassen, während die Intervention der Bekämpfung dient und dazu beitragen soll, deren Ausdehnung und Stabilisierung zu verhindern. Trotz der Unterscheidung können viele Maßnahmen sowohl präventiv als auch intervenierend eingesetzt werden (Scheithauer et al., 2003, S. 126f.), was dem Umstand zugutekommt, dass eine klare Trennung in der Praxis häufig schwierig ist (Wachs et al., 2016, S. 162).
Von grundlegender Bedeutung bei der Prävention und Intervention von Mobbing ist, dass die Beteiligten ein Verständnis für das Viktimisierungsgeschehen entwickeln und nicht wegschauen. Mögliche Maßnahmen können sich auf unterschiedliche Bereiche beziehen. So können vorbeugende Handlungen auf der Ebene der SchülerInnen, der Klasse oder der Schule erfolgen. Sofern sich die Prävention auf das individuelle Kind bezieht, kann die Verbesserung des LehrerIn-SchülerIn-Verhältnisses ein mögliches Ziel darstellen. Für dessen Qualität ist u. a. das gezeigte Engagement und Interesse der Lehrkraft wichtig, indem sie bei Problemen als vertrauenswürdiger und zuverlässiger Ansprechpartner für die Kinder dient und Präsenz bei Konflikten zeigt (Scheithauer et al., 2003, S. 123). Welche Bedeutung besonders letzteres hat, zeigt eine Studie von Olweus (1993). Diese ergab einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der aufsichtführenden Lehrpersonen in den Pausen und der Prävalenz von Mobbing. Demnach traten weniger Viktimisierungen auf, je mehr Lehrkräfte die Pausenaufsicht übernahmen (Olweus, 1993, S. 25f.). Neben dem generell rechtzeitigen Einschreiten bei Vorkommnissen kann dies mit dem Lernen am Modell begründet werden. Dabei dient die Lehrperson als Vorbild für die SchülerInnen und kann durch ihr Auftreten die Prävalenz von Mobbing verringern, indem sie Fehlverhalten nicht toleriert und eindeutig Stellung bezieht (Hong & Espelage, 2012, S. 317).
Maßnahmen auf der Klassenebene können z. B. die Aufstellung eines gemeinsamen Wertekanons und die Schaffung einer guten Lernatmosphäre implizieren. Darüber hinaus sollte das Thema Mobbing zum expliziten Unterrichtsgegenstand werden, um geltende Normen zu thematisieren und Deeskalationsstrategien einzuüben. Des Weiteren sollte eine stabile Ausbildung von Kooperationsstrukturen, Verantwortungsbewusstsein und Selbstwertgefühl vordergründig sein. Dies kann durch themenbezogene Klassengespräche, Etablierung des Helfersystems und Patenschaften erfolgen. Zudem können Projektarbeiten und Arbeitsgemeinschaften, die der gemeinsamen, selbstständigen Planung und Ausführung bedürfen, unterstützend wirken. Eine weitere Möglichkeit zur Prävention von Mobbing auf der Klassenebene stellen Rollenspiele dar, durch die unsoziale Verhaltensweisen veranschaulicht und analysiert werden können (Scheithauer et al., 2003, S. 128).
Auf der Schulebene ist zur Prävention von Mobbing wichtig, dass die Institution die Ausbildung einer sozialen Identität und entsprechende Lernerfahrungen anhand verschiedener Angebote ermöglicht. Des Weiteren kann eine Schulordnung mit überschaubaren klaren Regeln und die Bereitstellung von Freiräumen, wie z. B. Spiel- oder Leseecken, Viktimisierungen entgegenwirken. Die Gestaltung der schulischen Räumlichkeiten sowie die Mitbestimmungsmöglichkeiten am Schulkonzept können ebenfalls der Entstehung von Mobbing vorbeugen. Diese können zur Identifikation mit der Institution beitragen und sich folglich positiv auf das Schulklima auswirken. Hinsichtlich der Lehrpersonen sind kontinuierliche Absprachen untereinander und deren Weiterbildung in diesem Bereich bedeutsam, um erste Anzeichen von Bullying wahrzunehmen und erfolgreich einschreiten zu können (Schubarth, 2010, S. 103f.).
