Bei dem Werk handelt es sich um ein Weiterbildungsbuch im Bereich Intellectual Property Management (IPM). Bei dem IPM handelt es sich um ein Gesamtgeschehen im Unternehmen, ausgerichtet auf Entstehung und Handhabung sowie Sicherheit von gewerblichem Geistigem Eigentum (IP), ein komplexes Gesamtgeschehen, das sich in einer Vielzahl von Prozessen konkretisiert und in der Begründung von Schutzrechten und ähnlichen Positionen resultiert. Dieses Geschehen kann – wie alle Vorgänge im Unternehmen – besser oder schlechter vor sich gehen, geordnet und geplant oder eher durch Zufälligkeiten bestimmt.
Der/die IP-M ist in diesem Bezug im Bereich des geistigen Eigentums eines Unternehmens Garant dafür, dass dieses Geschehen normgemäß qualitativ hochstehend entstehen, sich ent-wickeln und ablaufen kann. Er ist die zentrale Anlaufstelle für alle IPM-Anliegen im Unter-nehmen und koordiniert alle Einzelbeiträge dazu.
Grundsätzliches zum IPM und den Aufgaben eines IP-Managers
Konzeption eines konkret passenden IPM
Modul 3
Vorbereitung und Herbeiführen der IPM-Grundsatzentscheidung
Modul 4
IPM-Initiierung und IPM-Implementierung
Modul 5
Durchführung des IPM im Unternehmen, Auditierung und Zertifizierung
Schlussbetrachtung
Abschließende Bemerkungen
Anhang A
Literatur
Zur Einstimmung:
Sie sind beruflich beschäftigt mit dem geistigen Eigentum (engl. Intellectual Property = IP) des Unternehmens, etwa mit Patenten oder auch Marken, und machen sich täglich Gedanken über Fragestellungen des Gewerblichen Rechtsschutzes. Ihr Interesse an einer Weiterbildung zur/zum IP-Manager/in zeigt, dass Sie wünschen, sich mit der Aufgabenstellung einer/s IP-Managers/in vertraut zu machen.
Was die Begriffe IP-Manager und IP-Management (IPM) und deren Benutzung angeht, ist eine gewisse Vorsicht angebracht. Weil diese Begriffe noch relativ neu sind, kann es leicht vorkommen, dass dazu recht unterschiedliche Vorstellungen existieren. Es empfiehlt sich daher, mit Gesprächspartnern zu klären, was darunter jeweils verstanden wird oder werden soll. Es ist zu hoffen, dass die zu erwartende verbreiterte Kenntnis der DIN-Norm 77006 die Verständigungsprobleme vermindern und zukünftig Missverständnissen vorbeugen wird.
Was nun ist IPM und ein/e IP-Manager/in (IP-M)?
Bei dem IPM handelt es sich um ein Gesamtgeschehen im Unternehmen, ausgerichtet auf Entstehung und Handhabung sowie Sicherheit von gewerblichem Geistigem Eigentum (IP), ein komplexes Gesamtgeschehen, das sich in einer Vielzahl von Prozessen konkretisiert und in der Begründung von Schutzrechten und ähnlichen Positionen resultiert. Dieses Geschehen kann – wie alle Vorgänge im Unternehmen – besser oder schlechter vor sich gehen, geordnet und geplant oder eher durch Zufälligkeiten bestimmt.
Der/die IP-M ist in diesem Bezug im Bereich des geistigen Eigentums eines Unternehmens Garant dafür, dass dieses Geschehen normgemäß qualitativ hochstehend entstehen, sich entwickeln und ablaufen kann. Er ist die zentrale Anlaufstelle für alle IPM-Anliegen im Unternehmen und koordiniert alle Einzelbeiträge dazu.
Bei der Erfüllung seiner Aufgaben hilft ihm/ihr die DIN-Norm 77006. Dafür muss er sie sehr gut kennen. Aber – um einem naheliegenden Missverständnis vorzubeugen – ist dieser Hinweis unbedingt zu beachten: Die bloße Kenntnis der Norm 77006 befähigt noch nicht dazu, im Unternehmen ein qualitätsvolles IPM zu betreiben. Dazu folgendes Beispiel: Stellen Sie sich vor, eine Norm für das Maurerhandwerk schreibt vor, dass eine gemauerte Wand keinen größeren Neigungswinkel als 2° haben darf. Wenn ich das weiß, kenne ich nur gerade die Anforderung der Norm, kann aber noch lange keine lotrechte Wand mauern. Genauso ist es auch mit der DIN 77006. Sie enthält nur eine ganze Reihe von Anforderungen an ein qualitätsvolles IPM. Will ich ein solches in einem Unternehmen betreiben, muss sehr viel mehr dazukommen. Das zu vermitteln, ist Gegenstand dieses Seminars.
Dem entspricht folgendes: der unmittelbare Anwender der DIN 77006 ist nicht die/der IP-M, sondern der IP-Auditor. , der anhand der Norm prüft, ob das Unternehmen deren Anforderungen erfüllt. Das ist der Anwendungsfall der Norm. Die/der IP-M kann die Norm aber in der Weise nutzen, dass er von ihren Anforderungen rückschließt auf die Maßnahmen, die er ergreifen muss, damit das Unternehmen die Anforderungen der Norm erfüllt.
Kurz: Die Norm hat nicht die Funktion einer einfachen Gebrauchsanweisung für die Ein- und Durchführung des IPM im Unternehmen. Das Bild eines Mitarbeiters, dessen Arbeit sich darauf beschränkt, Anweisungen entgegen zu nehmen und auszuführen, ist mit der Aufgabenstelung einer/eines IP-M nicht vereinbar. Dieser arbeitet vollkommen selbstständig und empfängt die laufenden Anweisungen nur von sich selbst, über deren Ausführung er allein autonom entscheidet. Dazu bringt sie/er die Fähigkeit und die Bereitschaft mit, - abstrakt (losgelöst von einzelnen Gegenständen oder Produkten, konkreten Umständen im Unternehmen), - systemisch (ausgerichtet auf vernetzte Systeme) und - prozessorientiert (im Bewusstsein der stets parallel ablaufenden diversen Vorgänge im Unternehmen) zu denken.
Damit die/der IP-M in der Lage ist, im Unternehmen ein qualitätsvolles IPM entstehen zu lassen, muss eine ganz grundsätzliche Voraussetzung erfüllt sein: Die Führung des Unternehmens muss erkannt haben, dass es sich beim Umgang mit dem Geistigen Eigentum des Unternehmens um eine eigenständige Managementaufgabe handelt, um eine Aufgabenstellung, deren Bewältigung kein Unternehmen dem Zufall überlassen darf. Sie muss ebenfalls erkennen, dass dieser Managementbereich selbst dann brachliegt, wenn im Unternehmen einzelne, dazu gehörende Disziplinen, wie etwa das Patent- oder Markenmanagement, qualitativ hochstehend betrieben werden, aber dabei isoliert von einander und nicht zusammenhängend. Sie muss verstehen, dass also sogar unter an sich lobenswerten Umständen dem Unternehmen die Vorteile eines qualitätsvollen IPM entgehen und die Nachteile von Managementdefiziten in diesem Bereich und die damit zusammenhängenden Gefahren drohen.
Ein Vergleich mit dem Management des Lagers eines Unternehmens verdeutlicht vielleicht gut die Dringlichkeit der Aufgabe: Ohne eine systematische, planvolle Lagerhaltung ist eine geordnete Produktion schlicht undenkbar. Davon betroffene Betriebsabläufe werden dann unbeherrschbar und stürzen ab in Chaos. Auch wenn bei bloß fortgesetztem Unterlassen eines systematischen IPM nicht sogleich das Chaos droht, können die Defizite gleichwohl unternehmensgefährdende Folgen auslösen.
Die zentrale Person des IPM ist der/die IP-Manager/in (IP-M). Sie/er beschäftigt sich mit der strategischen, zielgerichteten Handhabung von IP. Als Manager/in hat er/sie die Einstellung, nicht nur eine Aufgabe zu erledigen, sondern das Unternehmen in ihrem/seinem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich voran zu bringen. Dabei kümmert er/sie sich ganz allgemein darum, dass bestimmte Aufgaben im Unternehmen im Zusammenhang, systematisch und qualitativ anspruchvoll erledigt werden. Damit macht der Begriff des Managers keinerlei Aussage über das Alter, das Geschlecht oder die Vor- und Ausbildung dieses Menschen. Der Begriff „IP-Manager“ ist keine geschützte Berufbezeichnung. Gleichwohl gingen bislang alle, die sich mit dem Thema beschäftigten, wie selbstverständlich davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit eines IP-Managers um eine Aufgabe handelte, die eine akademische Ausbildung voraussetzte. Das ist allerdings in keiner Weise eine unabdingbare Voraussetzung. Die Position des IP-Managers zielt ab auf eine Tätigkeit in der Praxis. Theorie spielt dabei natürlich eine nicht ganz geringe Rolle, aber ist nicht das zentrale Tummelfeld des IP-Managers.
