Demokratiemessverfahren

Inwieweit sind Verfahren der Demokratiemessung in der Lage die politische Realität zu erfassen? (Beispiel: Russland)


Trabajo de Seminario, 2008

17 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhalt

1. Einleitung

2. Inwieweit sind Verfahren der Demokratiemessung in der Lage die politische Realität zu erfassen? (Bsp.: Russland)
2.1 Verfahren zur Demokratiemessung
2.1.1 Historische Entwicklung und Anspruch von Demokratiemessverfahren
2.1.2 Vanhanens Index der Demokratisierung
2.1.3 Der Freiheits-Index von Freedom House
2.2 Die politische Situation in Russland unter der Präsidentschaft Wladimir Putins
2.3 Die Erfassung der politischen Realität in Russland durch Vanhanens Index der Demokratisierung und den Freedom House-Index
2.3.1 Das Messergebnis des Vanhanen Index der Demokratisierung
2.3.2 Das Messergebnis des Freedom House-Index
2.4 Wird die politische Realität Russlands durch die Messergebnisse Wiedergegeben?

3. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als „lupenreinen Demokraten“[1] bezeichnete der damalige Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2004 den russischen Staatschef Wladimir Putin.

Doch wie demokratisch ist der russische Staat wirklich? Bereits 2004 waren starke Einschränkungen im Bereich der Meinungsfreiheit und im Umgang mit den Massenmedien bekannt geworden. Auch die Justiz war zunehmend Gängelungen durch den Kreml ausgesetzt.[2]

Wie lässt sich also der demokratische Gehalt eines Staates ermitteln?

Lange Zeit beschränkte man sich auf dichotomische Verfahren. Beispielsweise unterschied James Bryce 1921, abhängig von den jeweiligen Staatsverfassungen, zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien.[3] Robert Dahl führte 1971 anhand von sieben Hauptmerkmalen (darunter: Wahl und Abwahl der Amtsinhaber, freie Meinungsäußerung, u. a.) eine weitergehende Messung durch. Darauf aufbauend wurden vor allem in den 80er und 90er Jahren eine große Anzahl weiterer Messverfahren entwickelt.[4]

Diese Messungen fördern allerdings zum Teil sehr verschiedene und abstruse Ergebnisse zu Tage. Am Beispiel Russland ist dies gut zu erkennen. So ergibt sich für den Vanhanen-Index der Demokratisierung für das Jahr 2007 ein Wert von etwa 19.[5] Kriterien des Vanhanen-Index sind Partizipation und Wettstreit. Damit liegt Russland im Mittelfeld der verfassungsmäßig demokratischen Staaten. Betrachtet man hingegen die Berechnungen von Freedom House desselben Jahres, so stellt man fest, dass es sich bei Russland um einen Staat der Kategorie „not free“ handelt.[6] Der Freedom House-Index berechnet anhand eines Fragenkataloges die politischen Rechte und die Bürgerrechte, welche elementare Bedingungen einer Demokratie darstellen.

Welchen Anspruch haben also solche Messverfahren und inwieweit sind sie in der Lage die politische Realität zu erfassen?

Gerade Russland, als relativ junge Demokratie und unter dem Aspekt der politischen Entwicklung unter Wladimir Putin, scheint ein interessantes Beispiel zu sein.

Somit ergibt sich die Frage: Inwieweit sind die Verfahren zur Messung des demokratischen Gehalts eines Staates (Vanhanen Index der Demokratisierung und Freedom House-Index) in der Lage, die politische Realität zu erfassen? Dies soll am Beispiel Russlands erläutert werden.

Die Entscheidung für diese beiden Messverfahren, ergibt sich aus den divergierenden Ergebnissen und den unterschiedlichen Herangehensweisen.

Im Folgenden wird grundsätzlich und im Besonderen auf die beiden ausgewählten Messverfahren eingegangen. Anschließend soll untersucht werden, inwieweit diese in der Lage sind, eine politische Situation zu erfassen. Dies soll am Beispiel Russland geschehen, wozu auf die politische Entwicklung des Landes während der Ära Putin genauer eingegangen werden soll. Der Hauptteil der Arbeit soll mit einem qualitativen Vergleich der beiden Verfahren und einer Kritik an ihnen beendet werden. Das Fazit soll eine abschließende Bewertung der Ergebnisse der Hausarbeit vornehmen.

2. Inwieweit sind Verfahren zu Demokratiemessung in der Lage die politische Realität zu erfassen (Bsp.: Russland)?

2.1 Verfahren zur Demokratiemessung

Zunächst werden die Verfahren zur Demokratiemessung grundsätzlich vorgestellt. Im Anschluss wird auf den formalen Aufbau der beiden ausgewählten Indizes genauer eingegangen.