Wenngleich gilt, Mobbing durch vorbeugende Maßnahmen erst gar nicht entstehen zu lassen, ist es in Anbetracht der drohenden Folgen essenziell, bei aufkommenden Vorfällen sofort einzuschreiten. Als potenzielle Maßnahme gegen Mobbing auf der SchülerInnenebene dient das Führen von Gesprächen mit den TäterInnen und den Opfern sowie mit den Erziehungsberechtigen der beteiligten Kinder. Des Weiteren kann eine von der Lehrperson arrangierte Zusammenarbeit des Opfers mit einen der beliebteren SchülerInnen für dessen Status in der Klasse hilfreich sein. Dies kann auch dazu verhelfen, dass das viktimisierte Kind bei der nächsten Mobbingattacke ggf. Unterstützung von Gleichaltrigen erhält (Olweus, 1996, S. 69f.).
Als Maßnahmen auf der Klassenebene stellen Untersuchungen die konsequente Überwachung der aufgestellten Regeln sowie die Durchführung von Konsequenzen bei deren Nichteinhaltung als besonders wirksam heraus. Des Weiteren können wie bei den präventiven Maßnahmen Rollenspiele oder Gespräche mit der gesamten SchülerInnengruppe intervenierend wirken (Olweus, 1996, S. 69f.).
Auf der Ebene der Schule ist für die Bekämpfung von Mobbing wichtig, zunächst einen Überblick über das Ausmaß der Viktimisierungen an der einzelnen Institution zu erhalten, um darauf aufbauend entsprechende Maßnahmen zu planen. Zudem ist die Schaffung einer positiven Schulatmosphäre essentiell, um den SchülerInnen ein angenehmes und anerkennendes Gefühl zu vermitteln (Olweus, 1996, S. 69f.).
Die genannten Präventions- und Interventionsmöglichkeiten stellen nur eine Auswahl aus der Vielzahl potenzieller Maßnahmen dar. Besonders die Lehrkraft trägt eine besondere Verantwortung, indem sie bereit ist, genau hinzuschauen und Viktimisierungen rechtzeitig wahrzunehmen und aufzulösen. Dabei sollte eine deutliche Haltung gegen Mobbing erkennbar sein (Wachs et al., 2016, S. 102f.). Inwieweit die sozialen Kompetenzen der Kinder für ein gelingendes Miteinander bedeutsam sind, wird nachfolgend analysiert.
3 Mobbingverhalten als Ausdruck unzureichender sozialer Kompetenzen
3.1 Das Konstrukt der sozialen Kompetenz
Im Zuge der steigenden psychischen Probleme von Kindern und Jugendlichen und den damit verbundenen Auswirkungen, z. B. in Form von Mobbing, gewinnt die Ausbildung sozialer Kompetenzen zunehmend an Bedeutung. Allerdings deuten zahlreiche, meist sehr oberflächliche Definitionsversuche darauf hin, dass sich deren genaue Bestimmung bislang als schwierig gestaltet. Dies liegt im Ursprung des Begriffes begründet, der in verschiedenen Bereichen der Psychologie mündet (Kanning, 2002, S. 154f.).
Kanning (2002) nimmt eine vergleichsweise differenzierte Beschreibung des multidimensionalen Konstrukts vor, indem er zunächst zwischen sozial kompetentem Verhalten und sozialer Kompetenz unterscheidet. Letztere definiert er als sämtliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, über die eine Person verfügt, um das eigene Sozialverhalten zu fördern. Dabei stellt sie lediglich das Potenzial dar, in einer Situation sozial kompetent zu agieren. Sie trägt zwar förderlich zu einer derartigen Handlungsweise bei, kann sie jedoch nicht vollständig determinieren und garantieren (Kanning, 2002, S. 155). Die andere Komponente des Konstrukts, das sozial kompetente Verhalten, umfasst die Realisierung der eigenen Ziele unter Wahrung der gesellschaftlichen Akzeptanz. Demnach stellt es eine Kombination aus Durchsetzungsfähigkeit und Anpassungsvermögen dar. Letzteres ist erforderlich, da sich sozial kompetentes Verhalten immer auch auf den entsprechenden Kontext ausrichtet, in dem es umgesetzt wird (Kanning, 2002, S. 155).