Ein Fall, um das zu verdeutlichen: Ein Unternehmen der Luxusbranche verkauft schon seit langen Jahren und mit großem Erfolg eine trotz ihres hohen Preises äußerst begehrte Damenhandtasche. Sie hat dieses Aussehen:
Die Tasche wird exzessiv nachgeahmt. Überall findet man davon Plagiate. Um mehr Rechtsschutz dafür zu erhalten, will das Unternehmen für das Erscheinungsbild dieser Tasche Markenschutz erwerben. Der früher einmal bestehende Designschutz ist seit langem abgelaufen.
Die Markenabteilung ahnt – zu Recht –, dass die Anmeldung problematisch sein wird. Deswegen wird einem Rechtsanwalt, einem Markenrechtsspezialisten, der Auftrag erteilt, die Anmeldung vorzunehmen. Es wird auf seinen Rat hin entschieden, eine 3D-Formmarke anzumelden. Das geschieht und die Marke wird eingetragen, wofür allerdings einige Hürden zu überspringen waren. Der Auftrag des Anwalts ist beendet. Die Person aus der Markenabteilung, die mit dem Anwalt korrespondiert hatte, weiß, dass Marken benutzt werden müssen, wenn die Rechte daran nicht verfallen sollen. Und zwar müssen sie als Marke für die Produkte (bzw. Dienstleistungen) benutzt werden, für die Markenschutz mit der Anmeldung beansprucht und mit der Eintragung der Marke dann auch gewährt worden ist. Es stellt sich also die Frage nach der markenmäßigen Benutzung einer 3D-Marke für die beanspruchte Ware. Und damit die Frage, wie die rechtserhaltende Benutzung durch das Unternehmen sichergestellt werden kann. Jemand muss sich darum kümmern! Ist die fragliche Person in der Lage, diese Frage aus eigener Kraft zu beantworten, wird sie ein Programm entwerfen, wie die beteiligten Unternehmensabteilungen einschließlich Verkaufspersonal (!) zu informieren und anzuweisen sind, bestimmte Benutzungshandlungen vorzunehmen. Benötigt sie Hilfe, kann sie daran denken, den Rechtsanwalt anzusprechen, der mit der Anmeldung der Marke befasst war. Dabei wird sie erfahren können, welche Benutzungshandlungen von der Rechtsprechung als ausreichend anerkannt werden, damit die Marke erhalten bleibt.
Dieser einfache Plagiatsfall offenbart bereits eine Fülle von IPM-Umständen und IPM-Prozessen:
Das Unternehmen erreichen Informationen, dass dieses stark nachgefragte Produkt vielfach kopiert wird. Das Renommee der Tasche, des Herstellers, sein Ruf und Ansehen und die Wertschätzung der Marke laufen Gefahr, beschädigt zu werden. Das Problem wird untersucht. Als Problemlösung schwebt den Beteiligten vor, den Schutz des Produkts zu verbessern. Ein neues Verbietungsrecht soll entstehen. Die Wahl fällt nach reiflicher Überlegung auf eine 3D-Warenformmarke. Der Prozess der Anmeldung und Registrierung der Marke wird eingeleitet. Zugleich wird ein unternehmensinterner Vorgang zum sachgerechten, Verkaufserfolg versprechenden Gebrauch der Marke eingeleitet, auch zum Zwecke zu ihrer rechtserhaltenden Benutzung. Entsprechende Benutzungsroutinen werden installiert. Benutzungsvorgänge werden durchgeführt und überwacht.
Dieses Beispiel macht somit bereits viele Seiten der Tätigkeit einer/s IP-Managers/in erkennbar: Er/sie ist damit befasst, das Geistige Eigentum (IP, kurz für engl. Intellectual Property) des Unternehmens zu schaffen bzw. zu vergrößern und zu erhalten. Zu diesem Zweck kommuniziert er/sie mit den Fachabteilungen des Unternehmens, die den rechtlichen Schutz benötigen und wünschen, ferner mit der Marketingabteilung, die sich um den Einsatz der Unternehmensmarken kümmert, und auch dem externen Berater, der in diesem Fall die Anmeldung vornimmt. Er/sie blickt über den Tellerrand des bloßen Anmeldevorgangs hinaus und denkt nach über die Zukunft und das Schicksal der Marke. Darauf wirken die Unternehmenseinheiten an der (Benutzungs-)Front ein. Die müssen folglich informiert und belehrt werden. Der IP-Manager stellt sicher, dass die notwendigen Maßnahmen zur rechtserhaltenden Benutzung der Marke auf der Ebene des Vertriebs eingehalten werden und kontrolliert das.
Damit wird klar: die Vorgänge und deren Kommunikation in den Bereichen, die vom IP-Management berührt werden, sind u. a. ganz entscheidend für die erfolgreiche Ausübung dieser Managementdisziplin. Deren Beherrschung setzt nicht unbedingt eine akademische Vorbildung voraus.
Nach dieser Einstimmung freue ich mich, Sie zu dieser beruflichen Weiterbildungsmaßnahme begrüßen zu können.
Sie beschäftigen sich schon gegenwärtig beruflich mit Fragen des Geistigen Eigentums – IP –, vielleicht als Patent- oder Rechtsanwalt, oder als Patentingenieur, Patent- oder Markenreferent oder ähnliches in einem Unternehmen oder einer freiberuflichen Kanzlei. Ihre Anmeldung zu diesem Seminar zeigt, dass Sie sich für Fragen des Managements des Geistigen Eigentums interessieren.
Das betrifft den Bereich der Planung, Organisation und Leitung des IP-Wesens eines Unternehmens. Im Zentrum dieser Weiterbildungsmaßnahme steht die Bezeichnung IP-Manager. Dabei handelt es sich nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung. Die Tätigkeit eines IP-Managers setzt kein Studium voraus, wohl aber eine ausreichende Qualifizierung. Sie kann z. B. beruhen auf einer entsprechenden beruflichen Ausbildung und einschlägigen Berufserfahrungen.
Was ist ein IP-Manager? Ich schlage eine einfache Definition vor: Das ist jemand, der sich um das Management des Geistigen Eigentums in einem Unternehmen kümmert und um alle Prozesse, die damit zu tun haben.
Spätestens das wirft die Frage auf, was unter dem Begriff IP-Management zu verstehen ist. Die Vorstellungen dazu sind sehr unterschiedlich. Teilweise wird darunter nichts anderes verstanden als „Patentmanagement“, obwohl das nur einen geringen Teil davon ausmacht. So werden z. B. im Internet Computerprogramme für das IPM angeboten, die allenfalls beim Management des Patentportfolios eines Unternehmens helfen. Es ist zu hoffen, dass mit Hilfe der DIN-Norm 77006 ein einheitlicher Sprachgebrauch einkehren wird. Jedenfalls besteht gegenwärtig immer Veranlassung, bei Gesprächen über IPM, etwa bei Stellenbewerbungen, zu klären, was die Teilnehmer daran unter IPM verstehen. Das kann ein Aneinander-Vorbeireden vermeiden.
Zur Klärung also bereits an dieser Stelle der Versuch einer Definition: IPM ist derunternehmerische Umgang mit dem geistigen Eigentum des Unternehmens, seinem IP, im weitesten Sinne. Dabei werden die Ziele verfolgt, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und seinen Wert zu erhöhen, indem die Wettbewerbsstärke des Unternehmens vergrößert wird durch den Erwerb von wirklich wichtigen und schlagkräftigen Verbietungsrechten und sein Wert erhöht wird durch die verbesserte Qualität der Prozessabläufe und letztlich auch durch den Besitz immer wertvollerer Schutzrechte, Marken, Patente etc.
Mit dieser Thematik sind Sie aufgrund Ihrer Position und berufliche Erfahrung vertraut und sicher auch mit den dazugehörigen rechtlichen und justiz-prozessualen Fragestellungen. Das ist eine wunderbare Ausgangslage, um sich der Aufgabenstellung eines IP-Managers anzunähern.
Zu mir: Warum, werden Sie sich fragen, beschäftigt sich ein Rechtsanwalt mit Managementfragen? Zu Recht! Denn solche Themen des Managements gehören zum Bereich der Betriebswirtschaftslehre und eindeutignicht zu dem der Rechtswissenschaft.
