Umgang mit Schreibblockaden


Travail d'étude, 2022

26 Pages, Note: 1,0


Extrait

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemdarstellung
1.2 Ziel und Aufbau

2 Definitionen
2.1 Schreibprozess
2.2 Schreib- und Lesekompetenzerwerb, Schreibkompetenzmodelle
2.3 Schreibblockade
2.4 Arbeitsstörung

3 Ursachen und Merkmale der Schreibblockade
3.1 Akademisches Schreiben
3.1.1 PISA-Studie 2018
3.1.2 Probleme des akademischen Schreibens
3.2 Schreiben als Beruf
3.2.1 Kreative Blockaden in Kunst und Wirtschaft
3.2.2 Somatome und psychiatrische Ursachen
3.3 Schreiben in der Freizeit
3.3.1 Umfrage zur Schreibblockade
3.3.2 Profit der Buchbranche

4 Überwindung der Schreibblockade
4.1 Innere Einstellung
4.2 Praktische Strukturierung des Schreibprozesses
4.3 Kreatives Schreiben

5 Zusammenfassung

6 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Schreibstau, writer’s block, Schaffenskrise, unproduktive Phase, Angst vor dem leeren Blatt, Aufschiebeverhalten, Erledigungsblockade, Handlungsaufschub, Prokrastination, kreative Auszeit. Schon die Vielfalt der Synonyme vermittelt einen Eindruck, wie stark die Angst vor der Schreibblockade wirkt. Das „kreative Vakuum“ kann auch Musiker, Tänzer, Maler und Sportler treffen. Selbst Menschen in leitenden Positionen können aus Angst, den an sie gestellten Ansprüchen nicht zu genügen, in ein kreatives Loch fallen. Unberechtigterweise wird dieser Zustand manchmal auch als Faulheit, Disziplinlosigkeit oder Aufschieberitis bezeichnet. Egal, in welchem Bereich und in welcher Form sie auftritt oder welchen Namen man ihr gibt: Es ist wichtig, die Blockade zu erkennen und mit Hilfe geeigneter Maßnahmen zu überwinden.

1.1 Problemdarstellung

In der Schule und während des Studiums können bei Schülern und Studenten Schreibblockaden auftreten, deren Auswirkungen von schlechteren Abschlüssen bis hin zu Kurs- und Studienabbrüchen reichen. In einer Studie der Universitäten Istanbul, Ankara und der Provinz Duzce wurden die Faktoren, die zu Schreibblockaden führen können, analysiert und für immanent befunden. Die Beseitigung dieser Faktoren wie Themenzwang, zeitliche Beschränkung und Beurteilung durch Benotung kann zur Aufhebung der Blockade führen.1

Im Unterschied dazu können die Gegebenheiten von Berufsautoren und -künstlern freier bestimmt werden. Man könnte daraus den voreiligen Schluss ziehen, dass in diesen Gruppen kaum oder keine Blockaden auftreten; das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie Malcolm T. Cunningham von der Manchester Business School in seinem Resümee darlegt. Er belegt seine Thesen mit Schaffenskrisen einer Bestsellerautorin, eines Dirigenten und einer Sportlerin und des Firmengründers von IBM. Alle hatten zuvor mit einschneidenden Lebensereignissen und Fehlschlägen zu kämpfen. Cunningham schließt mit dem Statement, dass Misserfolge nur einen Bruchteil der Lebenszeit ausmachen und zum Erfolg dazugehören.2

Neben den beruflich Kreativen gibt es das weite Feld der Laien. Sie unterliegen weder einer Publikationspflicht, noch müssen sie sich öffentlicher Kritik aussetzen. Trotzdem können auch Hobby-Autoren an Schreibblockaden leiden. In einer spontanen, nicht repräsentativen Umfrage auf der Social-Media-Plattform Twitter habe ich oberflächlich nach den Gründen, warum geschrieben wird, und einigen Begleiterscheinungen gefragt. Einige Widersprüche und Parallelen zu Schülern, Studenten und Berufsautoren, die Aufschluss über die Ursachen von Schreibblockaden geben können, fließen in diese Arbeit ein.

Erweitert wird das Thema durch den Blick auf die Buchbranche, die bei Berufsautoren und Laien erheblichen Einfluss auf den Schreibprozess hat und vom Dilemma mit dem weißen Blatt profitiert.