Wie bereits erwähnt, existieren in der Literatur zahlreiche, sehr unterschiedliche Definitionen zur sozialen Kompetenz. So gibt es auch sehr differenzielle Sichtweisen darüber, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten dieses multidimensionale Konstrukt nun genau umfasst. Demzufolge stellen die nachfolgend genannten Faktoren nur eine mögliche Auswahl dar.
Laut Petillon (2017) umfasst die soziale Kompetenz die Fähigkeit des Kontakts, der Kommunikation, der Perspektivenübernahme, der Kooperation und des Konflikts. Die Bereiche interferieren und komplettieren sich gegenseitig. So bildet die Fähigkeit des Kontakts, der Kommunikation und der Perspektivenübernahme die Basis für eine erfolgreiche Kooperation und Konfliktregulation. Ein Hinweis darauf, ob ein Kind über soziale Kompetenzen verfügt, kann seine Stellung in der Gruppe geben. Allerdings können sich ein positiver Status und der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten wechselseitig beeinflussen (Petillon, 2017, S. 29f.).
Damit Kinder als sozial kompetent gelten, müssen sie gewillt und in der Lage sein, Kontakt zu Gleichaltrigen aufzunehmen. Dies gelingt den SchülerInnen unter anderem dadurch, dass sie sich für Interaktionen passende und gewünschte Personen auswählen und eine Verbindung zu ihnen aufbauen können (Petillon, 2017, S. 31). Dabei zielt die Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen auf die Gewinnung von Freundschaften, die gegebenenfalls in Konfliktsituationen unterstützend wirken können und für den weiteren Kompetenzerwerb sehr dienlich sind (Krappmann, 1984, S. 4f., Online im Internet).
Einen weiteren Aspekt sozialer Kompetenz stellt die Kommunikation dar. Diese wirkt sich entscheidend auf die Lösung von Konflikten und das kooperative Handlungsgeschehen aus. Kinder verfügen über entsprechende Kompetenzen in diesem Lernbereich, wenn sie fähig sind, sich mit anderen über ihre jeweiligen Bedürfnisse und Wahrnehmungen auszutauschen. Kommunikativ kompetente SchülerInnen sind dabei in der Lage einen Interessenausgleich auszuhandeln und umzusetzen (Petillon, 2017, S. 32).
Des Weiteren impliziert sozial kompetentes Verhalten auch die erfolgreiche Kooperation mit anderen Kindern, die der gemeinsamen Verwirklichung von Zielen und der Lösung von Aufgaben dient (Schmidt-Denter, 2005, S. 85) Für eine gelingende Zusammenarbeit mit den Peers bedarf es dabei der Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit als Grundlage, um sowohl die Gruppensituation als auch den gestellten Auftrag handhaben zu können (Petillon, 2017, S. 33). Um diese Erfordernisse erfolgreich bewältigen zu können, müssen die Kinder in der Interaktion miteinander in der Lage sein, die Beiträge ihrer MitschülerInnen objektiv zu beurteilen und weiterzuentwickeln. Zudem müssen sie fähig sein, mit Auseinandersetzungen und Kritik kompetent umzugehen und eine gemeinsame Lösung zu finden (Jurkowski, 2010, S. 75).
Einen weiteren Entwicklungsbereich sozialer Kompetenzen stellt die Bewältigung von Konflikten dar. Diese entstehen durch das Aufeinandertreffen von Vorstellungen, Bedürfnissen und Verhaltensweisen, die schwer miteinander in Einklang zu bringen sind (Müller-Fohrbrodt, 1999, S. 12). Konflikte wirken sich nicht nur auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auf, sondern beeinflussen die Entwicklung von Kindern nachhaltig. Dabei gehört die Aneignung adäquater Konfliktlösungsstrategien zu einer der bedeutendsten Aufgaben im Reifungsprozess der Kinder (Shantz, 1987, S. 299). Demnach äußert sich sozial kompetentes Verhalten in diesem Entwicklungsbereich dadurch, dass die SchülerInnen im Austausch miteinander in der Lage sind, ihre unterschiedlichen Interessen aufeinander abzustimmen (Kanning, 2002, S. 155).