Die Antwort ist recht einfach und eigentlich auch naheliegend. Ich bin seit nunmehr gut 40 Jahren als Rechtsanwalt tätig, und zwar fast die ganze Zeit ausschließlich im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes. Es ging dabei in erster Linie um die Verteidigung von Schutzrechten. Leider kam es dabei durchaus auch vor, dass die Gewinnchancen im Prozess, wie sich vor Gericht herausstellte, dann doch nicht so groß waren, wie sich das meine Ansprechpartner in den Firmen, die ich vertrat, trotz meiner Risikohinweise gedacht hatten. Gewinnen ist immer schöner als Verlieren, auch für einen Rechtsanwalt - natürlich. Ich dachte dannfür mich, etwa in einem Markenverletzungsprozess, wenn meine Mandantin manche Dinge anders gehandhabt hätte, etwa für eine größere Kennzeichnungskraft der Marke oder sonst für einen größeren Schutzbereich der Marke gesorgt oder das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Marke intelligenter gestaltet oder in einem Patentverletzungsprozess,bei der Patentanmeldung umfassendere Ansprüche formuliert hätte, dann hätte ich im Prozess bessere Karten gehabt. „Anders – nämlich reflektierter, überlegter - handhaben“ heißt managen. Soweit derartige Erfahrungen nach Prozessende jeweils besprochen wurden, traf das nicht nur auf Interesse der jeweiligen Firma, die ich vertrat, sondern löste nicht selten ein Umdenken aus im Sinne des strategischen und systematischen Managements des Geistigen Eigentums im Unternehmen.
Das Thema reizte mich immer mehr, und so veröffentlichte ich 2009 mein erstes Buch dazu mit dem Titel „Strategisches IP-Management – mehr als nur Patente“. IP steht dabei, wie gesagt, für Intellectual Property, den englischen Ausdruck für Geistiges Eigentum.Drei weitere Bücher zu dem Thema folgten. Der Zusatz „mehr als nur Patente“ erfolgte aus dem Grunde, weil das Thema - bis heute – häufig willkürlich eingeengt wird auf Fragen, die allein mit dem Managen von Patenten zu tun haben. IPM ist aber eben deutlich mehr.
Das Deutsche Institut für Normung erkannte etwa in dieser Zeit die Bedeutung dieses Themas für die Wirtschaft und veröffentlichte im Juli 2010 eine Anleitung für die Dienstleistungsqualität im Intellectual Property Management mit dem Titel „DIN SPEC 1060“. Es zeigte sich aber recht bald, dass ein Bedürfnis nach einer regelrechten DIN-Norm zu diesem Thema bestand, und so bildete sich Mitte der Zweitausendzehner-Jahre ein DIN-Normenausschuss, der eine solche Norm entwickeln sollte. Diesem Ausschuss gehörte ich bis nach der Verabschiedung der Norm an. Das Ergebnis war die DIN 77006 mit dem Titel: „Intellectual Property Management – Anforderungen“.
Zur Klarstellung und Vermeidung von Missverständnissen sei aber bereits an dieser Stelle mitgeteilt, dass die DIN 77006 nicht die Funktion einer einfachen Gebrauchsanweisung für die Ein- und Durchführung eines qualitätsvollen IPM im Unternehmen hat. Sie ist eine Sammlung einer Vielzahl von Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit von einem qualitätsvollen IPM geredet werden kann. Sie ist damit alles andere als ein Kochrezept, in dem die Zutaten aufgeführt und die Zubereitung beschrieben werden, so dass man die fertige Speise aus dem Ofen ziehen kann. Die Norm 77006 gibt keine direkte Auskunft darüber, was die/der IP-Manager*in tun muss, damit im Unternehmen ein gelingendes IP-Management entsteht. Der tatsächliche Anwender der DIN 77006 im Unternehmen ist nicht die/der IP-Manager*in, sondern der/die Auditor*in, der/die anhand der Norm prüft, ob das Unternehmen deren Anforderungen erfüllt. Die/der IP-Manager*in kann die Norm allerdings mittelbar so nutzen, dass er von ihren Anforderungen rückschließt auf die Maßnahmen, die er/sie ergreifen muss, damit das Unternehmen die Anforderungen der Norm erfüllt.
Die DIN-Norm 77006 kann somit durchaus mittelbar als Grundlage dienen für die Entwicklung und Ausübung eines qualitätsvollen IP-Managements im Unternehmen. An ihr ist zugleich auch die Weiterbildung geeigneter Fachkräfte zum IP-Manager auszurichten. Im Rahmen dieser Reihe von 5 Modulen werden wir uns somit immer wieder mit den Einzelheiten dieser Norm beschäftigen müssen.
Auf geht´s!
Modul 1
Grundsätzliches zum IPM und den Aufgaben eines IP-Managers
Quelle: Wikipedia.de, GNU-Lizenz (Urheber 3427 Cfaerber) In dieser Übersicht sind die einzelnen Regelungsbereiche des Gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberechts ziemlich vollständig aufgeführt.[1]Zu jedem dieser Bereiche gibt es getrennte gesetzliche Vorschriften. In dieser Reihe von fünf Modulen zur Weiterbildung zum/r IP-Manager/in werde ich keine Informationen zu den einzelnen Rechtsgebieten geben, weil ich bei Ihnen ausreichende Kenntnisse dazu voraussetzen darf. Der Versuch, die Regeln aller einschlägigen Gesetze in einem einheitlichen „Gesetzbuch des Gewerblichen Rechtsschutzes“ zusammenzufassen, ist früher einmal ansatzweise unternommen, aber nicht weiterverfolgt worden. Die Regelungsgegenstände und -inhalte der gesetzlichen Schutztexte sind sehr unterschiedlich und im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bleiben sie wohl besser getrennt. Jedes einzelne der hier aufgeführten Rechtsgebiete ist zunächst eine „Welt für sich“. Wer sich da jeweils wirklich auskennt, ist ein absoluter Spezialist, wenn nicht sogar eine regelrechte Koryphäe, allerdings zumeist nicht Generalist. Hier detaillierte Sachkenntnis zu haben, ist natürlich nicht Chefsache, aber auch nicht Sache der/des IP-M. Einen tauglichen overall-Eindruck und eine zutreffende Vorstellung, die Entscheidungen ermöglicht, allerdings schon. Wenn es um Einzelfragen geht, wird der/die IP-M, soweit für seine/ihre Arbeit nötig, auf die Hilfe seiner Mitarbeiter und anderer Angehöriger des Unternehmens oder externer Berater zurückgreifen können. Bedeutung und Wirkung der Einzelbereiche und ihres Zusammenwirkens kann man sich anschaulich machen, indem man sich vorstellt, dass der Gesetzgeber hier ein Schutzsystem, ein zusammenhängendes „Feuchtgebiet“ unterschiedlicher Schutz“quellen“ geschaffen hat. Das stellt ein staatliches Angebot dar, sich aus Gesamtheit der verfügbaren Schutzquellen diejenige Kombination an Schutzwirkungen zu komponieren, die das Schutzbedürfnis des jeweiligen Unternehmens möglichst optimal stillen. Werden die Schutzquellen aktiviert, resultieren daraus Verbietungsrechte, die das davon profitierende Unternehmen gegenüber jedem Konkurrenten mobilisieren kann. Wirken diese Verbietungsrechte geschäftsmodellkonform, wertschöpfungsorientiert und dynamisch, d. h. angelehnt an die im Unternehmen ablaufenden Prozesse, sind sie in der Lage, die Wettbewerbsposition des Unternehmens bedeutend zu verbessern und den Unternehmenswert zu heben, indem sie selbst zu Unternehmensvermögen werden und zusätzlich „freedomtooperate“ (Handlungsspielraum) bescheren. Das dargestellte Schema ist in zweifacher Hinsicht von einigem Wert: Einerseits nimmt es die Gesamtheit der Schutzbereiche zugleich in den Blick. Damit wird – sehr zu Recht - die Ganzheitlichkeit und Zusammengehörigkeit der aufgeführten gesetzlicher Schutzregelungen vor Augen geführt und betont. Diese Zusammenschau im Wikipedia-Schema vermittelt zugleich durch die farbigen Einrahmungen der verschiedenen dargestellten Bereiche und Bereichsgruppen und vor allem der Überschneidungen deutlich, dass sie alle irgendwie zusammengehören. Weshalb und inwieweit, erschließt sich natürlich erst dem Interessierten, wenn er sich mit der Materie näher befasst; er wird dabei ggf. Erkenntnisse gewinnen, die ihn in Erstaunen versetzen und durchaus mit Gewinn praktisch umsetzbar sind. Das wird die/der zukünftige IP-M bei Gelegenheit vertiefen. Die farblich gehaltenen Umrahmungen setzen die einzelnen benachbarten Bereiche in Beziehung zueinander. Diese überschneiden sich, und es sind insbesondere diese Überlappungen bzw. Schnittmengen, wie man heute eher sagen würde, die