1.2 Ziel und Aufbau

Die Schreibblockade muss von der Arbeitsstörung und der Prokrastination abgegrenzt werden, um die richtigen Methoden zur Aufhebung anzuwenden. Die beiden Letzteren können weitere oder alle Lebensbereiche betreffen und somit einen schwereren somatoformen (früher: neurotischen)3 oder psychotischen Verlauf nehmen. Somit fließen neben der didaktisch-linguistischen Betrachtung pädagogische und psychologische bzw. psychiatrische Ansätze ein.

Schreibblockaden sind international, was anhand der türkischen, britischen, US-amerikanischen und deutschen Thesen zum Ausdruck gebracht werden soll. Schreibblockaden hängen demnach nicht vom kulturellen Hintergrund ab und können alle Berufs- und Bevölkerungsgruppen betreffen. Die Betrachtung der Faktoren, die eine Entstehung der Blockade begünstigen, erfolgt schwerpunktmäßig anhand der türkischen Universitätsstudien und Cunninghams Resümees und soll bekannte und vielfach zitierte Studien – wie die Untersuchung der akademischen Schreibblockade durch die Westfälische Wilhelms-Universität Münster – bestätigen und ergänzen.

Im letzten Teil werden Methoden aus dem universitären, psychotherapeutischen und beruflichen Umfeld sowie dem Schreiben in der Freizeit zur Überwindung der Schreibblockade erläutert.

2 Definitionen

2.1 Schreibprozess

Der Schreibprozess ist ein kognitiver und psychomotorischer Vorgang, der sich nicht auf die Schule beschränkt und somit lebenslang und dynamisch verläuft. Er gliedert sich in die Prozessphasen Planung, Formulierung und Überarbeitung, die sich mit zunehmender Schreiberfahrung überlappen. Die Strukturierung soll vor allem Schreibanfängern eine Orientierungshilfe bei der Textproduktion bieten. Auch für Fortgeschrittene, Berufs- und Hobby-Autoren ist die grobe Strukturierung eine wertvolle Unterstützung.4

Behning bezieht sich auf das 1980 entwickelte, 1996 erweiterte Prozessmodell des Schreibens von John R. Hayes und Linda S. Flower. Es befasst sich mit äußerem und innerem Einfluss sowie mit der bereits genannten Planung und Ausführung. Unter den äußeren Einflüssen werden die Schreibaufgabe (Schreibabsicht, Zielsetzung, Adressaten), die soziale und die physische Schreibumgebung genannt. Dies legt den Schluss nahe, dass auch die Rolle (Schüler, Student, Berufsautor, Hobby-Autor) zu berücksichtigen ist, wofür es jedoch in Hayes’ Modell keine Anhaltspunkte gibt. Dem inneren Einfluss werden kognitive Prozesse wie Motivation/Affekt, Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis zugeordnet. Die beiden letzten Prozesse bezeichnen die Qualität der erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten, Weltwissen und Lebenserinnerungen. Ist folglich einer oder sind mehrere der genannten Prozessteile nicht oder nur unvollständig abrufbar (blockiert) oder erweist sich ein Prozess im Hinblick auf die gestellten Anforderungen als ungenügend, kann es zu einer Schreibblockade kommen.

Der dritte Faktor betrifft die bereits genannte Planung und Ausführung.5 Als Auswahl geeigneter Techniken zur Planung nennt Behning Brainstorming, Anlegen von Mindmaps, Portfolios und Clustern, das Schreiben für sich selbst, sich mit anderen zu sozialisieren etc. Die so gesammelten Ideen werden geordnet, ausgearbeitet und schließlich überarbeitet. Arbeitsmenge und Ideen bleiben überschaubar und fördern die Motivation des Schreibenden.6 Im Kapitel 4.3 „Kreatives Schreiben“ werden die Techniken erläutert.