Neben den bereits genannten Bereichen sind auch die Fähigkeiten zur Perspektivenübernahme und Empathie für ein sozial kompetentes Verhalten bedeutsam. So stellen sie Schlüsselkompetenzen dar, die für das Bestehen zwischenmenschlicher Beziehungen fundamental sind (Krappmann, 1984, S. 5, Online im Internet). Dabei stellt die die Perspektivenübernahme den kognitiven Bereich dar, der die Kenntnis über die Einstellungen und die Charakteristik einer Person umfasst (Hoffman, 1982, S. 93). Hierbei ist jedoch insbesondere entscheidend, dass die Kinder ein Verständnis für die unterschiedlichen Sichtweisen und deren Verhältnis zueinander entwickeln, um diese im nächsten Schritt in Einklang miteinander bringen zu können (Silbereisen & Ahnert, 2002, S. 597f.). Neben dem kognitiven Aspekt, den die Perspektivenübernahme umfasst, erfordert Empathievermögen sozial-emotionale Kompetenzen. Sie äußert sich dadurch, dass die Kinder in der Lage sind, sich in andere hineinzufühlen, deren Empfindungen erkennen und diese voneinander unterscheiden (Hoffman, 1982, S. 93).
Die in den vergangenen Jahrzehnten gewandelten gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen führen dazu, dass immer mehr Kinder die genannten sozialen Kompetenzen nicht aufweisen und die Schule für deren Ausbildung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Welche Bedeutung dabei die Peer-Beziehungen einnehmen, wird im Folgenden analysiert.
3.2 Die Bedeutung von Peer-Beziehungen
Soziale Aushandlungsprozesse nehmen bei den Interaktionen von Gleichaltrigen einen hohen Stellenwert ein. Die Beziehungen zwischen Peers, deren Bedeutung mit steigendem Alter zunimmt, differieren dabei von denen zwischen Kindern und Erwachsenen. So ist die Eltern-Kind-Beziehung größtenteils darauf angelegt, den Erwartungen der Erziehungsberechtigten zu entsprechen, um Sanktionen zu vermeiden. Die Interaktion mit Peers bietet jedoch die Möglichkeit, sich der Macht anderer nicht unterwerfen zu müssen, sondern eigene Bedürfnisse in den Vordergrund stellen zu können. Allerdings muss auch hier beachtet werden, dass eine erfolgreiche Kooperation mit Gleichaltrigen die Berücksichtigung der Ansichten und Wünsche bedarf (Krappmann & Oswald, 1995, S. 87f.). Die Fähigkeit für die Zuwendung der Interessen anderer entwickelt sich allerdings erst im Laufe der Kindheit und wird zu Beginn der Grundschulzeit vom Bedürfnis der Gleichheit überlagert (Krappmann & Oswald, 1995, S. 88.). So werden außerhalb von Freundschaftsbeziehungen in diesem Alter häufig keine einheitlichen Lösungen gefunden (Krappmann, 1999, S. 230).
Freundschaftsbeziehungen können ein probates Mittel darstellen, um Aushandlungsmethoden zu fördern, die für alle Beteiligten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen. Sie stellen eine besonders stabile und vertrauenswürdige soziale Beziehung zwischen zwei Personen dar, deren Miteinander von einem wechselseitigen, aufeinander gerichteten Handeln geprägt ist (Krappmann & Oswald, 1995, S. 104). Folglich können in Freundschaften höhere Anstrengungen für die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Gegenübers verzeichnet werden. So wird bei auftretenden Konflikten eher versucht, beziehungsschonende Lösungen zu finden (Petillon, 2017, S. 39). Darüber hinaus bietet der Kontakt zu Gleichaltrigen neben der Entwicklung von Aushandlungsstrategien die Möglichkeit, dass die SchülerInnen lernen, sich an der Aushandlung von Normen zu beteiligen und diese zu befolgen. Das Leben in der Gruppe kann außerdem die Kommunikationsfähigkeit der SchülerInnen fördern, indem sie ihre Gedanken austauschen und die Aussagen der anderen zu entschlüsseln versuchen. Des Weiteren machen die SchülerInnen durch den Klassenkontext Erfahrungen mit der Andersartigkeit und lernen, mit unterschiedlichen Sichtweisen umzugehen (Petillon, 2017, S. 41).