den Erkenntniswert dieses Schemas ausmachen. Dabei bleiben die Einzelbereiche durchaus ungleich. Die einzelnen Bereiche schützen Unterschiedliches. Beim Patent ist es zum Beispiel bekanntlich das erfinderische Ergebnis, beim Design das Erscheinungsbild, die äußere Gestaltung eines Objekts. Das legt es nahe, die unterschiedlichen Schutzrechte zur Steigerung der Schutzwirkung miteinander zu kombinieren. In der Fachsprache hat sich dafür der Begriff „Schutzrecht-Cluster“ eingebürgert. Dabei handelt es sich um ein Zusammenführen mehrerer Schutzrechte zu einem Schutzsystem. Sie ergänzen sich in ihrer Wirkung, ggf. sogar potenzierend. Es werden homogene und heterogene Schutzrecht-Cluster gebildet, also solche, die aus identischen Schutzrechten bestehen, also evtl. mehreren Patenten, oder solche, die aus Schutzrechten unterschiedlicher Art zusammengesetzt sind, etwa aus Patenten und Designrechten. Dazu fällt mir ein Fall ein, der sich von einigen Jahren auf der Düsseldorfer Kunststoffmesse ereignet hat. Ein deutscher Maschinenbauer hatte dort seine Maschinenanlagen ausgestellt. Für deren „technisches Innenleben“ hatte er Patente erworben. Aber ihm war bewusst, dass er Kunden nicht nur für überzeugende technische Lösungen gewinnen konnte. Er wusste auch, dass eine besonders ansprechende äußere Gestaltung einer Anlage unter Marketinggesichtspunkten Kunden ansprechen und helfen konnte, dass sie sich für seine Maschinen entschieden. Auch B2B-Kunden sind verführbar! Deswegen hatte er für ein besonders ansprechendes Design seiner Produkte gesorgt und es unter Schutz stellen lassen. Auf dem Messestand eines asiatischen Konkurrenten wurden dann Maschinen entdeckt, die ganz genau so aussahen wie die deutschen, ein Fall der sog. sklavischen Nachahmung. Der deutsche Hersteller vermutete deswegen, dass wohl auch das technische Innenleben der Maschinen patentverletzend nachgebaut worden war. Ein Detektiv, der das untersuchen sollte, stellte dann fest, dass von den asiatischen Produkte auf der Messe lediglich die äußeren Hüllen ausgestellt worden waren, aus welchen Gründen auch immer, womöglich um patentrechtliche Angriffe unmöglich zu machen. In der Situation half der Designschutz. Mit seiner Hilfe konnte eine einstweilige Verfügung erlangt und erreicht werden, dass die Maschine des asiatischen Konkurrenten vom Gerichtsvollzieher beschlagnahmt und späterhin geschreddert wurde. Dieses Beispiel zeigt die Möglichkeit des wettbewerblichen Reagierens mit Hilfe eines heterogenen Schutzrecht-Clusters auf. Dieser Düsseldorfer Fall berührt, nebenbei bemerkt, auch die wichtige Frage, ob die Grundsätze des IPM neben dem B2B-Bereich auch für den anderen gilt, nämlich den B2C-Sektor. Das ist eindeutig der Fall, denn grundsätzlich gelten die Überlegungen dazu, welche Angebotsfaktoren den Kaufentschluss herbeiführen, für einen professionellen Kunden prinzipiell genau so wie für einen Endkonsumenten. In beiden Fällen ist danach zu streben, beim Kunden die Wahrnehmung eines konkurrenzlos positiven Kundennutzens auszulösen, die zum Kaufentschluss führt. Mag auch der beruflich handelnde Kunde bewusster und informierter agieren, auch er will aber überzeugt werden, und dafür benötigt er diese positiven Wahrnehmungen. Und wenn er dabei auch noch ein wenig verführt wird, was dem IPM überhaupt nicht zuwiderläuft, so soll das ebenfalls willkommen sein. Die einzelnen, auf dem oben eingeblendeten Wikipedia-Schaubild dargestellten Bereiche haben unter bestimmten Gesichtspunkten funktionell miteinander zu tun. Diese Beziehungen und Interfunktionen sollten bzw. müssen in Rechnung gestellt werden, will man diesen Bereich managementmäßig in den Griff nehmen und behalten. Praktisch hilft die Vorstellung, dass jeder im obigen Schema umrandete Bereich einen Teller darstellt, der den Anspruch erhebt, dass man über seinen Rand hinausblickt. Dasselbe gilt freilich auch für den aus den beiden Oberbegriffen „Geistiges Eigentum“ und „Wettbewerbsrecht“ gebildeten „Gesamtteller“, über dessen Rand hinauszublicken natürlich ebenfalls möglich und im Sinne des qualitätsvollen IPM sowohl erforderlich als auch lohnenswert ist. Denn für die Funktion des übergeordneten „Systems Unternehmen“ treten neben die beiden dargestellten Bereiche „Geistiges Eigentum“ und „Wettbewerbsrecht“ weitere unternehmerische Aktivitätsfelder, deren Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens mit dem qualifizierten Management des geistigen Eigentums zumindest gleichwichtig sind, z. B. die Unternehmenskommunikation, Forschung und Entwicklung, Marketing, Vertreib/Absatz, Rechnungswesen, Unternehmensfinanzierung, Controlling etc. Diese Bereiche müssen zu den Teilen des obigen Schemas hinzugedacht werden und reizvoll ist die Aufgabe, sie dort optisch zu positionieren und gedanklich Verbindungen und Überschneidungen zu identifizieren. Auch diese Bereiche stellen für sich weitere Subsysteme des Unternehmens dar, die in einem Korrespondenz- und Komplementärverhältnis zu den Systemen stehen, die oben bildlich dargestellt sind. Damit heißt IPM, alle diese Systeme zu kontrollieren und – auch in ihrer Gesamtheit – zu steuern – freilich in Kooperation mit den beteiligten anderen Unternehmensstrukturen. In dieser Globalität ist es IPM-Managementaufgabe, über die sprichwörtliche eigene Nasenspitze hinauszusehen. Bei deren Erfüllung braucht die/der IP-Mim Detail nicht auf sich gestellt zu sein, wenn es ihm/ihrgelingt, mit den Leitern*innen deranderen Abteilungen der Unternehmung und qualifizierten Externenein gut funktionierendes Netzwerk zu etablieren. Aus alledem resultiert die Erkenntnis: IPM steht in einem Gesamtzusammenhang. Von daher ergibt sich fast von allein die Forderung, IP auch im Zusammenhang zu managen: IPM muss kohärent erfolgen! Daraus ergibt sich ebenso zwanglos wie zwangsläufig, dass das IPM als System eine ebenso vertikale wie horizontale Struktur hat bzw. haben muss. Sie ist vertikal, weil in ihr das zuständige Mitglied der obersten Leitung, der IP-M, die den Fachabteilungen für die einzelnen Schutzrechte zugeordneten Referenten bis zu den zugeordneten Sachbearbeitern – jeweils soweit vorhanden – kooperieren. Und sie ist horizontal, indem alle vom IPM berührten und von ihm betroffenen Stellen des Unternehmens im Rahmen dieses Managementgeschehens zusammenarbeiten. In der Mitte dieser kreuzförmigen Struktur steht die/der IP-M, die/der die in diesem Koordinatensystem ablaufenden Prozesse initiiert und steuert.
1. Allgemein gilt: Jedes Unternehmen hat Geistiges Eigentum, jedenfalls in Form seines Unternehmens-/Firmennamens und des immer auch vorhandenen Know-hows. Meist kommt noch viel mehr dazu! Und nochmals: Das IP stellt ein System dar, das aus den dargestellten Bereichen besteht. Diese hängen zusammen. Das gilt auch für komplementäre, wichtige Unternehmensdisziplinen, wie insbesondere die Unternehmenskommunikation und dort das Marketing. Aber auch die Marktforschung, die Produktentwicklung sowie F&E haben damit Berührungspunkte. Damit bildet IP ein übergeordnetes Funktionssystem. Es ist ganzheitlich zu betrachten, und alle seine Bestanteile sind mit ihren zumeist gemeinsamen Prozessen interdependent – von einander abhängig. In dieser Ganzheitlichkeit und Komplexität ist das IP zu managen, auch in Bezug auf seine Beziehung zu den genannten weiteren Unternehmensdisziplinen. IPM ist damit eine ganz umfassende Managementdisziplin. Ich betone das deswegen nochmals besonders, weil auf dem Markt angebotene kommerzielle IPM-Lösungen, auch im Bereich der Softwareprodukte, angeboten werden, sich oftmals auf Dienstleistungen und Lösungen allein im Bereich der Fristenüberwachung bei Schutzrechten und der Organisation von Gebührenzahlungen, etwa bei Schutzrechtsverlängerungen, beschränken. Hier ist jeweils genau hinzusehen, ob Angebote das ganze IPM betreffen oder nur bestimmte Ausschnitte und deswegen letztlich nicht ausreichen.