Ludwigs Modell stützt sich auf das Prozessmodell von Hayes und Flower. Deren rein kognitive Erfassung der Schreibprozessphasen ergänzt er mit den verschiedenen motorischen Handlungen und der Motivation des Schreibenden. Auf der motivationalen Basis laufen demnach konzeptionelle, innersprachliche, motorische und redigierende Prozesse und Aktivitäten ab. Die innersprachlichen Prozesse können als Hinweis darauf gesehen werden, welchen Einfluss die Rolle auf die Wahrnehmung des Schreibenden nimmt und wie viel Einfluss er darauf hat bzw. bewusst nimmt. Die genannten Aktivitäten sind für sich und in ihrem Zusammenspiel nach Verlauf, Richtung und Intensität hochgradig modifizierbar. Sie verhalten sich zueinander sukzessiv, mehrstufig (multilevel), interaktiv, iterativ, rekursiv und teilweise routinisiert oder sogar automatisiert. Der Schreibprozess zeichnet sich demnach durch Komplexität und hohe Dynamik aus.7

Das Modell des kollaborativen Schreibens als schriftliche Kommunikation von Michael Becker-Mrotzek und Ingrid Böttcher von 2011 basiert ebenfalls auf dem Modell von Hayes und Flower, wobei hier eine modellspezifische Rollendefinition stattfindet. Der Text bildet die Schnittstelle zwischen Produzent und Rezipient; der Produzent kann gleichzeitig der Rezipient sein. Aus einem Schreibanlass entwickelt sich die Schreibmotivation und damit die Umsetzung in das Schreibziel. Der Prozess Zielsetzung – Planung – Ausführung kann mehrfach durchlaufen werden. Da es mehrere Beteiligte bzw. Rollen pro Person geben kann, fallen Fach- und Adressatenwissen, kognitive und soziale Kognition (Empathie, Perspektivübernahme) ins Gewicht.8

2.2 Schreib- und Lesekompetenzerwerb, Schreibkompetenzmodelle

Schreib- und Lesekompetenz sind unmittelbar miteinander verbunden und übernehmen kognitive, psychische und soziale Funktionen. Als wichtige Faktoren für den Kompetenzerwerb werden Schreibinteresse, Lebensalter und soziale Herkunft der Schüler sowie die Rückmeldungen des sozialen Umfelds genannt.9

Mit Schreibkompetenz bezeichnet man die erworbene Fähigkeit, lesbare Texte zu verfassen.10 Bereiter11 formulierte 1980 ein fünfstufiges Modell, bestehend aus assoziativem, regelgemäßem, kommunikativem, authentisch-gestaltendem und epistemischem Schreiben. Die Stufen bauen aufeinander auf, können sich aber auch parallel zueinander entwickeln. Je höher die Stufe, desto höher der Komplexitätsgrad eines Textes.12 Anne Beaufort, US-amerikanische Schreibforscherin und Schreibberaterin für Erwachsene, entwickelte während ihrer Tätigkeit als Professorin und Schreibdidaktikerin ein Modell für fortgeschrittene Schreibkompetenz, das mit inhaltlich-fachlicher Teilkompetenz, Genrewissen, rhetorisch-stilistischer Kompetenz und Schreibprozesskompetenz bereits die oben genannten Kompetenzen berücksichtigt. Sie fügt als fünfte Kompetenz das Wissen über die Diskursgemeinschaft an. Dazu zählen Assoziationen potentieller Leser, das Wissen über die erwarteten Anforderungen einer universitären oder beruflichen Schreibaufgabe. Die Bewältigung sogenannter Operatoren (Beschreiben, Erklären, Bewerten, Erörtern) bekommen bei ihr einen besonderen Stellenwert und rücken damit das Veröffentlichen eines Textes in den Fokus.13

2.3 Schreibblockade

Laut Duden zeichnet sich eine Schreibblockade durch den „Mangel an Inspiration und das Ausbleiben von Einfällen o. Ä”, Unfähigkeit, zu schreiben (...), etwas zu verfassen“ aus.14

Rose versteht unter einer Schreibblockade eine weder durch mangelnde Schreibfähigkeit noch durch mangelndes Engagement verursachte Unfähigkeit, den Schreibprozess zu beginnen oder fortzusetzen, wobei das Ausmaß der Blockade nicht durch die Dauer der Schreibpausen, sondern durch die Dauer unproduktiv verbrachter Zeit, in der also weder geschrieben noch geplant wird, zu bestimmen sei.15