3.3 Die Förderung sozialer Kompetenzen als Aufgabe der Schule
Die mit dem dynamischen sozialen Wandel einhergehenden, zunehmend differenziellen Familienverhältnisse führen zu einer veränderten Kindheit. So steigt die Anzahl an Einzelkindern, alleinerziehenden Elternteilen und Patchwork-Konstellationen. Zudem wirken sich finanzielle Nöte oder berufsbedingter Stress negativ auf ein harmonisches Familienleben aus (Krucinski, 2011, S.9). Dies hat auch auf den schulischen Kontext Auswirkungen, in dem sich die unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen der SchülerInnen offenbaren. So haben viele Kinder Schwierigkeiten, sich in die Klassengemeinschaft zu integrieren und streben nach einer Sonderstellung. Dadurch rückt die Ausbildung sozialer Kompetenzen immer mehr in den Vordergrund (Petillon, 2017, S. 21). Deren Förderung kann dabei eine positive Wirkung auf den institutionellen Kontext haben, indem sie z. B. zu einem besseren Schul- und Klassenklima beiträgt und der Entstehung von Mobbing vorbeugen kann (Altenburg-van Dieken, 2008, S. 135).
Besonders die Grundschulzeit gilt als sensible Phase für die Ausbildung sozialer Kompetenzen. Demnach existieren in diesem Zeitraum sogenannte Entwicklungsfenster, wodurch die Kinder für die Aneignung entsprechender Fähigkeiten und Fertigkeiten besonders empfänglich sind und eine bestmögliche Förderung stattfinden kann (Erikson, 1965, S. 252f.). In diesem Zeitraum besteht laut Sullivan (1980) die Möglichkeit, der Relevanz der familiären Erziehung, die eine gewisse Begrenztheit und Eigenart mit sich bringt, entgegen zu wirken (S. 257). Für die erfolgreiche Ausbildung sozialer Kompetenzen ist dabei u. a. das generelle Verhalten der Lehrperson gegenüber den Kindern bedeutsam. Zwar gibt es bisher wenige Forschungen, die deren Einfluss auf das soziale Verhalten der SchülerInnen untersucht haben. Allerdings wird davon ausgegangen, dass die Lehrkraft auf verschiedene Weise darauf einwirken kann, indem sie z.B. durch den Umgang mit einzelnen SchülerInnen indirekt das Verhalten der Peers beeinflusst (Steins, 2011, S. 517). Diesem Aspekt sollte man sich als Lehrperson bewusst sein. So neigen Lehrkräfte häufig dazu, ihre Aufmerksamkeit besonders den begabten Kindern zu widmen und ihre Sympathie offenkundig zu zeigen. Dies führt dazu, dass die MitschülerInnen das Verhalten adaptieren und leistungsstarke SchülerInnen innerhalb der Klasse besonders beliebt sind (Petillon, 2017, S.43f.). Das Auftreten der Lehrperson kann sich aber auch auf die Sozialstruktur der Klasse auswirken. So zeigen Untersuchungen, dass die Hierarchie der SchülerInnengruppe weniger stark ausgeprägt ist, je höher die gezeigte Wertschätzung der Lehrkraft gegenüber allen Kindern ist (Petillon, 2017, S. 44).