2. Um diesen gesamten Bereich kümmert sich der/die IP-M. Ihr/sein Berufsfeld ist vergleichsweise neu, auch wenn schon 2009 ein Buch auf den Markt kam, das diese Berufsbezeichnung im Titel trug.[2] Immerhin ist ein gewisser Arbeitsmarkt hierfür entstanden. Recherchen im Internet offenbaren, dass nicht wenige Unternehmen IP-Manager suchen und bereit sind, für diese anspruchsvolle Tätigkeit durchaus angemessene oder sogar attraktive Vergütungen zu zahlen. Die Berufbezeichnung „IP-Manager/in“ ist, wie gesagt, nicht geschützt. Jeder, der als solcher arbeitet, darf sich so nennen. Das Stellenprofil der/des IP-M ist nicht festgelegt und wird u. U. von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Da jedes Unternehmen IP besitzt und auch irgendwie damit umgeht und schon bislang umgegangen ist, mehr oder weniger bewusst und mehr oder weniger geschickt und qualitätsvoll, bedeutet die Einführung eines systematischen IPM im Unternehmen zumeist keine Revolution, sondern eine Weiterentwicklung, also eine Evolution. Der/die neue IP-M fängt also nicht bei Null an! Diese Evolution auszulösen und voranzutreiben ist somit Aufgabe der/des IP-M. Um zu erfahren, von welchem Zustand und welchen Umständen im Unternehmen er/sie dabei auszugehen hat, ist es in ihrem/seinem lebhaften Interesse, zweierlei in Erfahrung zu bringen. Zum einen, wie das Unternehmen bislang mit seinem IP umgegangen ist. Zum anderen, wie die Unternehmensführung den Mitarbeitern die Einführung eines modernen IPM angekündigt und begründet hat. Das wird Ihnen aufzeigen, von welchen Gegebenheiten Sie bei Aufnahme der Tätigkeit auszugehen haben.
3. Der/die IP-M hält die angesprochenen Bereiche und die in ihnen ablaufenden Prozesse unter genauer Beobachtung. Er gewinnt und behält den Überblick. Dabei stellt sie/er sich ständig die Frage: Was von dem, das ich hierbei wahrnehme, welche Entwicklung, welche Innovation, ist von Bedeutung für das IPM, insbesondere die Schutzpositionierung des Unternehmens in näherer oder fernerer Zukunft? Wofür ist Schutz, sind Verbietungsrechte zu begründen? Dabei ist ganz wichtig, dass er/sie genau darüber informiert ist, welches der in dem vorhergehenden Schaubild Rechtgebiete (Gesetze) exakt was schützt. Er/sie informiert sich über die Entwicklungen der Rechtsprechung (z. B. bzgl. Patenten über digitale Erfindungen), so dass er die Änderungen des gesetzlich gewährten Schutzes grundsätzlich kennt. Im Einzelnen kann er/sie sich dabei auf die Informationen der Spezialisten und externen Berater des Unternehmens stützen. Es ist also nicht unbedingt erforderlich, dass die/der IP-M eine juristische oder gar volljuristische Ausbildung hat. Allerdings sollte er/sie über die gesetzlichen Schutzvoraussetzungen der Patente, Marken, Design- und Urheberrechte etc. schon bei Beginn ihrer/seiner Tätigkeit jedenfalls soviel wissen, dass er/sie ein ausreichend zutreffendes, gut wissensbasiertes Empfinden und Einschätzungsvermögen dafür besitzt, für welchen Gegenstand (Erfindung, Gestaltung, Symbol etc.) welches Schutzrecht in Betracht kommt und ggf. beansprucht werden kann. Aber nochmals: Zweifelsfragen braucht er nicht zu klären; das ist Sache der rechtskundigen Fachleute, die der/dem IP-M zuarbeiten bzw. seine Arbeit unterstützen.
4. Management des Geistigen Eigentums = Intellectual Property Management (IPM) Die Aufgabe des/der IP-M ist das Umgehen mit dem IP im weitesten Sinne. Dabei sind die Ziele, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu steigern und seinen Wert zu erhöhen, nämlichdie Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu steigern durch den Erwerb von wirklich wichtigen und schlagkräftigen Verbietungsrechten und seinen Wert zu erhöhen durch die Güte der Prozessabläufe (Funktionsstärke) und letztlich auch durch den Besitz immer wertvollerer Schutzrechte, Marken, Patente etc.
5. Anwendung der DIN-Norm 77006 im Rahmen des IPM Ganz grundsätzlich geht es bei der Anwendung der Norm 77006 um folgendes: Das Management zielt mit dem Marketing des Unternehmens darauf ab, das Unternehmen marktorientiert zu führen. Diese stets gegebene Grundausrichtung ist zu kombinieren mit der systematischen Nutzung der gesetzlichen Verbietungsrechte[3] des Gewerblichen Rechtsschutzes. Diese grundsätzliche Orientierung des IP-Managements veranlasst mich zu sagen, dass die Thematik des qualitätsvollen IP-Managements das „Rendez-vous (die Verabredung) des Rechts mit der Betriebswirtschaftslehre“ist. Dazu ist festzuhalten: DieKombination einer marktorientierten Unternehmensführung (Marketing) mit der systematischen Nutzung der gesetzlichen Verbietungsrechte des Gewerblichen Rechtsschutzes bietet den anwendenden Unternehmen eine wahrhaft einzigartige Ausgangsposition, um Erfolg im Wettbewerb zu erringen: Indem der vom Unternehmen seinen Zielgruppen angebotene und von denen wahrgenommene besondere Kundennutzen zum Gegenstand solcher exklusiven, gerichtlich durchsetzbaren Rechte gemacht wird, erwirbt der Wirtschaftsbetrieb die Möglichkeit, ein real wirkendes Monopol auf den angebotenen Kundennutzen zu erlangen und im Wettbewerb durchzusetzen.[4] In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich das IPM von Anfang an auf alle Bereiche des Geistigen Eigentums erstrecken muss und ggf. sogar auf angrenzende Unternehmensfelder oder ob es möglich ist, sozusagen klein anzufangen und langsam aufzubauen? In anderen Worten: Muss die DIN 77006 sofort allumfassend angewandt werden? Ist es möglich, im Unternehmen ein IPM im Sinne der Norm in Bezug auf einzelne Themen / einzelne Schutzrechtsgruppen zu implementieren? Grundsätzlich setzt die DIN 77006 schon ihre allumfassende Anwendung auf alle Bereiche des IP voraus. Sie unterstellt ein uneingeschränktes IPM im konkreten Unternehmen. Es handelt sich schließlich um eine das ganze Unternehmen erfassenden Managementdisziplin, wenn auch eine Spezialdisziplin. Gleichwohl ist es keineswegs ausgeschlossen, die Gedanken des IPM nach der Norm für eine Übergangsphase bereits auf einzelne IP-Bereiche anzuwenden, ohne zugleich vollständig alle IPM-Prozesse des Unternehmens mit zu erfassen. Stellen wir uns z. B. eine Markensachbearbeiterin / einen Markenreferenten vor, der aus einer Unternehmensabteilung den Auftrag bekommt, eine bestimmte Marke für einzeln aufgezählte Waren und Dienstleistungen anzumelden. Nehmen wir weiter an, er/sie würde mit einem solchen Auftrag – wie häufig und ganz regulär - keine weiteren Informationen erhalten. Statt einfach nur den Auftrag auszuführen, könnte sie/er in dieser Situation damit beginnen, aus IPM-Interesse nachzufragen: „Wofür soll die Marke benutzt werden? Für welches Projekt? Zu welchem Zweck soll sie angemeldet werden? Soll sie sich in eine Markenfamilie eingliedern?“ Und er/sie sollte ausreichend selbstbewusst und gegenüber den anderen frei und unabhängig genug sein, sich nicht mit Antworten abspeisen zu lassen, wie „Wozu sie angemeldet werden soll? Na, damit das Zeichen geschützt ist!“. Allein mit der Nachfrage der Markenreferentin und der Thematisierung dieser Aspekte wird der Weg zu einer relevanten Marke im IPM-Sinn eröffnet. Dann wird sich die entsprechende Person Gedanken machen (können), zu an sich naheliegenden Fragen wie: Wird die Marke das leisten können, was von ihr erwartet wird? „Passt“ dafür das Markenwort bzw. das Markendesign, „stimmt“ bezogen darauf das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen? Ist an Entwicklungen/Veränderung von Gegebenheiten gedacht worden (Prozessdenken)? Wie verhält die Marke sich zu den anderen Marken (und evtl. weiteren Schutzrechten, z. B. Designs) des Unternehmens, speziell im betreffenden Bereich? Droht womöglich ein Markenkannibalismus (eine Marke entwickelt sich auf Kosten anderer Marken des Unternehmens)? So wird diese Person nicht schon direkt zu einem IP-Manager, aber jedenfalls mehr zu einer Markenmanagerin, die eine IP-Managerin ja auch ist. Auch so kann im Unternehmen eine IPM-Kultur und beim einzelnen Unternehmensangehörigen – und allen zusammen - eine IPM-Mentalität entstehen.