Flaherty definiert die Schreibblockade als einen Zustand, „in dem Autoren nicht schreiben, obwohl sie dazu in der Lage wären, und leiden, weil sie nicht schreiben“. In mancher Hinsicht ist die Schreibblockade für sie das Gegenteil von Hypergrafie, der Schreibwut. Ihrer Meinung nach ergänzen sich diese beiden Gehirnzustände, ohne wirklich Gegensätze zu bilden. Demnach können Autoren sogar gleichzeitig schreibwütig und schreibblockiert sein.16 Sie weist darauf hin, dass eine Schreibblockade nicht identisch ist mit der Dysgrafie17, der Störung der Schreibfähigkeit durch eine neurologische Grunderkrankung, auch nachzulesen im ICD 1018 (dort: Agraphie). Sie hebt außerdem hervor, dass sich die Schreibblockade auf ein Genre oder ein Schreibprojekt beschränkt, während andere Schreibformen normal erledigt werden können.19

Die Sprachwissenschaftler der türkischen Universitäten verweisen auf eine Studie des Türkischen Sprachverbandes, in der die Schreibblockade als einen „Zustand der Dysfunktion, die Angst vor dem Sprechen“ dargestellt wird.20

2.4 Arbeitsstörung

Im Duden wird die Arbeitsstörung definiert als „psychische Störung, die sich durch bestimmte Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit äußert. Beispiele: an einer Arbeitsstörung leiden, Arbeitsstörungen wie Prokrastination oder Schreibblockade“.21

Eine Arbeitsstörung liegt vor, wenn Tätigkeiten nicht ausgeführt werden können, für die der Betroffene die nötigen Qualifikationen aufweist und die als sinnvoll und notwendig erachtet werden. Beim Anfertigen von akademischen Arbeiten wird zudem ein spezifisches Spannungsfeld im Zusammenwirken von Versagensangst, hohem Ich-Ideal und übermäßiger Selbstkritik deutlich.22 Püschel verweist auf den Autor Enrique Vila-Matas, der vom Bartleby-Syndrom spricht und damit Bezug auf die Hauptfigur der Erzählung „Bartleby, der Schreiber“ von Herman Melville nimmt. Dem Kopisten Bartleby wird im Lauf der Erzählung das Verstummen das Wichtigste; schließlich wird er von der Polizei aus der Kanzlei abgeführt und stirbt im Gefängnis. Auch an der Universität, so Püschel, würden Vorstellungen über eng definierte Erwartungen an den Textinhalt den schöpferischen Prozess lähmen. Etwas schreiben zu sollen, was Tausende bereits verfasst hätten, würde oft als Nutzlosigkeit erlebt.23

Im Zusammenhang mit der Arbeitsstörung wird auch der Begriff Prokrastination genannt. Ursprünglich wurde das lateinische „procrastinare“ (crastinum = morgen) als gut durchdachter Aufschub eines Vorgangs auf einen späteren Zeitpunkt verstanden, der für die Ausführung erfolgversprechender erschien. Inzwischen hat der Begriff die Konnotation des Zögerns, eine Sache in Angriff zu nehmen, die längst erledigt sein müsste, inne.24 Auf der Website der Prokrastinationsambulanz der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wird die Prokrastination als ernstzunehmende Arbeitsstörung (pathologisches Aufschiebeverhalten) definiert. Es kommt zu Problemen in der Prioritätensetzung, mangelnder oder unrealistischer Planung, Schwierigkeiten in der Abgrenzung gegen alternative Handlungstendenzen, Defiziten im Zeitmanagement oder in der Konzentrationsfähigkeit, Abneigung gegen die Aufgabe, Angst vor Versagen oder Kritik, Fehleinschätzungen der Aufgabe oder der eigenen Anstrengungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit. Vom sozialen Umfeld ist kaum Verständnis zu erwarten, denn pathologisches Aufschiebeverhalten wird oft als persönliche Willensschwäche oder Faulheit angesehen.25 Somit muss sich der Betroffene nicht nur damit arrangieren, dass das verzögerte Schreiben negativ von seinem Umfeld gedeutet wird, sondern hat eventuell auch mit einer einsetzenden Schreibblockade zu kämpfen, was den sogenannten Schreibschmerz26 verursachen kann.