2.1.1 Historisch Entwicklung und Anspruch von Demokratiemessverfahren

Den Anfang auf diesem Gebiet machte Aristoteles, der die zu seiner Zeit existierenden Herrschaftsformen verglich und damit über lange Zeit ein „Solitär“[7] blieb. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts und mit der Konstituierung der Politikwissenschaft als eigene wissenschaftliche Disziplin wurden derartige, vergleichende Messungen wieder durchgeführt.

So beispielsweise James Bryce, der 1921 einen verfassungsmäßigen Vergleich zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien vornahm.[8] Die vergleichende Forschung, als Unterdisziplin der Politikwissenschaft, konzentrierte sich damit lange Zeit auf den reinen Vergleich von Regierungssystemen. Eine Weiterentwicklung fand erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als Folge der Beobachtung, dass sich demokratische Systeme in diktatorische transformierten und der Auflösung der Kolonialreiche, statt.[9] Darüber hinaus stiegen die Anforderungen an die vergleichende Politikwissenschaft mit der so genannten „Dritten Welle“. Dieser Begriff von Huntington beschreibt den „eindeutigen und in seinen Ausmaßen bislang einmaligen Trend in Richtung Demokratie“[10], der seit den 1980er Jahren einsetzte. Diese Entwicklung verlangte eine größere Differenzierung der Messverfahren, da nicht nur die reine Zahl der Demokratien stieg, sondern auch eine Reihe von Systemen entstand, die sich in einer Grauzone zwischen reinen Diktaturen und reinen Demokratien ansiedelten.

Innerhalb dieser modernen Demokratiemessung ist besonders die Arbeit von Robert Dahl hervorzuheben. In seinem Werk „Polyarchy“ (1971) erfasste er anhand von sieben Hauptmerkmalen (Wahl und Abwahl der Amtsinhaber, regelmäßig stattfindende freie und faire Wahlen, freie Meinungsäußerung, u.a.) 26 polyarchische Demokratien, drei Spezialfälle mit größeren wahlpolitischen Einschränkungen und sechs Beinahe-Polyarchien. Unter dem Begriff „Polyarchy“ versteht Dahl die Repräsentativdemokratien des 20. Jahrhunderts.

Der Unterschied zu früheren Erhebungen liegt vor allem darin, dass Dahl auch die Funktionsvoraussetzung einer Demokratie in seine Messung mit einbezieht.[11] Aufbauend auf Dahls Berechnungen wurden, insbesondere in den 1980er und 90er Jahren, weitere Messverfahren entwickelt. Hervorzuheben sind hier die Studien von Bollen, Vanhanen, Coppedge/Reinicke, Freedom House und Gurr. In diese neueren Messverfahren fanden nun auch Methodenprobleme bei der Klassifizierung von Regimen Berücksichtigung.[12]

Welchen Zweck, bzw. welchen Anspruch verfolgen die Verfahren der modernen Demokratiemessung?

Zunächst muss man feststellen, dass größere Unterschiede zwischen bestimmten Staaten ohne jegliche Messung erkannt werden können. Beispielsweise war die DDR, im Gegensatz zur BRD, äußerst undemokratisch. Allerdings sind Unterschiede in den Herrschaftsformen nicht immer leicht auszumachen. Der wissenschaftliche Vergleich soll daher „möglichst zuverlässig, genau und standardisiert“[13] ablaufen und Auskunft geben.

Ein Grundanliegen derartiger Messungen liegt darüber hinaus darin, allgemein anerkannte Kriterien bereitzustellen, anhand derer der demokratische Gehalt eines bestimmten politischen Systems überprüft werden kann.[14]

2.1.2 Vanhanens Index der Demokratisierung

Seit den späten 1970er Jahren entwickelte der, inzwischen emeritierte, finnische Sozialwissenschaftler Tatu Vanhanen einen Index der Demokratisierung für bis zu 184 Staaten. Dieser reicht bisweilen für einige Länder vom 19. Jahrhundert bis in das Jahr 2000. Unter Rückgriff auf Dahls Polyarchiebegriff, sind Partizipation und Wettbewerb die beiden Schlüsselkriterien dieses Indexes.[15] Ziel der Messungen sind die Unterscheidbarkeit von demokratischen und autoritären Systemen, sowie Erkenntnisse über die Qualität der Demokratie eines bestimmten Staates.