6. Dazu gehört, dass man Dinge neu betrachtet, Sachen hinterfragt und zu neuen Perspektiven drängt. So betrachteten eines Tages die Markenverantwortlichen eines großen französischen Unternehmens der Kosmetik- und Parfümindustrie dessen Portfolios von sage und schreibe 12.000 Marken. Wer weiß, welche Ausgaben das Unternehmen hatte, um den dafür erforderlichen Maßnahmen für Recherchen, Aufrechterhaltung und Markenschutz zu bezahlen, kann sich vorstellen, was diese Markenmenge an Kosten darstellte. Angesichts dieses Bergs an Markens begannen sie sich zu fragen: „Warum und wofür um Himmels Willen haben wir so viele Marke?“ Aber es kamen noch mehr Fragen hinzu: „Werden diese Marken überhaupt alle benutzt? Welche werden wozu benutzt? Gibt es für jede benutzte Marke eine Strategie? Wie ist es eigentlich mit der Kostentransparenz in diesem Gebiet?“ Und mindestens eine ganz wichtige Frage kam noch hinzu: „Verdienen all´ diese Marken überhaupt Geld und, wenn ja, wie viel?“ Denn dafür werden die Marken ja letztlich geschaffen und unterhalten. Es ist ihr Zweck, sich auszuzahlen. Das muss jeder Markeninhaber im Blick haben und kontrollieren. Das Ergebnis bei der französischen Firma: deutliche Entrümpelung des Markenportfolios, Verschlankung, teils durch - behutsame und wohlüberlegte - Aufgabe nichtbenutzter Marken, teils durch Verkauf, soweit nicht ein strategischer relaunch in absehbarer Zukunft in Betracht kam und keine Verwirrung der Verbraucher zu befürchten ist. Die Kostenentlastung war erheblich! Die Effizienzsteigerung des Markenportfolios auch!
7. Betrachten wir das Vermögen eines Unternehmens, die Formen seines Reichtums: Es besteht aus mehreren Bestandteilen, jedenfalls dem Finanzvermögen, dem Sach- oder Anlagevermögen und dem sog. immateriellen Vermögen. Zu letzterem gehört das Geistige Eigentum (IP, alle Patente und Marken etc., aber z. B. auch das Know-how des Unternehmens). Der Wertanteil des IP am Gesamtvermögen hat ständig zugenommen und es hat die Tendenz, seinen Prozentanteil weiter zu erhöhen. Die Bedeutung des Werts von berühmten Marken wie Coca Cola, Apple, Google, Louis Vuitton etc. und neuerdings TESLA ist bekannt. Auf das Management des Finanzvermögens und des Anlagevermögen verwenden die Unternehmen traditionell viel Energie, behandeln im Vergleich dazu ihr IP aber eher stiefmütterlich. Das soll sich mit dem IPM ändern, und zwar deutlich. Mit der DIN 77006 ist die Möglichkeit entstanden, dass nicht nur Großunternehmen ihr IP qualifiziert und qualitätsvoll managen, sondern auch Unternehmen des Mittelstands. Aber zur Klarstellung: Es geht nicht allein um eine gute Verzinsung des in den Aufbau gesetzlicher Schutzrechte investierten Kapitals, sondern um die bestmögliche Nutzung der Potentiale des Unternehmens ganz allgemein und die Generierung gesetzlichen Schutzes hierfür.
8. Um sich wirksam daran zu beteiligen, die Unternehmensziele zu erreichen, ist zu fordern, dass das IPM - geschäftsmodell-, - wertschöpfungs- und - prozessorientiert ist. Diese drei Begriffe greift die DIN 77006 auf, zumindest inhaltlich. Was ist jeweils darunter zu verstehen? a. geschäftsmodellorientiert Jedes Unternehmen ist bestrebt, die Idee seines ganz eigenen Geschäftsmodells[5](3.16)[6] Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei hat ihm sein IP-Management zu dienen. Demzufolge müssen die im IP-Management Verantwortlichen diejenigen Entscheidungen treffen und Prozesse betreiben, die am intensivsten und nachhaltigsten dazu beitragen, das Geschäftsmodell umzusetzen. Maßnahmen und Vorgänge, die nicht im gleichen Maße dazu beitragen, sind verhaltener zu betreiben oder zurückzustellen. Die DIN-Norm 77006 hebt im besonderen Maß die Erforderlichkeit der Geschäftsmodellorientierung des IPM hervor. Von besonderer Relevanz ist dabei die Anforderung gemäß 5.1.2 zur Frage der IP-Strategie, dass diese „aus dem Geschäftsmodell abgeleitet ist“ und zur Erreichung der Strategieziele sicherstellen muss, dass diese Ziele ebenfalls geschäftsmodellbasiert sind. Dasselbe gilt auch für die Wege, die das Unternehmen zur Zielerreichung einzuschlagen gedenkt. b. wertschöpfungsorientiert Unternehmerisches Handeln hat zum Ziel, innerhalb der Grenzen des Rechts und – im Interesse der Nachhaltigkeit – auch mit einer gewissen Gemeinwohlorientierung Geld zu verdienen und das Unternehmensvermögen zu mehren. Daraus folgt, dass sich das IPM primär denjenigen Prozessen zuzuwenden hat, die nachhaltig und dauerhaft helfen, dieses Ziel zu erreichen. Auch hier sind Maßnahmen und Vorgänge, die nicht im gleichen Maße dazu beitragen, zurückzustellen und zu überprüfen. c. prozessorientiert IPM fokussiert die werttreibenden Prozesse im Unternehmen und verstärkt und sichert sie mit den Mitteln des Rechts ab. Zugleich ist sich das IP-Management seiner eigenen Prozesse bewusst und bestrebt, ihren Wirkungsgrad zu optimieren. Die überragende Bedeutung der Prozesse, die IP-relevant sind und dazu beitragen, Ergebnisse des IPM hervorzubringen, wird für den gegebenen Zusammenhang dokumentiert durch die Unterabschnitte der Norm DIN 77006 4.4 („IP-Managementsystem und seine Prozesse) und 8.4 („Prozesse der Erbringung von IP-Leistungen“). Dass, wie der IPM-Leitfaden DIN 77006 hervorhebt, die IPM-Prozesse betriebsintern, aber – in einem gewissen Rahmen - auch außerhalb des Wirtschaftsbetriebs durchgeführt werden können und häufig werden, ist angesichts der gewohnheitsmäßigen Kooperation der Unternehmen mit externen Beratern eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Betonung dieses Umstandes ist gleichwohl äußerst gerechtfertigt. Denn die Gegebenheiten dieser Zusammenarbeiten im IP-Bereich zu überprüfen und zu optimieren, ist ein nicht unwesentliches Anliegen des IPM.