In einer Studie untersuchte die Universität Münster, in welcher Form die Faktoren Versagensangst, Bewertungsangst, Perfektionismus, Alltagsfehler und Depressivität mit Prokrastination zusammenhängen und welche demografischen und Merkmale des Studiums (Alter, Geschlecht, Studienfach, Fachsemester etc.) sie beeinflussen. Demnach ist das Aufschieben mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität oder der Studierfähigkeit verbunden.27

Es bestehen Parallelen zwischen einer Schreibblockade im akademischen Rahmen (s. auch „Aufschieberitis“28 ) und den Ausprägungen der Prokrastination. Zeitplanung und Arbeitsorganisation sind problembehaftet, führen zu einem unregelmäßigen und ineffektiven Arbeitsrhythmus und wiederholter Terminverschiebung. Konzentrationsstörungen, gedankliches Abschweifen und dankbar angenommene Ablenkungen können demnach auch bei Autoren mit einer kreativen Schreibblockade zur Unsicherheit bei der Präsentation der Arbeitsergebnisse und der Angst, vermeintlichen Standards nicht zu genügen, führen. Ausbleibende Erfolgserlebnisse beeinträchtigen die Arbeitsmotivation und unterstreichen Püschels Aussage des Gefühls der Nutzlosigkeit. Prokrastination aufgrund einer aus einer Veränderung resultierenden psychischen Beeinträchtigung wird unter Umständen von gravierenden Symptomen wie Internetsucht29 begleitet und somit maskiert30. Alltagsprokrastination und akademische Prokrastination äußern sich gleich, wobei Letztere häufiger auftritt; Betroffene können privat und beruflich in Bedrängnis geraten.31

Trotz der Parallelen ist die gewohnheitsmäßige Aufschiebung nicht zwangsläufig pathologisch, sondern kann eine schlechte Angewohnheit sein. Andererseits sollte die Unfähigkeit zur zeitnahen Erledigung gestellter Aufgaben nicht nur als schlechte Gewohnheit oder auffälliger persönlicher Wesenszug abgetan, sondern die Ursachen individuell untersucht und nach Möglichkeit behoben werden.

Hier kann auf das Rubikon-Modell32 von Heckhausen und Gollwitzer, auch Handlungsphasenmodell genannt, zurückgegriffen werden. Es dient der Motivations- und Volitionsforschung und besteht aus den aufeinanderfolgenden Phasen des Abwägens, Planens, Handelns und Bewertens. Abwägen und Bewertung stellen motivationale Phasen, Planung und Handlung volitionale (durch den Willen bestimmte) Phasen dar, anhand derer untersucht werden kann, in welcher Handlungsphase der Betroffene mit einem noch nicht aufgelösten Konflikt konfrontiert wird.33

3 Ursachen und Merkmale der Schreibblockade

Die folgende Zusammenfassung des Schreibprozesses beruht – bis auf das Zitat – auf persönlichen Erfahrungen aus der Berufspraxis. Wer schreibt, begibt sich regelmäßig über einen nur grob bestimmbaren Zeitraum in selbst gewählte Isolation.34 Die Ergebnisse der Schreibarbeit sind für das soziale Umfeld des Autors bis zur Publikation in der Regel weder zugänglich noch verständlich, da sich der Autor während des Schreibprozesses selbst erst einmal klar darüber werden muss, was er mit seiner Idee ausdrücken möchte. Längere, regelmäßige Abgeschiedenheit während der Textproduktion und die ausschließliche Beschäftigung mit den eigenen Gedanken können der Kommunikationsfähigkeit des Autors abträglich sein und Ängste hervorrufen. Da die Komplexität des kreativen Schreibprozesses von Menschen, die weder beruflich noch in ihrer Freizeit Texte verfassen und nur lesen, erfahrungsgemäß schwer nachvollzogen werden kann, ist die vom Autor wahrgenommene Anerkennung in Form von Lob oder Kritik oft nicht kongruent mit der erwarteten. Der Stress, den der Autor mit der Textproduktion abbauen will, kann bestehen bleiben oder sogar zunehmen. Schreiben wird zur emotionalen Last.