Vanhanen verwendet ein relativ einfaches Modell zur Erhebung seiner Messungen. Es verwenden Daten der Wahlbeteiligung bei nationalen Wahlen in zweifacher Hinsicht:

1. als Grad des öffentlichen Wettbewerbs (Competition). Hier wird der prozentuale Anteil der Stimmen, die nicht auf die stärkste Partei entfallen, errechnet.

C = 100 – Stimmenanteil der stärksten Partei

2. als Partizipationsgrad (Participation). Dieser wird anhand der faktischen Wahlbeteiligung gemessen. Dies bedeutet, dass die prozentuale Beteiligung an der Gesamtbevölkerung und nicht an der Anzahl der Wahlberechtigten errechnet wird.

P = Wahlbeteiligung/Bevölkerungszahl * 100[16]

Um Unterschiede innerhalb der Regierungssysteme berücksichtigen zu können, bezieht sich Vanhanen auf die Wahlen des jeweils dominierenden Repräsentativorgans. Parlamentarische Systeme spiegeln ihren Aufbau in der Betrachtung der Stimmenanteile der jeweils stärksten Partei wieder, wohingegen präsidentielle Systeme dadurch erfasst werden, dass der Stimmenanteil des erfolgreichen Kandidaten in die Berechnung mit einfließt. Handelt es sich bei dem betrachteten Staat um eine Mischform, so wird eine entsprechende Gewichtung vorgenommen (50-50, 25-75, 75-25). Da es sich bei den zu betrachtenden Kriterien um elementare Grundvoraussetzungen einer Demokratie handelt, werden beide zu gleichen Teilen berücksichtigt. Durch die Multiplikation dieser wird sichergestellt, dass das Fehlen eines Faktors nicht durch den jeweils anderen ersetzt werden kann. Es ergibt sich so folgende Formel zu Berechnung von Vanhanens Index der Demokratisierung (ID):

[...]


[1] Mommsen, Margarete/Nußberger, Angelika (2007): Das System Putin, München, S165f.

[2] Vgl. ebd. S. 105-114.

[3] Vgl. Schmidt, Manfred (2000): Demokratietheorien. Eine Einführung, Opladen, S. 390.

[4] Vgl. ebd. S. 397.

[5] Eigene Berechnung.

[6] Freedom House, Inc., Freedom in the World – Russia (2007), S. 1, http://www.freedomhouse.org/template.cfm?page=22&country=7258&year=2007 (10.03.2008).

[7] Abromeit, Heidrun/Stoiber, Michael (2006):Demokratien im Vergleich. Einführung in die vergleichende Analyse politischer Systeme, Wiesbaden, S. 25.

[8] Schmidt, a.a.O., S. 390.

[9] Vgl. Abromeit/Stoiber, a.a.O., S. 26.

[10] Lauth, Hans-Joachim/Pickel, Gert/Welzel, Christian (Hrsg.) (2000): Demokratiemessung. Konzepte und Befunde im internationalen Vergleich, Wiesbaden, S. 7.

[11] Vgl. Schmidt, a.a.O., S. 393-395.

[12] Vgl. Lauth/Pickel/Welzel, a.a.O., S. 11.

[13] Schmidt, a.a.O., S. 389f.

[14] Vgl. Pickel, Susanne/Müller, Thomas (2006): Systemvermessung.-Schwächen der Konzepte und Verzerrungen der empirisch-quantitativen Bestimmung von Demokratie und Autokratie, in Pickel/Pickel (Hrsg.), Demokratisierung im Internationalen Vergleich. Neue Erkenntnisse und Perspektiven, Wiesbaden, S. 135.

[15] Vgl. Schmidt, a.a.O., S. 398.

[16] Vgl. Pickel, Susanne/Pickel, Gert (2006): Politische Kultur- und Demokratieforschung. Grundbegriffe, Theorien, Methoden. Eine Einführung, Wiesbaden, S. 194.

Final del extracto de 17 páginas

Detalles

Título
Demokratiemessverfahren
Subtítulo
Inwieweit sind Verfahren der Demokratiemessung in der Lage die politische Realität zu erfassen? (Beispiel: Russland)
Universidad
University of Trier  (Fachbereich III: Politikwissenschaft)
Curso
Einführung in die Politische Theorie und Ideengeschichte. Demokratietheorie
Calificación
1,0
Autor
Año
2008
Páginas
17
No. de catálogo
V117097
ISBN (Ebook)
9783640194810
ISBN (Libro)
9783640194964
Tamaño de fichero
443 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Demokratiemessverfahren, Einführung, Politische, Theorie, Ideengeschichte, Demokratietheorie
Citar trabajo
Warin Jaeger (Autor), 2008, Demokratiemessverfahren, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117097

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