3.4 Soziale Kompetenzen von mobbinginvolvierten Kindern
Das Sozialverhalten von Kindern, die bei Mobbingvorgängen involviert sind, wurde anhand von Alsaker (2008) und seinen Kollegen in umfangreichen Studien bei Kindergartenkindern im Alter zwischen fünf und sieben Jahren untersucht und mit dem Handeln der nicht beteiligten Kinder verglichen. So ergaben die Befunde, dass sich die TäterInnen und die aggressiven Opfer im Vergleich zu den passiven Opfern und der Unbeteiligten sowohl körperlich als auch verbal aggressiver verhalten, wobei die physischen Angriffe mit zunehmendem Alter nachlassen. Darüber hinaus offenbarten die Ergebnisse, dass die aggressiven Opfer eine ausgeprägtere physische Aggressivität zeigen als die MobberInnen (Alsaker & Nägele, 2008, S. 9) Die Art der Aggression unterscheidet sich allerdings, indem die TäterInnen bewusst ein bedrohliches Verhalten zeigen, um ihre Macht zu demonstrieren, während die Handlungen der aggressiven Opfer eher aus der Reaktivität resultieren (Pellegrini, 1998, S. 168).
Die weiteren Studienergebnisse belegen, dass die nicht am Mobbing involvierten Kinder im Vergleich zu ihren Peers ein deutlich stärkeres prosoziales und kooperatives Verhalten zeigen. Letzteres wurde gleichermaßen auch bei passiven Opfern nachgewiesen. Hinsichtlich der Prosozialität dieser Gruppe, zu der Verhaltensweisen wie z.B. unterstützen, teilen oder trösten gehören, liegen jedoch uneinheitliche Untersuchungsbefunde vor. Einerseits belegen Studien, dass die passiven Opfer, besonders mit zunehmendem Alter, ein gleiches Maß an prosozialem Verhalten zeigen wie die unbeteiligten Kinder (Perren & Alsaker, 2006, S. 52). Andere Untersuchungen weisen Gegenteiliges aus und attestieren insbesondere den älteren ProbandInnen im Alter zwischen sechs und acht Jahren bei fortwährenden Viktimisierungen eine geringere Prosozialität als die bei Mobbingvorgängen nicht involvierten Peers (Bernstein & Watson, 1997, S. 487).
Auch wenn sich die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Prosozialität unterscheiden, zeigen sie jedoch, dass die Opfer nicht generell über fehlende soziale Fähigkeiten verfügen. Jedoch weisen die Befunde im Vergleich zu den TäterInnen und den am Mobbingprozess unbeteiligten MitschülerInnen für die viktimisierten Kinder eine geringere Soziabilität, d. h. Kontaktfreude, aus. Dies könnte an die auf sie verübten Attacken zurückzuführen sein, die dazu führen, dass sich die Opfer in der Gruppe weniger wohl fühlen (Alsaker, 2003, S. 124). Hinsichtlich der TäterInnen ergaben die Untersuchungen, dass diese im Vergleich zu den nicht involvierten Kindern über weitaus geringere kooperative und prosoziale Kompetenzen verfügen. Besonders letztere waren im Vergleich zu den unbeteiligten Peers und passiven Opfern besonders schwach ausgeprägt, was mit steigendem Alter noch zunahm. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die antisozialen Verhaltensweisen der TäterInnen mit der Zeit verfestigen, sofern sie nicht rechtzeitig unterbunden werden (Alsaker, 2003, S. 125).
Die weiteren Studienergebnisse offenbarten, dass die TäterInnen trotz ihrer geringen kooperativen und prosozialen Kompetenzen sehr kontaktfreudig sind. Dies bestätigt die Annahme, dass nicht alle TäterInnen grundsätzlich über geringere soziale Kognitionen verfügen (Perren & Alsaker, 2006, S. 52). So bedarf erfolgreiches Mobbing, dass nur bei einem geeigneten Gruppenkontext gelingt, die Fähigkeit, andere zu verstehen und zu manipulieren (Sutton, Smith & Swettenham, 1999, S. 120). Zudem erfordert die Auswahl geeigneter Opfer eine gute ausgebildete soziale Wahrnehmung, da die TäterInnen die möglichen Reaktionen der betroffenen Kinder abwägen müssen (Alsaker, 2003, S. 122). Die nachgewiesene Kontaktfähigkeit widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass die MobberInnen grundsätzlich isoliert und zurückgezogen leben, wobei die Vermutung bei weiblichen TäterInnen allerdings weniger entkräftet werden konnte. Ein möglicher Grund könnte sein, dass aggressives Verhalten bei Mädchen weniger akzeptiert wird als bei Jungen (Perren & Alsaker, 2006, S. 52).