3.1 Akademisches Schreiben

3.1.1 PISA-Studie 2018

Die Schreib- und Lesekompetenz soll in Grund- und weiterführender Schule erlernt, gefestigt und erweitert werden.35 Trotzdem ist in der Pressemitteilung des BMBF nachzulesen, dass laut PISA-Studie der OECD von 2018 „jeder fünfte Fünfzehnjährige nicht einmal auf Grundschulniveau lesen kann“, was alarmierend sei.36 Daraus kann bereits ohne Blick auf die aktuelle Schreib- und Lesekompetenz geschlossen werden, dass sie trotz Bestehen der Schulpflicht eventuell nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung steht. Man muss nicht die Fachliteratur zu Rate ziehen, um daraus zu folgern, dass bei Schülern und Studenten aus kognitiven Defiziten zusätzliche emotionale Konflikte, Abneigung gegen die Aufgaben, Aufschieben etc.37 entstehen können. Diese Defizite können weitreichende Folgen bis hin zum Abbruch eines Kurses oder Studiengangs haben.38

[...]


1 vgl. Bastug, Yücel, Ertem, Keskin, 2017, Abschnitt 613

2 vgl. Cunningham 2007, S. 159

3 vgl. Schiffers 2020

4 vgl. Behning 2018, S. 71

5 vgl. ebenda S. 59 ff.

6 vgl. ebenda 2018, S. 237

7 vgl. Ludwig 1983, S. 44 ff.

8 Becker-Mrotzek und Böttcher 2011, zitiert in Behning 2018, vgl. S. 66

9 vgl. Universität Bamberg, Lehrstuhl für Didaktik der dt. Sprache und Literatur

10 vgl. Grabowski

11 vgl. Bereiter 1980

12 vgl. Behning 2018, S. 49-50

13 vgl. Behning 2018, S. 51 ff.

14 vgl. Bibliographisches Institut GmbH, Dudenverlag 2022

15 vgl. Rose 1984, S. 3

16 vgl. Flaherty 2005, S. 81-82

17 vgl. Karnath 2006

18 vgl. TA Developer Pty Ltd 2022

19 vgl. Flaherty 2005, S. 83

20 vgl. Bastug, Yücel, Ertem, Keskin 2017, Abschnitt 605

21 vgl. Bibliographisches Institut GmbH, Dudenverlag 2022

22 vgl. Püschel 2006, S. 3

23 vgl. Püschel 2006, S. 6

24 vgl. Höcker, Engberding, Rist 2017, S. 11

25 vgl. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Prokrastinationsambulanz der Psychotherapie-Ambulanz der WWU, 2021

26 vgl. Schreibschule Erfurt 2003

27 vgl. Opitz, Patzelt

28 vgl. Bibliographisches Institut GmbH, Dudenverlag 2022,

29 vgl. Falkenberg 2013

30 vgl. Maske bei Häcker, Stapf 2004, S. 575/576

31 vgl. Gerhardt, Shayeghi 2012

32 49 v. Chr. überschritt Gaius Julius Caesar den Fluss Rubikon, die natürliche Grenze zwischen Italien und der römischen Provinz Gallia Cisalpina. Danach gab es für ihn kein Zurück mehr, das den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius verhindert hätte. vgl. auch alea iacta est in: Bibliographisches Institut GmbH, Dudenverlag 2022

33 vgl. Karwas 2021

34 vgl. Barker 2015, zitiert in Bastug, Yücel, Ertem, Keskin 2017, Abschnitt 613

35 vgl. Schreib- und Lesekompetenz in Wikipedia

36 vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2019

37 vgl. Bühringer, G., Bengel, J., Pschyrembel Redaktion 2016

38 vgl. Bastug, Yücel, Ertem, Keskin, 2017, Abschnitt 613

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Umgang mit Schreibblockaden
Université
AKAD University of Applied Sciences Stuttgart
Cours
Textanalyse und Textproduktion
Note
1,0
Auteur
Année
2022
Pages
26
N° de catalogue
V1170970
ISBN (Livre)
9783346595232
Langue
Allemand
Mots clés
Schreibblockade, Prokrastination, Rubikonmodell, Linguistik, Stilistik, Textanalyse, Textproduktion, Psychologie
Citation du texte
Michaela Stadelmann (Auteur), 2022, Umgang mit Schreibblockaden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1170970

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