9. Ein entscheidend wichtiges taktisches Ziel des IPM ist der Erwerb relevanter Verbietungsrechte. Gründlich behandeln und vertiefen möchte ich das Thema der relevanten Verbietungsrechte[7] im zweiten Modul, aber schon an dieser Stelle soviel dazu: Es geht beim Erwerb von Schutzrechten ja nicht darum, irgendeine beliebige Marke oder irgendein Patent erteilt zu bekommen. Das war auch bisher bei den – ich denke: allermeisten – Unternehmen auch nie der Fall. Dafür waren und sind die Schutzrechte und alles was damit zusammenhängt, viel zu teuer – und bedeutsam. Aber vielleicht hätten die Schwerpunkte bisweilen doch etwas anders und im Ergebnis effizienter gesetzt werden können. Ein Verbietungsrecht ist die Befugnis, von einem anderen, im gegebenen Kontext: einem Wettbewerber, zu verlangen, dass er etwas unterlässt. Mit einem relevanten Verbietungsrecht unterbinde ich einem Konkurrenten etwas, was mich im Wettbewerb richtig stört. Es geht darum, eigene belangreiche Handlungsspielräume (neudeutsch: FTO = freedomtooperate) zu schützen und neue zu erwerben. Belangreich können sie sein, wenn es sich um völlige Neuigkeiten handelt. Zu denen die Wettbewerber keinen Zugang haben sollen. Diese „Aussperrfunktion“ der Schutzrechte ist natürlich ganz wesentlich. Aber anderes kommt hinzu – dazu, wie gesagt, später. Aber wichtig ist mir, schon an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der Blick auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen immer unerlässlich ist. Wenn ein Unternehmen ein Vorhaben hat, etwa eine Marke erwerben möchte, wird es gut beraten sein zu prüfen, ob denn das ausgewählte Zeichen sowohl markenfähig als auch schutzfähig ist. Ferner sollte geklärt sein, wie groß denn der Schutzumfang für die ausgewählten Waren und Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet werden soll, ausfallen wird. Das ist durchaus juristische Arbeit, die der IP-Manager zu lösen hat, ggf. mit der Hilfe Externer. Analog gilt das auch für die Anmeldung von Patenten. Auch in Bezug auf diese Schutzrechte ist schon frühzeitig zu fragen, welche Schutzansprüche für die Erfindung wohl angemeldet werden könnten, auch natürlich, welchen Schutzumfang das Patent denn wohl wird in Anspruch nehmen können. Sollte die Überprüfung zeigen, dass der erreichbare Schutzumfang das Schutzbedürfnis des Unternehmens und den Bedarf an FTO nicht ausreichend befriedigen kann, ist zu überlegen, ob nicht noch ein Mehr an F&E betrieben werden sollte, um den Schutzumfang zu weiten. Allerdings wird dabei auch immer in Rechnung gestellt werden müssen, dass die Kosten mit dem Weiterführen der F&E-Arbeit exponentiell steigen und der erwartbare Nutzen die Ausgaben ggf. nicht rechtfertigt. Gegenwärtig gibt es ein regelrechte Hype-Thema: Das ist der Erwerb von Patentschutz für „digitale“ Erfindungen. Es besteht womöglich oder tatsächlich eine zu große Unkenntnis darüber, dass auch diese Art Erfindungen dem Patentschutz zugänglich sind bzw. sein können. Aber Schutz kann ihnen natürlich nur gewährt werden, wenn sie in jedem Einzelfall die Voraussetzungen der Schutzvorschriften erfüllen. Auch das muss jeweils genau geprüft werden, ggf. mit Hilfe Externer. Der Hinweis ist mir deswegen wichtig, weil das eine der wesentlichen Fragen ist, um die sich der IP-Manager kümmern muss: Was von dem, das im Unternehmen entwickelt wird bzw. entsteht, ist wirklich wichtig und aussichtsreich, was davon hat das Potential, das Unternehmen voranzubringen und seinen Bestand nicht nur zu sichern, sondern auch seine Zukunft vorteilhaft zu gestalten bzw. es weiter blühen zu lassen. Auch in diesem Zusammenhang wird klar, dass die/der IP-M wirklich sehr gut darüber Bescheid wissen muss, was im Unternehmen geschieht. Das belegt, welche enorme Bedeutung die Worte Kommunikation und Kooperation für eine erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe des/der IP-M hat, worauf nicht oft genug hingewiesen werden kann.
10. Gewagte Behauptung meinerseits: Ein relevantes Verbietungsrecht ist ein solches, das den Kundennutzen schützt. Was heißt das? Werden damit nicht zwei Bereiche miteinander vermengt, die gedanklich scharf zu trennen sind, nämlich das Rechtliche und das Betriebswirtschaftliche? Nicht wirklich: Schutzumfang heißt auch, dass der Schutz mit größtmöglicher Kraft gerade dort wirkt, wo die Konkurrenten am Heftigsten aufeinander prallen, nämlich bei der Kaufentscheidung des Kunden. Dort muss die Schutzwirkung einsetzen und dazu führen, dass das eigene Unternehmen punktet und vorgezogen wird! Weiter dazu später im Modul 2!
11. Grundsätzliches zu den Aufgaben der/des IP-M: Das Prinzip ist relativ einfach: Er/sie hat dafür zu sorgen, dass das IP-Wesen des Unternehmens und sein IP-Geschehen (zumindest) den Anforderungen der DIN 77006 entsprechen. Dafür muss er alle IP-bezogenen Umstände und Prozesse seines Unternehmens in den Blick nehmen, in den Griff bekommen und sodann – kooperativ mit den anderen beteiligten Unternehmensinstanzen – lenken mit dem Ziel, ein qualitätsvolles IPM im Sinne der DIN 77006 zu verwirklichen. Dazu muss er sich grundsätzlich den IPM-Einzelaufgaben zuwenden: 1. Aufnahme des IST-Zustands, der Situation, in der der IP-Manager seine Tätigkeit entfalten soll a. Erkennen und aufnehmen, was IPM-Relevantes im Unternehmen bisher geschehen ist und weiter geschieht. Welche Umstände und Prozesse sind das? Welche Strukturen und vor allem Personen sind daran beteiligt? b. Im Zusammenhang damit: Kenntnis des Innovations- und Prozessmanagements des Unternehmens und angemessene Beteiligung daran. c. Unerlässlich für der Beurteilung und Bewertung der Vorgänge ist: Kenntnis der - eigenen Unternehmensstrategie - Marktverhältnisse und –entwicklungen - weiteren Marktgegebenheiten, wie Wettbewerber, Marktanteile, Fluktuationen, Abnehmer-/Käuferverhalten, Innovations- und Investitionsgeschehen, Fragen des IP-Personalmanagements (IP-HRM: IP-Human-Resources-Management) etc. 2. Klären: Wer ist an diesen Umständen und Prozessen im eigenen Unternehmen beteiligt (welche Unternehmensbereiche, welche Personen?) 3. Bestandsaufnahme: Über welche Verbietungsrechte (IPR) verfügt das Unternehmen? Qualitätsüberprüfung: Welchen taktischen und ökonomischen Wert haben sie? 4. Bedarfsermittlung: Welche Verbietungsrechte werden gegenwärtig kurzfristig und vor allem zukünftig benötigt? Welche Finanzmittel (Budgets) werden dafür benötigt? 5. Implementierung des IPM in der Unternehmenspraxis: Erfinden und installieren der IPM-Routinen 6. Kontrolle und Umsetzung der Kontrollergebnisse
12. Wichtige „Neben“aspekte: Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft Sie sind abhängig von dem Informationsgeschehen, an dem die Beteiligten, also auch der/die IP-M, teilhaben. Das betrifft zum einen das unternehmensinterne Informationsgeschehen, denn die/der IP-M muss informiert sein, welche Projekte entwickelt werden sollen oder bereits entwickelt werden, damit er/sie Vorkehrungen für den Schutz entstehender und notwendiger oder vorteilhafter Innovationen treffen kann. Die Wichtigkeit der Teilhabe des/der IP-M an den im Unternehmen generierten und ausgetauschten Informationen kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Diese Teilhabe der/des IP-M an solchen für ihn ja eventuell relevanten Informationen macht sein/ihr IPM erst lebendig, verleiht ihm Leben und Kraft. Für alle Mitteilungen und Angaben über Umstände, die zu relevanten Verbietungsrechten führen können, muss der/die IP-M eine zentrale Anlaufstelle sein. Er/sie ist so oder so Geheimnisträger im Unternehmen. Es gibt keinen Grund, sie/ihn von irgendwelchen Informationen auszuschließen. Zum anderen betrifft das aber auch das externe Informationsgeschehen. Es gibt dazu z. B. die Stichworte: Markeninformationsmanagement. Hier geht es darum den Markenbestand der wesentlichen Wettbewerber kennen zu lernen und dessen Entwicklung zu überwachen. Daraus lassen sich ggf. interessante Schlüsse auf das strategische Verhalten und Vorhaben der Konkurrenten ziehen. Dasselbe gilt analog für das Patentinformationsmanagement. Auch das Patentierungsverhalten der Konkurrenten kann etwas aussagen über das Vorhaben der Wettbewerber, aber auch ihre Kompetenz. Ferner enthalten die Veröffentlichungen der Patentämter Angaben über die Person der Erfinder. Handelt es sich um ein technologisch und/oder wettbewerblich bedeutendes Patent und kehrt dieser Name bei weiteren wichtigen Patenten als Erfinder wieder, könnte er die Personalabteilung interessieren, da jedes Unternehmen danach strebt, „Schlüsselerfinder“ einzustellen. Wichtig ist aber auch die Unterrichtung der beteiligten Unternehmenseinheiten über die Möglichkeiten und Vorteile sowie über die Leistungen und Erfolge des systematischen, strategischen IPM. Das fördert die Akzeptanz des IPM im Unternehmen, aber auch die Bereitschaft der anderen Unternehmensangehörigen, mit dem IPM zu kooperieren.