Die aggressiven Opfer weisen einige vergleichbare Eigenschaften wie die TäterInnen auf. So verfügen sie über ähnliche soziale Fähigkeiten, indem sie weniger kooperativ und prosozial agieren als die unbeteiligten und die passiv viktimisierten Kinder. Zudem haben sie keine Schwierigkeiten damit, eine Führungsposition einzunehmen und ihre Grenzen aufzuzeigen. Letzteres äußert sich wie bereits erwähnt in einem reaktiven aggressiven Verhalten. Mit den Opfern haben sie hingegen gemein, dass sie eine geringere Kontaktfreude gegenüber ihren MitschülerInnen zeigen. Jedoch äußert sich dies zumindest bei den Jungen nicht in einem zurückgezogenen Verhalten. Aggressive Mädchen hingegen leben wie die weiblichen MobberInnen allerdings isolierter und spielen lieber allein (Perren & Alsaker, 2006, S. 52).
Zusammenfassend zeigen die Ausführungen, dass die TäterInnen trotz ihrer Kontaktfreude ein im Vergleich zu den anderen Rollen geringeres kooperatives und prosoziales Verhalten aufweisen. Letzteres ist zumindest bei jüngeren Opfern nicht der Fall. Allerdings haben sie Schwierigkeiten, den Kontakt zu den Peers aufzubauen. Des Weiteren handeln die Opfer weniger kooperativ als die unbeteiligten Kindern (Alsaker, 2003, S. 123).
Die beschriebenen Verhaltensweisen deuten zwar auf bestimmte Eigenschaften hin, die als Risikofaktoren für die Entwicklung der am Mobbingprozess beteiligten Rollen gesehen werden können, jedoch wurde auch deutlich, dass die involvierten Kinder nicht nur über Defizite, sondern auch über Kompetenzen im sozialen Bereich verfügen (Alsaker, 2003, S. 123).
Nachdem nun näher analysiert wurde, was Mobbing eigentlich bedeutet, unter welchen Bedingungen es entstehen und welche Auswirkungen es haben kann und welche Relevanz soziale Kompetenzen in diesem Bereich haben, wird nachfolgend aufgeführt, wie Mobbing erfasst werden kann.
4 Erhebungsmethoden
Zur Erfassung und Analyse von Mobbingprozessen haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Verfahren herausgebildet, von denen jede bestimmte Vor- und Nachteile mit sich bringt. Zu den Erhebungsmethoden gehören Selbstberichte, Interviews, Nominierungsverfahren und Ratings durch Gleichaltrige, Verhaltensbeobachtungen und Auskünfte von LehrerInnen und Eltern (Scheithauer et al., 2003, S. 102). Im Folgenden werden die jeweiligen Verfahren näher analysiert und die damit verbundenen Vor- und Nachteile aufgezeigt.
Die Selbstberichte in Form von Fragebögen sind die am häufigsten genutzte Methode zur Erfassung von Mobbing. Sie enthalten Fragen zu den eigenen Mobbingerfahrungen der Kinder und werden von den SchülerInnen eigenständig beantwortet (Scheithauer et al., 2003, S. 102). Der Vorteil, der sich daraus ergibt, ist die Vielzahl an repräsentativen Daten, die kostengünstig durch einen geringen Zeitaufwand gewonnen werden können (Crothers & Levinson, 2004, S. 499). Des Weiteren gewährleistet die zugesicherte Anonymität einen ehrlichen Einblick in die Erfahrungen, die Kinder mit Viktimisierungen bereits gemacht haben (Wolke & Stanford, 1999, S. 345). Der Nachteil ist jedoch, dass möglicherweise nicht alle relevanten Informationen aufgrund der verminderten kognitiven Verarbeitungskapazität der Kinder erfasst werden können. Besonders jüngeren SchülerInnen fällt es schwer sich über eine längere Zeit hinweg zu konzentrieren. Die eingeschränkte Informationsabfrage bringt folglich eine gewisse Oberflächlichkeit mit sich (Wolke & Stanford, 1999, S. 345).
Eine der weiteren Methoden, die sich besonders zur Erfassung von Mobbingerfahrungen niedriger Altersstufen eignet, sind Interviews. Anhand dieser können durch den direkten Austausch mit dem/der Befragten Missverständnisse vorgebeugt und mögliche Probleme geklärt werden. Zudem kann eine tiefergehende Analyse der Einstellungen und Erfahrungen des/der Befragten erfolgen (Wolke & Stanford, 1999, S. 345). Allerdings bringen Interviews den Nachteil mit sich, dass sie mit einem hohen Personaleinsatz und Zeitaufwand verbunden sind. Des Weiteren bedarf es einem professionellen Setting, um Vertrauen bei den befragten Kindern zu schaffen und die Suggestibilität, die besonders bei jüngeren Befragten problematisch ist, so gering wie möglich zu halten (Scheithauer et al., 2003, S. 105).
Neben den Selbstberichten anhand von Fragebögen und Interviews werden in der Mobbingforschung auch sehr häufig Nominierungsverfahren und Ratings durch Gleichaltrige eingesetzt. Bei den Peer-Nominierungsverfahren wählen die Befragten unter ihren KlassenkameradInnen diejenigen aus, die am ehesten den jeweils vorgegebenen Charakteristika entsprechen. Bei Ratingverfahren geben die Kinder mithilfe einer Likert-Skala die Häufigkeit bzw. Intensität des Kontakts zu jedem ihrer KlassenkameradInnen an (Scheithauer et al., 2003, S. 106f.). Der Vorteil der Nominierungs- und Ratingverfahren ist, dass die Gleichaltrigen vermutlich besser als die Lehrpersonen über Mobbinggeschehnisse Bescheid wissen. So sind die SchülerInnen oftmals unmittelbar anwesend, wenn es verstärkt zu Viktimisierungen kommt. Des Weiteren scheinen Peer-Nominierungs- und Ratingverfahren aufgrund der Vielzahl an Bewertungen durch unterschiedliche Kinder eine hohe Zuverlässigkeit zu gewährleisten (Perry et al., 1988, S. 808). Der Nachteil der Methode ist, dass die bisherigen Erhebungen die Erfassung von Emotionen und Kontextbedingungen bei Mobbingvorgängen vernachlässigen und damit nur begrenzte Informationen zur Verfügung stellen (Scheithauer et al., 2003, S. 109). Des Weiteren besteht durch die Bewertung von MitschülerInnen die Gefahr der Etikettierung und folglich Diskriminierung bestimmter Kinder durch den anschließenden Austausch untereinander. Zudem können sich Peer-Zuweisungen als recht stabil erweisen, auch wenn diese dem tatsächlichen Verhalten des Kindes nicht mehr entsprechen (Wolke & Stanford, 1999, S. 345).
Eine weitere Möglichkeit zur Erfassung von Mobbingprozessen stellen Beobachtungsverfahren dar. Diese können durch Video- und/oder Mikrofonaufnahmen unterstützt werden, um als BeobachterIn möglichst wenig wahrgenommen zu werden (Scheithauer et al., 2003, S. 109f.). Der Vorteil von Beobachtungsverfahren besteht darin, dass diese unmittelbar das Verhalten der Kinder in ihrer natürlichen Umgebung erfassen und einen Einblick in die Gruppenprozesse und in die damit verbundenen Zusammenhänge gewähren (O`Connell, Pepler & Craig, 1999, S. 441). Dadurch lassen sich neben der Ermittlung von Mobbingvorgängen auch die sozialen Interaktionen zwischen den Kindern außerhalb der Viktimisierungen feststellen (Pepler & Craig, 1995, S. 548).
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