Modul 2
Konzeption eines konkret passenden IPM
Gerade erst im Juni 2020 hat das Deutsche Institut für Normung, bekannt unter dem Kürzel DIN, eine Qualitätsmanagement-Norm zum Thema Intellectual Property Management veröffentlicht. Es handelt sich dabei um die DIN-Norm 77006 „Intellectual Property Management - Anforderungen“. Erfahrungen mit der Anwendung der Norm und der Gestaltung des betrieblichen Intellectual Property Managements nach ihren Anforderungen liegen gegenwärtig noch nicht vor. Es kann daher noch nicht berichtet werden, wie ein IPM nach dieser Norm in den unterschiedlichen Unternehmen gestaltet und sich ausgewirkt, vor allem, ob es sich bewährt hat.
Immerhin hat die Norm aber auch die Qualität eines Leitfadens, worauf ich in meiner Veröffentlichung „IP-Management à la Norm“[8] nachdrücklich hingewiesen habe. Die darin enthaltnen Gedanken und Anstöße können infolgedessen als Anregung herangezogen und ggf. als Wegweiser genutzt werden, wenn es darum geht, ein konkret passendes IPM für ein bestimmtes Unternehmen zu konzipieren und zu installieren.
Der eigentlichen Norm hat das DIN einen rein informativen Anhang A angehängt. Die Teile dieses Anhangs nehmen Bezug auf die einzelnen Abschnitte der Norm selbst und erläutern und kommentieren sie. Deswegen empfiehlt es sich, immer die einzelne Regelung der Norm zusammen mit dem entsprechenden Abschnitt des Anhangs A zu lesen, was dadurch erleichtert wird, dass der Anhang A weitgehend der Nummerierung des Hauptteils der Norm entspricht . Beide Teile, sowohl die Norm als auch der Anhang A, sind für Unternehmen gleich welcher Art, Branchenzugehörigkeit und Größe anwendbar. Sie können in allen Einzelfällen herangezogen werden, wenn es darum geht, ein konkret passendes IPM für ein bestimmtes, einzelnes Unternehmen zu konzipieren.
Folgt man ihnen, wird man unweigerlich feststellen, dass das übergeordnete Ziel des IPM „in der systematischen Erfolgssteigerung durch Optimierung der Aneignung von Innovationsrenditen“ ist (sh. Wikipedia, Stichwort „Intellectual Property Management“): Zu diesem Zweck müsse das IPM notwendigerweise einen interdisziplinären Charakter aufweisen. Eine Einschätzung, der man schwerlich widersprechen kann. In diesem Sinn geht es auch in diesem und den anderen Modulen dieses Weiterbildungsversuchs interdisziplinär weiter.
Worauf es dabei ankommt, möchte ich anhand eines konkreten Beispiels klarmachen, das zudem die Projektbezogenheit des IPM anschaulich macht.
Stellen wir uns ein Unternehmen vor, das u. a. Produkte für den Badezimmer- und Toilettenbereich herstellt. Die Geschäftsführung verfolgt Wachstumsstrategien und erwartet in allen Bereichen Innovationen. Die Mitarbeiter der Abteilung „Sanitär“ folgen dem und denken nach über ein Produkt, das auf die Verbraucher ganz anders wirkt, als das Gewohnte. Man wählt ein ganz gewöhnliches Erzeugnis aus und denkt nach über dessen Gestaltung – dessen eventuelle Neugestaltung.[9] Es ist ein „Klo-Deo“, das das Innere einer Kloschüssel sauber hält und für angenehmen Duft sorgt. Erzeugnisse dieser Art haben ein üblicherweise sehr unscheinbares und banales Äußeres. Man wendet sich an eine sehr bekannte italienische Designagentur und kommt bei einem gemeinsamen brain-storming auf den Gedanken, die Erscheinung des Produktes so zu gestalten, dass es, anders als die herkömmlichen Erzeugnisse dieser Art, die Ideen von Frische, Luft, Meer, Jugendlichkeit und sportliche Aktivität transportiert und entsprechende positive Assoziationen auslöst. Davon verspricht sich das Team eine ganz andere, ganz neue und positive Produktwahrnehmung durch die Zielgruppen und bessere Verkaufserlöse. Das Designstudio entwickelte sodann eine völlig neue Vorstellung davon, wie „Klo-Deos“ aussehen können.
Das Ergebnis sah folgendermaßen aus:
Mit diesem Erscheinungsbild unterschied sich dieses Erzeugnis grundlegend von den vielen bekannten Gestaltungen, wie der Blick auf die nächste Abbildung zeigt:
Herkömmliche Formgebungen sind also eher nichtssagend und rufen bei dem Betrachter zumeist rein gar nichts auf.
Die Gestaltung des neuen Produkts zeigt einen stilisierten Surfer, der in der typischen zurückgelehnten Haltung auf einem Surfbrett steht und ein Surfsegel in den Händen hält. Surfer und Segel sind dabei die beiden Behältnisse, die die Reinigungs- und die Duftflüssigkeiten aufnehmen. Das Erzeugnis wird wie üblich mit einem kleinen Plastikbügel in die Kloschüssel gehängt und entfaltet seine reinigende und geruchsverbessernde Wirkung bei jedem Spülvorgang.
Das Produkt, das den beziehungsvollen Namen „Fresh Surfer“ erhielt, war in der Lage, begleitet von entsprechenden PR-Maßnahmen, die Aufmerksam des Publikums zu erregen, wie sich zeigte, sogar in besonderem Maße. Denn hier präsentierte sich endlich etwas Besonderes! Und etwas, das vor allem völlig unerwartet war. Es machte Spaß, diese Gestaltung wahrzunehmen und sich für dieses Produkt zu entscheiden. Vielleicht freute sich der Käufer/die Erwerberin sogar beim Kaufakt schon im Voraus auf die Reaktionen der anderen Personen im Haushalt auf dieses neue Klo-Deo oder auf die von Freunden und Gästen, wenn sie zu Besuch waren und die Toilette aufgesucht und den „Fresh Surfer“ entdeckt hatten.
Einmal geboren, war die Idee des „Fresh Surfer“ ihrerseits Quelle der Inspiration. Sie regte an und verleitete dazu, Komplementärprodukte (vielleicht sogar für eine eventuelle Produktfamilie!) zu ersinnen, wie etwa den „Jet-Ski“
(EU-Design 496567-0001),
der in der Lage ist, die mehr der Motorisierung zugeneigten Zeitgenossen anzusprechen, denen das Surfen vielleicht zu anstrengend ist…
Für den Hersteller des Klo-Deos wurde das neue Projekt zu einem beachtlichen Erfolg. Es sorgte für einen wesentlichen Anstieg der Verkaufzahlen dieser Produktkategorie und bekam eine Medaille für die höchste Zuwachsrate im Produktabsatz des Unternehmens. Zugleich waren die Produktqualitäten in der Lage, für ein deutlich höheres Preisniveau zu sorgen: Es erzielte regelrechte - relative - Premium-Preise.
Interessant war, dass dieser Fresh-Surfer trotz seines Erfolgs schon nach ziemlich kurzer Zeit wieder vom Markt verschwand. Das lag daran, dass dieses Erzeugnis so gar nicht zu den Produktlinien passte, für die das italienische Designbüro seine Erfolgsgestaltungen bislang geschaffen hatte. Es wurde von nun an mit der Welt der Aborte in Verbindung gebracht, was sich in einer deutlichen Verschlechterung seines Unternehmensimages auswirkte. Es zog seine Urheberrechtslizenzen zurück, so dass der Hersteller des Fresh-Surfers über kurz oder lang dessen erfolgreichen Vertrieb wieder einstellen musste. Das ist ein auch unter IPM-Aspekten durchaus interessanter, bedenkenswerter Vorgang!
Der „Fresh-Surfer“ war ein Produkt, für das gleich eine Mehrzahl von „Verbietungsrechten“ mobilisiert werden konnte: So die Wortmarke „Fresh Surfer“ für die Produktbezeichnung, eine 3D-Marke für die Erscheinung des Produkts, ebenso ein Designrecht für die Formgebung, ggf. sogar ein Urheberrecht, sicherlich auch wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz.
Es ist nicht bekannt, ob bei der Herstellerfirma in diesem Projekt ein IP-Manager mitwirkte. Aber es ist von Interesse, sich vorzustellen, wie er dabei hätte agieren können.
Die Geschichte des Fresh-Surfers ist für das IPM der Herstellerfirma unter mehreren Gesichtspunkten lehrreich und erhellend:
1. Der Erfolg beruhte auf der Kooperation verschiedener Unternehmensteile bzw. Beteiligter: Marktbeobachtung bzw. –forschung, Produktentwicklung, außen stehender Designer, Marketing/Vertrieb, Marken- bzw. Rechtsabteilung, ggf. weitere externe Dienstleister (PatAe, RAe).
- Quote paper
- Axel Mittelstaedt (Author), 2022, Das Intellectual Property Management (IPM) unter Berücksichtigung der DIN 77006, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1171143
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